19
Oder:
Den flüchtigen Tagen
Mehrt keine Gewalt;
Die Räder am Wagen
Entfliehn nicht so bald.
Wie Blitze verfliegen,
So find sie dahin!
Ich will mich vergnügen
So lang' ich noch bin. (I. L. Gleim.)
Oder bei Beschreibung des Kampfes zwischen den Göttern
und den Titanen:
-----Laut rauschte die Fluth des unendlichen Meeres,
Laut auch krachte die Erd', und es dröhnte der wölbende Himmel,
Mächtig bewegt, ja von unten erbebten die Höh'n des Olympos
Durch der Unsterblichen Schwung; selbst drang die Erschütterung graunvoll
Bis in des Tartaros Nacht vom Gestampf, und der gellende Ausruf
Vom endlosen Getös' und der Würf' anprallendes Schmettern.
Ferner die Worte der Ino, als sie ins Meer gestürzt ist:
Wo bin ich, o Himmel!
Ich athme noch Leben. —
O Wunder! ich walle
. Im Meere! mich heben
Die Wellen empor!
Der R e i m trägt viel zur Erhöhung des Wohlklanges bei,
aber er muß ungezwungen sein. Man muß nie merken, daß der
Dichter ihn herbeigezogen hat. Z. B. wenn es in einem sonst
schönen Liede heißt:
Gelobt fei, der den Frühling schafft,
Gott, der den Erdkreis schmücket!
Preis fei ihm, Ehre, Stärk' und Kraft,
Der, was er schuf, beglücket!
so ist augenscheinlich der Reim Kraft herbeigezogen; denn theils
ist Stärke und Kraft ziemlich dasselbe, theils kann man auch
wohl sagen: Gott sei Preis und Ehre, aber nicht Stärke und
Kraft. In einer andern Strophe desselben Liedes heißt es:
Der Erde Antlitz ist verjüngt,
Erheitert glänzt der Himmel;
Gebirg' und Thal und Wald erklingt
Vom freudigen Getümmel.
2 *
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81
Als senkte sich sein zweifelhafter Schein
Auf eines Weltballs ausgebrannte Trümmer,
So goß der Mond auf diese Wüstenei'n
Voll trüber Nebeldämm'rung seine Schimmer.
Da hieß aus dieses Chaos alter Nacht
Der Herr, so weit des Leman's 10) Fluthen wallten,
Voll sanfter Anmuth, voll erhab'ner Pracht
Sich zauberisch dies Paradies entfalten;
Dies stolzumthürmte Land, gleich Tempe's Flur, n)
Mit jedem Reiz der Schöpfung übergössen!
Dies Wunderwerk der göttlichen Natur,
Von Schönheit, wie von Glanz die Sonn', umflossen —
Wo Jener, dessen heil'gen Aschenkrug
Mit Eichenlaub die Wahrheit selbst umwunden,
Die Bahn zum unerreichten Adlerflug
In Heloisens Zauberwelt gefunden. 12)
Und wär' ich auch mit Haller's Wissenschaft, w)
Von Grönland's Eis bis zu Tahiti's Wogen
Mit Geßner's") Blick, mit Anson's^) Heldenkraft,
Mit Claude Lorrain's^) Kunst die Erd' umflogen:
Doch weiht' ich ewig im Erinn'rungstraum
Nur dir der Sehnsucht und des Dankes Thränen:
Doch würd' ich mich in jedem Schöpfungsraum,
O See! verbannt aus deinen Himmeln wähnen.
Schön ist's, von Aetna's Haupt des Meeres Plan
Doll grüner Eiland', und die Fabelauen
Sicilien's und Stromboli's Vulkan,
Beglänzt von Phöbus erstem Strahl, zu schauen;
Doch schöner, wenn der Sommertag sich neigt,
Den Zaubersee, hoch von der Dole Rücken,
Wie Luna's Silberhörner sanft gebeugt,
Umragt von Niesengipfeln, zu erblicken. 10 11 12 13 * 15 16
10) Der lateinische Name des Genfersees.
11) Tempe war ein reizendes Thal in Thessalien, einem Theile des alten Griechenlands.
12) Der Dichter meint den Philosophen I. I. Rousseau aus Eens, der den Roman:
„die neue Heloise" schrieb.
13) Albrecht v. Haller war ein großer Dichter, Naturforscher und Arzt, und starb 1777
in seiner Vaterstadt Bern.
ii) Salomon Geßner war in Zürich Landschaftsmaler und Botaniker, ist als Jdyllen-
dichter geschätzt und starb 1787.
15) Anson war einer der größten Seehelden Englands in der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts.
16) Claude Lorratn, ein berühmter französischer Landschaftsmaler.
Literaturgesch. v. Nösselt. I. 6. Aust.
6
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Extrahierte Personennamen: Eichenlaub Claude_Lorrain's^ Luna's_Silberhörner Albrecht_v Albrecht Salomon_Geßner Anson Claude_Lorratn
89
Du, dessen Thron das Ebenbild
Des Throns der Himmel ist auf Erden,
Mich schirme deiner Gnade Schild;
So soll dir meine Antwort werden:
Du thronest hier in einem Saal,
Zu dem geöffnet sind vier Thüren;
Und deinen Thron sieht allzumal,
Wen du durch eine lässest führen.
Daß ich des Weges nicht geirrt,
Des mußte mir dein Bote frommen;
Und nun weiß ich, vom Glanz verwirrt,
Nicht, welches Wegs ich bin gekommen. (Nückert.)
Paramythic: Die Lilie und die Rose
(von Herder).
„Sagt mir, ihr holden Töchter der rauhen, schwarzen Erde, wer gab
euch eure schöne Gestalt? denn wahrlich! von niedlichen Fingern seid ihr ge-
bildet. Welche kleine Geister stiegen aus euern Kelchen empor? und welch
Vergnügen fühltet ihr, da sich Göttinnen aus euren Blättern wiegten? —
Sagt mir, friedliche Blumen, wie theilten sie sich in ihr erfreuend Geschäft,
und winkten einander zu, wenn ffe ihr seines Gewebe so vielfach spannen,
so vielfach zierten und stickten? — Aber ihr schweigt, holdselige Kinder, und
genießt eures Daseins. Wohlan! mir soll die lehrende Fabel erzählen, was
euer Mund mir verschweigt."
Als einst, ein nackter Fels, die Erde dastand, siehe! da trug eine freund-
liche Schaar von Nymphen den jungfreulichen Boden hinan, und gefällige
Genien waren bereit, den nackten Fels zu beblümen. Vielfach theilten sie
sich in ihr Geschäft. Schon unter Schnee und im kalten, kleinen Grase
sing die bescheidene Demuth an, und webte das sich verbergende Veilchen.
Die Hoffnung trat hinter ihr her, und füllte mit kühlenden Düften die
kleinen Kelche der erquickenden Hyacinthe. Jetzt kam, da es jenen so wohl
gelang, ein stolzer prangender Chor vielfarbiger Schönen. Die Tulpe erhob
ihr Haupt! die Narcisse blickte umher mit ihrem schmachtenden Auge.
Viel' andre Göttinnen und Nymphen beschäftigen sich auf mancherlei
Art und schmückten die Erde, frohlockend über ihr schönes Gebilde.
Und siehe! als ein großer Theil von ihren Werken mit seinem Ruhm und
ihrer Freude daran verblüht war, sprach Venus, zu ihren Grazien also: „Was
säumt ihr, Schwestern der Anmuth? Aus! und webt von euren Reizen auch
eine sterbliche, sichtbare Blüthe!" Sie gingen zur Erd' hinab, und Aglaja,
die Grazie der Unschuld, bildete die Lilie, Thalia und Euphrosyne
webten mit schwesterlicher Hand die Blume der Freude und Liebe, die jung-
fräuliche Rose.
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193
Wie soll ich euch genug mit Freud' und Segen
Empfangen, die ihr mir das Bild der Helden,
Die ich von Eltern her verehren lernte,
Entgegenbringet und das innre Herz
Mit neuer schöner Hoffnung schmeichelnd labet!
Orest. Verbirgst du deinen Namen, deine Herkunst
Mit klugem Vorsatz? oder darf ich wissen,
Wer mir, gleich einer Himmlischen, begegnet?
Jphigenia. Du sollst mich kennen. Jetzo sag' mir an,
Was ich nur halb von deinem Bruder hörte,
Das Ende derer, die von Troja kehrend
Ein hartes, unerwartetes Geschick
Auf ihrer Wohnung Schwelle stumm empfing.
Zwar ward ich jung an diesen Strand geführt;
Doch wohl erinnr' ich mich des scheuen Blicks,
Den ich mit Staunen und mit Bangigkeit
Aus jene Helden warf. Sie zogen aus.
Als hätte der Olymp sich aufgethan
Und die Gestalten der erlauchten Vorwelt
Zum Schrecken Jlion's herabgesendet.
Und Agamemnon war vor Allen herrlich!
O sage mir! Er fiel, sein Haus betretend,
Durch seiner Frauen und Aegisthens Tücke?
Orest. Du sagst's!
Jphigenia. Weh dir, unseliges Mhcen!
So haben Tantal's Enkel Fluch aus Fluch
Mit vollen wilden Händen ausgesä't!
Und gleich dem Unkraut, wüste Häupter schüttelnd
Und tausendfält'gen Samen um sich streuend,
Den Kindeskindern nahverwandte Mörder
Zur ew'gen Wechselwuth erzeugt! Enthülle,
Was von der Rede deines Bruders schnell
Die Finsterniß des Schreckens mir verdeckte!
Wie ist des großen Stammes letzter Sohn,
Das holde Kind, bestimmt des Vaters Rächer
Dereinst zu sein, wie ist Orest dem Tage
Des Bluts entgangen? Hat ein gleich Geschick
Mit des Avernus Netzen ihn umschlungen?
Ist er gerettet? Lebt er? Lebt Elektra?
Orest. Sie leben.
Jphigenia. Goldne Sonne, leihe mir
Die schönsten Strahlen, lege sie zum Dank
Vor Jovis Thron! Denn ich bin arm und stumm.
Orest. Bist du gastfreundlich diesem Königshause,
Bist du mit nähern Banden ihm verbunden,
Litcraturgesch. v. Nösselt. I. 6. Aufl. iz
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197
Du rettest den Verbrecher nicht, zu dem
Du dich gesellst, und theilest Fluch und Noth.
Jphigenia. Mein Schicksal ist an deines sest gebunden.
Orest. Mit Nichten! Laß allein und unbegleitet
Mich zu den Todten gehn. Verhülltest du
In deinen Schleier selbst den Schuldigen:
Du birgst ihn nicht vorm Blick der Jmmerwachen,
Und deine Gegenwart, du Himmlische,
Drängt sie nur seitwärts und verscheucht sie nicht.
Sie dürsen mit den ehr'nen srechen Füßen
Des heil'gen Waldes Boden nicht betreten;
Doch hör' ich aus der Ferne hier und da
Ihr gräßliches Gelächter. Wölfe harren
So um den Baum, auf den ein Reisender
Sich rettete. Da draußen ruhen sie
Gelagert; und verlaß' ich diesen Hain,
Dann steigen sie, die Schlangenhäupter schüttelnd,
Von allen Seiten Staub erregend auf
Und treiben ihre Beute vor sich her.
Jphigenia. Kannst du, Orest, ein freundlich Wort vernehmen?
Orest. Spar' es für einen Freund der Götter auf.
Jphigenia. Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht.
Orest. Durch Rauch und Qualm seh' ich den matten Schein
Des Todtenstusses mir zur Hölle leuchten.
Jphigenia. Hast du Elektren, Eine Schwester nur?
Orest. Die. Eine kannt' ich; doch die ült'ste nahm
Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien,
Bei Zeiten aus dem Elend unsers Hauses.
O laß dein Fragen und geselle dich
Richt auch zu den Erinhen; sie blasen
Mir schadenfroh die Asche von der Seele
Und leiden nicht, daß sich die letzten Kohlen
Von unsers Hauses Schreckensbrande still
In mir verglimmen. Soll die Gluth denn ewig
Vorsätzlich angefacht, mit Höllenschwefel
Genährt, mir auf der Seele marternd brennen?
Jphigenia. Ich bringe süßes Rauchwerk in die Flamme.
O laß den reinen Hauch der Liebe dir
Die Gluth des Busens leise wehend kühlen!
Orest, mein Theurer, kannst du nicht vernehmen?
Hat das Geleit der Schrecke sgötter so
Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?
Schleicht, wie vom Haupt der gräßlichen Gorgone,
Versteinernd dir ein Zauber durch die Glieder?
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199
Entferne deinen Arm von meiner Brust!
Und wenn du einen Jüngling rettend lieben,
Das schöne Glück ihm zärtlich bieten willst,
So wende meinem Freunde dein Gemüth
Dem würd'gern Manne zu. Er irrt umher
Auf jenem Felsenpfade; such' ihn auf,
Weis' ihn zurecht und schone meiner.
Jphigenia. Fasse
Dich, Bruder, und erkenne die Gesund'ne!
Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude
Nicht unbesonnene, strafbare Lust.
O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge
Daß uns der Augenblick der höchsten Freude
Nicht dreifach elend mache! Sie ist hier,
Die längst verlor'ne Schwester. Vom Altar
Riß mich die Göttin weg und rettete
Hierher mich in ihr eigen Heiligthum.
Gefangen bist du, dargestellt zum Opfer,
Und findest in der Priesterin die Schwester.
Orest. Unselige! So mag die Sonne denn
Die letzten Gräuel unsers Hauses sehm
Ist nicht Elektra hier? damit auch sie
Mit uns zu Grunde gehe, nicht ihr Leben
Zu schwererem Geschick und Leiden friste.
Gut, Priesterin! Ich folge zum Altar!
Der Brudermord ist hergebrachte Sitte
Des alten Stammes; und ich danke, Götter,
Daß ihr mich ohne Kinder auszurotten
Beschlossen habt. Und laß dir rathen, habe
Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne;
Komm', folge mir ins dunkle Reich hinab!
Wie sich vom Schwefelpsuhl erzeugte Drachen
Bekämpfend die verwandte Brut verschlingen,
Zerstört sich selbst das wüthende Geschlecht;
Komm kinderlos und schuldlos mit hinab!
Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab!
Mit solchen Blicken suchte Klytämnestra
Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen;
Doch sein geschwung'ner Arm traf ihre Brust.
Die Mutter fiel! — Tritt auf, unwill'ger Geist
Im Kreis geschlossen tretet an, ihr Furien,
Und wohnet dem willkomm'nen Schauspiel bei,
Dem letzten, gräßlichsten, das ihr bereitet!
Nicht Haß und Rache schärfen ihren Dolch;
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325
„— — da kroch es heran
Und regte hundert Gelenke zugleich!"
Die Medusa, der große Polyp, streckt seine schlangenartigen Glieder nach
allen Seiten und sucht sich damit seine Beute. — Hier wiegt sich auf den
breiten Blättern eines Lotus der schöngezeichnete Seestern; dort klettert am
Stamme der seltsamen Dolonia die Wendeltreppe, während die Blätter der-
selben wie abwehrend sich auf- und niederbewegen; hier hebt ihren schlanken
Hals die stolze Thetis und wiegt das Schwesterpaar der großen gelben Ro-
sen; dort bietet die Wasserlilie ihre tiefen Kelche den kleinen Conus und
Schlangenköpfen zum sichern Aufenthalt. Die Steckmuschel spinnt am Felsen
ihr seltsames Gewebe aus grünem Gold; der Nautilus läßt seine schöne
Schale im Purpur der Sonne tausendsarbig spielen, und die Papierschnecke
rudert emsig auf der Oberstäche des Meeres, ihr zartes Haus mit seiner
Oeffnung stets nach dem leisen Lüftchen kehrend, welches kaum, dann und
wann, ein paar Wellen kräuselt.
Der tiefe Himmel spiegelt sich im tiefen Meer; man glaubt ihn unter
sich und über sich zugleich zu sehen; schwindelnd schaut man hinab, und muß
vergessen, daß man auf dem Wasser schwebt, weil man es nicht bemerkt, als
hinge man in der Gondel eines Lustballs, als sähe man im Traum aus die
Fabelwelt der Mährchen, in die Gärten der Undinen und Nixen herab. Grot-
ten bauen sich aus aus dem rothen Gestein der Corallen; die fleißigen Ma-
dreporen sind die Baumeister; das Dach wölben sie vom reinsten Krystall;
die Pfeiler sind auf Quadratstücken von großen Muscheln aufgebaut; mit
dem Seefächer bekleiden sie die bunten Wände; mit weißer und schwarzer
Perlenmutter ist der Boden getäfelt, und die Hand der Nereiden schmückt
sie mit den unsterblichen Blumen der Wasserwelt.
Najaden glaubt man mit den Tritonen tanzen zu sehen in bunten Rei-
hen; sie wollen noch immer den Triumph der Galathea*) feiern, herrlicher,
als ihn Raphael gemalt; sie schwingen das Seehorn und die Meertrommel,
rmd ihr Ton lockt in zahllosem Gewimmel das Volk Poseidon's herbei, das
lustig, ohne Sorgen für den nächsten Tag, des Augenblicks genießt, wie
er geboten wird.
Was für eine Welt! wer vermag dies zu malen! allein in diesem Him-
mel schwebend, dachte ich: solch einen Ort muß die schaumgeborne Göttin,
muß Aphrodite gewählt haben, als sie sich den Wellen des Meeres in reiner,
nie gesehener, vollendeter Schönheit entwand, um die Welt zu beglücken. —
b. Zur politischen Erdbeschreibung.
Das Saterland.
(Aus Stein's, Professor's in Berlin, gestorben 1830, Reisen nach den vorzüglichsten
Hauptstädten von Mittel-Europa.)
Unser Weg ging nach dem im größten Theile Deutschlands fast unbe-
kannten oldenburgischen Saterland. Es bildet einen ungeheuren Moor
*) Galathea, eine Meergöttin. Siehe Nösselt, Lehrbuch der Mythologie für
Töchterschulen, S. 225.
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Extrahierte Personennamen: Raphael
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Mittel-Europa Deutschlands Galathea
42
Dithyramben genannt. Wir haben nun zwar nichts mehr mit
dem Gotte Bacchus zu thun, wohl aber noch mit seinem Ge-
schenk. Daher giebt es auch noch Dithyramben. Sie unterschei-
den sich von der Hymne durch die drei angegebenen Eigenschaf-
ten, nämlich durch den Gegenstand, den sie besingen, durch den
höchsten, wildesten lyrischen Flug, und durch das rasche Me-
trum. Wir haben indessen nur wenige in der deutschen Litera-
tur. Hier eine Dithyrambe von Joh. Heinr. Voß (gest. 1826
als Hofrath und Professor in Heidelberg):
Wenn des Capweins Gluth im Krystall mir flammt,
Dann betracht' ich vergnügt ihn, und nippe!
Denn mein Weibchen sorgt für das Schenkenamt;
O dann schwebt mir die Seel' aus der Lippe!
Denn sie mahnet mich an,
Und ich trinke, was ich kann,
Die Begeisterung der Traub' — Aganippe!
Dann erblühst du, Erd', ein Elysium!
Dann bestirnt sich ein anderer Himmel!
Wie von Honig schwärmt's und von Most ringsum,
Und von heiligem Nankengewimmel!
Mich berauschet ein Duft
Der Ambrosia; mir ruft
Der Silen und die Najad' im Getümmel!
O wie braust ihr Erz und der Epheustab
In dem Taumel des Evoegrußes!
Ich enttauml' im Sturm die Gebirg' hinab,
Und mich freut des verwegnen Entschlusses!
Wie entzückt, o Silen,
Der Wein mich so schön,
Zu der Wonne des ambrosischen Duftes!
Aus Schillers vortreffliches Gedicht „Dithyrambe", früher
„der Besuch" überschrieben, wollen wir hier nur aufmerksam
machen.
5. O i e E! e g i e.
Die Elegie unterscheidet sich von den oben geschilderten lyri-
schen Dichtungsarten zuvörderst dadurch, daß in ihr kein heftiges,
aufgeregtes, sondern ein sanftes Gefühl vorherrscht. Dadurch er-
hält sie einen ganz eigenthünilichen Ton, der das Herz jedes
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47
aufgefaßt hatte, so erweiterte dieser große Dichter den Kreis der
Elegie, indem er nach dem Vorgänge der Griechen weniger den
Inhalt, als die Form zum unterscheidenden Kennzeichen dieser
Dichtungsart annahm und daher alle Dichtungen im sog. elegi-
scheu Versmaaß (s. oben) unter dem Namen: Elegie begriff.
Beispielsweise geben wir die
Siebente römische Elegie.
O wie fühl' ich in Rom mich so froh! gedenk' ich der Zeiten,
Da niich ein graulicher Tag hinten im Norden umsieng,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Färb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag,
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu späh'n, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Aethers die Stirne;
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond Heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum' ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach, hier lieg' ich und strecke nach deinen Knieen die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Lenins, mich.
Wie ich hereingekommen, ich kann's nicht sagen; es faßte
Hebe den Wandrer, und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergieb, laß mir des Irrthums Gewinn!
Deine Tochter, Fortuna, sie auch! Die herrlichsten Gaben
Theilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirthliche Gott? O dann so verstoße den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab.
„Dichter, wohin versteigest du dich?" — Vegieb mir; der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später
Cestius Mahl vorbei, leise zum Orkus hinab. *)
Auch Schiller hatte seinen „Spaziergang" srüher „Elegie"
betitelt, verband also mit diesem Namen denselben weiteren
Begriff wie G'othe.
:) An der Pyramide des Cestius bei Rom ist der Begräbnißplatz der Protestanten.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
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192
Jphigenia auf Tauris
(von Göthe).
(Als der Zug gegen Troja unternommen ward, hatten die Griechen
den Agamemnon zum obersten Heerführer gewählt. Widrige Winde hin-
derten die Ausfahrt der in Aulis versammelten Schiffe, und der Oberpriester
Kalchas erklärte, Diana sei Schuld daran und könne nur dadurch versöhnt
werden, daß ihr Agamemnon seine Tochter Jphigenia zum Opfer bringe.
Agamemnon schickte sich an, das Opfer zu bringen; im entscheidenden Augen-
blicke aber ward Jphigenia von der Göttin in einer Wolke nach Tauris
entrückt. Die Griechen segelten ab; Klytämnestra aber, Agamemnon's Ge-
mahlin, konnte diesem seine Opferbereitwilligkeit nicht vergeben, und aus
Zorn über ihn schenkte sie in seiner Abwesenheit den Werbungen des Aegisth
Gehör, welcher ihn mit Hilfe Klhtämnestra's bei seiner Rückkehr ermordete.
Orestes, der Sohn Agamemnon's, zum Manne herangewachsen, erschlug
die Mutter und ward zur Strafe der Blutthat von Furien verfolgt, so daß
er nirgends Ruhe finden konnte. Auf Befragung des Delphischen Apollo
ward er beschieden, daß er nur dann Ruhe finden könne, wenn er die
Schwester aus dem Taurischen Tempel entführte und nach Griechenland
brächte. Da er nicht wußte, daß seine eigene Schwester dort als Priesterin
der Diana lebte, so konnte er nur denken, daß Apollo damit das berühmte
Götterbild seiner (Apollo's) Schwester Diana meinte.
Er reist mit seinem Freunde Phlades nach Tauris, wo sie, von den
Einwohnern gefangen, der Sitte gemäß geopfert werden sollen. Jphigenia,
die Priesterin, soll das Opfer vollziehen und erkennt den Bruder.)
Dritter Akt. Erster Auftritt.
Jphigenia. Orest.
Jphigenia. Unglücklicher, ich löse deine Bande
Zum Zeichen eines schmerzlichern Geschicks.
Die Freiheit, die das Heiligthum gewährt,
Ist, wie der letzte lichte Lebensblick
Des schwer Erkrankten, Todesbote. Noch
Kann ich es mir und darf es mir nicht sagen,
Daß ihr verloren seid! Wie könnt' ich euch
Mit mörderischer Hand dem Tode weihen?
Und Niemand, wer es sei, darf euer Haupt,
So lang' ich Priesterin Dianens bin,
Berühren. Doch verweigr' ich jene Pflicht,
Wie sie der aufgebrachte König fordert,
So wählt er eine meiner Jungfrau'n mir
Zur Folgerin, und ich vermag alsdann
Mit heißem Wunsch allein euch beizustehn.
O werther Landsmann! Selbst der letzte Knecht,
Der an den Herd der Vatergötter streifte.
Ist uns in fremdem Lande hoch willkommen:
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