;08. Kirche des heil. Grabes zu Jerusalem.
(Nach Kugler, Geschichte der Kreuzzüge.)
6. Das schwache Königreich Jerusalem. Man bot dem edlen
Gottfried die Krone des neuen Reiches an, aber er wollte an der Stelle
keine goldene Krone tragen, wo sein Heiland unter einer Dornenkrone
geblutet hatte, und nannte sich nur „Beschützer des heiligen Grabes".
Nachdem er noch ein siebenmal stärkeres Heer des Sultans von Ägypten
besiegt und dem Reiche neue Gesetze gegeben hatte, starb er infolge der 1100
unsäglichen Anstrengungen. Sein Bruder Balduin folgte ihm als König
von Jerusalem und erweiterte und befestigte sein Reich durch Eroberung
der Küstenstädte und durch ein Bündnis mit den Handelsstädten Venedig,
Genua und Pisa, die unablässig Verstärkungen brachten.
Aber durch die Uneinigkeit der Christen und die Tapferkeit der
Türken ging später ein Ort nach dem andern verloren. Und obgleich
das Abendland in sieben Kreuzzügen seine beste Kraft im Orient ver-
schwendete und an 6 Millionen Menschen opferte, so fiel doch nach
200 Jahren die letzte christliche Besitzung in Palästina, die Festung 1291
Akkon, den Türken wieder in die Hände.
7. Die wichtigen Folgen der Kreuzzüge. Der Zweck der Kreuz-
züge, die dauernde Besitzergreifung des heiligen Landes, wurde nicht
erreicht; aber sie haben einen gewaltigen Einfluß auf das öffentliche
Leben und die Kulturentwicklung im Abendlande ausgeübt. Die Kirche
gewann durch die große religiöse Begeisterung an geistiger, durch die
vielen Schenkungen an weltlicher Macht. Auch manche Herzöge und
Grafen erhielten einen Zuwachs an Besitz, indem sie erledigte Lehen
einzogen. Vor allem aber brachten die Kreuzzüge den größeren Städten
Vorteil. Ihr Handel und Verkehr hob sich, und mit ihrem Reichtum
erkauften sie leicht von den geldbedürftigen Fürsten größere Vorrechte.
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Extrahierte Personennamen: Kugler Gottfried Balduin
150
gegen „Entschädigungen" die Krone einem englischen und einem spanischen
Fürsten übertragen. Beide bekümmerten sich ebensowenig um Deutschland
wie die deutschen Fürsten um diese Namenkaiser. Die deutschen Fürsten
waren völlig selbständig geworden. Handel, Gewerbe und Acker-
bau lagen gänzlich darnieder. Niemand war seines Lebens und Gutes
sicher. Die Fürsten und Herren rauften miteinander in endlosen Fehden,
und nur der Stärkste hatte Recht (Faustrecht). Von ihren sicheren
Burgen aus, die an den Landstraßen auf geschützten Orten sich zahlreich
erhoben, raubten die Ritter, was zu rauben war. Sie schwangen sich
in den Steigbügel, sobald der Knecht auf dem Wartturm das Zeichen
gab, daß Reifende oder Warenzüge nahten, um die reichen Warenzüge
der Kaufleute zu plündern und von den Gefangenen oft ein sehr hohes
Lösegeld zu erpressen. Gegen diese Raubritter oder Ritter vom Steg-
reif (d. i. Steigbügel) schloffen die Städte, welche unter diesem Unwesen
am meisten litten, Bündnisse zu Schutz und Trutz.
Unteritalien gab der Papst als päpstliches Lehn dem finsteren Karl
von Anjou, einem Bruder Ludwigs des Heiligen von Frankreich.
Karl unterdrückte mit grausamer Härte Adel, Bürger und Geistlichkeit,
und das ganze Land seufzte unter den Händen dieses Henkers.
2. Der unglückliche Zug Konradins nach Italien. In Bayern
am Hofe seines Oheims wuchs der letzte Sproß der Staufer, Konrads
Sohn Konradin, auf. Zwei Minnelieder in der Manesseschen Samm-
lung bezeugen feine dichterische Begabung. Der Ruf der Italiener, das
Drängen seiner Freunde und der Zug seines eigenen Herzens veranlaßten
ihn zu einem Heerzuge nach Italien, um sein väterliches Erbe von den
Franzosen zurückzufordern. Vergeblich hatte seine Mutter Elisabeth
von dem Zuge abgemahnt, mit Thränen und trüben Ahnungen in Hohen-
schwangau von ihm Abschied genommen. In Italien wurde der herr-
liche Jüngling überall mit Jubel ausgenommen. Doch der Papst sprach
den Bann über ihn aus. Bei Tagliacozzo siegte Konradin anfänglich
über Karl von Anjou. Als aber seine Soldaten sich zu früh zerstreuten
und zu plündern anfingen, fiel ein Hinterhalt über sie her und brachte
ihnen eine gänzliche Niederlage bei. Konradin wurde auf der Flucht
mit seinem Freunde Friedrich von Baden gefangen und an Karl von
Anjou ausgeliesert. Dieser stellte ihn als einen Räuber und Empörer
vor ein Gericht, das ihn aber freisprach. Nur der knechtisch gesinnte
Robert von Bari erklärte ihn des Todes schuldig. Daraufhin befahl
Karl seine und seiner Begleiter Hinrichtung.
3. Sein rührendes Ende. Das Todesurteil wurde Konradin
vorgelesen, als er mit seinem Freunde Friedrich beim Schachspiel saß.
Gefaßt bereitete er sich zum Tode vor. Am 29. Oktober 1268 bestieg
er mit seinen Gefährten das Blutgerüst. Robert von Bari verlas das
Todesurteil und zerbrach den weißen Stab. Da sprang, so wird erzählt,
Graf Robert von Flandern auf und rief ihm mit drohend ge-
schwungenem Schwerte zu: „Wie kannst du, feiger Schurke, einen so
herrlichen Ritter zum Tode verurteilen!" Und das geschwungene Schwert
traf den bösen Mann. Konradin aber umarmte seinen Freund, befahl
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
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Extrahierte Personennamen: Karl
von_Anjou Karl Ludwigs Karl Konradins Konrads Konradin Konradin Konradin Konradin Karl_von_Anjou Karl Konradin Konradin Friedrich_von_Baden Friedrich Karl_von
Anjou Karl Robert_von_Bari Karl Karl Konradin Friedrich Friedrich Robert_von_Bari Robert_von_Flandern Konradin Konradin
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Unteritalien Frankreich Italien Bayern Manesseschen_Samm- Italien Hohen- Italien
Heinrich der Städtegründer.
49
fülle in Sachsen, verheerten das ganze Land, verbrannten die
offenen Städte, ermordeten die Menschen und trieben andern
greulichen Unfug; und wenn Heinrich seine Mannen gegen sie
führte, so halten diese eine solche Furcht vor den wilden Barbaren,
daß sie sich nicht an sie herantrauten. Da hielt er es für des-
ser, erst seine Sachsen nach und nach an den Krieg zu gewöhnen,
und ging mit den Ungern einen neunjährigen Waffenstillstand
ein, wofür er ihnen jährlich einen Tribut bezahlte. Diese neun
Jahre benutzte er nun herrlich, theils seine Leute im Kriege ge-
gen die in der jetzigen Mark und in Sachsen wohnenden slavi-
schen Völker, an deren Grenzen er Brandenburg befestigte
und das Schloß Meißen erbaute, zu üben, sie in Reihe und
Glied streiten zu lassen, theils die Städte seines Landes mit
Mauern zu umgeben. Er wird daher der Stüdteerbauer genannt.
Auch legte er viele neue Schlösser und Städte an. Damit nun
diese bevölkert würden, befahl er, daß von den Landbewohnern
immer der neunte Mann nach der Stadt zöge und da für hin-
längliche Wohnungen sorgte, damit, wenn die Ungern einmal
wiederkämen, die andern acht mit ihren Sachen hineinfliehen
könnten. Dafür mußten sie aber auch dem Stadtbewohner den
dritten Theil ihres Kornes geben, welches er theils für sich ge-
brauchte, theils für den Nothsall für Alle aufbewahrte. Eine
treffliche Einrichtung! Dadurch ist Heinrich recht eigentlich der
Stifter des Bürgerstandes geworden.
Nun waren die neun Jahre um. Heinrich berief seine Sach-
sen zu einer großen Volksversammlung. „Jetzt ist", sprach er,
„das Reich beruhigt; nur die Ungern sind noch unbezwungen.
Bisher habe ich euch besteuern müssen, um diesen Feind zu be-
reichern, nun muß ich gar Kirchen und Geistlichkeit berauben, um
ihrer Raubsucht zu genügen, bis uns zuletzt nichts als das nackte
Leben übrig bleibt. Wollt ihr nun. daß ich den Gott geweihten
Schatz angreife und den Feinden der Christenheit gebe, oder ihn
vielmehr zur Ehre Gottes anwende?" Da rief das Volk laut,
es begehre, daß das Geld dem heiligen Gotte geweiht werde. Es
hob die Hände gen Himmel und gelobte dem Könige treuen Bei-
stand. Nun kamen die Gesandten der Ungern und verlangten
den Tribut. Aber Heinrich gab ihnen einen räudigen Hund, dem
Ohren und Schwanz verstümmelt waren, mit dem Beifügen: wenn
die Ungern einen andern Zins begehrten, so möchten sie ihn
Weltgeschichte fiir Töchter. Ii. 14. Äufl. 4
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Zweiter und dritter Kreuzzug. 131
gewöhnlich den Rothbart oder Barbarossa, weil er einen
langen röthlichen Bart hatte. Dieser Mann vergaß über dem
Schmerze wegen des Verlustes des heiligen Grabes seines hohen
Alters und unternahm mit vielen deutschen Herzögen, Grasen
und Rittern einen Kreuzzug (1189). In Klein-Alien gab es wie-
der grenzenloses Elend: fast täglich Gefechte, dabei Hunger, Durst
und Seuchen. Endlich hoffte man das Schlimmste überwunden
zu haben; denn man war nun bis fast an die hinterste Grenze
Klein-Asiens gekommen. Eines Tages (1190) war des Kaisers
Sohn mit dem Vordertreffen über einen reißenden Bergstrom
(Saleph) vorangezogen, während der Kaiser selbst mit dem Hin-
tertreffen noch zurück war, so daß der Strom zwischen ihnen slu-
thete. Friedrich wollte den Sohn bald einholen. Statt daher
über eine Brücke einen Umweg zu nehmen, setzte er, obgleich man
ihn warnte, durch den reißenden Strom. Aber das Wasser riß
ihn fort. Zwar eilten ihm Viele zu Hülfe; man bemächtigte sich
auch seines Körpers; aber als man ihn ans Land brachte, war
er bereits entseelt. Andere erzählen, er sei, am Rande des Flus-
tes hinreitend, abgeglitten und hineingestürzt. Kurz, er verlor
hier sein Leben. Dies war ganz in der Nähe des Flusses, in
welchem Alexander der Große beinahe seinen Tod gefunden hatte,
als er sich beim Baden erkältete. Noch Andere sagen, der Kaiser
habe an den Usern des Flusses sein Mittagsmahl gehalten. Das
klare kühle Wasser habe ihn zum Bade eingeladen. Er sei hinab-
gestiegen und habe hier seinen Tod gefunden. Die erste Erzäh-
lung ist die wahrscheinlichste. Das Heer klagte vier Tage lang
um ihn; dann zerstreuten sich die Meisten voll Verdruß; Viele
gingen nach Hause, Andere zogen weiter, aber Jerusalem hat
Keiner gesehen. Die Leiche des Kaisers wurde in Tyrus beigesetzt.
In demselben Jahre (1190) hatten auch zwei andere Kö-
nige einen Zug zur Eroberung des heiligen Grabes unternommen,
Richard Löwenherz von England und Philipp August
von Frankreich. Nach den gewaltigen Anstalten, die sie machten,
und nach den trefflichen Fürsten und Rittern, die im köstlichsten
Waffenschmucke mitzogen, hätte man glauben sollen, sie würden
gewiß recht viel ausrichten. Aber weit gefehlt! Die beiden Kö-
nige redeten miteinander ab, eine Seefahrt zu versuchen. Dabei
ersparten sie den ganzen langen Weg durch Deutschland, Ungarn
und das griechische Reich. Sie mietheten von den italienischen
Seestädten, deren Handel damals sehr blühte, Venedig, Ge-
9*
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Alexander Richard_Löwenherz_von_England Philipp Philipp August
Extrahierte Ortsnamen: Klein-Asiens Jerusalem Tyrus Frankreich Deutschland Ungarn Venedig
Muhamed Ii. Constantin Ix. 275
waren keine Karthager. Zwar ließ Constantin schnell eine un-
geheuere Kette vor den Hafen ziehen, um den türkischen Schiffen
den Eingang zu wehren, und rief die Genueser und Venetianer,
von denen sich eine Menge des Handels wegen längst in Con-
stantinopel niedergelassen hatte, zur Vertheidigung auf. Aber
beide Nationen waren eben aus Handelsneid eifersüchtig auf-
einander, arbeiteten einander stets entgegen, und was sie auch
Nützliches anordneten, wurde wieder von den Griechen, die ihnen
die Gunst des Kaisers beneideten, vereitelt. Dennoch wurden die
ersten Stürme der wüthenden Türken abgeschlagen; denn die
Griechen strengten die letzten Kräfte an, da sie für ihre ganze
Existenz stritten, und wer weiß, ob sie nicht, wenn sie einig ge-
wesen wären, endlich die Türken zurückgetrieben hätten. Als
aber Muhamed die Verwirrung sah, die auf den Mauern der
Stadt herrschte, ließ er noch ein Mal ansetzen — die Janitscharen
erstürmten die Mauern und drangen ein. Was sich ihnen in
den Straßen widersetzte, wurde niedergemetzelt. Unter den Ge-
tödteten fand man auch den Kaiser Constantin. Sein Leichnam
war im Gedränge so zertreten worden, daß man ihn nur an
seinen goldenen Sandalen erkannte. Dieselben Greuel wurden
nun in der unglücklichen Stadt begangen, wie bei der Eroberung
von Jerusalem durch die Kreuzfahrer. Die Religionswuth der
Türken suchte Alles, was an die christliche Religion erinnerte, zu
zerstören oder zu entweihen. Die Bildsäulen der Heiligen wur-
den zerschlagen, Mönche und Nonnen gemißhandelt, Klöster zer- ,
stört, Kirchen zu Pferdeställen, Altardecken zu Pferdedecken ge-
macht. Gern hätte Muhamed diesem Uebermuthe gewehrt; aber
er vermochte nicht der ersten Siegeswuth seiner Janitscharen
Einhalt zu thun. So viel er konnte, schützte er die herrlichen
Ueberreste des Alterthums. In die Sophienkirche ging er selbst
und ließ sie zum muhamedanischen Gottesdienste einrichten, und
als er in den verödeten Kaiserpalast eintrat, sprach er mit Weh-
muth die Worte eines persischen Dichters: „In des Kaiserschlosses
Chor zieht die Spinne als Kümmerer den Vorhang vor, und in
den Königshallen hört man die Musik der Eule schallen!" —
Vierzigtausend Griechen wurden bei der Einnahme der Stadt
erschlagen. Von ihren Häusern nahmen nun die Türken Besitz,
und die noch lebenden Griechen wurden die Unterthanen des
Sultans, aber bis auf unsere Zeit von den Türken mit empö-
render Härte behandelt. Wie leicht hätten die abendländischen
18*
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Personennamen: Constantin Constantin Constantin
Erster Kreuzzug. Die Kreuzfahrer in Klein-Asien. 115
kannten, gleich da, fielen aus Hinterhalten hervor, schnitten ihnen
die Zufuhr ab und ließen ihnen Tag und Nacht keine Ruhe.
Gegen solchen Feind hals nicht einmal die heldenmüthigste Tapfer-
keit viel; denn wurde er auch in die Flucht getrieben, so konnte
man ihn auf seinen leichten Pferden nicht einholen, und ehe man
es sich versah, war er schon wieder in der Nähe. Dazu gesellte
sich nun noch die große Noth an Lebensmitteln und zuweilen
selbst an Wasser. Denn die Seldschucken hatten absichtlich alle
Ernten verbrannt, alle Mühlen zerstört, kurz, das ganze Land
vor den Kreuzfahrern zu einer Einöde gemacht, um ihrem ver-
haßten Feinde auch noch die Qualen des Hungers über den Hals
zu schicken. Da war es denn kein Wunder, wenn im Heere der
Kreuzfahrer bald der drückendste Mangel eintrat. Obendrein
war es Sommer. Die Sonne schoß senkrecht ihre brennenden
Strahlen auf die blanken Rüstungen der Kreuzfahrer herab, die
darunter ersticken zu müssen glaubten. Am glühendsten war die
Hitze in den engen Thälern und Bergkesseln, in denen die Sonne
alles Gras versengt hatte. Manche verloren den Verstand von
der Einwirkung der glühend wehenden Luft, Andere sanken er-
mattet zu Boden. Die Reiter richteten sich in den Steigbügeln
in die Höhe, um nach einem erquickenden Lüftchen zu schnappen.
Man sah Mütter neben ihren lechzenden Säuglingen sterbend
auf dem glühenden Boden sich wälzen, und Hunde sagten keuchend
auf dem Felde vergebens nach einer Quelle umher. Fast alle
Pferde starben vor Mattigkeit und Durst; die Ritter mußten zu
Fuß weiter ziehen, wenn sie es verschmähten, auf Ochsen zu reiten,
und das Gepäck bürdete man Widdern oder Schweinen auf.
Schon hielten Alle sich für verloren, als sie noch glücklicherweise
einen Fluß fanden. Aber nun hätte man sehen sollen, mit wel-
cher Gier die armen verdursteten Leute auf das Wasser los-
stürzten! Nicht Wenige tranken so unvorsichtig und in solchem
Uebermaße, daß sie daran starben.
Ein ander Mal hätte das Kreuzheer beinahe den trefflichen
Gottfried von Bouillon eingebüßt. Er ritt eines Tages, leicht
bewaffnet, in einem kühlen Walde spazieren. Plötzlich traf sein
Ohr der Hülferuf eines Menschen. Er eilt dem Tone nach und
findet einen Kreuzsoldaten, der beim Holzhauen von einem grim-
migen Bär überfallen worden war. Ohne sich zu besinnen, geht
er dem Ungethüme mit dem Schwerte zu Leibe; sogleich läßt der
Bär den Soldaten los und fällt über Gottfried her. Dieser
8 *
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Gottfried
83
wie Funken zündeten. Was er sprach, schien ihnen Worte des
Himmels. Selbst auf sein Eselchen ging ihre Verehrung über;
Jeder freute sich, wer es streicheln oder füttern durste; und wer
gar ihm einige Haare ausreißen konnte, verwahrte diese gleich der
theuersten Haarlocke.
So zog der heilig geachtete Mann von Dorf zu Dorf, von
Stadt zu Stadt, von Land zu Laüd. Ueberall ging sein Ruf
vor ihm her; in allen Bier- und Weinstuben wurde von nichts
als von Kukupetern gesprochen, und wer ihn nicht selbst hatte
hören und sehen können, hörte erstaunt den Erzählungen der
Augenzeugen zu. Besonders war er durch Italien und Frankreich
gezogen; hier sahen sich Alle schon im Geiste auf dem Wege nach
Jerusalem; ein allgemeiner Schwindel hatte die Völker des Abend-
landes ergriffen. Das vermag ein einziger Feuerkopf! — Urban
freute sich über diese Erfolge über die Maßen; solch eine Wir-
kung hatte er selbst nicht erwartet. Geschwind berief er, die all-
gemeine Stimmung zu benutzen, eine große Kirchenverfammlung
nach Piacenza in Oberitalien, und hier erschien eine solche
Menge von hohen und niedern Geistlichen und von andern Leu-
ten, die aus Neugierde kamen, daß kein Gebäude die Menschen-
masse zu fassen vermochte. Alles, was hier der Papst über die
Befreiung des heiligen Grabes sprach, wurde mit Entzücken ausgenom-
men. Auch ein Gesandter des griechischen Kaisers war da, und über-
reichte einen in den kläglichsten Ausdrücken abgefaßten Brief, der den
Eindruck noch erhöhte, so daß Einer dem Andern beim Ausein-
andergehen zurief: „ja, ja! wir müssen uns erheben! Wir müs-
sen die Ketten der niedergedrückten Christenheit sprengen!"
Einige Monate darauf reiste Urban nach Frankreich, wo die
Gemüther durch Kukupeter noch erhitzter waren, und hielt in
Clermont, einer Stadt fast in der Mitte von Frankreich, eine
neue Versammlung. Himmel! was strömten dahin für Menschen
zusammen! Auf einem Ungeheuern Platze sah man nichts als
Menschen, dicht auf einander gedrängt. In der Mitte auf einer
Erhöhung erschien der Papst mit allem Gepränge seiner hohen
Würde, Kukupeter ihm zur Seite. Dieser begann vor der still-
lauschenden Versammlung zu sprechen. So, mit solchem Eifer
hatte er noch nicht geredet. Donnerworte entströmten seinen Lip-
pen, und ein Schauder überschlich die ganze Versammlung, als
6 *
i
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Urban Urban
Extrahierte Ortsnamen: Italien Frankreich Jerusalem Piacenza Oberitalien Frankreich Clermont Frankreich
41
hatten diese eine solche Furcht vor den wilden Barbaren, daß sie
sich nicht an sie herantrauten. Da hielt er es für besser, erst
seine Sachsen nach und nach an den Krieg zu gewöhnen, und
ging mit den Ungern einen 9jährigen Waffenstillstand ein, wofür
er ihnen jährlich einen Tribut bezahlte. Diese neun Jahre be-
nutzte er nun herrlich, thrils seine Leute im Kriege gegen andere
Feinde zu üben, sie in Reihe und Glied streiten zu lassen, theils
die Städte seines Landes mit Mauern zu umgeben. Er wird
daher auch wohl der Städteerbauer genannt. Auch legte er viele
neue Schlösser und Städte an. Damit nun diese bevölkert wür-
den, befahl er, daß von den Landbewohnern immer der neunte
Mann nach der Stadt zöge, und da für hinlängliche Wohnun-
gen sorgte, damit, wenn die Ungern einmal wiederkämen, die an-
dern acht mit ihren Sachen hineinfliehen könnten. Dafür muß-
ten sie aber auch dem Stadtbewohner den 3ten Theil ihres Kor-
nes geben, welches er theils für sich gebrauchte, theils für den
Nothfall für Alle aufbewahrte. Wahrlich eine treffliche Einrich-
tung! Dadurch ist Heinrich recht eigentlich der Stifter des Bür-
gerstandes geworden.
Nun waren die neun Jahre um. Heinrich berief seine Sach-
sen zu einer großen Volksversammlung. „Jetzt ¡¡1," sprach er,
„das Reich beruhigt; nur die Ungern sind noch unbezwungen.
Bisher habe ich euch besteuern müssen, um diesen Feind zu berei-
chern; nun muß ich gar Kirchen und Geistlichkeit berauben, um
ihrer Raubsucht zu genügen, bis uns zuletzt nichts als das nackte
Leben übrig bleibt. Wollt ihr nun, daß ich den Gott geweihten
Schatz angreife und den Feinden der Christenheit gebe, oder ihn
vielmehr zur Ehre Gottes anwende?" — Da rief das Volk laut,
es begehre, daß das Geld dem heiligen Gotte geweiht werde. Es
hob die Hände gen Himmel, und gelobte dem Könige treuen Bei-
stand. Nun kamen die Gesandten der Ungern, und verlangten
den Tribut. Aber Heinrich gab ihnen einen räudigen Hund, dem
Ohren und Schwanz verstümmelt waren, mit dem Beifügen:
wenn die Ungern einen andern Zins begehrten, so möchten sie
ihn mit den Schwertern holen. *) Drohend gingen die Boten
*) Recht naiv drückt sich darüber eine Chronik aus dem 15ten Jahrhun-
dert in dem damals gebräuchlichen Dialekt aus: „Do zcogin dy Un-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
107
war ganz in der Nahe des Flusses, in welchem Alexander der
Große beinahe seinen Tod gefunden hatte, als er sich beim Baden
erkaltete. Andere erzählen, der Kaiser habe an den Ufern de§
Flusses sein Mittagsmahl gehalten. Das klare, kühle Wasser
lud ihn zum Bade ein. Er stieg hinab, und fand hier seinen
Tod. Das Heer weinte vier Tage lang um ihn; dann zerstreu-
ten .sich die Meisten voll Verdruß; Viele gingen nach Hause, An-
dere zogen weiter, aber Jerusalem hat Keiner gesehen.
In demselben Jahre (1190) hatten auch zwei andere Könige
einen Zug zur Eroberung des heiligen Grabes unternommen,
Richard Löwenherz von England, und Philipp August
von Frankreich. Nach den gewaltigen Anstalten, die sie machten,
und nach den trefflichen Fürsten und Rittern, die im köstlichsten
Waffenschmucke mitzogen, hatte man glauben sollen, sie würden
gewiß recht viel ausrichten. Aber weit gefehlt! Die beiden Kö-
nige redeten mit einander ab, einmal eine Seefahrt zu versuchen.
Dabei ersparten sie den ganzen langen Weg durch Deutschland»
Ungarn und das griechische Reich. Sie mietheten von den italie-
nischen Seestädten, deren Handel damals sehr blühte, Venedig,
Genua und Pisa, Schiffe zum Ueberfahren, und schifften sich
in Marseille und Genua ein. Aber — Engländer und Franzosen
haben sich von jeher nicht leiden können, und das zeigte sich
denn auch hier bald. Wo sie schon unterwegs zusammenkamen,
entstanden Streitigkeiten, und als sie endlich an der Küste von
Palästina ans Land stiegen, und eine Seestadt dort belagerten»
ging der Lärm erst recht los. Denn Richard verrichtete so
tapfere Thaten, daß er den Namen Löwenherz erhielt; darüber
aber ärgerten sich Philipp August und seine Franzosen so, daß
sie ihm alles gebrannte Herzeleid anthaten. Ja Philipp August
war so hämisch, daß er endlich gar nach Frankreich zurückschiffte,
und während der edle Richard für die Eroberung des heiligen
Grabes sich abarbeitete, ihm in sein Land siel. Das zwang den
Richard, auch wieder nach Europa zurückzugehen; aber es war
ihm hier eine harte Prüfung aufbewahrt. Bei der Eroberung
jener Seestadt nämlich hatte er sich mit dem Herzog Leopold
von Oesterreich sehr erzürnt. Dieser hatte seine Fahne auf einem
Thurme aufgepflanzt; Richard aber wollte es nicht dulden, weil
Leopold unter ihm diente, und ließ, unbesonnen genug, die Fahne
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Extrahierte Personennamen: Alexander Richard_Löwenherz_von_England Philipp_August
von_Frankreich Philipp August Palästina Philipp_August Philipp August Philipp_August Philipp August Leopold
von_Oesterreich Leopold Leopold Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Deutschland Ungarn Venedig Genua Marseille Genua Frankreich Europa
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digung auf. Zlber beide Nationen waren eben aus Handelsneid
eifersüchtig auf einander, arbeiteten einander stets entgegen, und
was sie auch Nützliches anordneten, wurde wieder von den Grie-
chen, die ihnen die Gunst des Kaisers beneideten, vereitelt. Den-
noch wurden die ersten Stürme der wüthenden Türken abgeschla-
gen; denn die Griechen strengten die letzten Kräfte an, da sie
für ihre ganze Existenz stritten, und wer weiß, ob sie nicht, wenn
sie einig gewesen waren, endlich die Türken zurückgetrieben hat-
ten. Als aber Muhamed die Verwirrung sah, die auf den
Mauern der Stadt herrschte, ließ er noch einmal ansetzen, und
— die Janitscharen erstürmten die Mauern und drangen ein.
Was sich ihnen in den Straßen widersetzte, wurde niedergemetzelt.
Unter den Getödteten fand man auch den Kaiser Constantin.
Sein Leichnam war im Gedränge so zertreten worden, daß man
ihn nur an seinen goldenen Sandalen erkannte. Dieselben Gräuel
wurden nun in der unglücklichen Stadt begangen, wie bei der
Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzfahrer. Die Religionswuth
der Türken suchte Alles, was an die christliche Religion erinnerte,
zu zerstören oder zu entweihen. Die Bildsäulen der Heiligen wur-
den zerschlagen, Mönche und Nonnen gemißhandelt, Klöster zer-
stört, Kirchen zu Pferdeställen, Altardecken zu Pferdedecken ge-
macht. Gern hatte Muhamed diesem Uebermuthe gewehrt; aber
er vermochte nicht, der ersten -Siegeswuth seiner Janitscharen
Einhalt zu thun. So viel er konnte, schützte er die herrlichen
Ueberreste des Alterthums. In die Sophienkirche ging er selbst
hinein, und ließ sie zum muhamedanischen Gottesdienste einrich-
ten. Vierzigtausend Griechen sind bei der Einnahme der Stadt
erschlagen worden. Von ihren Häusern nahmen nun die Türken
Besitz, und die noch lebenden Griechen wurden die Unterthanen
des Sultans, aber bis auf unsere Zeit von den Türken mit em-
pörender Härte behandelt. Wie leicht hätten die abendländischen
Fürsten das griechische Kaiserthum retten können, wenn sie ihm
ernstlich zu Hülfe gekommen wären! So zerstört aber Zwietracht
das Glück der Staaten, wie die Ruhe einzelner Familien!
75. Albrecht Ii. 1437. — Friedrich Iii. 1439.
Siegmund, der 1437 gestorben war, hatte keinen Sohn
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Constantin Albrecht_Ii Albrecht Friedrich_Iii Friedrich Siegmund