Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Theil 3 - S. 22

1880 - Stuttgart : Heitz
22 Neue Geschichte. 1. Periode. Reformation. nämlich also: es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift, oder mit öffentlichen klaren und Hellen Gründen überwiesen würde, so kann und will ich nichts widerrufen, weil weder sicher noch gerathen ist, etwas wider das Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!" Darauf erwiderte der Vicar: „wenn er nicht widerrufen wolle, so würden der Kaiser und die Stände berathschlagen, was mit einem solchen Ketzer zu thun sei." — „So helfe mir Gott,antwortete Luther; „denn einen Widerruf kann ich nicht thun. Möchte nur der Kaiser, das edle junge Blut, sich nicht verführen lassen, vom Evangelium zu weichen und Menschensatzungen unterwürfig zu werden!" Mit diesen kräftigen Worten trat Luther ab; aber er hatte nicht vergebens geredet. Das freudig und muthig abgelegte Bekenntniß der Wahrheit hatte ihm viele Herzen, auch unter den Fürsten gewonnen. Der alte Erich, Herzog von Braunschweig, sonst ein großer Feind der Reformation, schickte ihm eine silberne Kanne Einbecker Bier und hieß ihm, sich damit zu erquicken. Luther fragte den Boten, welcher Fürst seiner so in Gnaden gedenke? und da er hörte, daß es Erich sei und daß er selbst vorher von dem Biere getrunken, so fürchtete er keine Vergiftung, sondern trank beherzt daraus und sprach: „Wie heute Herzog Erich meiner gedacht, also gedenke seiner unser Herr Christus in seinem letzten Kampfe." Erich vergaß die Worte nicht und erinnerte sich ihrer noch auf dem Sterbebette. Besonders aber hatte sich Friedrich der Weise über Luthers Freimüthigkeit gefreut, und er äußerte noch denselben Abend gegen Spalatin: „Recht schön hat Doctor Martin geredet vor dem Herrn Kaiser und allen Fürsten und Ständen des Reichs; er ist mir nur zu herzhaft gewest." Noch einen Versuch machte der Kurfürst von Trier, Luthern zum Widerruf zu bewegen, aber er antwortete ihm: „Ist meine Sache nicht aus Gott, so wird sie über zwei bis drei Jahre nicht währen; ist sie aber aus Gott, so wird man sie nicht können dämpfen." Nun erhielt er die Erlaubniß abzureisen, und verließ Worms am 26. April; denn Kaiser Karl hielt ihm das versprochene sichere Geleit, so sehr auch der päpstliche Gesandte ihm zuredete: einem Ketzer brauche man sein Wort nicht zu halten. Er antwortete dem'legaten mit Festigkeit:' „Ich habe keine Lust wie emst Sigismund zu errötheu!" (S. Th. 2, Seite 236.) Dagegen wurde Luther durch ein vom Kaiser am 26. Mai unterzeichnetes,

2. Theil 3 - S. 28

1880 - Stuttgart : Heitz
28 Neue Geschichte. 1. Periode. Reformation. Wehrlosen, und der Markgraf von Ansbach ließ 85 Bauern die Augen ausstechen, weil sie einmal gesagt hatten, sie wollten ihn nicht mehr ansehen. Die Zahl der Gebliebenen aus beiden Seiten wurde auf 100—150,000 gerechnet. Beide Theile hatten in blinder' Wuth zerstört und verwüstet; in Franken allein waren über 200 Stätten verbrannter Dörfer. Mehrere Tausend Waisen irrten ohne Obdach umher. Die Ruhe war wieder hergestellt, aber es war die Ruhe des Kirchhofs, die nur von dem Jammer unzähliger Opfer unterbrochen wurde. Es währte lange, ehe aus der Asche verbrannter Dörfer neue Wohnungen emporstiegen. Etwas Aehnliches trug sich in demselben Jahre in Thüringen zu. Als Luther die Bilderstürmereien in Sachsen unterdrückt hatte, waren die Wildesten über die Grenze gegangen. Nur ein schwärmerischer Prediger, Thomas Münzer, einst ein Schüler Luthers, war in Thüringen geblieben und trieb nach wie vor sein Wesen; zuerst in Zwickau. Er predigte nicht nur gegen den Papst, sondern auch gegen Luther, weil dessen Lehre nicht weit genug ginge und nur die Kirche, nicht auch die weltliche Obrigkeit verbessern wolle. Es müßte Gemeinschaft der Güter eingeführt und die Gewalt der Fürsten abgeschafft werden. Dabei verlangte Münzer von seinen Anhängern, daß sie sich nicht nur der groben Laster enthielten, sondern auch safteten, in schlechten Kleidern gingen, immer ernsthast und traurig aussähen, wenig sprächen, den Bart wachsen ließen und von Gott Offenbarungen durch Träume erwarteten. Wenn dann keine sich zeigten, so müsse man derb auf Gott schelten; das sähe er gern, weil es ein Zeichen eines eifrigen Gemüths sei u. s. w. Daß aber Münzer nicht blos ein überspannter Thor, sondern auch ein Betrüger war, hat sich bald erwiesen. Es lief ihm bald eine Menge von Menschen nach; alle halten Träume, erzählten sie Münzer, und dieser legte sie ihnen aus. Endlich wurde der Lärm so arg, daß der Kurfürst den Patron aus dem Lande jagte. Aber er kam bald wieder, und die Bürger von Mühlhausen in Thüringen wählten ihn gar zu ihrem Prediger. Nun erst wurde der Lärm recht arg. Münzer predigte Aufruhr und Ungehorsam gegen die Obrigkeit, und da der Magistrat das nicht dulden wollte, jagte Münzer denselben aus der Stadt und machte sich zum Bürgermeister. Da er lehrte, daß alle Güter allen gehören müßten (Kommunismus), und den Reichen ihre Besitzungen wegnahm, so bekam er auch vom Lande großen Zulauf; das faule Volk wollte nicht mehr arbeiten und schmauste nun von dem Gelde der Rei-

3. Theil 3 - S. 45

1880 - Stuttgart : Heitz
Schlacht bei Mühlberg. 45 die Elbe zu zeigen, wo man hindurchreiten könne. Er that dies aus Rache gegen seine Landsleute, die Sachsen, die ihm zwei Pferde mitgenommen hatten (ein zweiter Ephialtes!). *) Moritz verhieß ihm 100 Kronenthaler und zwei andere Pferde. So brach der Morgen an, der 24. April 1547, der des verblendeten Johann Friedrichs Schicksal entscheiden sollte. Ein dicker Nebel lag über der Flur und dem Strome. Einige spanische Scharfschützen versuchten durch die Furt zu setzen, aber die Sachsen feuerten stark herüber. Da meinte der Kaiser, wenn man sich nur der Schiffe, die jenseits ständen, bemächtigen könnte. Sogleich warfen die Spanier den Harnisch ab, nahmen die Säbel zwischen die Zähne, sprangen ins Wasser, schwammen hinüber und jagten den Sachsen einige Schiffe ab, welche sie nun im Triumph herüberbrachten. Sie wurden mit Schützen bemannt, die den Uebergang der Reiterei beschützen sollten. Vom Müller geführt, ritten jetzt der Kaiser, Ferdinand, Moritz, Alba und andere Führer durch die Furt, die ganze Reiterei mit. Schnell ordnete Karl seine Schaaren; das Fußvolk, für welches eine Schiffbrücke geschlagen wurde, wartete er nicht ab. Er hatte sich wie zum Siege geschmückt. Mit der Linken tummelte er sein starkes andalusisches Roß, in der Rechten schwang er seine Lanze, und die eben durchbrechende Morgensonne spiegelte sich an seinem vergoldeten Helme und Panzer. Indessen brachten Boten auf Boten dem Kurfürsten, der ungeachtet der Gefahr in einer Kirche dem Gottesdienst zuhörte — — es war gerade Sonntag — die Nachricht, Karl rücke an. Aber der Kurfürst wollte es nicht glauben; auch könne er jetzt nicht kommen, sagte er; erst müsse der Gottesdienst beendigt sein. Aber als dieser beendigt war, hatte er kaum noch Zeit, sich eilends in seinen Wagen zu setzen und davonzujagen. Denn mit dem Rufe: „Hispauia! Hispania!" stürzten die trefflichen kaiserlichen Reiter auf die Sachsen ein; Moritz focht unter den Vordersten. Leicht wurden die sächsischen Reiter in die Flucht gejagt; sie warfen sich auf ihr eigenes Fußvolk und brachten nun auch dies in Verwirrung; ohne Ordnung liefen die Unglücklichen auseinander und wurden durch die ganze Haide von den Siegern verfolgt. Der Kurfürst warf sich endlich, so schwer er auch wegen seiner Dicke reiten konnte, auf ein starkes Pferd und jagte fort. Einige leichte Reiter holten ihn ein und wollten ihn fangen. Aber der dicke *) Siehe Th. I. S. 122.

4. Theil 3 - S. 187

1880 - Stuttgart : Heitz
Albrecht von Wallenstein. 187 den erwähnten Vorschlag. Ferdinands Räche meinten, man könne ihn ja mit 20,000 Mann den Versuch machen lassen. „Nein!" rief Wallenstein, „das kann ich nicht! die getraue ich mir nicht zu unterhalten; wohl aber 50,000 Mann." — „Ihr wundert euch!" fuhr er fort. „Seht, mit 50,000 Mann kann ich überall Gesetze vorschreiben, und die gesammten Lebensmittel einer Provinz stehen mir zu Gebote. So ist es nicht mit 20,000, die manchmal bitten müssen, wo jene befehlen." Das sahen die Räthe ein, und der Kaiser gab ihm nicht nur die gesuchte Erlaubniß, sondern auch das Recht, alle Offizierstellen zu vergeben. Nun ließ er die Trommel rühren, und von allen Seilen strömten ihm Menschen zu; denn an müßigem Volke fehlte es nirgends, besonders damals, wo schon so manche Gegend verwüstet war, und wie gut es sich in Wallensteins Lager leben ließ, war ja schon bekannt. In kurzem hatte er mehr als 20,000 Mann beisammen, und wie er vorrückte, wuchs der Haufe wie ein rollender Schneeball an. Zuerst ging er auf Niedersachsen los und traf am Harze mit Tilly zusammen. Beide hätten nun zusammen handeln sollen, aber dazu war jeder zu stolz; keiner wollte von dem andern Befehle annehmen, und so trennten sie sich nach nur kurzem Beisammensein. Zuerst ging Wallenstein (1626) gegen den Grafen Mansfeld, der bei Dessau über die Elbbrücke gehen wollte. Hier erwartete Wallenstein den Grafen hinter schnell aufgeworfenen Schanzen und schlug ihn, da er stürmte, mit großem Verluste zurück. Er verfolgte ihn dann durch Schlesien bis nach Ungarn, von wo Mansfeld, wie schon oben erzählt, zu Bethlen Gabor entwich. Im folgenden Jahre trieb Wallenstein die feindlichen Truppen aus Schlesien, unterwarf die Provinz dem Kaiser wieder, wandte sich nun gegen den Hauptfeind, den König von Dänemark, Christian Iv., der an der Spitze der niedersächsischen Kreisstände stand und schon von Tilly bei Lutter am Barenberge aufs Haupt geschlagen war, und jagte ihn vor sich her. Demüthig bat dieser um Frieden, erhielt aber eine verächtliche Antwort, und binnen wenigen Tagen hatte Friedland Schleswig und Jütland mit seinen Soldaten überschwemmt, und Christian mußte froh sein, daß er ihm nicht nach seinen Inseln folgen konnte. Hätte Wallenstein nur Schiffe gehabt! So blickte er ihm nur wüthend nach, und soll vor Zorn gar glühende Kugeln ins Meer haben feuern lassen. Das alles geschah durch ihn allein, während der alte Tilly in einem Winkel von Deutschland ihm zusehen mußte. Und wie fürchterlich hausten

5. Theil 3 - S. 71

1880 - Stuttgart : Heitz
Huldreich Zwingli. 71 Huldreich Zwingli wurde 1484, also ein Jahr später als Luther, im Dorfe Wildhaus im Canton St. Gallen (zwischen Wallenstädt und Appenzell) in Helvetien geboren. Obgleich sein Vater, ein Amtmann, acht Söhne hatte, so sorgte er doch, daß sie gut unterrichtet wurden, und schickte den Huldreich nach Basel, späterhin nach Bern auf die Schule. Nachdem er in Wien und in Basel studirt hatte, wurde er Pfarrer in Glarus. Hier war ihm eine Bibel in die Hände gefallen und sie wirkte auf ihn eben so wie auf Luther. Er konnte nicht von ihr wegkommen; alles zog ihn unwiderstehlich an, und wie erstaunte er, als er fand, daß von vielen Lehrsätzen der römisch-katholischen Kirche kein Wort in der Lehre Jesu stände. Als er 1516 Prediger in dem berühmten Kloster und Wallfahrtsorte Maria Einsiedeln geworden war, trat er mit Unerschrockenheit zur Vertheidigung der Wahrheit auf. Er predigte, unterstützt von dem aufgeklärten A^te daselbst, dem zu Tausenden nach dem Gnadenorte strömenden Volke, daß die Wallfahrten und die andern äußern Leistungen keinen Werth hätten, wenn der innere Mensch sich nicht bessere. Wohl mochten die andern Geistlichen darüber den Kopf schütteln; aber er galt für einen so durchaus frommen Mann, daß keiner von ihnen seine Lehre anzutasten wagte. Nun berief man ihn nach Zürich, zwei Jahre später, als Luther die 95 Sätze angeschlagen hatte. Gleich in seiner ersten Predigt lehrte er das reine Evangelium, wie es uns die Apostel hinterlassen haben, frei von allen menschlichen Zusätzen, und so fuhr er fort zu lehren und bekämpfte muthig Aberglauben, Unglauben und Laster, wo er sie fand. Damals reiste in der Schweiz ein italienischer Franciscanermönch, Bernardin Samson, umher und predigte, wie Tezel in Norddeutschland, den Ablaß. Aber Zwingli eiferte gegen den schändlichen Mißbrauch so laut, daß Samson nicht in Zürich eingelassen wurde. Dies ermunterte den braven Zwingli weiter zu gehen und auch die andern Mißbräuche der römischen Kirche anzugreifen, und dadurch wurde ihm fein Werk erleichtert, daß der Rath von Zürich ihm Beifall gab und feine Verbesserungen unterstützte; ja schon 1520 wurde befohlen, daß in Zürich und dessen Gebiete das Wort Gottes ohne menschliche Zusätze gelehrt werden sollte, und nachdem dies zwei Jahre lang geschehen war, wurden auch die äußeren Gebräuche, die dem reinen Evangelium zuwider sind, die Messe, die Ohrenbeichte u. bergt, abgeschafft. Da nun Zwingli fortfuhr, für Ausbreitung der einfachen Lehre

6. Theil 3 - S. 77

1880 - Stuttgart : Heitz
Calvins Tod. 77 Wie unterschied sich aber die Lehre Luthers von der des Zwingli und des Calvin? Alle drei stimmten darin überein, daß kein menschliches Ansehen in Sachen der Religion, sondern allein die heilige Schrift entscheiden könne. Nur darin wichen sie ab, daß Luther sich an die Worte der Bibel buchstäblich hielt, Zwingli dagegen dieselben nach der Vernunft erklärte. Ferner ließ Luther viele äußere Gebräuche und Verzierungen der Gotteshäuser stehen; Zwingli dagegen schaffte alles Alte ab und duldete in den Kirchen keine Bilder, keine Altäre, kein Musik. Luther setzte fest, daß unter den Geistlichen einige die Vorgesetzten der andern feien, Zwingli verlangte eine völlige Gleichheit unter ihnen. Alle drei erkannten, daß die Obrigkeit in Sachen des Gottesdienstes eine Stimme habe, aber nicht in Gegenständen des Glaubens. Zwingli räumte ihr eine größere Gewalt ein als Luther und Calvin. Die Ansicht Luthers und Zwingli's vom Abendmahle ist schon erwähnt worden. Calvin ging von beiden darin ab, daß er meinte, Wein und Brot wären beim Abendmahle nicht bloße Zeichen des Blutes und Leibes Jesu, sondern die Gläubigen genössen den Leib und das Blut Jesu auf eine geistige Weise wirklich. — Auch hatte er eine eigene Ansicht von der sogenannten Gnadenwahl. „Der Mensch," sagte er, „kann vermöge der Erbsünde durchaus nichts Gutes wollen. Darum kann keiner selig werden als der, welchen Gott durch seine Gnade zu sich zieht. Dies findet aber nur bei einigen Menschen statt. Die guten Menschen sind von Gott zur Seligkeit, die bösen zur Ver-dammniß bestimmt, ohne daß wir wissen, warum er gerade diese oder jene auserwählt habe. Diese Gnade Gottes ist ganz frei und nimmt auf die Handlungen der Menschen gar keine Rücksicht." Die Kirche, welche nun Zwingli und Calvin durch ihre Lehre gründeten, wurde die reformirte genannt und fand vorzüglich in der Schweiz, in den Niederlanden, in Schottland, in einem Theile von Deutschland und auch in Frankreich Eingang, so grausam auch König Franz die Hugenotten, wie man hier die Reformisten nannte, verfolgte. *) *) Ueber den Ursprung des Namens curfiren verschiedene Ansichten. Die ersten Versammlungen der Calvinisten in Frankreich konnten nur des Nachts stattfinden und da dann dem Volksglauben zufolge der Geist des Königs Hugo nächtlich umging, sollen die nächtlichen Genossen nach ihm benannt worden sein. Wahrscheinlicher aber ist der Name auf die schweizerischen Eidgenossen „Eignots" zu beziehen, mit welchen die französischen Calvinisten ursprünglich zusammenhingen.

7. Theil 3 - S. 268

1880 - Stuttgart : Heitz
268 Neue Geschichte. 2. Periode. Rußland. Das Haus Rurik war nach mehr als 700jähriger Dauer 1-598 mit Feodor Jwanowitsch erloschen; ein russischer Edelmann, Boris Godunow, der schon unter Feodor die Regierung geleitet hatte, wurde zum Herrscher erwählt. *) Gegen ihn trat der angeblich *) Wir tragen hie.r eine kurze Uebersicht der Geschichte des russischen Reiches unter dem Hause Rurik nach. Slavische und finnische Völkerschaften von der Ostküste des baltischen Meeres zur oberen Wolga hin hatten 862 eine Normannenschaar, die Waräger, als ihre Herren in das Land gerufen, um dadurch die Beendigung innerer Zerwürfnisse herbeizuführen. Die Waräger, für welche hier der Name Russen aufkam, erschienen unter der Führung von drei Brüdern, Rurik, Sineus und Truwor. Rurik wurde nach dem Tode seiner Brüder der einzige Gebieter des neugestifteten Reiches'; er hatte seinen Herschersitz in Nowgorod am Jlmensee aufgeschlagen. Sein Nachfolger machte Kiew zur Residenz. Siegreiche Kriege erweiterten das Reich nach Osten und Süden; mit kühnen Seefahrten über das schwarze Meer und in den Bosporus bis vor die Mauern von Constantinopel wurde das oströmische Reich geschreckt und gebrandschatzt. Der Enkel Ruriks, Swätoslaw, überschritt mit Heeresmacht die Donau und drang bis Adrianopel vor. Wladimir der Große, 980—1015 vermählte sich mit der griechischen Prinzessin Anna, einer Schwester der Theophania, welche die Gemahlin des deutschen Kaisers Otto Ii. war; er nahm das Christenthum an und führte dasselbe auch in seinem Volke ein, 984. Es geschah dies im Anschluß an die griechische, nicht an die römische Kirche, ein Umstand, welcher viel dazu beitrug, daß Rußland den abendländischen Völkern so lange sremd blieb. Sein großes Verdienst, christlicher Gesittung in Rußland Eingang verschafft zu haben, schmälerte er unabsichtlich dadurch, daß er bei seinem Tode das Reich unter seine Söhne theilte, deren einer, der Großfürst von Kiew, die Oberherrlichkeit verwalten und den Zusammenhang der Theile erhalten sollte. Bruderkriege, Parteiungen und die Einmischung der Nachbarn, besonders der Polen, waren jahrhundertelang die verderblichen Folgen dieser Theilungen; das Volk litt unter den räuberischen Einfällen der Grenzvölker, die Macht des Reiches verfiel/ Während dieser traurigen Zeiten wurde um 1150 Moskau gegründet. Kiew verlor an Bedeutung, und die Stadt Wladimir kam als Fürstensitz ansehnlich empor, doch auch nur vorübergehend; Nowgorod aber als eine fast selbständige Handelsrepublik und im Besitz eines weiten Gebietes erlangte große Macht und war eines der bedeutendsten Mitglieder der Hansa. Als 1287 die verwüstenden Schwärme der Mongolen aus Asien hereinbrachen fehlte in Rußland die Kraft, sich der wilden Feinde zu erwehren. Die goldene Horde der Mongolen gründete in den Gebieten der unteren Wolga das Reich von Kaptschak und hielt die russischen Fürsten und Großfürsten über 200 Jahre lang in Tributpflicht. Noch in der ersten Zeit dieser mongolischen Herrschaft erwarb sich der Großfürst Alexander Newsky, 1252—1263, durch einen Sieg an der Newa über die Schweden einen gefeierten Namen. Sein Enkel, Johann Kalita 1328—1340, begann mit Klugheit und Ausdauer die Kraft des Reiches wieder zu heben. Moskau wurde Hauptstadt, und auch der Sitz des Metropoliten wurde von Kiew hierher verlegt. Wenn auch der erste Versuch, das Mongolenjoch abzuschütteln, trotz eines großen Sieges über dieselben am Don 1380

8. Theil 3 - S. 269

1880 - Stuttgart : Heitz
Peter der Große. 269 noch vorhandene Bruder des letzten Czaren, Demetrius, auf; er sei den von Boris gegen ihn ausgesendeten Mörderhänden entgangen und mache nun Anspruch auf den ihm gehörenden Thron. Der Betrüger, ein ehemaliger Mönch, Namens Otrepjew, erlangte den Beistand des Polenköniges, und auch unter den Bojaren fand er Anhang. Boris wurde besiegt, und nach dessen plötzlichem Tode zog der falsche Demetrius 1605 in Moskau ein. Seine Herrschaft aber dauerte nur ein Jahr. Eine Verschwörung gegen ihn brach aus und in dem Tumulte wurde er vom Volke erschlagen. Nun brach eine schreckliche Verwirrung herein. Es fanden sich neue Abenteurer, welche die Rolle des Demetrius weiter spielen wollten; Bürgerkrieg und fremde Waffengewalt zerrütteten das Land, denn die Wuth der Parteien hatte die Polen und Schweden gegen einander zu Hilfe gerufen; bis Moskau drangen die Polen vor und besetzten den Kreml. Das Reich war nahe am Zerfall. Da rief ein geringer Mann aus dem Volke, Kosma Minin, seine Landsleute zur Rettung des Vaterlandes auf; sein Ruf fand begeisterte Aufnahme. Die Polen wurden zum Abzüge gezwungen, der Bürgerkrieg erlosch allmählich und den wieder hergestellten Thron bestieg 1613 Michael Feodorowitsch Romanow, durch seine Mutter mit dem alten Herrscherhause verwandt. Er regierte bis 1645, sein Sohn und Nachfolger Alexei bis 1676. Diefe ersten Romanows nicht sofort zum Ziele führte, so hatten doch die Russen ihr Selbstvertrauen wiedergewonnen und die Großfürsten von Moskau sorgten ausdauernd für die Stärkung des Reiches durch Förderung der Reichseinheit. Endlich brach Iwan Wasiljewitsch, 1462—1505, das Joch der unter einander uneinig gewordenen Mongolen, 1480. Vorher schon hatte er der Selbständigkeit der russischen Theilfürsten ein Ende gemacht; auch das reiche und mächtige Nowgorod hatte er unterworfen. Iwan nahm den Titel Czar von Großrußland an und den zweiköpfigen Adler des untergegangenen oströmischen Reiches in das Reichswappen auf. Seine Gemahlin Sophie war eine Nichte des letzten griechischen Kaisers, welcher mit seiner Hauptstadt dem Ansturm der Türken erlegen war (siehe Band Ii. S. 273). Sie förderte, so weit es ihr möglich war, die Anknüpfung Rußlands mit dem westlichen Europa. Iwan Wasiljewitsch Ii., wegen seiner wilden Gemüthsart der Schreckliche genannt, vergrößerte das Reich nach Osten hin durch die Eroberung der aus dem zertrümmerten Mongolenreiche noch übrigen Königreiche Kasan und Astrachan; mit der Unterwerfung Sibiriens wurde durch den kühnen Kosakenhäuptling Jermak ein Anfang gemacht; weniger erfolgreich waren Iwan Ii. Kriegszüge gegen die Polen. Sein Sohn Feodor, 1584—1598, war der letzte Czar aus dem Hause Rurik, welches mit ihm ausstarb. Ein jüngerer Bruder dieses Feodor, Demetrius, war noch als Knabe auf Anstiften des Boris Godunow, Feodors Günstling, ermordet worden.

9. Theil 3 - S. 281

1880 - Stuttgart : Heitz
Karl Xii. Krieg gegen Dänemark. 281 sagt, gethan! Karl fuhr selbst mit einem ausgesuchten Heere über den Sund. Schon standen die Dänen am Ufer, um ihn zurückzutreiben. Aber ungeachtet des Kugelregens sprang er aus dem Schiffe ins Wasser, welches ihm bis an die Arme reichte, den Degen in der Hand, und so stürmte er gegen die Dänen an, hinter sich feine Soldaten, welche die Gewehre hoch über dem Wasser emporhielten. Als die Kugeln um ihn herumflogen, fragte er feine Begleiter, was das für ein Pfeifen wäre. „Sire! das sind die Flintenkugeln." — „So?" sagte Karl, „das soll künftig meine Lieblingsmusik sein!" — Die Dänen verloren den Muth, solchen Feinden zu widerstehen, und warfen sich in die Flucht. Nun ging es rasch auf Kopenhagen zu. Karl hielt die schönste Mannszucht; jedes Plündern war bei Todesstrafe verboten. Dafür aber nahmen ihn die braven seeländischen Bauern freundlich auf. „Gott segne Ew. Majestät," sprachen sie; „wir wissen wohl, daß Ihr uns kein Leid thun werdet; Ihr seid ja der frommen Ulrike Sohn." *) Wie schön, wenn der Segen unserer Aeltern auf uns ruht! — Und als Karl nachher wieder zurückkehrte, sagten ihm die ehrlichen Leute mit Thränen Lebewohl. Der König Friedrich aber war über die plötzliche Erscheinung der Schweden so bestürzt, daß er demüthig um Frieden (in Travendal in Holstein) bat. Karl gewährte ihn gern; denn er hatte mehr zu thun. Das geschah 1700. Nun ging es rasch wieder zu Schiffe. Karl fuhr über die Ostsee nach Lievland, landete und eilte der Stadt Narwa in Esthland zu Hülfe, die von den Russen belagert wurde. Hier kam es zu einer Schlacht, 8000 Schweden gegen fast 80,000 Russen, die sich noch obendrein verschanzt hatten. Aber der Wind trieb die fallenden Schneeflocken den Russen gerade ins Gesicht, und dies machte es den Schweden möglich, unbemerkt sich zu nähern. In einer Viertelstunde war die Schlacht entschieden und die Russen in voller Flucht nach einer einzigen Brücke. Endlich brach diese ein und alle, die aus ihr waren, stürzten mit Angstgeschrei zum unfehlbaren Tode hinab. Den Nachgebliebenen war nun jeder Weg der Rettung verschlossen; sie vertheidigten sich hinter einer Reihe von Wagen. Das Schießen hörte Karl am andern Ende des Schlachtfeldes. Er jagte herbei. Unterwegs hielt ein Morast ihn auf; er wollte durchsetzen, sein Pferd fiel aber so tief hinein, daß *) Seine Mutter war eine dänische Prinzessin, Schwester des Königs von Dänemark.

10. Theil 3 - S. 202

1880 - Stuttgart : Heitz
202 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg. Mitleiden in seiner Seele aufzutauchen. Aber der Eindruck war nur gering; denn er schrieb an den Kaiser mit Wonnegefühl: „Seit dem Untergange von Troja und Jerusalem ist kein ähnlicher Sieg erfochten worden." — Auch pflegte er nachmals mit grausamem Spotte das Blutbad die Magdeburgische Hochzeit zu nennen.*) *) Wir haben noch einige Erzählungen von solchen Einwohnern übrig, die sich gerettet haben. Die kürzeste davon mag hier des Beispiels wegen stehen: „Ms unser Schullehrer am 20. Mai Morgens seinen Unterricht geendigt hatte und mit seinen Schülern, zu denen ich gehörte, betete, entstand ein Geschrei in der Straße: die Stadt sei erobert. Flintenschüsse bestätigten die Wahrheit dieser Aussage, noch mehr das Sturmgeläute. Sogleich lies uns der Lehrer auseinander gehen. Er empfahl uns dem Schutze Gottes und sagte, daß wir uns wahrscheinlich erst im Himmel wiedersehen würden: In einem Augenblicke machten wir uns alle davon, der eine hierhin, der andere dorthin. Ich erreichte den breiten Weg (die Hauptstraße, die durch die ganze Stadt führt) und sah der Stadtwage gegenüber, neben der Hauptwache, einen Haufen Soldaten, den Säbel in der Hand. Neben ihnen lagen viele andere Soldaten auf der Erde todt ausgestreckt. Dieser Anblick machte mich schaudern. Ich lief aus allen Kräften und schlug die Pelikanstraße ein, in der Hoffnung, das Haus meines Vaters erreichen'zu können. Aber kaum hatte ich in dieser Absicht einige Schritte gethan, als ich mich mitten unter einem andern Haufen Soldaten befand, die eben einen Menschen niederstießen, den ich sich in seinem Blute wälzen sah. Dieser Anblick erschütterte mich mit solcher Gewalt, daß ich nicht weiter laufen konnte. Ich flüchtete mich indessen in ein Haus, dem Wirthshause zum Pelikan gegenüber. Hier stieß ich auf einen alten Mann, der mir sagte: „Liebes Kind, was fuchst du hier? Rette dich lieber, ehe du den Soldaten in die Hände fällst." Ich wollte eben seinem Rathe folgen, aber dazu hatte ich keine Zeit mehr; denn ein Haufe Kroaten drang in das Haus ein, als ich es eben verlassen wollte. Sie schwangen den Säbel über den alten Mattn und forderten Alles, was er habe. Ungesäumt öffnete ihnen dieser einen Kasten vqll Gold, Silber und Kleinodien. Sie fielen darüber her, steckten ein, so fiel in ihre Taschen ging, das Uebrige thaten sie in einen Korb. Dann schossen sie den alten Mann nieder. Ich schlich mich geschwind fort und suchte mich hinter einige alte Kisten zu verstecken. Indem ich so überall herumkroch, erblickte ich eine sehr schöne junge Dame, die mich dringend bat, fortzugehen, um sie nicht zu verrathen. Ich gehorchte ihr; ehe ich aber noch wußte, wohin ich mich wenden sollte, hielten mich die Kroaten sest und einer von ihnen schrie: „Halt, du Hundejunge! da nimm den Korb und trag ihn vor mir her!" Ich griff, schnell zu und begleitete sie überall, wohin sie gingen. Sie stiegen in mehrere Keller und beraubten Männer und Frauen ohne Erbarmen. Als wir aus dem einen Keller wieder heraufstiegen, sahen wir mit Entsetzen, daß das Feuer schon das Haus ergriffen habe. Wir drangen mitten durch die Flammen und machten uns geschwind davon. Wahrscheinlich sind alle Die, welche noch im Hause waren, darin umgekommen. Seit dem Tage habe ich meinen Vater und meine Mutter nie wiedergesehen!" Wie viele Herzen mögen in jenen wenigen Stunden angstvoll geschlagen haben!
   bis 10 von 211 weiter»  »»
211 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 211 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 1
1 6
2 18
3 0
4 9
5 43
6 1
7 32
8 0
9 2
10 56
11 10
12 14
13 0
14 17
15 0
16 20
17 0
18 0
19 0
20 8
21 0
22 3
23 11
24 3
25 7
26 0
27 14
28 44
29 0
30 3
31 6
32 0
33 10
34 4
35 0
36 18
37 132
38 2
39 1
40 2
41 1
42 3
43 13
44 0
45 24
46 4
47 2
48 3
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 22
2 3
3 4
4 0
5 0
6 1
7 2
8 8
9 6
10 0
11 0
12 3
13 3
14 9
15 4
16 32
17 131
18 0
19 55
20 4
21 12
22 1
23 60
24 1
25 3
26 8
27 0
28 12
29 6
30 0
31 14
32 0
33 0
34 2
35 11
36 1
37 1
38 3
39 23
40 0
41 3
42 8
43 7
44 0
45 15
46 3
47 0
48 0
49 0
50 0
51 7
52 19
53 0
54 2
55 10
56 4
57 0
58 7
59 3
60 4
61 0
62 0
63 1
64 9
65 9
66 1
67 6
68 5
69 1
70 0
71 5
72 0
73 1
74 2
75 4
76 4
77 43
78 5
79 0
80 0
81 0
82 44
83 4
84 3
85 22
86 6
87 19
88 12
89 3
90 15
91 4
92 59
93 2
94 50
95 2
96 3
97 1
98 40
99 1

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 44
1 5
2 75
3 22
4 33
5 14
6 28
7 53
8 11
9 67
10 20
11 3
12 44
13 18
14 0
15 14
16 57
17 25
18 11
19 12
20 7
21 20
22 20
23 7
24 10
25 11
26 94
27 28
28 9
29 12
30 53
31 13
32 6
33 394
34 22
35 22
36 1
37 16
38 3
39 42
40 44
41 10
42 27
43 89
44 12
45 10
46 20
47 12
48 27
49 134
50 108
51 117
52 15
53 8
54 28
55 23
56 14
57 4
58 50
59 638
60 3
61 34
62 34
63 9
64 41
65 124
66 0
67 80
68 21
69 0
70 1
71 40
72 20
73 156
74 17
75 48
76 14
77 45
78 2
79 21
80 14
81 513
82 13
83 3
84 11
85 35
86 1
87 17
88 92
89 16
90 1
91 74
92 0
93 7
94 1
95 7
96 0
97 29
98 36
99 3
100 340
101 0
102 168
103 51
104 2
105 0
106 27
107 6
108 10
109 3
110 14
111 62
112 50
113 7
114 9
115 25
116 132
117 9
118 14
119 2
120 25
121 113
122 6
123 46
124 42
125 24
126 16
127 31
128 25
129 53
130 0
131 144
132 20
133 2
134 10
135 0
136 185
137 1
138 2
139 1
140 67
141 28
142 20
143 212
144 2
145 13
146 23
147 8
148 26
149 0
150 44
151 26
152 108
153 7
154 12
155 52
156 89
157 17
158 38
159 3
160 5
161 33
162 19
163 37
164 3
165 5
166 83
167 12
168 19
169 44
170 12
171 31
172 82
173 168
174 11
175 271
176 59
177 267
178 16
179 78
180 2
181 48
182 257
183 194
184 48
185 3
186 20
187 19
188 1
189 16
190 36
191 32
192 17
193 2
194 15
195 10
196 179
197 41
198 36
199 12