138 Geschichte der neueren Zeit.
Shakespeares hinwiesen. Es gelang ihnen, den in französischem Sinne geübten allmächtigen Einfluß Gottscheds in Leipzig zu brechen (Streit der Schweizer und der Leipziger). Ihr Werk vollendete dann der große Lessing.
c) Die bildenden Künste haben in dieser Periode in Deutschland keine selbständige Blüte erlebt. In der Baukunst wurde der in der Reformationszeit zu so hoher Vollendung geführte Renaissancestil zwar noch weiter gepflegt und fand auch noch einige würdige Vertreter (Schlüter zur Zeit Friedrichs I., Kuobels-dorf zur^ Zeit Friedrichs des Großen, in Berlin), aber er verlor feine Reinheit durch den Hinzutritt fremder Elemente, besonders durch das Überwiegen der Dekoration, des Ornamentes, welches als das Wichtigere an dem Bau behandelt wurde. So erzeugte sich der sog. Perrücken- oder Rokokostil (Zwinger in Dresden), welcher natürlich auch die Skulptur beherrschte. — Die deutsche Malerei sank im 17. Jahrhundert von der Höhe der Reformationszeit herab, wenn auch in der äußeren Handhabung der Kunstmittel (Technik) noch Erhebliches geleistet wurde. Das 18. Jahrhundert hat dann einen neuen Aufschwung der bildenden Künste vorbereitet, zumal durch die geläuterten Kuustaufchauungen, deren Verkünder Winckelmann wurde.
Die Musik hat im 17. und 18. Jahrhundert bei uns in höchster Blüte gestanden. Die deutsche Kirchenmusik fand ihre größten Vertreter in Johann Sebastian Bach (1685 — 1750 [„Matthäus-Passion" n. ct.]) und in Georg Händel (1684—1759 [„Messias", „Makkabäus" u. a.]), welcher letztere vorzugsweise in England gewirkt hat. Nachdem Joseph Haydn und Christoph Gluck auch der weltlichen Musik einen hohen Aufschwung verliehen, erreichte die Tonkunst ihre Vollendung in den großen Komponisten Wolfganq Amadeus Mozart (1756—1791) und Ludwig Beethoven (1770—1827).
d) Das politische Leben war in Deutschland, zumal auch durch den westfälischen Frieden, völlig entartet. Es fehlte, infolge der Schwächung der Kaisergewalt, an einem beherrschenden Mittelpunkt. Der Reichstag, welcher seit 1663 ständig in Regensburg sich befand, war ohne jedweden Einfluß auf das Leben der Nation ; seine Verhandlungen waren, gleich denen des Reichskammergerichtes in Wetzlar, schwerfällig und langwierig; feine Mitglieder, wie die Räte am Kammergericht, sehr oft bestechlich. Um
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Extrahierte Personennamen: Lessing Friedrichs_I. Friedrichs_I. Friedrichs Winckelmann Johann_Sebastian_Bach Johann Georg_Händel Joseph_Haydn Christoph_Gluck Wolfganq_Amadeus_Mozart Ludwig_Beethoven Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Deutschland Berlin Dresden England Deutschland Regensburg Wetzlar
64 Zweiter Teil. Das Mittelalter.
schwäbischer Abstammung (Stammburg in der schwäbischen Alp), begegnen uns die Grafen von Zollern zuerst als Burggrafen von Nürnberg. Durch persönliche Tüchtigkeit und besonders auch durch thatkräftige Unterstützung der Kaiser (z. B. Rudolfs von Habsburg) bringen sie es in dieser Stellung allmählich zu hohem Ansehen und großer Macht. Als nun Burggraf Friedrich Vi. dem Kaiser Sigismund bei dessen Kaiserwahl und ersten Regierungshandlungen wesentliche Dienste geleistet hatte, erhielt er zum Lohne dafür die Belehnung mit der Mark Brandenburg. Dieselbe wurde 1417 in feierlichster Weise am 18. April 1417 während des Konzils zu Konstanz auf dem Markte vollzogen, in Gegenwart einer auserlesenen Versammlung (Kurfürsten von Pfalz und Sachsen mit Scepter und Schwert!). Dadurch wurde Friedrich Kurfürst und Reichserzkämmerer. Er stellte nun in der Mark die unter den Luxemburgern eingerissene heillose Unordnung (räuberischer Landadel, Quitzows n. a.) ab und verharrte in seinem freundschaftlichen, helfenden Verhältnis zu Reich und Kaifer. Seine Nachfolger (Friedrich Ii.; Albrecht Achilles 1470 — 1486; Johann Cicero, Joachim Nestor n. s. w.) wußten durch eine kluge Politik und durch persönliche Tüchtigkeit die Bedingungen für eine glückliche Zukunft des Landes immer günstiger zu gestalten.
I. Repetition (V. Periode ca. 1250—1517).
§ 33. 1250—1273 Interregnum, Zeit der Anarchie. Faustrecht und Raubrittertum. Strand- und Grundruhrecht. Selbsthilfe der Städte: rheinischer Städtebund 1254.
1273 — 1291 Rndols von Habsburg. Sein Sieg über Ottokar von Böhmen auf dem Marchfelde 1278: Begrüudung der habsbnrgi-gischen Macht in Österreich. — Rudolfs segensreiche Thätigkeit zur Beseitigung der Raubritterburgen.
1292 — 1298 Adolf von Nassau, von den Fürsten trege.i seines Strebens nach Hausmacht abgesetzt.
1298 — 1308 Albrecht I., Sohn Rudolfs, ermordet durch Johannes Parricida aus Privatrache.
1308 — 1313 Heinrich Vii., aus dem Hause Luxemburg, versucht noch einmal, den alten Glanz des Kaisertums herzustellen. Sein Zug nach Italien (Dante). Er stirbt plötzlich bei Siena.
§ 34. Zwischen Papsttum und Kaisertum bricht aufs neue Streit aus: der unter französischem Einfluß stehende Papst (babylonisches Exil der Päpste zu Avignon 1305—1377) erhebt den Anspruch, daß die Wahl des deutschen Kaisers seiner Genehmigung bedürfe. Unter König Ludwig Iv. dem Bayern (1313—1347; sein Gegenkönig Friedrich der Schöne bei Mühldorf 1322 besiegt) treten die Fürsten in dem Kurverein zu Reuse 1338 diesem Anspruch entgegen: der Papst soll gar keinen Einfluß bei der Kaiser-
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Extrahierte Personennamen: Nürnberg Rudolfs_von_Habsburg Rudolfs Friedrich_Vi Friedrich Sigismund Friedrich_Kurfürst Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Albrecht_Achilles Albrecht Johann_Cicero Johann Joachim_Nestor Habsburg Ottokar_von_Böhmen Ottokar Rudolfs Adolf Albrecht_I. Albrecht_I. Rudolfs Johannes_Parricida Heinrich_Vii Heinrich Ludwig_Iv Ludwig Friedrich_der_Schöne Friedrich
§ 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken. 65
wähl haben. Dieser Beschlnß wird zum Reichsgesetz erhoben durch die goldene Bulle 1356, in welcher überhaupt der Vorgang der Kaiserwahl endgiltig geregelt wird: Einsetzung des Kurfürstenkollegs! Dieses Gesetz wurde erlassen unter Kömg Karl Iv. (1347— 1378 ^„Böhmens Vater, des Reiches Erzstiefvater^). Durch ihn 1348 Gründung der ersten deutschen Universität in Prag.
§ 35. In der zweiten Hälfte des Mittelalters großer Aufschwung der Städte. Im Innern mehr und mehr der Selbstverwaltung teilhaftig, 3“L‘ ^®slhrun9 und Stärkung ihrer äußeren Interessen zu großeu Bündnissen zusammen: a) Die Hansa, Bund vorzugsweise der Küstenstädte der Nord- und Oltsee; Zweck: Förderung und Schutz des Seehandels. Gebietende Stellung der Hansa gegenüber den nordischen Reichen, b) Der rheinische Städtebund, löst sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts mehr und mehr auf. c) Der schwäbische Städtebund entwickelt sich im Gegensatz zu den süddeutschen Landesherren zu großer Macht. Sieg über Eberhard von Württemberg bei Reutlingen 1377. Die Macht des Bundes sinkt gegen Ausgang des Mittelalters.
<rrr ^6- Gegen die Mißstände in der Kirche treten auf: in England Wrclef ca. 1360, m Deutschland (Böhmen) Huß ca. 1400. Man suchte eine Reformation an Haupt und Gliedern durchzusetzen durch große
m ®0n5tl äu ^i'a 1409' b) Konzil zu Konstanz ca. 1415 c) Konzil zu Basel ca. 1440. Keines erreicht seinen Zweck. Doch ist das Konstanzer Konzil sehr wichtig a) durch die dort vollzogene Verurteilung und Verbrennung von Huß; b) durch die von Kaiser Sigismund (1410—1437) vollzogene Belehnung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit dem Kurfursteutum Brandenburg (1417).
s a 137‘ .Vorgeschichte Brandenburgs. Ursprüngliche slavische Bevölkerung durch Heinrich I. und Otto I. christianisiert (Markgras Gero und die „Nord-nlv f unter den Frankenkönigen vernachlässigte Germanifierung dieser Gebiete nimmt wieder auf ca. 1135 Albrecht der Bär aus dem Hau se
iqjfwä" rs ”Un0an Aufblühen Brandenburgs. Aussterben der Askanier 1320 (Waldemar). Zerrüttung der Mark unter den bayerischen und luxemburgischen pursten. 1356 wird Brandenburg durch die goldene Bulle Kurfürstentum. 1417 die Hohenzollern Kurfürsten von Brandenburg, Herstellung der Ordnung durch eine Reihe vortrefflicher Herrscher.
8 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken.
Zwischen der Welt des Morgenlandes und der des Abend-lllndes hatte seit Stiftung des Mohammedanismus beständiger Widerstreit nicht aufgehört. Die Araber waren zwar von der Besitznahme Frankreichs durch Karl Martells Sieg bei Poitiers 732 abgehalten worden, doch hatten sie in Spanien festen Fuß aefakt und Jahrhunderte lang behalten, trotzdem sie in beständigem Kampfe Mit den christlichen Königen und Rittern (der Cid!) lagen.
Wychgram, Lehrbuch der Geschichte, ii. r
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Philipp_V._König Philipp_V. Ludwig_Xiv Ludwig Romanow Karl_Xii Karl Karl Karl Peters Friedrichs_I. Albrecht_Achilles Albrecht Joachim Joachim_Ii Friedrich_Ii Friedrich Joachim
85
Macht. Die Pfalzgrafen standen den kniglichen Schlssern und Gtern vor. Die Sendgrafen reisten umher, prften alles und er-statteten dem Kaiser Berichte. Die Maifelder waren groe Heer-schauen im Frhling und Herbst. Mit denselben war meistens ein Reichs-tag verbunden, auf dem geistliche und weltliche Abgesandte aus dem ganzen Reiche auf freiem Felde oder, bei Regen, in einer Pfalz Vera-tungen hielten und ihre Beschlsse endlich vom Kaiser besttigen lieen. Karl untersiegelte mit seinem Degenknopfe. Hier ist mein Befehl und hier das Schwert, das Gehorsam schaffen wird!" pflegte er Hals-starrigen zu sagen. Handel und Gewerbe frderte er durch gleiches Ma und Gewicht, durch Anlegung von Wegen, Brcken, Kanlen und Handelspltzen, die Baukunst durch den Bau von Kirchen, Palsten, Brcken, Leuchttrmen und Badeanstalten, die Landwirt-schaft durch seine Mustermeiereien, auf denen er sich um alles km-merte. Sein Ruhm erscholl in alle Welt. Der Kalif Harun al Ra-schid in Bagdad sandte ihm Geschenke, z. B. eine knstliche Wasseruhr und einen gelehrigen Elephanten. Karls Gegengeschenke waren dressierte Pferde und Hunde.
10. Karls Ende. Karl hatte den Schmerz, da 2 talentvolle Shne vor ihm starben. Den berlebenden Ludwig lie er zu Aachen, seiner Lieblingsstadt, in der er 19 mal Weihnachten gefeiert hat, krnen und ermahnte ihn, Gott zu frchten, sein Volk zu lieben, die Armen zu untersttzen, getreue Beamten einzusetzen und sich von der Welt unbefleckt zu erhalten. Ein halbes Jahr darauf erkrankte er im 70. Lebens- und 46. Regierungsjahre an einem erneuten Fieberanfalle und starb nach Empfang des heil. Abendmahles mit den Worten: Vater, in deine Hnde befehle ich meinen Geist!" (814). Sein Leichnam wurde ein-balsamiert und im kaiserlichen Schmucke aufrecht in der Gruft des Do-mes zu Aachen beigesetzt. Auf goldenein Stuhl sitzend, die Krone auf dem Haupte, das Evangelienbuch auf den Knieen, die goldene Pilger-lasche an der Hfte, Zepter und Schild zu Fen, die Gruft mit Spe-zereien gefllt, so fand ihn 1001 Kaiser Otto Iii., der das Gewlbe ffnen lie, um sich an dem Anblick des groen Toten zu begeistern.
Fragen: Warum heit Karl der Groe"? Die Grenzen und Teile seines Reiches! Warum fhrte er seine vielen Kriege? Wie war damals das Verhltnis zwischen Papst und Kaiser? Warum zogen sich die Sachsen-kriege so in die Lnge? Was hatten die verschiedenen Grafen" zu bedeuten?
Pipin der Kurze" von Bauer. Die Schule der Stutzer" von Simrock.
Wie Kaiser Karl schreiben lernte". Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt." Wie Kaiser Karl Besuch bekam", und Wie Kaiser Karl in Bchern las" von Gerok. Frankfurts Grndung" von Kopisch. Das weie Ro" von Af. v. Oer. Wittekind" von Platen. König Karls Meerfahrt", Klein Roland" und Rolaud Schildtrger" von Uhland! Der sterbende Roland" von Stber. Rheinsage" von Geibel.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Harun Karls_Gegengeschenke Karls Karls Karl Karl Ludwig_lie Ludwig Otto Karl Simrock Karl Karl Karl_Schulvisitation Karl Karl_Besuch Karl Karl Karl Gerok Karls Klein_Roland" Geibel
Extrahierte Ortsnamen: Bagdad Karls Aachen Aachen Bchern Frankfurts Karls
130
gehorchen." Maximilian verbesserte das Geschtzwesen und lie durch den Fürsten Taxis die Post einrichten.
5. Seine Landerwerbungen. Seinen Sohn Philipp, den Erben der Niederlande, vermhlte er mit Johanna, der Erbin Spaniens, Siciliens und Neapels. Freilich mute er ihn in der Blte seines Lebens ins Grab sinken sehen. Durch Vermhlung zweier Enkel sicherte er seinem Hause auch die Anwartschaft auf Ungarn und Bhmen. Das Habsburgische Heiratsglck" wurde sprichwrtlich. Seine vielen Kriege und Hndel in Italien und mit Frankreich kosteten nur Geld und Menschen, ohne den mindesten Vorteil zu bringen.
6. Sein Ende. Der alternde Kaiser sah das Mittelalter mit seinen : Einrichtungen zu Grabe gehen und berall das Morgenrot einer neuen Zeit aufflammen. Er strubte sich nicht gegen das Neue, hatte aber auch kein rechtes Verstndnis und keine frdernde That dafr. Er hielt einen Reichstag in Augsburg (1518), auf dem ihm die Wahl seines Enkels Karl, Philipps Sohn, fehlschlug. der 100 Beschwerden gegen das ppstliche Regiment blieben ohne Erledigung. Krnkelnd zog Max nach Innsbruck, aber die Brger verweigerten ihm und seinem Gefolge das Gastrecht, weil er eine alte Schuld noch nicht bezahlt hatte. Diese Krnkung ver-schlimmerte seinen Zustand, so da er in Wels liegen bleiben mute. Als er den Tod nahen fhlte, kleidete er sich in sein Totenhemd, empfing das Abendmahl und trstete die weinenden Seinen. Wie er gelebt, so starb er, als letzter Ritter" (1519). Seinen Sarg hatte er schon 4 Jahre mit sich herumgefhrt.
Fragen: Warum verunglckten viele von Maximilians Plnen? Worin bestehen seine Verdienste um das Reich? Das Mahl zu Heidelberg" von Schwab. Graf Eberhard im Bart" von Zimmermann. Der reichste Fürst" von Kerner. Der letzte Ritter" von Anastasius Grn. Deutscher Braucht von An. Grn. Kaiser Mar und Albrecht Drer" von Wolfg. Mller.
Die Mark Brandenburg im Mittelalter.
54. Die Anhaltiner (Askamer) in der Mark (11341319).
1. Die Bewohner der Mark. Zwischen Elbe und Oder, in dem Gebiet der Havel und Spree, wohnten ursprnglich Semnonen und Longobarden. Der Strom der Vlkerwanderung fhrte sie nach i Westen und lie von Osten die W end en in die verlassenen Wohnsitze rcken. Diese gehrten der groen slavischen Vlkerfamilie in: Osten Europas an. Stammverwandt waren die Polen, die Preußen, die Obo-triten in Mecklenburg, die Pommern, die Lutizeu (Wilzen), die Sorben, die Wolliner it. a. Sie waren mittelgro, von krftigem, gedrungenem Krperbau, braungelber Hautfarbe, feurigen Augen und braunem Haar. Ihre Religion war eine Vergtterung der Naturkrfte, S w a r o g
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Philipp Philipp Johanna Karl Karl Philipps Philipps Max Max Maximilians Schwab Eberhard Zimmermann Anastasius Albrecht_Drer"_von_Wolfg Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Spaniens Neapels Ungarn Italien Frankreich Augsburg Maximilians Heidelberg Brandenburg Europas Polen Mecklenburg Pommern
204
Hermann Hettner.
Häuschen auf der Oberseergasse; er teilte seine Stube mit seiner Wirtin,
einer alten Waschfrau; seine Schlafkammer war unter dem niedrigen
Dach ein kleiner Holzverschlag, im Sommer erstickend heiß und bei
schlechter Witterung nicht einmal hinlänglich gegen Regen und Schnee
geschützt. Des Mittags hatte er nichts zu essen, als Obst und Butter-
brot; nur am Sonntag fand er bei einer armen Tante in der Friedrich-
stadt ein dürftiges Fleischgericht. Aber die Fortschritte in der Akademie,
die er mit leidenschaftlichem Eifer besuchte, waren schnell und erlangten
die allgemeinste Anerkennung. Aus der untersten Klasse, in welcher
die meisten Schüler zwei Jahre, viele noch länger zu sitzen pflegten,
wurde er bereits nach neun Monaten in den Gipssaal versetzt. Auf
der Ausstellung erhielt er die damals übliche Geldprämie von 25
Thalern. Das zweite Jahr war mit demselben Erfolg gekrönt; nach
elf Monaten rückte er in den Aktsaal vor und erhielt wieder die Prämie.
Sein wackerer Strebensgenosse und inniger Freund war Julius Thäter,
jetzt Professor der Kupferstecherkunst in München, der ebenfalls ein
Meister ersten Ranges in seiner Kunst geworden ist.
Endlich hatte sich die äußere Lage etwas besser gestaltet. Der
junge Künstler hatte die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde erregt, seine
liebenswiirdige Persönlichkeit gewann ihm die Liebe aller. Es wurden
ihm fast für alle Tage der Woche Freitische angeboten; durch Unter-
richtgeben und kleine Nebenarbeiten gelang es auch, für eine etwas be-
haglichere Wohnung sorgen zu können. In diese Zeit füllt das erste
fröhliche Ausschauen nach einer tieferen und allgemeineren wissenschaft-
lichen Bildung, durch welche Rietschel in späteren Jahren sich vor vielen,
selbst berühmten Künstlern sehr vorteilhaft auszeichnete, und welche
leider jetzt die meisten Akademieschüler sträflich vernachlässigen, in der
aberwitzigen Meinung, daß die Bildung ihre Naivetät beeinträchtige.
Zum erstenmal lernte er Goethe, Schiller, Shakespeare und die alten
Dichter mit verständnisvollster Bewunderung kennen. Ein vorgerückterer
junger Künstler, Milde aus Hamburg, führte Rietschel in diese neue
Welt ein. Thäter und einige Monate hindurch auch der Landschafter
Preller aus Weimar, der aber bald Dresden verließ, nahmen an diesen
Studien den innigsten Anteil.
Trotz alledem lagerten über der Aussicht in die Zukunft nach wie
vor die düstersten Sorgen. Es konnte dem talentvollen Jüngling nicht
lange verborgen bleiben, daß sich die Akademie im kläglichsten Zustand
befand. . . . Noch hatte sich Rietschel nicht für einen bestimmten
Kunstzweig entschieden. Er dachte daran, Maler zu werden, aber er
war ohne Hilfe und Rat. . . Ein günstiger Zufall wurde entscheidend.
Der Minister Graf von Einsiedel suchte zur Vergrößerung seines Hütten-
werkes in Lauchhammer einen geschickten Modelleur und entschloß sich,
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220
Hermann Hettner.
Glücklicherweise ist dafür gesorgt, daß das Lutherdenkmal durchaus
in dem Sinne des Meisters, mit gewissenhaftester Wahrung der künst-
lerischen Einheit fortgeführt werde. Rietschel hat eine strebsame und
tüchtige Schule gebildet. Kietz und Donndorf, die treuen, langjährigen
Mitarbeiter Rietschels, seit dem ersten Beginn an diesem Denkmal be-
schäftigt und durch eigene treffliche Leistungen bereits bewährt, sind
von dem Wormser Komitee mit der Vollendung betraut. Julius
Schnorr, der Meister des großen historischen Stils und der innige
Freund Rietschels, und Ernst Hühnel, einer der ersten unter den Bild-
hauern der Gegenwart, haben sich bereit erklärt, jenen jungen Künstlern
als Beirat zur Seite zu stehen.
Es ist mit Worten nicht auszudrücken, welchen unersetzlichen Ver-
lust die deutsche Kunst in Rietschel erlitten hat. Eben stand er in der
vollsten Kraft seiner Reife, in der fruchtbarsten Thätigkeit, in der un-
beirrbarsten Sicherheit durchgebildeter Meisterschaft. Große Aufgaben
warteten seiner von allen Seiten. Zahlreiche Schüler sammelten sich
um ihn. Mit der steigenden Anerkennung stieg in ihm der Ernst und
die liebevolle Vertiefung rastlosen Strebens.
Wir Freunde Rietschels aber wissen, daß Rietschel nicht bloß ein
großer Künstler, sondern zugleich auch einer der edelsten und liebens-
würdigsten Menschen war. Wer jemals das Glück gehabt hat, mit ihm
in Berührung zu kommen, dem ist sicher die schlichte Bescheidenheit
und Einfachheit seiner Natur unvergeßlich. Wenn von irgend einem,
so gilt von Rietschel jener schmerzvolle Nachruf, mit welchem Goethe
seinen scheidenden Freund Schiller feierte:
„Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns im sichern Port,
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen,
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Jn's Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm im wesenlosen Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine."
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Extrahierte Personennamen: Hermann_Hettner Julius
Schnorr Ernst_Hühnel Ernst Ernst Goethe Schiller
Carl Fusti.
175
Aie Verklärung ßhristi.
Gemälde Raphaels in der Pinakothek des Vatikans.
Carl Justi. (Leipzig. Lampe & Vogel.)
Raphaels letztes Gemälde. Es war im Monat April des
Jahres 1520, in den letzten Tagen vor Ostern, als eine Kunde des
Schreckens und Schmerzes sich über Rom verbreitete. Die Leute vom
Hofe des Mediceischen Papstes, die Künstler, das Volk eilte nach einem
Hause in der Region des Borgo, dessen Fassade der Besitzer einst selbst
entworfen hatte. Dieser Teil des Borgo ist längst zur Freimachung
des Petersplatzes und seiner Kolonnaden weggeräumt worden. In dem
Saale, der seit Jahren die Werkstütte seines Schaffens gewesen war,
sah man in jenen Tagen, nach römischer Sitte, die Leiche Raphaels,
öffentlich ausgestellt. Am Abend des Karfreitags, seines Geburtstages,
war sein Leben zu Ende gegangen. Zwar war der Glanz der schöpfe-
rischen Flamme in den Augen erloschen, aber noch hatte die Zeit keine
Furchen in die Züge eingezeichnet, noch umgaben volle dunkle Haar-
wellen das Antlitz. Und auch der Geist, so schien es, war noch in
seiner aufsteigenden Bewegung dem Leben der Erde entrückt worden.
Zu Häupten der Hülle stand ein großes Gemälde aufgerichtet, dessen
untere Hälfte nur erst entworfen war. Man konnte die Stelle be-
merken, an welcher der Tod der Hand den Pinsel entrissen hatte.
Wann sollte es der Natur gelingen, den Prometheusfunken zu finden,
der in stand setzte, diesen Pinsel wieder aufzunehmen?
Der Anblick des unvollendeten Werkes seiner letzten Tage schien
dem allgemeinen Schmerz noch mehr Nahrung geben zu müssen. Nun
empfand man, welche Gegenwart sich solange in das tägliche Leben
verwebt hatte; man empfand es an der Leere, die sich plötzlich um uus
verbreitet, wenn etwas verschwindet, aus dem das geistige Dasein einen
Teil seines edelsten Inhalts zog. Die Phantasie verlor sich in Be-
trachtungen der Dinge, die eine solche Kraft noch verheißen hätte.
Warum ist das Werkzeug oft so zerbrechlich, daß es von seinem zu
schonungslosen Herrn schon verbraucht sein kann, wenn er noch lange
nicht alles gesagt hat, was er der Welt zu sagen hatte? Aber es ist
ja nichts Seltenes im Weltlauf, daß die Dinge höherer Ordnung,
die durch Jahrhunderte von Geist zu Geist forterzeugend wirken, daß
das Ewige in seiner zeitlichen Existenz solchen plötzlichen Verfinste-
rungen durch die Zufälle niederer Ordnung unterliegt.
Indes, das Gemälde zeigte nicht bloß den jähen Riß einer blinden,
unbegreiflichen Macht in ein lebensvolles und zukunftvolles Dasein.
Es war in seinem Gegenstände etwas, das den Gedanken eine andere
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Extrahierte Personennamen: Carl_Fusti Carl_Justi
Extrahierte Ortsnamen: Raphaels Leipzig Rom Raphaels
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Er soll ein Knappe Waldemars, der Müller Jakob Rehbock, gewesen und
wegen seiner Ähnlichkeit mit Waldemar zu dem Betrüge benutzt worden sein.
Otto dem Faulen, dem kläglichsten Fürsten, der je ein Land regiert hat,
wußte der schlaue Kaiser Karl Iv. die Mark durch allerlei List aus den
Händen zu reißen, um seinen Sohn Wenzel damit zu belehnen (1373).
15. Die Mark unter den Luxemburgern (1373—1415).
1. Karl Iv. im deutschen Reiche. Er war auf
allerlei krummen Wegen zum Throne gekommen und
wußte überall seinen Vorteil wahrzunehmen. Dem deut-
schen Reiche war er ein Stiefvater und vergab dessen
Gerechtsamen, um seinen Säckel zu füllen. In Italien
spielte er ohne Heer eine traurige Nolle und stahl sich
am Tage seiner Krönung wie ein Dieb aus Rom. Der
Dichter Petrarca rief ihm nach: „Wenn dir dein ritter-
licher Großvater in den Alpen begegnete, mit welchem
Namen würde er dich anreden?" In dieser Zeit wurden
die Gemüter durch große Schrecknisse, wie Hungersnot,
Erdbeben, Heuschreckenschwärine und den „schwarzen
Tod" erschüttert. Letzterer war eine Pest, die wie ein
Würgengel Europa durchzog und ein Drittel aller Men-
schen wegraffte. Weil das entsetzte Volk meinte, die
Juden hätten sie durch Vergiftung der Brunnen erzeugt,
so wurden diese Unglücklichen grausam verfolgt. Andere
sahen in ihr ein göttliches Strafgericht und wollten den
Zorn Gottes durch schmerzliche Bußübungen versöhnen.
Die Geißler zogen in Schwärmen unter einer roten
Fahne umher, sangen Büßlieder und geißelten sich mit Stachelricmcn blutig.
Zuletzt sammelten sie auch Geld ein und verübten allerlei Gewalttaten, so daß
man die Thore vor ihnen schloß. — Karl Iv. setzte durch die goloene Bulle
(1356) fest, daß 7 Kur- oder Wahl fürsten den Kaiser wählen sollten, und
zwar 3 geistliche: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, und 4 welt-
liche: der König von Böhmen, der Pf alz graf am Rhein, der Herzog
von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Von dem angehängten
goldenen Siegel (Bulle) erhielt dieses Reichsgrundgesetz den Namen goldene
Bulle.
2. Karl in Böhmen und Brandenburg. Für diese Länder war er ein
wahrer Vater. In Böhmen brach er die Räubernester, sorgte für gerechtes
Gericht, ließ Wege und Brücken bauen, Flüsse schiffbar machen, zog deutsche
Gelehrte, Künstler und Landbauer ins Land und gründete 1348 die Univer-
sität Prag als eine Pflanzstätte der Bildung. Bisher war die Wissenschaft
in den Klöstern gepflegt worden oder war das Vorrecht der Geistlichen gewesen.
Bis zu 20000 stieg die Zahl der Studenten. War Böhmen für den Kaiser das
rechte, so war Brandenburg das linke Auge. Er weilte gerne in Tanger-
münde a n d e r E l b e und machte es zum Mittelpnnkt des Verkehrs. Der Land-
bau blühte auf, nützliche Thätigkeit regte und Wohlstand mehrte sich überall.
Karl ließ ein Verzeichnis aller Äcker anfertigen und verteilte die Abgaben in ge-
rechter Weise. Für Böhinen und Brandenburg starb er zu früh.
3. Seine Söhne Wenzel und Sigismund glichen ihm nicht in der Für-
sorge für ihre Erbländer. Wenzel war ein träger und grausamer Tyrann, der
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Extrahierte Personennamen: Jakob_Rehbock Otto Karl_Iv Karl Karl_Iv Karl Petrarca Karl_Iv Karl Karl Karl Karl Sigismund
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Europa Mainz Rhein Sachsen Brandenburg Brandenburg Brandenburg Brandenburg