1879 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
Autor: ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
266. Dr. Martin Luther.
319
widerrufen wollte, was er gelehrt hatte, zum Feuertode
verurtheilt. Als Huß sich auf das kaiserliche „freie Geleit"
berief, entgegnete man ihm, daß einem Ketzer gegenüber der
Kaiser nicht Wort zu halten brauche. Huß bestieg den
Scheiterhaufen und fand in den Flammen betend feinen Tod
an seinem Geburtstage im Jahre 1415. Seine Asche streute
man in den Rhein. „Jetzt bratet ihr eine Gans (Huß), aber
nach hundert Jahren wird. aus meiner Asche ein Schwan
aufsteigen, den werdet ihr nicht übermögen" — soll der weise
und fromme Mann vor seinem Tode weissagend ausgerufen
haben. Ein Jahr darauf wurde zu Konstanz auch Hussens
Freund, Hieronymus von Prag, verbrannt.
Als man die Anhänger dieser Männer mit den Waffen
überwältigen wollte, brach der schreckliche Hussitenkrieg
ans, der 16 Jahre deutsche Länder verheerte und nur da-
durch zu Ende gebracht wurde, daß der Papst den Hnssiten
den Kelch im hl. Abendmahle zugestand. (Ziska.)
Zn den Lehrsätzen Hussens bekannte sich die Gemeinde
der böhmischen Brüder, die nach dem Borbilde der
apostolischen Gemeinde zu leben suchte und sich unter mancherlei
Anfechtungen aufrecht erhalten hat. In Deutschland wurde
indes das Verlangen nach einer „Reformation der
Kirche an Haupt und Gliedern" immer dringender
und allgemeiner.
266. Dr. Martin Luther.
Am 10. November 1483 wurde einem armen, biedern
Bergmanne, Hans Luther, aus dem Dorfe Möra bei
Eisenach, zu Eisleben ein Söhnlein geboren, dem er am
folgenden Martinstage in der hl. Taufe den Namen
Martin gab. Er und seine Frau Margarethe, ge-
borne Lindemann, erzogen den Knaben nach ihrem
Stande einfach, dabei streng in der Zucht und Ver-
mahnung zum Herrn. Hans Luther zog später nach
Mansfeld, und dort erhielt der Knabe seinen ersten Unter-
richt. Der Vater hielt ihn Heifsig zur Schule an und
trug den kleinen Martin bei ungünstigem Wetter oft auf
seinen Armen dahin. Dieser zeigte bald einen scharfen
Verstand und rechten Eifer zum Lernen, so dass der
Vater sich entschloss, einen Gelehrten aus ihm zu machen.
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein Konstanz Prag Deutschland Eisenach Mansfeld
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
267. Beginn der Reformation
321
vorhabe. Staupitz batte selbst den Frieden Gottes
im Glauben an den Heiland gefunden und wusste den
Verzagenden mit dem Troste des Evangeliums zu er-
quicken. Er entband ihn von den niedrigen Kloster-
diensten und gebot ihm, sieb ganz den Studien zu
widmen. Mit freudigem Eifer studirte Luther von nun
an die bl. Schrift, dazu die Schriften des heiligen Augu-
stinus, jenes grossen Kirchenvaters des fünften Jahr-
hunderts, der auch allein im Glauben an Christi Ver-
dienst die Gerechtigkeit gefunden, die vor Gott gilt,
und von dessen Lehren die Kirche damals so weit sich
entfernt hatte.
Als der Kurfürst von Sachsen Friedrich der
Weise für seine (1502) neuerrichtete Universität Wit-
tenberg tüchtige Professoren suchte, empfahl ihm Stau-
pitz Luthern, und dieser zog 1508 als Professor der
Philosophie nach Wittenberg. Im folgenden Jahre be-
gann er auch theologische Vorlesungen zu halten und
zu predigen, beides mit ausserordentlichem Beifalle; denn
was er vortrug, ging von Herzen zu Herzen; war es
doch aus der lauteren Quelle des göttlichen Wortes ge-
schöpft, auf das er seine Zuhörer immer hinwies. Der
Kern seiner Lehre war die Gerechtigkeit aus dem Glauben.
Er seihst bethätigte diesen Glauben durch einen gott-
seligen Wandel.
Auf einer Reise nach Rom 1510, die er im Auf-
träge seines Ordens machte, sah er in dieser Stadt, die
er für den Sitz aller Heiligkeit gehalten, vielerlei Un-
sittlichkeit und Unchristlichkeit, wodurch seine Ehrfurcht
vor der heiligen Stadt und ihrem Haupte, dem Papste,
sehr erschüttert wurde.
Im Jahre 1512 wurde Luther Doctor der heiligen
Schrift und Prediger an der Stadtkirche zu Wittenberg.
267. Beginn der Reformation.
Seitdem Johannes Hnß sein Leben in den Flammen des
Scheiterhaufens hatte aufopfern müssen, hat sich in der Christen-
heit Manches begeben, was den hergebrachten Glauben an die
Reinheit und Wahrheit der damaligen Kirchenlehre erschütterte.
Unter allen Ständen in Deutschland herrschte eine Verstimmung
und Unzufriedenheit über kirchliche Zustände. Viele hatten sich
in ihrem Herzen von der Kirche losgesagt und hielten sich nur
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
268. Luther auf dem Reichstage zu Worms. 323
eine ftäte, unaufhörliche Buße sei;" der 32ste Satz: „Die werden
sammt ihren Meistern zum Teufel fahren, die da meinen, durch
Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein." Wie ein Blitz zün-
deten diese Sätze in aller Gemüther. Luthers Kühnheit erregte
allgemeines Erstaunen und bei vielen Freude itnd Hoffnung. Er
selbst erschrak über die gewaltige Bewegung, die seine That her-
vorrief; weder er selbst, noch sonst Jemand ahnete es, daß dies
der Anfang der von den Völkern längst ersehnten Kirchenver-
besserung (Reformation) war.
Papst Leo achtete anfangs der Aufregung nicht; er hielt
den Streit für bloßes Mönchsgezänk, und Luther, der iticht
glauben konnte, daß die Ablaßkrämer in des Papstes Sinne
handelten, schrieb an ihn, um ihn von dem wahren Sachverhält-
nisse in Kenntniß zu setzen. Da forderte ihn der Papst vor
seinen Richterstuhl nach Rom. Aber Kurfürst Friedrich der
Weise, der für Luther Schlimmes fürchtete, erwirkte, daß er
sich in Augsburg vor einem päpstlichen Gesandten verant-
worten dürfe. Hier forderte dieser nichts als Widerruf;
aber den wollte Luther nicht leisten, da er aus Gottes Wort
die seligmachende Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Mensch
die Gerechtigkeit und Seligkeit nicht durch des Gesetzes Werke,
noch weniger durch von der Kirche auferlegte Büßungen und
sonstige gute Werke erlange, sondern allein durch den Glauben
an das vollgiltige Verdienst unsers Herrn und Heilandes Jesu
Christi, welcher Glaube allein herzliche Reue und Sinnesänderung
(Buße, Bekehrung) schaffe.
Als Luther merkte, daß der Papst für das Wort der
evangelischen Wahrheit kein Ohr hatte, fing er an, das gött-
liche Ansehen des Papstthums in Zweifel zu ziehen; ja er
behauptete, das Wort der hl. Schrift stehe hoch über des
Papstes Satzungen. Da sprach der Papst, am l5. Juni 1520,
den Bannfluch über Luther aus; aber dieser verbrannte öffent-
lich und feierlich die Bannbulle vor dem Elsterthore zu Witten-
berg am 10. Dez. 1520.
268. Luther auf dem Reichstage zu Worms.
Unterdessen war Kaiser Maximilian (1519) gestorben, und
sein Enkel, Karl Y., auf den deutschen Thron erhoben
worden. Ihm lag am Herzen, die Glaubensspaltung in
Deutschland zu beseitigen; desshalb lud er Luther zur Verant-
wortung auf den Reichstag zu Worms, und versprach
ihm freies Geleit. Luthers Freunde waren besorgt; denn
man dachte an das Schicksal des Iiuss. Er aber gehorchte
dem kaiserlichen Befehle, obgleich er kaum von einem Fieber
genesen war. Seinem Freunde Melanchthon sagte er zum
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Christi Maximilian_( Maximilian Karl_Y. Karl Luthers Melanchthon
Extrahierte Ortsnamen: Worms Luthers Sachverhält- Rom Augsburg Gottes Worms Deutschland Worms
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Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
268. Luther auf dem Reichstage zu Worms. 325
dich nicht verlassen.“ Luther trat ein und stand vor Kaiser und
Reich. Um den jungen Kaiser waren fast alle Fürsten des
Reichs versammelt; sechs Kurfürsten, die Gesandten des
Papstes, weltliche und geistliche hohe Herren und die Vertreter
der Städte, im Ganzen gegen 300 Personen, bildeten diese er-
habene Versammlung. Luther wurde durch den Kanzler des
Kurfürsten von Trier aufgefordert, zu beantworten, ob er die
auf einer Tafel vor ihm liegenden Bücher als die seinigen an-
erkenne und ob er ihren Inhalt widerrufen wolle? Bevor er
antwortete, sprach der rechtskundige Dr. Hieronymus Schurs:
„Man verlese die Titel!“ Hierauf bekannte sich Luther zu
seinen Büchern. Auf die zweite Frage zu antworten, ob er
alles darin vertheidigen oder widerrufen wolle, bat er Kaiser-
liche Majestät um Bedenkzeit, weil das der Seelen Seligkeit
und den höchsten Schatz im Himmel und auf Erden, Gottes
Wort, beträfe. Nach kurzer Berathung der Fürsten erwiderte
der Kanzler, er habe zwar genugsam Zeit gehabt, dies zu
erwägen, doch Kaiserliche Majestät wolle aus angeborener
Güte ihm noch einen Tag zum Bedenken gewähren.
In der That, dazu hatte er auch Zeit genug gehabt. Er
hatte mit schwacher, etwas gedrückter Stimme gesprochen.
Auch wer nichts weiss von Menschenfurcht, dem fällt solch
ein erster Anblick der Grossen dieser Welt aufs Herz, bis
das Auge sich daran gewöhnt. Luther hat den Tag in stiller
Erwägung und im Gebet zugebracht.
Am 18. April war es bereits Abend und der Saal von
Fackeln erleuchtet, als er wieder in die Reichsversammlung
eingeführt wurde. Auf die wiederholte Frage nach dem
Widerruf sprach er mit fester sicherer Stimme: „Allerdurch-
lauchtigster Kaiser, durchlauchtigste hochgeborne Kurfürsten,
gnädigste Herren. Ich erscheine als der Gehorsame auf den
Termin, so mir gestern Abend angesetzet ist, und bitte durch
Gottes Barmherzigkeit, Ew. Kaiserliche Majestät wollen diese
gerechte und wahrhaftige Sache gnädigst hören und, so ich
aus Unverstand vielleicht einem jeglichen seinen gebührlichen
Titel nicht geben oder mich sonst irgend nicht nach Hof-
gebrauch erzeigen würde, mir gnädigst zu gute halten, als
der ich nicht an fürstlichen Höfen erzogen bin. Ich kann
von mir nichts andres anzeigen, denn dass ich bisher mit
solcher Einfalt des Gemüthes geschrieben und gelehrt habe,
dass ich auf Erden nicht anderes, denn Gottes Ehre, die
unverkümmerte Untersuchung und der Christgläubigen Nutz
und Seligkeit, damit dieselben rechtschaffen und rein unter-
richtet würden, angesehen und gesuehet habe.“
Darauf fuhr er, seine Bücher in verschiedene Klassen
scheidend, tort: „Etliche sind, in welchen ich vom christlichen
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269. Luther auf der Wartburg.
327
schlichte Antwort begehren, so will ich eine solche geben,
die weder Hörner noch Zähne hat, dermassen: Es sei denn,
dass ich durch Zeugniss der heiligen Schrift oder mit klaren
und hellen Gründen überwunden werde, kann und mag ich
nicht widerrufen, weil weder sicher noch gerathen ist, etwas
wider das Gewissen zu thun. Hier stehe ich, ich kann
nicht anders, Gott helfe mir! Amen!“
Zu Tausenden drängte sich das Volk auf seinem Heimwege
herzu, den Vielgeliebten und Vielgehassten zu sehen. Viele
Ritter und einige Fürsten kamen noch am Abend in seine Her-
berge, ihm die Hand zu schütteln. Der alte Herzog Erich von
Braunschweig schickte ihm einen silbernen Krug voll Eimbecker
liier. Luther fragte, von wem es sei. Der Edelknabe er-
widerte, Herzog Erich habe selbst daraus getrunken, er möge
sich nichts Böses versehen. Da trank Luther und sprach:
„Wie Herzog Erich meiner gedacht hat, also gedenke der
Herr Christus seiner in seinem letzten Stündlein.“
Der pästliche Legat forderte, dass man Luther wie Huss
behandle, auch ihm kein freies Geleit gebe; aber Kaiser Karl
sprach: „Und wenn alle Welt lügt, so soll doch der deutsche
Kaiser Treue und Glauben halten.“ Luther trat seine Rück-
reise an. Nach vier Wochen wurde über ihn die Reichsacht
ausgesprochen. Die Achtserklärung war von dem päpstlichen
Legaten verfasst.
26!). Luther auf der Wartburg.
Kurfürst Friedrich der Weise war um das Schicksal Luthers
besorgt; mit seiner Macht tonnte er diesen nicht gegen das
kaiserliche Edikt schützen. Da verfiel er ans eine List.
Während Luther auf der Heimreise, nachdem er bei seinem
Bruder Jakob in Möra bei Eislebcn übernachtet, be-
gleitet von diesem und dem Superintendenten Amsdorf
von Magdeburg, in einem Wägelchen am 4. Mai 1521 durch
einen Hohlweg im Walde bei Waltershausen in heiterer
Stimmung seine Straße zog, brachen plötzlich fünf verkappte
Ritter ans dem Dickicht hervor, hoben ihn ans dem Wagen,
setzten ihn auf ein Pferd und sprengten mit ihm von dannen.
Sie brachten ihn, Abends 11 Uhr, als einen gefangenen
Edelmann nach dem hohen Bergschlosse Wartburg bei
Eisenach. Dort lebte er nun unerkannt als Junker Jörg,
und weder Freunde noch Feinde wußten seinen Aufenthalts-
ort; aber daß er noch lebe, erfuhren sie durch Briefe und
mancherlei erbauliche Schriften, die er von seinem „Patmos"
ausgehen ließ. Doch die köstlichste Frucht seiner unfreiwilligen
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Braunschweig Erich Erich Christus Huss Karl Karl Friedrich Friedrich Jakob
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328
270. Befestigung der Reformation.
Muße ist die Uebersetzung des neuen Testaments in die
hochdeutsche Sprache.
Zehn Monate war Luther auf der Wartburg. Als er aber
hörte, daß in Wittenberg sein Frennd Karlstadt im wilden
Eifer anfing, die Altäre und die Heiligenbilder zu zerstören,
verließ er am Aschermittwoch 1522 wider seines Kurfürsten
Willen seine Zufluchtsstätte, und eilte nach Wittenberg, wo
er dem Unfuge wehrte und Ruhe und Ordnung herstellte.
’Zu). Befestigung der Reformation.
Je tiefer Luther in die hl. Schrift eindrang, desto
klarer traten ihm die Irrthümer des Papstthums hervor,
und desto entschiedener sagte er sich von demselben los. Dem
Gottesdienst gab er eine andere, urchristliche Gestalt, indem er
wieder die Predigt des Wortes Gottes zum Mittelpunkte des-
selben machte, den Gemeindegesang einführte, die Kirchengebete
in deutscher Sprache hielt, und das hl. Abendmahl in beiderlei
Gestalt austheilte. Um der Unwissenheit der Prediger und
des Volkes abzuhelfen, schrieb er seinen großen (1528) und
seinen kleinen Katechismus (1529). Sein wichtigstes Schrift-
werk aber ist die Uebersetzung der ganzen Bibel, die 1534
erschien, und wodurch er sich um die deutsche Christenheit
ein nie genug zu preisendes Verdienst erworben hat. Luther
hat es der deutschen Christenheit wieder möglich gemacht, das
Wort Gottes zu lesen, und ihr zugleich das Recht wieder-
errungen, es lesen zu dürfen, und unzählige Schulen, die
seitdem aus dem Gute aufgehobener Klöster gestiftet wurden,
legten den Samen heilsamer Erkenntniß in die Herzen der
Jugend, und beförderten eine allgemeine Bildung, wie sie
die Welt vordem nie gekannt hat.
Luthers Wort fand bei den meisten Fürsten und Völkern
Deutschlands entschiedenen Beifall und erweckte auch in
andern Ländern, die unter dem Papstthume standen, fromme
und gelehrte Männer, welche die Reformation mit Auf-
opferung von Gut und Leben auszubreiten sich bemühten.
In der Schweiz wurde die Kirchenverbesserung durch Huld-
reich Zwingli angebahnt und nach dem Tode desselben
i. I. 1531 durch den Franzosen Johann Calvin fort-
geführt. Aber dieselbe fand auch mächtige und erbitterte
Gegner. Kaiser Karl wagte zwar in Deutschland nicht, was
er in seinen andern Gebieten zuließ: Hand an die Zeugen
evangelischer Wahrheit zu legen; aber auf dem Reichstage
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271. Luther in seinem häuslichen Leben und im Sterben. 829
zu Speier 1529 wurde beschlossen, die sogenannte neue
Lehre solle einstweilen nur geduldet, nicht weiter verbreitet
werden. Dagegen protestirten die Evangelischen, und deshalb
erhielten sie den Namen Protestanten.
Im I. 1530 berief Kaiser Karl einen Reichstag nach
Augsburg, um den Kirchenstreit friedlich beizulegen. Er
befahl den Protestanten, ihm schriftlich zu überreichen,
was sie eigentlich glaubten; und nun verfaßte in ihrem
Auftrage der hochgelehrte und fromme Freund Luthers,
Philipp Melanchthon, die Denkschrift, welche unter
dem Namen „Augsburgische Confession (Glaubens-
bekenntniß)" weltberühmt geworden ist. Sie wurde am
25. Juni 1530 öffentlich und laut vor Kaiser und Fürsten
verlesen. Der Reichsabschied jedoch verwarf die „lutherische
Ketzerei" und verbot die fernere Ausbreitung derselben bei
Reichsstrafen.
Luther hatte nicht auf diesem Reichstage erscheinen dürfen;
er war im Banne und in der Acht. Er weilte indeß zu
Koburg, leitete von da aus die Verhandlungen seiner Freunde
auf dem Reichstage und dichtete sein Büßlied: „Aus tiefer
Noth schrei' ich zu dir" (Ps. 130). Hier sang er aud) täglich
das Glaubenslied: „Ein' feste Burg ist unser Gott" (Ps. 46).—
271. Luther in seinem häuslichen Lehen und im
Sterben.
Luther war freigebig, wie selten ein Reicher, und
schützte, während er allerwegs die Noth seiner Nächsten
zu lindern beflissen war, seine eigene Familie allzu-
wenig vor einer sorgenvollen Zukunft. Als ihn einer
seiner Freunde erinnerte, er möchte doch wenigstens
zum Besten seiner Familie ein kleines Vermögen sammeln,
gab er zur Antwort: „Das werde ich nicht thun; denn
sonst verlassen sie sich nicht auf Gott und ihre Hände,
sondern auf ihr Geld.“
Nothleidenden gab Luther, so lange er etwas be-
sass, ja man kann sagen, auch dann noch, wenn er
nichts mehr hatte, wie folgende Beispiele beweisen
werden. Einst kam ein Mann, der sich in Geldnoth
befand, auf Luthers Studierzimmer und bat ihn um eine
Unterstützung. Es gehrach Luther aber gleichfalls an
Geld; da er doch gerne helfen wollte, besann er sich,
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275. Der dreißigjährige Krieg und Gustav Adolf. 335
Sprachlehre. Doch blieb die Theologie das Hauptfeld seines
Forschens, und besonderen Eifer lvendete er dem ursprünglich
in griechischer Sprache geschriebenen neuen Testamente zu. Sechs
Jahre lehrte Melanchthon in Tübingen.
Als Kurfürst Friedrich der Weise sich nach den gelehrtesten
Männern zur Hebung seiner neubegründeten Universität Witten-
berg umsah, wurde ihm als ein ausgezeichneter Lehrer Melanchthon
empfohlen. Melanchthon stand in seinem 21. Jahre, als er
Tübingen verließ. Sein Eintritt in die sächsische Universität
Wittenberg erfolgte 1518. Luther erkannte bald Melanchthons
ganzen Werth und schrieb in einem Briefe an Spalatin über
ihn: „Ich danke es meinem guten Philipp, daß er uns griechisch
lehrt. Ich bin älter als er, allein das hindert mich nicht, von
ihm zu lernen. Ich sage es frei heraus, er versteht mehr als
ich, dessen ich mich auch gar nicht schäme." Melanchthon fand
großen Beifall in Wittenberg, und in den Vorträgen, die er
über das neue Testament hielt, sah man 2000 Zuhörer, imb
weit darüber, versammelt. Die nicht in den Bänken Platz
fanden, kletterten an den Fenstern empor und lauschten von oben
herab. Sogar aus Italien, dem damaligen Sitze der Wissenschaft,
und ans dem rauhen Norden kamen Studierende, um Körner der
Weisheit aufzulesen und mit fort in die Ferne zu tragen. Auch
Fürstensöhne saßen zu Füßen des kleinen unscheinbaren Mannes.
Welche andere Universität hatte aber auch zwei Lehrer, wie
Luther und Melanchthon auszuweisen! Die beiden Männer hatten
sich schnell an einander angeschlossen. Sie unterstützten sich gegen-
seitig bei dem großen Werk der Bibelübersetzung. Melanchthon
war eine milde, sanfte Natur, die sich an Luther als den
Stärkeren lehnte. Wie er als einer der ersten Förderer des
protestantischen Kirchenglaubens geschätzt wird, so ist auch sein
Verdienst um die Hähern und niedern Schulen Deutschlands hoch
zu halten, weshalb ihm seine Zeitgenossen den Namen: „Lehrer
Deutschlands" gaben. Er wollte die Menschen durch die Wissen-
schaften veredeln. Melanchthon lebte bis zum Jahre 1560.
275. Der dreissigjährige Krieg und Gustav Adolf.
Im Jahre 1618 entbrannte ein grosser Religionskrieg
zwischen den Katholiken, und den Evangelischen in
Deutschland. Weil er fast ohne Unterbrechung bis zum
Jahre 1648 geführt ward, so hat man ihn später den
dreissigjährigen genaryit. Kein anderer Krieg hat
soviel Elend über Deutschland gebracht als dieser. Weit
und breit wurden die blühendsten Landschffißfeerg-fehältjpshtiii
lieh verheert, und entsetzliche Grausamkeitieant^rgg&fot^ie
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Brauns:'. ;v;eig
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TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf Gustav Adolf Melanchthon Friedrich Friedrich Melanchthon Philipp Philipp Melanchthon Melanchthon Melanchthon Melanchthon Gustav_Adolf Gustav Adolf Schulbuchs_orcchun®
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1879 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
Autor: ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
318
265. Johannes Huß.
263. Johannes Huß.
Frühe schon gelangten in der christlichen Kirche die
Bischöfe von Alexandrien, Antiochien, Jerusalem, Kon-
stantinopel und Rom zu großem Ansehen. Zu Ende des
4. Jahrhunderts waren die einflußreichsten und mächtigsten
Bischöfe die Patriarchen zu Konstantinopel und Rom. Letz-
teren gelang es allmählich, die Oberherrschaft über die Kirche
zu erringen (Papstthum), dann — namentlich durch die Ge-
setze des Papstes Gregor Vii. — die Kirche vollständig un-
abhängig vom Staate zu machen und endlich dieselbe
über den Staat und sich selbst über die Könige zu erheben.
Aber dieser Sieg gereichte der Kirche nicht zum Segen.
Die Päpste nahmen oft mehr auf die Befestigung ihrer Macht
und auf den Erwerb irdischer Schätze als auf das Seelen-
heil der Christen Bedacht. Apostolische Einfachheit, evange-
lische Heiligung, gründliche Erkenntniß christlicher Wahrheit
ivar eme große Seltenheit geworden, und nicht selten hatten
me wahren Jünger des Herrn von Seite kirchlicher Macht-
haber grausame Verfolgungen zu erdulden.
Unter den Zeugen der evangelischen Wahrheit vor der
Reformation leuchtete durch die Treue in seinem Bekenntnisse
und durch die ruhige Standhaftigkeit, mit der er in der er-
kannten Wahrheit bis in den Tod verharrte, besonders
Johannes Huß (geb. 6. Juli 1373) hervor. Er war
ein frommer und gelehrter Professor und Prediger zu Prag.
Der Schmerz über das Verderbuiß der Kirche veranlaßte
ihn, gegen das unwürdige Leben der Geistlichen, aber auch
gegen manche Irrlehren und Mißbräuche, die in der Kirche
eingerissen waren, aufzutreten. Insbesondere tadelte er,
daß den Nichtgeistlichen (Laien) der Kelch im hl. Abendmnhle
entzogen werde; auch lehrte er, daß das Wort Gottes höhere
Geltung habe, als das der Päpste und der Kirchen-
versammlungen (Concile). — Damals gab es zu gleicher
Zeit drei Päpste, die mit einander in hartem Streite lagen.
Diesem Aergernisse ein Ende zu machen, berief der Kaiser
Sigismund ein allgemeines Concil, das im Jahre 1414 zu
Kostnitz oder Konstanz am Bodeusce abgehalten wurde. Hier
sollte auch Huß vernommen werden; man sicherte ihm zu,
daß er sich frei verantworten dürfe. Kaiser Sigismund ver-
sprach ihm freies Geleit, und Huß erschien in Konstanz.
Bald wurde er hier aber gefangen gesetzt und, da er nicht
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Extrahierte Personennamen: Johannes_Huß Johannes_Huß Gregor_Vii Gregor Johannes_Huß Sigismund Sigismund
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Rom Konstantinopel Rom Gottes Konstanz Konstanz
1879 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
Autor: ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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266. Dr. Martin Luther.
Er schickte ihn 1497 auf die lateinische Schule zu
Magdeburg und ein Jahr darauf nach Eisenach, wo
Martin sich seinen Unterhalt kümmerlich als Currende-
schüler durch Singen und Beten vor den Thüren ver-
mögender Leute erwerben musste. Durch seine schöne
Stimme und mehr noch durch sein ernstes, frommes,
bescheidenes Wesen zog er die Aufmerksamkeit einer
edlen Wittwe, Namens Cotta, auf sich, die ihn in
ihr Haus nahm. 1501 bezog er die Universität zu Er-
furt, um nach dem Willen seines Vaters ein Rechts-
gelehrter zu werden. Der Herr segnete seinen grossen
Fleiss; denn Luther betete und arbeitete und, wie er
seihst sagt, „fleifsig gebetet, ist über die Hälfte studirt“.
Schon 1503 wurde er Magister der freien Künste, und
durfte nun selbst an der Universität Vorlesungen in der
Philosophie halten. Eines Tages fand er auf der Uni-
versitätsbibliothek eine grosse lateinische Bibel, die an
einer Kette befestigt war; noch nie in seinem Lehen
hatte er eine ganze Bibel gesehen, und sein erster Blick
fiel auf 1. Sam. 1 und 2. Bald las er gar vieles in der
hl. Schrift, wovon er nie gehört, und sein mühsam
unterdrücktes Verlangen, ein Ceistlicker zu werden, wurde
wieder mit voller Stärke in ihm lebendig. Dazu kam,
dass auf einer Ferienreise nach der Heimat sein lieber
Freund Alexius neben ihm vom Blitze erschlagen wurde.
Der Gedanke: „Wo wäre jetzt deine Seele, hätte dich
der Strahl getroffen?“ fasste ihn und liess ihn nicht
los. Mit dem Wunsche, seine Seele zu retten, der Welt
sich zu entziehen, ganz dem Herrn zu leben, ging er
am 17. Juli 1505 als Mönch ins Augustinerkloster zu
Erfurt. Den darüber bekümmerten Vater tröstete er
mit zarten, kindlichen Worten. Nun lag er mit der
strengsten Gewissenhaftigkeit den Pflichten des neuen
Standes ob. Allein harte Arbeiten und selbsterwählte
Fasten und Kasteiungen, welche, wie er meinte, zur
Erwerbung göttlicher Heiligkeit und Seligkeit dienlich
wären, warfen ihn aufs Krankenlager. Da tröstete ihn
ein alter Klosterbruder mit dem Worte: „Ich glaube an
eine Vergebung der Sünden“, mehr aber noch der
fromme Ordensgeneral Johann von Staupitz. Als
dieser den jungen Mönch zum ersten Male sah, ahnte
er in ihm einen Mann, mit welchem Gott etwas Grosses
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Extrahierte Personennamen: Martin_Luther Martin Namens_Cotta Alexius Johann_von_Staupitz Johann