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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 117

1900 - München : Oldenbourg
Geschichtsunterricht und Schullektüre. 117 auch Charaktere frei erfinden; aber er muss beides mit einer dichterischen Absicht begründen können. Wo ist hier die dichterische Absicht? Liegt sie nicht in der Fabel von den drei Ringen? Wenn Lessing sagt, diejenige Religion ist die beste, welche die edelsten Charaktere schafft, so kann man das Wort für Wort unterschreiben; Christus sagt ja auch: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!« Was sind aber das hier für Früchte? Sind vielleicht Nathan, Saladin und der Patriarch für ihre Rassen und Religionen typisch? Gibt es vielleicht im Judentum und Islam nur solche Charaktere wie Nathan und Saladin, oder im Christentum nur solche Priester wie dieser Patriarch, oder findet man nicht die entgegengesetzten Charaktere in den anderen Lagern auch? Die Antwort wird wohl kaum zweifelhaft sein können. Nun hat man eingewendet, Nathan und Saladin seien nicht als Repräsentanten ihrer Religionen bezw. Rassen aufzufassen, sondern als Vertreter der allgemeinen edlen Menschlichkeit; das sei im Stück selbst angedeutet (Iv. Aufz., Ii. Auftr............i>man sagt, er habe das Mädchen nicht sozuohl in seinem, als vielmehr in keinem Glauben auf erzogen, und sie von Gott nicht mehr, nicht weniger gelehrt, als der Vernunft genügt etc.«.). Aber man muss doch den Wert eines Stückes darnach beurteilen, welchen Eindruck es auf den unbefangenen Leser oder Zuschauer macht, und da müssen selbst die Verteidiger Lessings zugestehen, dass Nathan und Saladin allgemein als Vertreter ihrer Religionen aufgefasst werden und nach dem unwillkürlichen Eindruck gar nicht anders aufgefasst werden können. Man darf nur auch sehen, wie das Tendenzstück von gewisser Seite ausgeschlachtet wird. Auch diese Dinge streifen den Geschichtsunterricht, denn Ort, Zeit (Kreuzzüge) und die Personen Saladins, Philipp Augusts etc. sind aus der Geschichte genommen, und ohne besondere Belehrung wird der Schüler leicht auf den Gedanken kommen, die geschilderten Vorgänge seien geschichtlich begründet. Also wird man im Unterricht die Verdienste Lessings um die Reinigung der deutschen Literatur vom Franzosenwesen u. dgl. warm anerkennen; man wird ihn ehren als Schöpfer der Mlnna, Emilia, Hamburger Dramaturgie u. s. w. ; man wird auch an Laokoon und Nathan das Schöne und Gute anerkennen; aber man wird offen aussprechen, dass ersterer niemals als Einführung in ein richtiges Kunstverständnis und letzterer niemals als gerechte und objektive Toleranzpredigt betrachtet werden kann.

2. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 82

1900 - München : Oldenbourg
82 Genetische Behandlung. Die neuentdeckten Länder jenseits des Ozeans waren damals noch ziemlich belanglos; sie kosteten beinahe mehr, als sie einbrachten. Silber flotten gab es noch nicht. In Spanien waren schwere ständische und separatistische (Catalonier) Kämpfe vorausgegangen. Mailand und Burgund waren strittig, die Neapolitaner unsichere Kantonisten. Die Niederlande wären zwar eine Macht-und besonders Geldquelle gewesen, aber sie hatten uralte, herkömmliche Privilegien und hielten stets die Hand auf die Tasche. Bei jeder Geldforderung musste Karl endlose Klagelieder über verletzte Privilegien anhören. Die deutschen Provinzen Karls waren in den Händen seines Bruders Ferdinand, der als König von Böhmen und Ungarn (durch seine Gemahlin) fortwährend mit den Türken zu thun hatte. Ausserdem war Karl durch die Kriege mit dem aufstrebenden Frankreich (Franz I.) immer in Atem gehalten. So hatte Karl stets mehr Schulden als Geld, obwohl er Herr der reichsten Länder der Erde war. Seine beste Geldquelle waren die oberdeutschen Städte, und hätten die selbstlosen (!) Fugger und Welser nicht hie und da eine Schuldverschreibung Karls — sie fanden bei Monopolen und Handelsprivilegien wieder ihre Rechnung — im Kamine verschwinden lassen, Karl wäre nie aus den Schulden herausgekommen. Wo aber keine »Kreuzer«, sind die »Schweizer« auch schwer zu beschaffen. So war die Macht Karls thatsächlich ein Koloss mit thönernen Füssen. Nun dazu noch die kirchlichen Streitigkeiten. Das Barometer der Protestanten stieg und fiel mit der mehr oder minder grossen Bedrängnis, in die Karl seinen auswärtigen Feinden gegenüber wiederholt geriet, sowie mit dem kühleren oder wärmeren Verhältnis, in dem Karl zum Papste stand. Brauchte Karl, der im Herzen stets strenger Katholik geblieben war, die Protestanten, so erhielten sie günstige Reichstagsabschiede; glaubte er, sie weniger nötig zu haben, ungünstige So im Jahre 1529 und 1530. Dies führte zum Schmalkaldischen Bunde 1530. Doch blieb bis 1544 Ruhe, da der Kaiser wieder in auswärtige Händel verwickelt war. Endlich schliefst er 1544 den Frieden von Crespy mit Franz I. und einen Waffenstillstand mit den Türken. Jetzt hat er freie Hand gegen die Schmalkaldener. 1545 beruft Papst Paul Iii. ein allgemeines Konzil nach Trient.

3. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 119

1900 - München : Oldenbourg
Geschichtsunterricht und Schullektüre. 119 Püsa an die Königin (»Don Carlos« Iv. Akt, 2i.aufz.), gewisser-massen sein Testament: »..........................................Sagen Sie Ihm, dass er für die Träume seiner Jugend Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird . . .« sind dem Verfasser tief ins Herz gegraben; noch heute kann er sich kaum einen grösseren Genuss denken, als nach vollbrachtem Tagewerk sich an der herrlichen Gedankenlyrik des Dichters oder den prachtvollen Chorgesängen einer »Braut Von Messina« zu erquicken. Auch gilt ganz besonders bei und für Schiller das oben angedeutete »Alles verstehen, heisst alles verzeihen«. Das geschichtliche Relief in »Räuber, Fiesco, Kabale und Liebe« kann man übergehen; diese Stücke eignen sich nicht zur Schullektüre^; und kommt ja ein Schüler von selbst darauf, weil er sie vielleicht in der häuslichen Bibliothek gefunden hat, so sagt man ihm kurz, dass es Produkte eines zwar hochbegabten, aber noch sehr jugendlichen und unausgereiften Genies sind. Auch Don Carlos eignet sich wegen der Eboli- und Königin-Episode wenig zur Schullektüre, obwohl das Stück unter den Gebildeten viel Unheil (vom Standpunkt der geschichtlichen Wahrheit genommen) angerichtet hat. Philipp Ii. war nicht der sinnlichgrausame Tyrann, Carlos nicht der edle, wenn auch einstweilen überschäumende »Hort der Zukunft«. Jeder Gebildete sollte die abschliessenden Untersuchungen Rankes u. a. behufs Rektifizierung seines Urteils kennen. Die Eboli-, Königin- und Posa-Episoden sind frei erfunden, noch dazu die letztere ganz anachronistisch, denn diese Posa-Ideen sind durchweg erst der Aufklärungsperiode vor etwa hundert Jahren eigen, aber niemals dem 16. Jahrhundert. Wallenstein, Maria Stuart, Jungfrau und Tell sind auch nicht historisch richtig gezeichnet, aber die Abweichungen Schillers von den Thatsachen sind nicht wesentlich über die Grenzen der dichterischen Freiheit hinausgegangen, auch lassen sich die abweichenden Partien (Lionel-Episode, Marias Vergangenheit u. s. w.) im Unterricht nicht gut im einzelnen ausführen. Aber schon über Tell sagte der scharfsinnige Napoleon, er begreife nicht, wie die Deutschen für ein Stück schwärmen könnten, das doch den Abfall von Kaiser und Reich glorifiziere. Thatsächlich hat er recht. Denn die Worte Ruuenz’: »Den Kaiser will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben*, haben sich im Verlauf der Geschichte voll und ganz bestätigt. Aber hier kommen wir auf den springenden Punkt in

4. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 84

1900 - München : Oldenbourg
84 Genetische Behandlung. Häupter, Johann Friedrich und Philipp, stehen unthätig an der Donau und lassen ungestört die kaiserlichen Truppen über die Alpen ziehen, statt, wie Schärtlin V. Burtenbach rät, die Feinde im Gebirge abzufangen. So gaben sie die wertvolle strategische Initiative aus der Ftand, obwohl sie damals noch dem Kaiser überlegen waren. Aber die Achtung vor dem kaiserlichen Namen lähmte sie, obwohl es für sie nur zweierlei gab: entweder sich dem Kaiser freiwillig unterwerfen, oder ihm energisch entgegentreten. Eine noch kläglichere Rolle spielten die Städte. Sie wollten wohl Krieg führen, aber beileibe nicht den Frieden brechen. Ihr Handel hätte ja Schaden nehmen können durch die kaiserliche Ungnade. Sie feilschten um jeden Pfennig und um jede Kanone, und der einzige Mann, welcher der Situation gewachsen gewesen wäre, Schärtlin V. Burtenbach, war die »Stimme des Predigers in der Wüste«. So kam es, wie es kommen musste. Als die Nachricht von dem Einfalle Moriz’ nach Donauwörth kam, war Johann Friedrich beinahe froh, einen Vorwand für plötzliche Rückkehr zu haben. Er bedachte nicht, dass Erfolge Moriz’ belanglos waren, wenn die Schmalkaldener an der Donau den Kaiser endgültig schlugen, und dass vor dem siegreich heimkehrenden Kurfürsten der kleine Moriz hätte freiwillig das Land räumen und zu Kreuze kriechen müssen. Philipp und den übrigen Häuptern wurde nun die Einsamkeit unheimlich; sie zogen ebenfalls nach Hause. Die oberdeutschen Städte, froh, erlöst zu sein, gingen auch heim und steckten ihre Köpfe in den Sand, bezw. in ihre dicken Handelsbücher. So war Karl ohne Schwertstreich Herr von Oberdeutschland. Nun mussten die oberdeutschen Städte bluten und viel mehr bezahlen, als sie hätten aufwenden müssen, um den Krieg erfolgreich zu machen. *) Mit leichter Mühe überwand dann Karl i 547 die nord- Aver den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«; dieses Sprich-wort erfüllte sich auch an den Städten. Überall sang man Spottlieder, Knittelverse u. dgl. Einen solchen Knittelvers, ein Distichon, führt an Hippolithus a Lapide, dissertatio de ratione status . . . I643, pars Iii. p. 51 : ^ Hl itz ein, Landgravi; kent an sarhs ' schertele, schier woll; Carlebader reil> aus', solvite Reichs'stättites!c Das nette Xenion trifft überdies den Nagel auf den Kopf; der Landgraf (^Philipp) heizt ein (ist die treibende Seele des Ganzen). Dem Kurfürsten von Sachsen als dem Rangältesten überlässt man die zweifelhafte Ehre, »anzukenten« (anzuzünden). Schertele (Schärtlin v. Burtenbach) schürt wohl; Carlebader (Karl V.) reibt (löscht) aus. Und die Reichsstädte müssen bezahlen. Hippolithus hat den Vers überdies aus einer Flugschrift vom Jahre 1610: Vitus Breitschwert (Pseudonymus)

5. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 121

1900 - München : Oldenbourg
Geschichtsunterricht und Schullektüre. 121 lieh Schiller kein Verständnis für das 16. und 17. Jahrhundert hatte, wo sich der Absolutismus ausbildete, ist auf diese Weise erklärlich. So greift er hinein in das »Magazin für seine Phantasie« und schreibt den »Abfall«. Natürlich ist Philipp ein »feiger Tyrann, Barbar aus Empfindung u. s. w.«, Wilhelm Von Oranien dagegen der »zweite Brutus, der sich dem grossen Anliegen der Freiheit widmete« u. dgl Unter diesem Gesichtswinkel werden alle Personen und Handlungen dargestellt, fesselnd, blendend, aber historisch unwahr. Der Raum verbietet uns, näher darauf einzugehen, auch ist die Lektüre des »Abfalls« nicht so einflussreich auf unsere Schüler-anschauungen als die des »Dreissigjährigen Krieges«. Deshalb hierüber noch einige Worte. Schiller war inzwischen Professor in Jena geworden, aber nur deshalb, weil er — keine Besoldung verlangte. Also das alte Elend. Anfangs glaubte er, als Professor der Geschichte berufen zu sein, hinterdrein stellte sich heraus, dass man ihn als »Philosophen« berufen hatte. Aber schon hatte er sich, »der Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe«, wieder auf historische Schriftstellerei geworfen. So »fabrizierte« er denn (eigene Worte!) unter anderem für »Göschens Damenkalender« in wenigen Monaten, eigentlich Wochen, die »Geschichte des Dreissigjährigen Krieges«, die allerdings Torso blieb. Die Frage, wie viel d. h. wenig Quellen dabei berücksichtigt werden konnten, wird der Fachmann, der die ungeheure Masse derselben kennt, nur mit einem Lächeln beantworten. Die Tendenz ergibt sich wieder aus seiner vorgefassten Meinung und seinen Idealen. Die rebellische Adelsfaktion in Böhmen und alle, die ihr früher oder später helfen, kurz alle, die gegen Kaiser und Reich kämpfen, Schweden, Türken, Franzosen u. dgl., sind natürlich »Helden«, eventuell »Märtyrer der Freiheit«, die »Kaiser« sind natürlich »Tyrannen« und wollen »die Freiheit morden«. Der blosse Name »Kaiser« ist ein »Vermächtnis des despotischen Roms«. Der Franzose kämpft gegen des Kaisers »tyrannisches Joch bestialischer Knechtschaft«, während Ferdinand Ii. »in kriechender Andächtelei sich vor der Gottheit zum Wurm erniedrigt und auf dem Nacken der Menschheit trotzig einherwandelt«. So geht es weiter. Natürlich hat Tllly Magdeburg zerstört, eine Greuelthat, »seit Trojas und Jerusalems Zerstörung an Schrecklichkeit unübertroffen«. Doch genug! Wir dürfen in Ausnützung des Raumes nicht zu weit gehen; jeder Lehrer kann die Dinge selbst nachlesen. Nur ein Gedanke sei noch ausgesprochen: Man hat den Dichter einen

6. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 86

1900 - München : Oldenbourg
86 Beeinflussung geistiger Bewegungen durch soziale und wirtschaftl. Verhältnisse. nicht dessen Sohn Max, sondern Karls Sohn Philipp, der als stolzer Spanier höchst unbeliebt war, folgen solle. So zog sich das Gewitter über dem Haupte Karls zusammen, während er unthätig und apathisch in Augsburg weilte. Kaum merkte dies der schlaue, skrupellose Moriz, als er sofort die Partei wechselte, um nicht in den Sturz Karls mit hineingezogen zu werden und das Gewonnene wieder zu verlieren. Ausserdem bot sich die schönste Gelegenheit, die Schmach als »protestantischer Verräter« wieder wett zu machen. Kurz entschlossen stellte er sich sogar an die Spitze der antikaiserlichen Verschwörung. Die Belagerung der sich gegen das Interim sträubenden Stadt Magdeburg gab ihm Gelegenheit, ein Heer zu sammeln. In der raffiniertesten Weise wusste er Karl zu hintergehen und schloss mit Albrecht Alcibiades einen Bund. Ohne Bedenken trat er sogar mit Heinrich Ii. von Frankreich in ein Bündnis und bot ihm als Preis für die Bekämpfung des Kaisers Metz, Toul und Verdun. Nun wurde eine fulminante Flugschrift gegen die »viehische Servitut« der Spanier erlassen, und mit Blitzesschnelle zog Moriz nach Süddeutschland. Die katholischen weltlichen Fürsten begleiteten seinen Zug öffentlich mit Protesten, im geheimen aber mit desto innigeren Segenswünschen. Ferdinand lag, um von der Sache nichts wissen zu müssen, persönlich gegen die Türken zu Felde, konnte also beim besten Willen nicht eingreifen. So war der gichtkranke Kaiser verraten und verkauft. Mit Mühe und Not entkam Karl von Innsbruck nach Villach. Sein Machtbau in Deutschland stürzte wie ein Kartenhaus hinter ihm zusammen. Der Passauer Vertrag (1552) wurde ohne ihn geschlossen; sein Bruder Ferdinand, der die Verhandlungen leitete, bewahrte unter den ausschlaggebenden Fürsten mit Mühe noch die Rolle eines primus inter pares. Die Städte waren infolge ihrer kläglichen Haltung in diesem Kriege aus der Reihe der politischen Machtfaktoren Deutschlands ausgeschieden, ebenso wie früher 1523 die Reichsritterschaft. Die Zukunft Deutschlands lag von nun an in den Händen der Fürsten. Ii. Beispiele für Beeinflussung scheinbar rein geistiger Bewegungen durch soziale und wirtschaftliche Verhältnisse. Es gibt geschichtliche Erscheinungen, die scheinbar rein geistiger oder sittlicher Natur sind; bei der genetischen Betrachtung aber

7. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 123

1900 - München : Oldenbourg
Lehrproben im engeren Sinne. I 23 C. Lehrproben im engeren Sinne. I. Leichtfafsliche Behandlung mit Anschauungsunterricht. Vorbemerkung: Dass die vorstehenden breiteren Einzelausführungen sachlich und sprachlich häufig über dasjenige Mass hinausgingen, das man den Schülern gegenüber einhalten muss, ist selbstverständlich. Sind sie doch — wie wir oben betont haben zunächst nur für die Lehrer berechnet. Auch ein gewisser humoristisch-sarkastischer Ton, den der Verfasser leicht hätte vermeiden können, ist absichtlich nicht immer ganz vermieden worden; denn jeder Lehrer weiss, dass ein Stückchen Humor eine edle Gottesgabe in der Erziehungskunst ist, und ein drastisches Wort bei der heranwachsenden männlichen Jugend oft viel mehr wirkt als die licht-und salbungsvollste Rede, die stets auf »hohem Kothurn« einherschreitet. Auch die genetische Behandlung bringt naturgemäfs eine gewisse sachliche und sprachliche Erschwerung mit sich; denn wenn man einfach die nackten Thatsachen aneinander reiht, kann man leicht populär-fasslich bleiben; wenn man aber den Ursachen und Folgen der Dinge nachgeht, muss man Gedanken und Worte bringen, deren Verständnis dem Schüler mitunter einige Schwierigkeiten bereitet. Trotzdem lassen sich Themata, die scheinbar sehr abstrakt und schwierig sind, in ziemlich konkreter und fasslicher Form geben, wenn man nur mit liebevoller Hingebung sich in die Sache vertieft. Im folgenden einige Beispiele. Dass dabei der Anschauungsunterricht eine immer grössere Rolle spielt, liegt in der Zeit. Über die Berechtigung des An- schauungsunterrichtes brauchen wir uns wohl nicht zu verbreiten; er hat sich sein Bürgerrecht in der Erziehungskunst erstritten. Leider sind im Geschichtsunterrichte die Anschauungsmittel noch lange nicht so zahlreich, wie es im Interesse der Sache wünschenswert wäre. So sind z. B. von den trefflichen Kulturgeschichtlichen Bildern von Ad. Lehmann bis jetzt nur etwa ein Dutzend er- schienen, während jeder Lehrer dankbar wäre, wenn es mehr wären. Doch nur Geduld! Was nicht ist, kann werden. Der

8. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 88

1900 - München : Oldenbourg
88 Beeinflussung geistiger Bewegungen durch soziale und wirtschaftl. Verhältnisse. Gottheit vom Himmel herabstieg, um für ihn zu sterben, so konnte er nicht mehr Tier, er musste Mensch, er musste frei, den übrigen Menschen ebenbürtig sein. Also musste das Christentum die Emanzipation der Sklaven*) naturnotvvendig im Gefolge haben. Ablösungen konnten natürlich wenig oder gar nicht gezahlt werden. Woher das Geld nehmen? Also denke man sich die zwar langsame, aber unaufhaltsame wirtschaftliche Umwälzung! Die befreiten Sklaven arbeiten natürlich nicht mehr um denselben Preis. Der Preis für die Händearbeit schnellt in die Höhe, ebenso der Preis für die erzeugten Güter (Produktion); demgemäss muss der Geldwert sinken, damit auch der Zinsfuss. Tausende von bisher Reichen werden arm, umgekehrt arbeiten sich andere Tausende, die die wirtschaftliche Umwälzung klug zu benützen verstehen, in die Höhe. Auch der ganze Staatsbau wird in Mitleidenschaft gezogen. Die Staatsausgaben müssen bei dem Sinken des Geldwertes und dem rapiden Steigen der Preise ins Ungeahnte emporschnellen. Die bisherige, beschränkte Bürgerzahl kann dieselben unmöglich bestreiten. Auch die bisher unentgeltliche Amtsführung kann den Bürgern nicht mehr zugemutet werden. Die Ämter müssen bezahlt werden; auch das steigert wieder die Staatsausgaben. Noch einschneidender ist dieselbe Erscheinung beim Heerwesen. Die Zahl der steuerfähigen Bürger musste also nicht etwa verdoppelt, sondern verhundertfacht werden. Das Bürgerrecht, das jahrhundertelang auf Rom und Umgebung sich beschränkte, dann nach schweren Kämpfen ganz langsam über Mittel-, später Unter-, dann Oberitalien ausgedehnt wurde (Bundesgenossenkriege), musste jetzt mit reifsender Schnelligkeit sich verbreiten. Schon unter Caracalla (211—217) werden alle Freigebornen im gesamten Universalreiche behufs Erhöhung der staatlichen Steuerfähigkeit zum Bürgerrechte herangezogen. Natürlich sahen die altrömischen stolzen gentes diesem unaufhaltsamen Entwicklungsgänge mit Ingrimm zu und fühlten ganz genau, wo der Urquell der ganzen Umwälzung floss. Daraus erklärt sich etwas, was sonst gar nicht zu erklären ist. *) Dass die Emanzipation der Sklaven nicht auf einmal oder auch nur in kurzer Zeit erfolgte, ist selbstverständliches wäre das eine geradezu ungeheuerliche wirtschaftliche Umwälzung gewesen, eine Revolution von ungeheurer Tragweit®; Revolutionen aber macht das Christentum nicht. Solche tiefgehende Umwandlungen dauern immer Jahrhunderte. Also finden wir noch Reste der Sklaverei tief im Mhtelalter.

9. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 89

1900 - München : Oldenbourg
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Einführung des Christentums. 89 Wie kommt es, dass die Römer der Kaiserzeit, das religiös toleranteste Volk, das die Geschichte jemals gesehen hat, so ingrimmig verbissen das Christentum auszurotten suchten r :") Die praktischen Römer hatten es sich zum Grundsätze gemacht, ja keine Gottheit vor den Kopf zu stofsen; man konnte ja nicht wissen, ob sie sich nicht rächen würde; wozu also sie unnötigerweise reizen? So oft sie ein neues Volk, eine neue Stadt unterwarfen, pflegten sie in der älteren Zeit durch eine feierliche Gesandtschaft die betreffende Gottheit einzuladen, von nun an in Rom ihren Sitz aufzuschlagen und ihren Schutz statt den bisherigen Verehrern, die wie sich gezeigt, desselben nicht wert seien, den Römern angedeihen zu lassen; man werde es auch an Opfern u. dgl. nicht fehlen lassen. So glaubten sich die Römer gegen alle Eventualitäten gedeckt, und *) Zu dieser hochwichtigen Frage ist in allerjüngster Zeit eine sehr dankenswerte, interessante und gewissermafsen abschliessende Arbeit erschienen in den $ Veröffentlichungen aus dem Kirchenhistorischen Seminar München. Herausgegeben von Alois Knöpfler« : » Christenverfolgungen. Geschichte ihrer Ursachen im Römer reichet. Von Dr. Weis. 1899. Der Verfasser des modernen Geschichtsunterrichtes konnte natürlich im Jahre 1897 die im Jahre 1899 erschienene Arbeit weder kennen, noch verwerten, freut sich aber, dass seine Ausführungen durch obengenannte Schrift eine zwar nicht direkte, aber indirekte Bestätigung gefunden haben. Weis, der über eine umfassende Kenntnis der Quellen verfügt, weist zunächst nach, dass nicht alle Verfolgungen die gleichen Ursachen haben, dass aber bei den meisten die bisher angenommenen Ursachen (Vorwurf von Orgien, Incest, Icinder-frafs, Verweigerung der Kaiserverehrung u. dgl.) nicht zur Verfolgung führten. Es war natürlich, was die ersteren Vorwürfe anbelangt, unmöglich, den Christen Schandthaten nachzuweisen, die sie in Wirklichkeit nicht begangen hatten. In den weitaus meisten Fällen erfolgte die Verurteilung wegen der blossen Thatsache der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde. Das einfache Zugeständnis »Christianus surrn wurde den Bekennern verhängnisvoll. Dabei konstatiert Weis die sehr interessante I hat-sache, dass Kaiser, Statthalter, Richter und andere amtliche Persönlichkeiten häufig sehr gern sich der Notwendigkeit, Verurteilungen auszusprechen, entzogen hätten, dass sie aber dem wütenden Hasse der Massen ein Zugeständnis machen mussten. Die weitere und tiefergehende Frage: »Woher dieser ingrimmige Hass? - — wobei Weis besonders den Fanatismus des starrkonservativen Senats hervorhebt, was sehr gut zu unserer Theorie passt —- »Warum ist schon die blosse Zugehörigkeit zur Christengemeinde ein so abscheuliches und todeswürdiges Verbrechen bei den sonst so indifferenten und toleranten Römern?« hat Weis in echt wissenschaftlicher Selbstbeschränkung nicht beantwortet, weil die Quellen darübej schweigen. Aber einen Grund muss doch dieser Hass gehabt haben. So unlogisch denkt und fühlt doch nicht eine ganze Welt, dass sie ohne Grund auf alberne Märchen hin hasst und liebt! Der Verfasser hat versucht, für diesen Hass in den obigen Ausführungen einen logischen Grund zu finden. Wenn jemand einen anderen nachweisen kann, will er sich gern belehren lassen.

10. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 126

1900 - München : Oldenbourg
Leichtfassliche Behandlung mit Anschauungsunterricht. Ist sich nun der Schüler über die wichtigsten Einzelheiten der Bilder klar geworden, dann schreitet man vorsichtig zur kulturgeschichtlichen Verwertung. Wenn die Jäger (siehe Bild Nr. I) heimkehren, sehen sie von ferne das Gehöfte liegen. Es liegt auf einem Hügel in der Nähe eines Wassers. Warum? Das ist notwendig wegen etwaiger Überschwemmungen, Feindesgefahr, wegen der bei Einzelwohnungen wichtigen Übersicht, Feuersgefahr u. dgl. Man weist darauf hin, dass im bayerischen Oberland, in der Lüneburger Heide und in anderen deutschen Gegenden diese Einzelhöfe sich noch erhalten haben, ein Beweis, wie konservativ die Landbewohner sind (wichtig für reifere Schüler, bietet Gelegenheit zu verschiedenen Ausblicken). In England ist das Einzelfamilienhaus Ideal, auch bei uns kommt es gegen die Mietskasernen wieder mehr zur Geltung. Die Anlage des Gehöftes geht mehr in die Breite als in die Höhe, alles ist weit angelegt und geräumig, da Grund und Boden nicht so teuer sind. Interessant ist der Vergleich mit dem Bilde »Stadtinneres«, wo alles eng ist und mehr in die Höhe als in die Breite geht, weil Grund und Boden teuer sind. (Dabei ist ein Hinweis auf unsere Gressstädte sehr lehrreich.) Die Räumlichkeiten sind aus Holz oder Fachwerk und ziemlich einfach und kunstlos zusammengefügt. (In den Städten müssen sie der Feuersgefahr wegen, auch behufs grösserer Dauerhaftigkeit aus Steinen, in neuester Zeit wegen Raumersparnis teilweise sogar aus Eisen gebaut werden). Diese obengenannten Häuser kann sich der Germane mit Hilfe seiner Lite *) und Nachbarn so ziemlich selbst bauen; es ist noch kein besonderer Architekt, Zimmermann, Schlosser, Maurer u. s. w. notwendig. Er und seine Leute sind das alles selbst in eigener Person; also noch keine entwickelte Arbeitsteilung. Bei der Begrüfsungsszene ergibt sich Gelegenheit, auf die Kleidung einzugehen. Auch sie ist sehr einfach und besteht bei dem Gefolge teilweise nur aus Fellen; dies beweist zunächst einmal die Abhärtung der Germanen (siehe besonders die Kinder auf dem Bilde Nr. I); wichtiger aber ist, dass die Kleider in ihrer Einfachheit leicht von der Hausfrau und ihren Dienerinnen gemacht werden können. Also sind Schneider, Schuster u. dgl. noch entbehrlich, und wir haben wieder einen Beweis für die noch wenig entwickelte Arbeitsteilung. Ähnlich ist es mit den Haus- und Arbeitsgeräten. Auch hier beweisen die Waffen; die *) lit = leut.
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