Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Leichtfassliche Behandlung mit Anschauungsunterricht.
Ist sich nun der Schüler über die wichtigsten Einzelheiten der Bilder klar geworden, dann schreitet man vorsichtig zur kulturgeschichtlichen Verwertung.
Wenn die Jäger (siehe Bild Nr. I) heimkehren, sehen sie von ferne das Gehöfte liegen. Es liegt auf einem Hügel in der Nähe eines Wassers. Warum? Das ist notwendig wegen etwaiger Überschwemmungen, Feindesgefahr, wegen der bei Einzelwohnungen wichtigen Übersicht, Feuersgefahr u. dgl. Man weist darauf hin, dass im bayerischen Oberland, in der Lüneburger Heide und in anderen deutschen Gegenden diese Einzelhöfe sich noch erhalten haben, ein Beweis, wie konservativ die Landbewohner sind (wichtig für reifere Schüler, bietet Gelegenheit zu verschiedenen Ausblicken). In England ist das Einzelfamilienhaus Ideal, auch bei uns kommt es gegen die Mietskasernen wieder mehr zur Geltung. Die Anlage des Gehöftes geht mehr in die Breite als in die Höhe, alles ist weit angelegt und geräumig, da Grund und Boden nicht so teuer sind. Interessant ist der Vergleich mit dem Bilde »Stadtinneres«, wo alles eng ist und mehr in die Höhe als in die Breite geht, weil Grund und Boden teuer sind. (Dabei ist ein Hinweis auf unsere Gressstädte sehr lehrreich.) Die Räumlichkeiten sind aus Holz oder Fachwerk und ziemlich einfach und kunstlos zusammengefügt. (In den Städten müssen sie der Feuersgefahr wegen, auch behufs grösserer Dauerhaftigkeit aus Steinen, in neuester Zeit wegen Raumersparnis teilweise sogar aus Eisen gebaut werden). Diese obengenannten Häuser kann sich der Germane mit Hilfe seiner Lite *) und Nachbarn so ziemlich selbst bauen; es ist noch kein besonderer Architekt, Zimmermann, Schlosser, Maurer u. s. w. notwendig. Er und seine Leute sind das alles selbst in eigener Person; also noch keine entwickelte Arbeitsteilung. Bei der Begrüfsungsszene ergibt sich Gelegenheit, auf die Kleidung einzugehen. Auch sie ist sehr einfach und besteht bei dem Gefolge teilweise nur aus Fellen; dies beweist zunächst einmal die Abhärtung der Germanen (siehe besonders die Kinder auf dem Bilde Nr. I); wichtiger aber ist, dass die Kleider in ihrer Einfachheit leicht von der Hausfrau und ihren Dienerinnen gemacht werden können. Also sind Schneider, Schuster u. dgl. noch entbehrlich, und wir haben wieder einen Beweis für die noch wenig entwickelte Arbeitsteilung. Ähnlich ist es mit den Haus- und Arbeitsgeräten. Auch hier beweisen die Waffen; die
*) lit = leut.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
128 Leichtfasslicbe Behandlung mit Anschauungsunterricht.
mehr Verteidiger sind notwendig. Das letztere ist aber sofort bedenklich wegen der Schwierigkeit, viele Einwohner auf längere Zeit zu verpflegen. Also begreifen dann auch die schwächeren Schüler, dass der Raum möglichst klein sein und möglichst ausgenützt werden muss. Daher die schmalen, hohen Häuser, die engen Gassen u. s. w. Da natürlich Licht und Luft geringen Zutritt haben, kann man den Schülern leicht erklären, dass diese Städte im Mittelalter gern von epidemischen Krankheiten heimgesucht wurden. Bei Gelegenheit der »Pest, Geifslerfahrten« kann man darauf wieder zurückverweisen. Nun die Hauptsache!
Solche hohe Gebäude, Mauern u. dgl. können nicht mehr von jedem Ein- oder Anwohner selbst aufgeführt werden. Man braucht geschulte Fachleute; also schon Arbeitsteilung. Diese Arbeitsteilung greift bei dem engen Zusammenwohnen immer weiter um sich und erstreckt sich nach und nach auf fast alle Lebens- und Berufszweige, da naturgemäfs der eine mehr für die, der andere mehr für eine andere Beschäftigung Neigung und Anlage hat. Dadurch werden die einzelnen Zweige immer weiter ausgebildet und vervollkommnet, brauchen dann aber auch eine gewisse Lehr- und Vorbereitungszeit (Lehrling, Geselle, Meister). Damit haben wir das Handwerk. (Das ist auch dem schwächeren Schüler an fasslichen Beispielen, wie »Schuster, Schneider, Schlosser u. s. w.«, klar zu machen). Nun strebt der Mensch darnach, die Kraft der Menschen oder Tiere zu verstärken oder zu ersetzen durch Werkzeuge (Maschinen) ; er sucht sich die Naturkräfte dienstbar zu machen (Wasserräder, Windmühlen, Feuer zum Bearbeiten der Metalle u. s. w.). Die Anfänge der Industrie sind gegeben. Diese hat aber den Handel zur naturnotwendigen Folge. Der Schuster, der bloss Schuhwerk macht, macht natürlich viel mehr Schuhwerk, als er selbst mit den Seinen auf braucht; andererseits bedarf er Wohnung, Kleidung, Nahrung u. s. w., was er selbst nicht direkt produziert. Ähnlich geht es anderen. Also muss der Güteraustausch in viel höherem Grade und Umfange sich entwickeln als bei der Naturalwirtschaft. Dabei findet man sofort, dass der bisherige Wertmesser ungeeignet ist. Man braucht einen anderen, der auf möglichst kleinem Raume grösseren Wert vereinigt, also in der Natur seltener vorkommt, plastisch ist, aber dann doch die einmal gegebene Form und Grösse beibehält, nichts frisst und nicht zu Grunde gehen kann (man verzeihe die populären Ausdrücke, bei schwachen Schülern sind sie angezeigt), nicht von selbst grösser oder geringer wird,
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Fortschritte der neueren Geschichtswissenschaft.
5
nur hinter all’ diesen Kräften, die so vereinzelt für fremde Interessen sich verzettelten, die militärische Wucht des geeinten Alldeutschlands gestanden, so wären Brügge, Gent, Rotterdam und Genf deutsche Städte geblieben, und am Mississippi, am Ganges und am Kap der guten Hoffnung spräche man wahrscheinlich deutsch und nicht englisch. Diese letzte und tiefste Ursache, warum damals alle Versuche Deutschlands, seine politische, kulturelle und wirtschaftliche Weltstellung wiederzugewinnen, scheiterten, erkannten und fühlten die edelsten Geister der Nation recht wohl; und wenn sie es nicht gefühlt und erkannt hätten, so hätte sie ein Blick auf die Nachbarn belehrt. Von welcher Zeit an datiert der wirtschaftliche, kulturelle und, politische Aufschwung Frankreichs und Englands? Von der Zeit an, als ersteres durch Richelieu und Mazarin, letzteres durch die Verfassungskämpfe, die in der sogenannten »glorreichen Revolution« und der daran sich knüpfenden Konstitution ihr^n Abschluss fanden, die richtige Form für ihr innerpolitisches Leben gefunden hatten und nun nach aussen hin geeint auftreten konnten.
Deshalb stellte der Instinkt des deutschen Volkes, das sich in seinem dunklen Drange des rechten Weges wohl bewusst war, eine wirtschaftliche und kulturelle Politik im grossen Stile, die ohnehin an der inneren Zerrissenheit gescheitert wäre, einstweilen zurück und konzentrierte sein ganzes Interesse fast ausschliesslich darauf, für die innerpolitischen Verhältnisse und damit auch nach aussen hin die der deutschen Entwicklung entsprechende richtige Form zu finden. War diese gefunden, so konnte man dann die kulturellen und insbesondere die wirtschaftlichen Bestrebungen im grossen Stile mit ungleich mehr Aussicht auf Erfolg ja wieder aufnehmen. Thatsächlich haben auch die deutschen Verhältnisse diesen Entwicklungsgang eingeschlagen. Bis zum Jahre 1870 finden wir die sogenannten rein politischen Interessen vorwiegend; ein Blick auf die Parteiverhältnisse, auf die Presse, auf die Literatur, ja bis zu einem gewissen Grade auf die Kunst bestätigt dies. Seit 187o beginnt der Umschwung; nachdem das politische »Harren und Sehnen« des deutschen Volkes erfüllt ist, treten die sozialen und wirtschaftlichen Interessen immer mehr und mehr in den Vordergrund. Die alten, politischen Parteien zersetzen sich allmählich, neue mit sozialen und wirtschaftlichen Programmen haben sich gebildet oder sind in der Bildung begriffen; bis an die heiligen Hallen der Bühnen, Kunstausstellungen u. dgl. schlagen die Wellen dieser Bewegung.
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io6
Kampf gegen historische Phrasen.
doppelt werden, auch nicht im Laufe weniger Jahre. Die Industrie hätte also im Laufe der Jahre bankerott werden müssen. Womit wollte aber dann England seinen notwendigen Import bezahlen?
Thatsächlich war die Lage für England in der Zeit vor dem russischen Feldzuge höchst kritisch; die Nationalschuld war unermesslich, die Banken waren leer, die Fabriken halb, teilweise sogar ganz still, Fallissements auf f1 allissements; die Bank von England musste verzweifelte Anstrengungen machen, um den drohenden Ruin wenigstens einigermassen zu verschleiern Der Nationalkrach stand vor der Thür. Ängstlich blickten die Engländer nach allen Seiten, ob sich nicht ein Blitzableiter zeige, der das ihnen drohende Gewitter auf sich ziehe. Altengland hatte wieder Glück — der Blitzableiter zeigte sich! Napoleon selbst schmiedete ihn.
Berauscht vom Glück, unternahm er den unsinnigen Zug gegen Russland, unsinnig deshalb, weil thatsächlich wenig zu gewinnen, aber alles zu verlieren war. Ein Rechenfehler vernichtete ihn. Napoleon bedachte nicht, dass Russland ein kontinentales Klima hat, dass es infolge dessen der Möglichkeit grosser Klimaschwankungen ausgesetzt ist, dass also im Spätherbst leicht einmal strenge Kalte 4 6 Wochen vor der in Westeuropa sonst gewöhnlichen
Zeit eintreten kann. Nicht der Brand von Moskau vernichtete Napoleon; er war Mitte September; Zeit genug für die grosse Armee zurückzukommen. Aber die unbegreifliche Halsstarrigkeit, mit welcher der Imperator noch volle 5 Wochen auf den Trümmern sass, um den Marius auf den Ruinen Karthagos zu kopieren, wurde verhängnisvoll. Als er Ende Oktober aufbrach, war der Winter da. Die grosse Armee ging zu Grunde. Ajax fiel durch Ajax’ Kraft.
Als die Kunde von dem Untergang der grossen Armee nach England kam, atmete alles auf. Die Papiere schnellten in die Höhe, man gab und fand wieder Kredit, die Schlote rauchten wieder, die Räder summten. John Bull war gerettet. Der Sturz Napoleons war nur noch eine Frage der Zeit; denn die nach Freiheit lechzenden Kontinentalvölker übernahmen es ja, den Todfeind Englands .vollends niederzuwerfen. Mit ihm fiel natürlich auch die Kontinentalsperre.
Und als John Bull sein Konto abschloss, war es gar nicht einmal so übel. Zwar Geld hatte die Geschichte gekostet, viel Geld sogar; schade! Aber das liess sich wieder hereinbringen. Englisches Blut war wenig oder gar keines geflossen — die englischen Söldner sind ja gekauft, wenigstens grösstenteils — nur
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Extrahierte Personennamen: Altengland Napoleon Napoleon Napoleon Marius Marius John_Bull Napoleons John_Bull
Extrahierte Ortsnamen: England England England Russland Russland Westeuropa Moskau Karthagos Ajax England Napoleons Englands
Armin 9 n. Chr. und Marbod. 11
kochen. Neben Bier und Met genießt man Wein und Most, neben Trinkhorn und -Schale gebraucht man Becher und Humpen und Flasche. Der Weinbau nimmt seinen Anfang.
Die Häuser werden nicht mehr bloß aus Holz und Lehm, sondern nun auch aus Steinen mit Ziegel- oder Schindeldächern und mit zahlreicheren Räumen (Stube, Kammer, Keller, Speicher) erbaut. Im Innern der Wohnungen macht man sich es bequemer: man lernt den Schemel, den Pfühl, die Schüsseln, den Spiegel, die Kerzen und Fackeln kennen. Neue Haustiere, Katze und Esel, gesellen sich zu den alten.
Die römischen Heerstraßen werden Handelsstraßen; Münzen und Gewichte verdrängen den Tauschhandel. Die römischen Buchstaben dringen ein und werden zur Runenschrift umgestaltet, die zunächst zum Zauber und später erst zum Schreiben gebraucht wird. Neben und aus den Märkten entstehen Städte, zumeist Landstädte mit Ackerban und Gewerbe treibender Bevölkerung.
(l) Armin 9 it. Chr. und Marbod.
Um die Herrschaft der Römer noch weiter über Deutschland auszubreiten, unternahm Drnsns 12—9 v. Chr. vier im ganzen glückliche Züge gegen die nordwestdeutschen Völkerschaften und gelangte bis zur Elbe. Auf dem eiligen Rückzüge von da starb er infolge eines Sturzes vom Pferde, ehe er noch Mainz erreicht hatte (9 v. Chr.). Die Sage erzählt, daß ihm an der Elbe ein riesiges Weib, eine Seherin, erschienen sei, die ihm zugerufen habe: „Wohin, Unersättlicher? Nicht alles zu sehen ist dir vom Schicksal beschieden! Kehre um! denn schon bist du am Ziel deiner Thaten und Tage!"1) An seine Stelle trat Tiberius. Im Gegensatze zu seinem Bruder suchte dieser mehr durch berechnete Freundlichkeit die nordwestdeutschen Völkerschaften zu gewinnen. Später ernannte Kaiser Augustus den Var ns zum Statthalter, der jedoch durch die Einführung des römischen Rechts- und Gerichtswesens, namentlich durch Auferlegung entehrender Strafen (Rutenhiebe, Gefängnis, Hinrichtung), _ allgemeine Entrüstung hervorrief. Diese benutzte ein Cheruskerfürst Namens Armin, um die römische Herrschaft in feiner Heimat zu stürzen. Armin war in seiner Jugend als Geisel nach Rom gegeben worden, wo er die Römer, besonders ihre Kriegskunst kennen gelernt und den Rang eines römischen Ritters erhalten hatte. In seine Heimat zurückgekehrt, stiftete er einen Bund mehrerer nord-westdeutscher Völkerschaften, dessen Kern die Cherusker waren, lockte den eitlen und hochmütigen Varns mit seiner Streitmacht in den
^ Lies: Znnrocks Gedicht „Drusns' Tod".
Drnsns.
Tiberius.
Varus.
Armin.
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Tiberius Augustus Armin Tiberius Varus
100
Das deutsche Städtewesen.
Aussehen einer mittelalterlichen Stadt.
Bürgerliche
Wohnung.
Kleidung.
bildeten auch das Bürgerheer, in welchem sie, nach „Zechen" geordnet, geführt von ihren Schöffen und Ratsherren, die Patrizier zu Roß, die Handwerker zu Fuß kämpften. Dies Bürgerheer bestand noch das ganze 15. Jahrhundert hindurch, obwohl daneben seit dem 14. Jahrhundert gelegentlich auch schon Söldnerscharen angeworben wurden.
Tatz Aussehen einer mittelalterlichen Stadt.') Die Stadt war stark befestigt durch Wallgräben, über welche Zugbrücken führten, und durch dicke Mauern mit Türmen und Thoren. Planlos waren um die Kirche oder die Burg die kleinen, ein- bis zweistöckigen Häuser gebaut, deren überhängende Vorbane („Vorgezimmer") die engen, krummen, schmutzigen Gassen, aus deneu sich die Haustiere umhertrieben, noch mehr verdnnkelten. Gepflastert waren später nur die Hauptstraßen; bei Regenwetter trug man Holzschuhe oder Stelzen, um durch den Kot hindnrchzukommeu, denn allen Abfall warf man anf die Gassen, und Abzugskanäle waren nicht vorhanden. Plätze gab es wenige, gewöhnlich nur den Marktplatz mit dem Brnnnen und der Rolandssäule. Hier und in den breiteren Straßen standen auch die ansehnlicheren Pa tri zier Häuser, die, meistens aus Stein gebaut, oft mehrere Stockwerke befaßen, und deren Erker und Giebel mit Schnitzereien verziert, deren Höfe mit luftigen Galerien umgeben waren. Fensterscheiben und Straßenlaternen waren unbekannt. In kleinen, abgesonderten Vierteln wohnten die Inden. Feuersbrün st e wurden durch die Strohbedachnng verhängnisvoll, und die Unsauberkeit erzeugte schreckliche Krankheiten (Aussatz — frühzeitig öffentliche Krankenhäuser [Peststadel]).
Die Pürgernwhnungen waren noch einfacher eingerichtet als die der Ritter (f. S. 87). Von einem gewaltigen Hausflur zu ebener Erde gelangte man in Stuben und Ställe, eine Wendeltreppe führte zu einem Vorsaale, an den die Gemächer stießen und aus welchem die Truhen und Schränke der Hausfrau standen. Kamine und Kachelöfen kamen erst im 14. Jahrhundert auf. Zli den Bänken, Schemeln und Tischen verfertigte man erst später auch Stühle (mit Rücklehne und Armen) und die sogenannten Himmelbetten. Die Zimmer ließ man gern bis in Mannshöhe täfeln und mit einem Gesims versehen, ans welchem Zierate (Gefäße, Krüge, Gläser) ausgestellt wurden; ebenso liebte man kunstvolle Schloss er arbeiten an Thüren, Schränken und Gittern.
Bis zum 13. Jahrhundert wurde die altgermanische Kleider-tracht") im allgemeinen beibehalten: ein bis ans Knie reichender
*) Besuche Nürnberg und Rothenburg. — Sieh die herrliche Sammlung: Barb eck, Alt-Nürnberg.
2) Sieh Hottenroth, Trachten ?c.
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Das Rittertum. 87
Abendlandes, so daß der ritterliche Stand sich als einen überall den gleichen Gesetzen der Ehre unterstehenden Orden ansah, der so hoch angesehen war, daß allenthalben auch die Mitglieder des hohen Adels sich regelmäßig in ihn ausnehmen ließen.
Über die ritterliche Erziehung sieh S. 84 u. 85. Die Wohnung Ritterliche Eides Ritters war die Burg,^) in Ober- und Mitteldeutschland durch ziehung. ihre Lage aus Bergvorsprüngen, in Norddeutschland durch Wasser Burg.
gesichert, außerdem gewöhnlich mit Graben und Mauer umgeben und mit Verteidigungstürmen versehen. Die äußerste Umfassungsmauer hieß der Zingel (daher umzingeln = einschließen), der Raum dahinter der Zwinger. Den Hauptturm nannte man den Bergfried, das Hauptgebäude, den eigentlichen Herrenbau, Palas, in dem der Hauptsaal zur Abhaltung von Festlichkeiten ^ lag.2) Kemenaten hießen die Frauengemächer. Im Erdgeschoß oder in Nebengebäuden befanden sich die Gelasse sür die Dienerschaft, baran reihten sich die Ställe für Pferbe und Hunbe sowie Wirt-schastsgebänbe.
Die Gemächer waren einfach eingerichtet. Teppiche bebeceten Innere Aus-ben oft steinernen Fußboben und hingen statt der Tapeten an den ^
Wänden, wenn diese nicht etwa bunt bemalt waren. Von der ' aimil'
manchmal getäfelten Decke herab erhellte ein Kronleuchter den Saal.
Zur Heizung bienten große, offene Kamine. Wegen der Gefahr einer Belagerung brachte matt nur enge Fenster an, die offen waren;
Scheiben setzte man erst seit dem 15. Jahrhundert ein. Möbliert waren die Gelasse mit eichenen Wandbänken, Stühlen, Tischen und Truhen, die oft feine Schnitzereien zeigten. Im Verlaufe der Kreuzzüge würden die aus dem Morgenlande ftamntenben Diwane, Sofas,
Balbachine eingeführt. Als Zimmerschmuck verwerthete man Waffen,
Wappen und allerlei Zierat (zinnerne und silberne Krüge, Kannen,
Becher, Teller ?c.).
Tas Leben ans der Bnrg war namentlich im Winter, wenn Das Leben der Sturm durch den Kamin fegte, recht einförmig, ba dem Ritter auf der Burg. keine anbere Beschäftigungen erlaubt waren als „ritterliche", b. H. Jagb und Krieg, Landwirtschaft und Pferdehandel. Etwas Abwechselung brachten die vielen Besucher der Burg: Kaufleute, fahrende Leute (d. i. Spielleute), Gaukler (d. i. Seiltänzer, Taschenspieler, Tierbändiger, Kunstreiter u. f. w.), Pilger und Bettler. Hoch ging es her, wenn Verwandte gleichen Ranges, ein frember reifenber Ritter ober ein Minnesänger einkehrten, dann veranstaltete der Burgherr ein oft mehrere Tage bauentbes Zechgelage, bei welchem
’) Lehmanns Bilder: „Ritterburg".
-) Lehmanns Bilder: „Im Rittersaal". Wiener Bilderbogen Nr. 12:
Romanische Burganlage. Nr. 55: Gotische Burganlage.
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Die bildende Kunst im Mittelalter. 77
2. Auch die Fürstenmacht zog vielfach Gewinn daraus; denn viele Lehen, deren Inhaber aus dem Morgenlande nicht mehr zurückkamen, wurden vom Lehensherrn eingezogen, wodurch die Hausmacht mancher fürstlichen Familien bedeutend wuchs.
3. Die Kreuzzüge forderten vor allem die Ausbildung des Ritter- Entwickelung st an des, der in ihnen sein höchstes Ziel erkannte. der mit«-
4. Aber auch der Bürgerstaud nahm infolge der Kreuzzüge an n^rhc6en
Reichtum und politischer Macht zu, da durch sie der Handel rtn e'
mit dein Orient einen neuen Aufschwung nahm. Dies Bin
zunächst den italienischen Städten zu gute.
5. Ja sogar auf den gedruckten Bauernstand übten die Kreuzzüge vielfach eine befreiende Wirkung. Derselbe war dem Adel gegenüber meistens in Hörigkeit herabgesunken. Die Teilnahme an einem Kreuzzuge aber, die keinem Stande versagt werden durfte, verlieh auf Geheiß der Kirche persönliche Freiheit.
6. Die Nationen des Abendlandes, die sich seit dem Ausgange Kulturelle
der Völkerwanderung immer mehr voneinander schieden, lernten Wirkung der sich durch den Gedanken der Krenzzüge wieder als eine große Kreuzzüge, geistige Einheit fühlen.
7. Die Kreuzzüge erweiterten den Gesichts- und Gedankenkreis der Abendländer, indem sie dieselben mit der arabischen Kultur in Berührung brachten.
8. Infolge diefer geistigen Anregung entstand im Abendlande eine neue Kunstübung, indem die Baukunst den „romanischen" Rundbogenstiel der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit verließ und zum kühneren und freieren Spitzbogenstil, dem „gotischen", überging, der sich in Nordfrankreich zuerst und am Rhein am schönsten entwickelte.
9. Während dieser neue Baustil vornehmlich in den Städten, also beim erstarkenden Bürgertum, Pflege fand, widmete sich der Adel einer anderen Kunst, der Poesie.
Tie bildende Kunst im Mittelaller?) a) Das Ornament
Wie bei allen Nationen hat auch bei dein deutschen Volke die Ornament. Kunstthätigkeit im Ornamentalen, d. i. mit Verzierungen, begonnen.
Schon die alten Deutschen liebten die Nachbildung von Tieren auf ihren Waffen und Feldzeichen, und an den Balkenköpfen ihrer Holzhäuser brachten sie gern Tierkopfe an. Gefäße, Gerätschaften und Geschirr versahen sie mit allerlei Verzierungen, erst mit einfacheren,
') Sieh hiezu die einschlägigen Bilder in den Sammlungen von Lehmann, Lohmeyer, Langt, Langl und Durmayer, Luchs, Seemann u. a. — Hotlenroth, Trachten, Haus-, Feld- und Kriegs g e r ä t s ch a f t e n der Völker alter und neuer Zeit. — Wiener Bilderbogen für Schule und Haus.
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Die Kunst. 97
Punkt aus zwei Schriften unbekannter Verfasser, von denen der eine die Taten" Heinrichs Iv., der andere dessen Leben" schilderte. Fr die Kenntnis der nor-bischen Völker bildet die Hamburger Kirchengeschichte" des Geistlichen A d a m um von Bremen eine unersetzliche Fundgrube.
3. Die Baukunst verriet schon frhzeitig eine gewisse Selbstndigkeit. Wohl ahmte der sog. Romanische Stil, tote er sich seit dem 10. Jahrh. nrdlich der Alpen in Frankreich und Deutschland ausbildete, noch die rmischen Muster nach, zeigte aber eine eigenartige Weiterentwicklung zu harmonischer Gesamtwirkung bei groer Mannigfaltigkeit der Einzelausfhnmg.
Die altgewohnte Grundform der Basilika wird im allgemeinen beibehalten. Doch fgt man an das meist dreiteilige Langschiff (Langhaus) auf der stlichen Schmalseite desselben ein Q u e r s ch i f f an, jenseits dessen sich das Mittelschiff des Langhauses oder auch das ganze Langhaus im erhhten Chor (Altarraum) mit der halbkreisfrmigen Apsis fortsetzt. Der dem Langschiff und dem Querschiff gemeinsame Raum heit Vierung. Unter dem Chor liegt gewhnlich eine sog. Krypta (Gruftkirche). Der Turm tritt mit dem Hauptbau in organische Verbindung; manche Kirchen erhalten auch zwei oder mehrere Trme; selbst der der Vierung erhebt sich gewhnlich ein turmhnlicher Ausbau. Im Innern weicht die anfangs noch beibehaltene flache Holzdecke aus Rckficht auf die Fenersicherheit der steinernen Gewlbedecke und zwar zunchst dem Tonnengewlbe, dieses wieder dem Kreuzgewlbe. Die Gewlbe-felder (Joche) sttzen sich auf starke, gedrungene Pfeiler, die in der frh romanischen Zeit noch mit Sulen abwechseln. Die Kapitle der Sulen streben nach Mannigfaltigkeit der Form; am hufigsten findet man das sog. Wrfel-kapital, das unten kugelig ist und von der runden Sule zu den viereckigen Bogen-lagern berleiten soll. Die kleinen, oft paarweife gekuppelten und mit Glasmale-reien geschmckten Bogenfenster lassen in der Regel nur wenig Tageslicht durch, so da im Innern des Gotteshauses ein beschauliches, das Gefhl der Welt-abgeschiedenheit hervorrufendes Halbdunkel herrscht. Die Auenwnde werden durch Lisenen (hnlbpfeilerartige Mauerstreifen) nebst verbindenden Rundbogen sowie durch Bogenfriefe gegliedert, die Innenwnde durch farbenreiche Bema-lungen verziert. Charakteristisch fr den Romanischen Stil ist der halbkreisfrmige Rundbogen. Das Ganze macht den Eindruck des Wuchtigen und Kraftvollen.
Aus der Frhzeit des Romanischen Stiles stammen die Stiftskirche zu Gernrode (bei Quedlinburg), vom Markgrafen Gero (f. S. 71) gegrndet, die Michaelskirche zu Hildesheim, die ihre Entstehung dem kunstsinnigen Bischof Bernward (f. S. 95) verdankt, und ltere kirchliche Bauwerke in Regensburg. Die gewaltigsten Denkmler aus der B1 t e z e i t der romanischen Baukunst sind die groen Dome zu Mainz, Speyer, Worms und Braunschweig, ferner die Apostelkirche in Kln. Die malerische Abteikirche zu Laach (nordwestl. von Koblenz) hat einen hallenumschlossenen Vorhof, der an das alte Atrium (f. S. 52 Anm.) erinnert. Von auerdeutschen Bauwerken ist am bekanntesten der Dom zu Pisa mit seinem (abseits stehenden) schiefen Turm. Von weltlichen Bauten stammen aus jener Zeit die Kaiserpfalz zu Goslar (von Heinrich Iii. errichtet) und die lteren Teile, so das (ursprnglich zweistckige) Herrenhaus, auf der Wartburg.
4. Die Plastik entwickelt sich erst im 11. Jahrh. ans unbeholfenen Anfngen; nur langsam weicht die feierliche Ruhe der starren Gestalten einer mehr natrlichen, ungezwungenen Haltung. Zu den ltesten Werken des Erzgusses gehren
Lorenz, Geschichte fr Gymnasien Ii. . 7
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs_Iv. Heinrichs_Iv. Gero_( Bernward_( Heinrich_Iii Heinrich Lorenz
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Die Dichtkunst. Die Bildende Kunst. 179
durch eine mehr in die Hhe als in die Breite gehende Bauweise mglichst nach oben hin auszuntzen. Dies fhrte von selbst auf den schlanken, zierlichen Spitz-bogen als Grundform. Auerdem entsprach der gewissermaen zum Himmel aufstrebende Stil der religisen Begeisterung jener Zeit und gab schlielich mit seiner Pracht und Formenslle ein Bild der gesteigerten Daseinsfreude und des wachsenden Reichtums, besonders des Brgerstandes.
Whrend bisher hauptschlich die Mauern das Gewicht des Ganzen tragen muten, sind jetzt die Pfeiler und die Gewlberippen Haupttrger. Zur Unter-fttzung der Jnnenpfeiler treten an die Auenseite des Baues Strebepfeiler, die entweder unmittelbar oder durch Strebebogen mit den Wnden der-Kunden sind. Da somit die Wnde zwischen den Strebepfeilern entlastet werden, gestatten sie die Einfhrung groer, hoher F e n st e r, die durch zierliches Ma-werk geteilt und durch bunte Glasmalerei geschmckt sind. Hufig kennzeichnet ein gewaltiges Radfenster der dem Haupteingang die Stirnseite. Die T r m e sind schlanker, hher und reicher gegliedert als frher. ppiges Figuren-werk, besonders an den hohen und weiten Portalen, sowie zahlreiche Fialen (Trmchen), Wimperge (Fenstergiebel), Krabben (Blattverzierungen), Kreuz-blumen und phantastische Tiergestalten als Wasserspeier beleben das Ganze, das lebhaft an den deutschen Waldesdom mit seinen hochragenden Baumriesen erinnert.
Die ersten gotischen Bauten auf deutschem Boden waren die Liebfrauen-kirche zu Trier und die Elisabethtirche in Marburg, letztere das Musterbeispiel einer Hallenkirche^). Die vollkommensten Denkmler der deutschen Gotik liegen im Rheingebiet, nmlich das Mnster zu Freiburg i. Br., das statt des blichen Doppelturmes nur einen einzigen, dafr um so mchtigeren der dem Haupteingang trgt, das Straburger Mnster mit der herrlichen West-fassctde2) von Meister Erwin von Steinbach (f 1318) und seinen Shnen, ferner der Klner Dom, begonnen 1248 und erst in den Jahren 18421890 nach den alten Plnen vollendet. Weiter sind zu merken der Regensburger Dom, begonnen im 13. Jahrh., ausgebaut durch den kunstbegeisterten König Ludwig I. von Bayern, das Ulmer Mnster mit dem hchsten Kirchturm der Welt (161 in), die Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebaldus in Nrnberg, auerdem die Martinskirche in Landshut und schlielich die Frauenkirche in Mnchen, 1494 durch Jrg Gang-hofer bis auf die Trme3) vollendet.
Von bekannten auerdeutschen Gotteshusern wren noch anzufhren der Stephansdom in Wien, Notre Dame in Paris, die Abteikirche in St. Denis als Gruftkirche der franzsischen Könige, die Kathedrale zu Reims, die prch-tige Westminsterabtei in London, die Kathedrale von Antwerpen, die Marmor-dorne von Mailand, Siena und Florenz, letzterer mit einer Riesenkuppel aus der beginnenden Renaissancezeit.
Als weltliche Bauten stammen aus der Zeit der Gotik vor allem mchtige Burgen, wie die Marienburg in Preußen, der Sitz des Deutschordens, eine groß-
x) Man versteht darunter eine Kirche mit drei gleichhohen Langschiffen unter gemeinsamer Bedachung, wodurch der Eindruck einer durch Pfeilerreihen gesttzten Einzel-halle hervorgerufen wird.
2) Vgl. die begeisterte (Schilderung Goethes in Wahrheit und Dichtung", Buch Ix.
3) Die Trme waren als Spitztrme geplant, erhielten aber in der Renaissancezeit die nicht zum Gotischen Stil passenden Kuppelhauben.
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