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1. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 82

1900 - München : Oldenbourg
82 Genetische Behandlung. Die neuentdeckten Länder jenseits des Ozeans waren damals noch ziemlich belanglos; sie kosteten beinahe mehr, als sie einbrachten. Silber flotten gab es noch nicht. In Spanien waren schwere ständische und separatistische (Catalonier) Kämpfe vorausgegangen. Mailand und Burgund waren strittig, die Neapolitaner unsichere Kantonisten. Die Niederlande wären zwar eine Macht-und besonders Geldquelle gewesen, aber sie hatten uralte, herkömmliche Privilegien und hielten stets die Hand auf die Tasche. Bei jeder Geldforderung musste Karl endlose Klagelieder über verletzte Privilegien anhören. Die deutschen Provinzen Karls waren in den Händen seines Bruders Ferdinand, der als König von Böhmen und Ungarn (durch seine Gemahlin) fortwährend mit den Türken zu thun hatte. Ausserdem war Karl durch die Kriege mit dem aufstrebenden Frankreich (Franz I.) immer in Atem gehalten. So hatte Karl stets mehr Schulden als Geld, obwohl er Herr der reichsten Länder der Erde war. Seine beste Geldquelle waren die oberdeutschen Städte, und hätten die selbstlosen (!) Fugger und Welser nicht hie und da eine Schuldverschreibung Karls — sie fanden bei Monopolen und Handelsprivilegien wieder ihre Rechnung — im Kamine verschwinden lassen, Karl wäre nie aus den Schulden herausgekommen. Wo aber keine »Kreuzer«, sind die »Schweizer« auch schwer zu beschaffen. So war die Macht Karls thatsächlich ein Koloss mit thönernen Füssen. Nun dazu noch die kirchlichen Streitigkeiten. Das Barometer der Protestanten stieg und fiel mit der mehr oder minder grossen Bedrängnis, in die Karl seinen auswärtigen Feinden gegenüber wiederholt geriet, sowie mit dem kühleren oder wärmeren Verhältnis, in dem Karl zum Papste stand. Brauchte Karl, der im Herzen stets strenger Katholik geblieben war, die Protestanten, so erhielten sie günstige Reichstagsabschiede; glaubte er, sie weniger nötig zu haben, ungünstige So im Jahre 1529 und 1530. Dies führte zum Schmalkaldischen Bunde 1530. Doch blieb bis 1544 Ruhe, da der Kaiser wieder in auswärtige Händel verwickelt war. Endlich schliefst er 1544 den Frieden von Crespy mit Franz I. und einen Waffenstillstand mit den Türken. Jetzt hat er freie Hand gegen die Schmalkaldener. 1545 beruft Papst Paul Iii. ein allgemeines Konzil nach Trient.

2. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 84

1900 - München : Oldenbourg
84 Genetische Behandlung. Häupter, Johann Friedrich und Philipp, stehen unthätig an der Donau und lassen ungestört die kaiserlichen Truppen über die Alpen ziehen, statt, wie Schärtlin V. Burtenbach rät, die Feinde im Gebirge abzufangen. So gaben sie die wertvolle strategische Initiative aus der Ftand, obwohl sie damals noch dem Kaiser überlegen waren. Aber die Achtung vor dem kaiserlichen Namen lähmte sie, obwohl es für sie nur zweierlei gab: entweder sich dem Kaiser freiwillig unterwerfen, oder ihm energisch entgegentreten. Eine noch kläglichere Rolle spielten die Städte. Sie wollten wohl Krieg führen, aber beileibe nicht den Frieden brechen. Ihr Handel hätte ja Schaden nehmen können durch die kaiserliche Ungnade. Sie feilschten um jeden Pfennig und um jede Kanone, und der einzige Mann, welcher der Situation gewachsen gewesen wäre, Schärtlin V. Burtenbach, war die »Stimme des Predigers in der Wüste«. So kam es, wie es kommen musste. Als die Nachricht von dem Einfalle Moriz’ nach Donauwörth kam, war Johann Friedrich beinahe froh, einen Vorwand für plötzliche Rückkehr zu haben. Er bedachte nicht, dass Erfolge Moriz’ belanglos waren, wenn die Schmalkaldener an der Donau den Kaiser endgültig schlugen, und dass vor dem siegreich heimkehrenden Kurfürsten der kleine Moriz hätte freiwillig das Land räumen und zu Kreuze kriechen müssen. Philipp und den übrigen Häuptern wurde nun die Einsamkeit unheimlich; sie zogen ebenfalls nach Hause. Die oberdeutschen Städte, froh, erlöst zu sein, gingen auch heim und steckten ihre Köpfe in den Sand, bezw. in ihre dicken Handelsbücher. So war Karl ohne Schwertstreich Herr von Oberdeutschland. Nun mussten die oberdeutschen Städte bluten und viel mehr bezahlen, als sie hätten aufwenden müssen, um den Krieg erfolgreich zu machen. *) Mit leichter Mühe überwand dann Karl i 547 die nord- Aver den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«; dieses Sprich-wort erfüllte sich auch an den Städten. Überall sang man Spottlieder, Knittelverse u. dgl. Einen solchen Knittelvers, ein Distichon, führt an Hippolithus a Lapide, dissertatio de ratione status . . . I643, pars Iii. p. 51 : ^ Hl itz ein, Landgravi; kent an sarhs ' schertele, schier woll; Carlebader reil> aus', solvite Reichs'stättites!c Das nette Xenion trifft überdies den Nagel auf den Kopf; der Landgraf (^Philipp) heizt ein (ist die treibende Seele des Ganzen). Dem Kurfürsten von Sachsen als dem Rangältesten überlässt man die zweifelhafte Ehre, »anzukenten« (anzuzünden). Schertele (Schärtlin v. Burtenbach) schürt wohl; Carlebader (Karl V.) reibt (löscht) aus. Und die Reichsstädte müssen bezahlen. Hippolithus hat den Vers überdies aus einer Flugschrift vom Jahre 1610: Vitus Breitschwert (Pseudonymus)

3. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 135

1900 - München : Oldenbourg
Die Kirche als Kulturträgerin im Mittelalter. 135 Kunst des Lesens und Schreibens. Bücher, damals sehr kostbar, gab es fast nur hier. Die Klösterschulen (Fulda, Rhabanus Maurus) waren lange Zeiten die einzigen Bildungsanstalten. Wer etwas lernen, sich geistig ausbilden wollte, musste sich hierher wenden. Aber auch eine sittliche Aufgabe erfüllten die Klöster, die Seelsorge in ihrem weitesten Umfange. Durch die Privatbeichte hatten sie Kenntnis oft von den verborgensten Dingen; also konnten sie überall guten Rat geben. Die Predigt lag natürlich in ihren Händen. Auf dem Bilde sehen wir einen Mönch von einem Sterbenden zurückkehren. Vom Eintritte des Menschen ins Leben bis zum Austritte sorgten sie für das Seelenheil. Aber auch die leibliche Wohlfahrt liessen sie sich angelegen sein. Im Hintergründe tragen einige Mönche einen Kranken, in Kissen gehüllt, auf einer Bahre. Sie sind nämlich auch Ärzte und Krankenpfleger. Auch wo die Krankheit im Hunger besteht, lässt das Kloster keinen ungeheilt von seiner Schwelle gehen; eine Klostersuppe bekommt jeder Hungrige. Im Vordergründe segnet der Abt einen knieenden, reisefertigen Mönch; dieser zieht wahrscheinlich hinaus, um ein neues Kloster zu gründen, oder sonst einen edlen Zweck zu erfüllen. Verschwiegen darf ferner nicht werden, was allerdings nicht auf dem Bilde angedeutet ist, dass nämlich die Klöster sehr viel für Sklavenbefreiung gethan haben; freilich eine sofortige Aufhebung der gesamten Sklaverei hätte eine wirtschaftliche Revolution gegeben, und Revolutionen macht die Kirche nicht. Ferner hatte die Kirche eine ungeheure soziale Bedeutung dadurch, dass sie die Standesunterschiede ausglich. Ein Armer, ja sogar ein Höriger konnte durch Eintritt in den geistlichen Stand bis zu den höchsten Ämtern emporsteigen (Erzbischof, Erzkanzler, ja sogar Papst. Hadrian Iv.). So bildete die Kirche ein ausgleichendes und vermittelndes Bindeglied zwischen den sonst ziemlich schroff geschiedenen Ständen. Wir sehen also, dass thatsächlich die Klöster Ausgangspunkte der Veredelung der Germanen waren. Das begreift auch der Schüler ganz gut und wird im späteren Leben kaum einstimmen in das alberne Pöbelgeschrei, welches in den Klöstern lediglich Verdummungsanstalten sieht und von der Nacht des Mittelalters und ähnlichem faselt. d) Das Lehenswesen und die Erblichkeit der Lehen. Die Erklärung obiger Begriffe im Geschichtsunterrichte ist eine der allerschwierigsten Aufgaben für den Lehrer. Mit der An-

4. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 65

1900 - München : Oldenbourg
V ölkerwan derung. 65 »Zöllner und Sünder«, wie sie im Neuen Testament heifsen, die sich, wie die Engländer heutzutage, bald zum Odium generis humani auswuchsen. Schon zu Marius’ Zeiten muss der Staat seine Zuflucht zu Söldnern nehmen, die mehr und mehr aus den Reihen der urwüchsigen nordischen Barbaren hervorgehen. So wurde das kernfaul gewordene »ewige« Rom eine sichere Beute der jugendkräftigen Germanen. b) Die Völkerwanderung und das allmähliche Hineinwachsen der Germanen in die römischen Verhältnisse. In vielen Geschichtslehrbüchern ist es wunderschön geschildert, wie unsere tapferen Vorfahren, ergriffen von einem unerklärlichen und unwiderstehlichen Wandertriebe nach dem sonnigen Süden (so etwa ä la Mignon) sich erhuben, Frauen und Kinder, Hab und Gut auf ihre Karren luden, und nun unwiderstehlich, wie Donars Hammer Mjölnir, das morschgewordene Römerreich in Trümmer schlugen; wie auf diese Weise das Alte stürzte, die Zeiten sich änderten und neues Leben aus den Ruinen blühte. Das ist ja alles ganz schön; aber betrachten wir die Sache genetisch! Die Geschichte ist ein Stück Natur, wie alles menschliche Werden; die Natur kennt aber keine Sprünge; wo gewaltsame, nichtorganische Fortschritte thatsächlich stattfinden, rufen sie unfehlbar eine Reaktion hervor (siehe »französische Revolution« !), und erst aus diesem Hin- und Herwogen entwickelt sich dann der wirkliche, naturgemäfse Fortschritt. So auch hier. Der scharfsinnige Tacitus sagt einmal: »Die germanischen Mütter werden Rom besiegen«. Damit haben wir den Ausgangspunkt. Die Fruchtbarkeit der Germanen erzeugt naturnotwendig Übervölkerung, der Abgang durch natürlichen oder gewaltsamen Tod (Kriege, Schlachten) ist nicht so gross wie der Zugang zur Bevölkerungsziffer. Die wirtschaftlichen Verhältnisse (Ackerbau, Viehzucht, Jagd u. s. w.) gestatten aber nur eine gewisse Maximalzahl von Einwohnern (sehr interessant ist hier der Vergleich mit modernen Industrieländern und -städten, die auf die Ausfuhr von Industrieartikeln und dafür Einfuhr von Lebensmitteln angewiesen sind). Die überschüssige Bevölkerung muss also auswandern, und zwar, da der einzelne im Auslande »recht- und friedlos« ist, in grösseren Massen, die sich durch Waffenmacht Achtung verschaffen können. Dazu kommt noch die Gravitation der Naturvölker nach Lorenz, Moderner Geschichtsunterricht. 5

5. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 104

1900 - München : Oldenbourg
104 Kampf gegen historische Phrasen. der Erde und häuft Schätze auf Schätze. Die grundsätzliche Voraussetzung für diese Machtstellung ist die Uneinigkeit, die gegenseitige Bekämpfung der Kontinentalmächte auf Leben und Tod, die sie hindert, sich endlich einmal zu verbünden und von dem selbstlosen Albion den ihnen gebührenden Anteil an der Verteilung der Erde zu verlangen. Hat es nun jemals den Anschein, als ob es gelänge, den Kontinent unter einen Hut zu bringen, so wird der Engländer sofort aufmerksam; denn die politische Einigung des Kontinents muss ja früher oder später die wirtschaftliche im Gefolge haben. Das wäre aber eine schnöde Verletzung der heiligsten englischen Gefühle und Rechte; und da ist es dann die heiligste Pflicht der englischen Humanität, für die unterdrückte Freiheit der Geknechteten Gut und Blut aufzubieten. Diese traditionelle, perfide Politik der Engländer durchschaute aber Napoleon ganz genau und baute auf dieser Einsicht sein politisches System auf. Andererseits wussten auch die Engländer ganz genau, wie sie mit Napoleon »daran waren«, und was sie von ihm zu gewärtigen hatten. Beide Gegner sahen ein, dass es hier einen modus vivendi nicht gab, dass die Existenz des einen Systems die Vernichtung des anderen zur naturnotwendigen Folge hatte und haben musste. Entweder ich — oder du? Damit sind wir uns über den Ernst des Kampfes und die tiefere Bedeutung desselben klar geworden. Wie wurde er nun geführt ? Dass es die Engländer meisterhaft verstanden und noch verstehen, andere Nationen ins Feuer zu hetzen und die ihnen bestimmten Schläge auf fremde Rücken gelangen zu lassen, ist bekannt. Was konnte nun Napoleon dagegen thun? Im eigenen Lande konnte er sie nicht fassen, in ihren wichtigen Kolonien nach Trafalgar ebenfalls nicht; blieb also nur die Vernichtung ihres Kontinentalhandels. War nun diese Massregel erfolgversprechend, und lohnte sie die Opfer, die sie naturgemäss kosten musste? Neuere Forschungen gestatten es, diese Frage mit »Ja« zu beantworten. Zunächst kostete die Kontinentalsperre freilich Opfer. Der Zwischenhandel der Küstengebiete musste schwer leiden, besonders der holländische, norddeutsche u. s. w. Auch musste der Preis der Industrieprodukte sehr in die Höhe gehen, wenn plötzlich die englische Einfuhr aufhörte; »heute und morgen« konnte die kontinentale Industrie natürlich nicht ihre Produktion so weit ausdehnen,

6. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 109

1900 - München : Oldenbourg
Das europäische Gleichgewicht und der Erbfeind. 109 punkt erreicht. Der spanische Erbfolgekrieg stürzt es vorübergehend, aber nur, um der Vorherrschaft Englands Platz zu machen. Schwedens Präponderanz war zu vorübergehend, um erwähnt zu werden. Durch Napoleon kommt wieder Frankreich an die Spitze, wird allerdings bald gestürzt und macht der heiligen Alliance Platz. Diese war aber doch nur die verschleierte Vorherrschaft Russlands (siehe Wiener Kongress!). Dann hatte doch gewiss Napoleon Iii. wieder einen Vorrang in Europa; man bedenke nur, mit welcher Andacht die Welt seinen Neujahrsansprachen lauschte. 1870 trat das neugeeinte Deutschland an seine Stelle. Seinen Vorrang in den 70 er Jahren unter der Handlangerpolitik wird niemand bestreiten. Und wie in unseren Tagen der Einfluss »Väterchens« mit dem vielgerühmten »europäischen Gleichgewicht« in Einklang zu bringen ist, das zu beweisen überlassen wir denjenigen, die an der Aufrechterhaltung dieser schillernden Phrase ein sehr gewichtiges Interesse haben. Nun fragen wir drittens: »Wie kommt es, dass diese hohle Phrase den Kontinent so lange beherrschen konnte und noch beherrscht?« Der vorige Abschnitt (siehe Kontinentalsperre!) hat uns bereits die Antwort darauf gegeben. Unsere lieben Vettern jenseits des Kanals haben diese Phrase erfunden, in die Welt gesetzt und liebevoll gehegt und gepflegt, auf dass sie wachse und gedeihe und Früchte trage hundertfach. Bekanntlich haben englische Zeitungen mit der ihnen angeborenen unüberwindlichen Bescheidenheit dem deutschen Kaiser vor einigen Jahren den salbungsvollen Vorschlag gemacht, er möge doch nur immer auf den Rat seiner »weisen Grossmutter« hören. Nun, so weise wie diese Grossmutter waren die Engländer von jeher, nur hatte der ehrliche deutsche Michel seit Jahrhunderten für die innerste Bedeutung und den geheimsten Sinn dieser Eddaweisheit leider nie das richtige Verständnis. Verfolgen wir die Geschichte dieser Phrase historisch-genetisch! Solange England mit der Konstituierung seiner inneren Verhältnisse zu thun hatte, hören wir wenig oder gar nichts davon. Erst als die Engländer in und nach der sogenannten »glorreichen Revolution« die richtige Formel für ihr innerpolitisches Leben gefunden hatten und nach aussen die wunderbar konsequente, wiederholt charakterisierte Interessenpolitik begannen, tauchte das schöne Wort auf. Derjenige, der es zum erstenmal im grossen Stile praktisch in die Politik einführte — und das mit grossartigem Erfolg —,

7. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 120

1900 - München : Oldenbourg
120 Kampf gegen historische Phrasen. I Schillers Geschichtsauffassung. Der damalige Kaiser war nämlich ein katholischer Habsburger, und dadurch ist Schiller geradezu — um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen — hypnotisiert. Suchen wir das aus seiner Vergangenheit und Entwicklung heraus zu begreifen. Schiller hatte sich von Jugend auf, wenn auch nur zeitweise und mit längeren Unterbrechungen, viel mit geschichtlichen Studien beschäftigt. Aber von Anfang an interessierte ihn nicht die objektive Wahrheit des Stoffes, sondern dessen poetische Verwendbarkeit und Wirksamkeit. »Eine einzige grosse Aufwallung, die er durch die gewagte Erdichtung in der Brust seiner Zuhörer bewirke, wiege die strengste historische Genauigkeit auf« (eigene Worte des Dichters in der Vorrede zu Fiesco). Zum Unglück geriet er auch gleich anfangs auf bedenkliche französische Geschichtsdichter, die wie St. Real und Mercier die Dinge nach subjektiver Willkür einfach ummodelten und die Geschichte nicht als Lehrerin der Wahrheit, sondern als Tummelplatz für die Künste ihres Geistes und Witzes betrachteten. Ausserdem sind das Milieu und die äusseren Verhältnisse, die den Dichter in Weimar beeinflussen, sehr ungünstig. Aus seinem Briefwechsel, besonders mit Körner, ersehen wir, dass er lange Zeit fast durchweg mit Nahrungssorgen zu kämpfen hatte. Er bedauert selbst, dass er rasch und viel schreiben müsse, um Geld zu verdienen. Wie hätte er da die nötige Ruhe, Unbefangenheit und Geistessammlung zu umfassenden Quellenstudien haben sollen? Die »Geschichte des Abfalls« war nach seinen eigenen Worten das Werk von fünf, höchstens sechs Monaten, wobei er aber noch zahlreiche Dinge nebenbei betrieb. Auch arbeitete er an diesen Dingen mit Unlust; poetische Beschäftigung wäre ihm lieber gewesen. Aber die Not zwang ihn, Geld zu verdienen. »Das verfluchte Geld!« schrieb er (6. Okt. 1787) an Körner. Seinen Grundsatz bei historischen Arbeiten spricht er selbst aus in einem Briefe an Karoline v. Beulwitz (io. Dez. 1788): »Die Geschichte ist nur ein Magazin für meine Phantasie, und die Gegenstände müssen sich gefallen lassen, was sie unter meinen Händen werden«. Nun sein persönlicher Standpunkt. Schillers Ideal war »die Idee der Freiheit«, wie sie in seinem »philosophischen Zeitalter« ausgedrückt ist. Er war ein begeisterter Anhänger der Lehre von der Volkssouveränität und dem Naturrecht. »Frei ist der Mensch, und wär’ er in Ketten geboren«. Dass natür-

8. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 85

1900 - München : Oldenbourg
Der Schmalkaldische Krieg. 85 deutschen Häupter der Schmalkaldener vereinzelt und nahm Johann Friedrich und Philipp gefangen. Karl stand nun auf dem Höhepunkte seiner Macht. Nun galt es, dies auszunützen. Seine Lage erinnert an die des siegreichen Samnitensührers Pontius bei den kaudinischen Pässen, der den Rat seines alten Vaters, die gefangenen Römer alle zu töten und dadurch Rom zu schwächen, oder sie alle ehrenvoll zu entlassen und dadurch Rom moralisch zu verpflichten, nicht befolgte, sondern das Ungeschickteste that, was er thun konnte, indem er sie schmachvoll alle durchs Joch gehen liess. Damit beleidigte er sie, ohne sie zu schwächen, und reizte sie höchstens zur eifrigsten Kraftanspannung, um die Scharte auszuwetzen. Ähnlich Karl. Statt die Häupter des Bundes ehrenvoll zu entlassen und einen dementsprechenden Frieden zu schliefsen , liess er sie als Empörer zum Tode verurteilen, was alle deutschen Fürsten aufs tiefste beleidigte, da sie Kämpfe gegen den Kaiser nicht als todeswürdiges Verbrechen, sondern als ihr gutes Recht ansahen und dem Kaiser höchstens das Recht des Siegers gegen einen legitimen Gegner zugestehen wollten. Andererseits hatte Karl wieder nicht den Mut, blaues Blut zu vergiefsen und durch Vollstreckung des Todesurteiles ein abschreckendes Beispiel zu geben. So setzte sich Karl gerade wie der Samnitenführer zwischen zwei Stühle, schleppte beide Fürsten gefangen mit sich herum und beleidigte dadurch besonders den neuen Kurfürsten Moriz, dessen Schwiegervater Philipp war. Auch auf kirchlichem Gebiete beging Karl den gleichen Fehler. Das unglückliche »Interim« befriedigte weder die Katholiken noch die Protestanten.*) Auch seinen Bruder Ferdinand reizte er schwer, indem er ihm das versprochene Recht der Nachfolge in Deutschland durch die sonderbare Bestimmung illusorisch machte, dass auf Ferdinand »Consilium, ob die freye Reichs-Ritterschaft in Schwaben j mit anderen höheren Potentaten / Chur- und Fürsten in verbündnus eintreten solle, quod confectum est Anno 1610«. Diese Flugschriftenliteratur bietet überhaupt für den Forscher ein Arbeitsfeld, das fast noch gar nicht angebaut ist; und doch findet man hier oft die interessantesten Streiflichter auf die zeitgenössischen Verhältnisse, da man sich in solchen meist anonymen Veröffentlichungen natürlich viel freier auszudrücken pflegte als in offiziellen Schriften. *) Vom Regensburger sowohl als vom Augsburger Interim sagte das Volk, es »trug den Schalk hinter ihm«.

9. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 87

1900 - München : Oldenbourg
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Einführung des Christentums. 87 stösst man sofort auf die Wahrnehmung, dass wirtschaftliche und soziale Verhältnisse dabei eine ganz bedeutende Rolle gespielt haben. Einige solche Beispiele mögen hier vorgeführt werden. a) Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Einführung des Christentums. Bekanntlich galt in der vorchristlichen Zeit der sittliche Grundsatz: »Gleiches mit Gleichem vergelten« ; »Auge um Auge, Zahn um Zahn &. So gerecht dieser Grundsatz war, so hatte er doch häufig bedenkliche soziale Erscheinungen im Gefolge, so z. B. die Blutrache. Wie schwer dabei, um bei dieser zu bleiben, eine dauernde Versöhnung stattfinden konnte, liegt auf der Hand. Sittlich unendlich höher steht der christliche Grundsatz: »Böses mit Gutem vergelten«. »Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, thuet wohl denen, die euch hassen!« Die weitere Ausführung der sittlichen Bedeutung dieses Kulturfortschrittes wollen wir dem Religionsunterricht überlassen; wir wollen uns sofort zur wirtschaftlichsozialen Seite wenden. Von der weltumspannenden Liebe des Erlösers fiel auch ein Strahl auf diejenigen, die in Nacht und Not, in Jammer und Elend ihr Leben verseufzten, die Sklaven. Bekanntlich baute sich das ganze antike Leben auf der Sklaverei auf. Die Arbeit ums tägliche Brot war noch nicht geadelt. Die gewöhnliche Arbeit, vom Ackerbau vielleicht abgesehen, galt für eines freien Mannes unwürdig, sie war Sache der Sklaven. Der freie Mann beschäftigte sich, vom Ackerbau, wie gesagt, abgesehen, mit Jagd, Krieg, Politik, Wissenschaften , Kunst u. dgl. Der Sklave war aber vollständig Tier, weniger bei den humanen Griechen, mehr bei den härteren Römern, und bekam für seine angestrengte Arbeit nur, wie etwa ein Pferd oder Rind, eine schlechte Nahrung, die notdürftigste Bekleidung und einen Schlafraum. (Ausnahmen gab es, wie überall, so natürlich auch hier). Die wirtschaftliche Bedeutung lag nun darin, dass die gewöhnliche Arbeit sehr billig zu stehen kam. Auch grosse Staatsbauten u. dgl. konnten auf diese Weise ziemlich billig hergestellt werden; Sklaven konnte der Staat ja leicht bekommen ; jeder Kriegszug konnte sie tausendweise unentgeltlich liefern; auf dem grossen Sklavenmarkte Delos sollen an einem Tage 70000 umgesetzt worden sein. Nun war der Weltheiland für alle Menschen gestorben, also auch für die Sklaven. War aber der Sklave so wertvoll, dass die

10. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 107

1900 - München : Oldenbourg
Das europäische Gleichgewicht und dev Erbfeind. Io1/ deutsches, französisches, österreichisches u. s. w. in Strömen. Was kümmert das aber einen edlen Briten? England war dafür der Hort der Freiheit und hatte ihr eine Gasse in Europa gebahnt.*) Der Kontinent stand der englischen Industrie wieder offen; die schönsten Kolonien hatte man den Kontinentalen mit ihrer eigenen Beihilfe abgenommen. Eine neue politisch-wirtschaftliche Zusammenfassung derselben war so leicht nicht wieder zu fürchten, dafür sorgte das »europäische Gleichgewicht«. Die heilige Alliance sub numine et auspiciis Metternichs hatte Besseres zu thun, als den Engländern auf die Finger zu sehen. Sie musste den Völkern, die riesige Opfer an Gut und Blut gebracht, die dummen Freiheitsgedanken austreiben und das väterliche Regiment über die geliebten Unterthanen wieder aufrichten; sie musste die Nörgler auf die Festungen schicken, und was dergleichen volkstümliche Mafsregeln mehr waren. Albion aber nahm sich diese Kontinentalsperre gar sehr zu Herzen; so etwas durfte nie wieder vorkommen. Mit wunderbarer Konsequenz arbeitete man allmählich darauf hin, die Absatzgebiete immer mehr nach den Kolonien zu verlegen, wozu die neuen Erwerbungen die schönste Gelegenheit boten. Zum grossen Teil ist es bereits gelungen. Eine neue Kontinentalsperre könnte England niemals mehr so tödlich treffen wie früher, wenn sie auch noch immer ernst genug wäre. Bei der Weisheit des europäischen Konzertes ist sie übrigens nicht zu befürchten. c) Das europäische Gleichgewicht und der Erbfeind. Oxenstierna soll zu Gustav Adolf in Erfurt gesagt haben: » Videbis, mi fili, quam parva sapientia vtundus regituri (Du wirst sehen, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird). Nun, se non e vero, e den trovato. Oxenstierna stand ja selbst mitten im Getriebe der europäischen Politik und musste es, bezw. konnte es wenigstens wissen. Glauben möchte man es ihm gern, wenn man sieht, wie die hohlsten Phrasen, wenn sie nur etwas Bestechendes an sich haben und der Menschheit lange und klug genug suggeriert werden, Jahrhunderte hindurch die Menschen nicht bloss beherrschen, sondern sie auch veranlassen, Ströme von Blut zu *) Siehe Schiller : »Oie unüberwindliche Flotte«. Dass England mit seinen heuchlerischen Humanitätsphrasen immer wieder gläubige Seelen findet, ist ein geistiges Armutszeugnis, wie wir es uns gar nicht trauriger ausstellen können.
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