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1. Kaiser Friedrich III. - S. 80

1888 - Wittenberg : Herrosé
Vii. Her königliche Nuköer. on diesen heiteren, herzerfreuenden Bildern wenden wir .unsern Blick hin in die letztverflossenen Wochen und Monate zu dem Schmerzenslager des königlichen Dulders. Alldeutschland rüstete sich zu einem hohen, seltenen, in der deutschen Kaisergeschichte noch nicht dagewesenen Feste. Es galt dem Geburtstag des neunzigjährigen Heldengreises auf Deutsch- lands Kaiserthrone. Jubel und Freude erfüllte jede Brust, dank- erfüllt erhoben sich die Herzen zum lieben Vater im Himmel im innigen Gebet, ihn lobend und preisend für die bisherige Gnade und Gesundheit und Frieden für den edlen Helden erflehend. Da plötzlich mischte sich in diese allgemeine freudige Erregung ein schriller Mißton. Erst schüchtern, dann lauter und lauter erscholl das Gerücht von einer bei dem Kronprinzen eingetretenen Halskrankheit. Zwar hielt man das Leiden anfänglich für eine hartnäckige Heiserkeit, die sich durch einen mehrwöchentlichen Ge- brauch der Heilquellen des Bades Ems beseitigen lassen würde; jedoch diese Annahme stellte sich bald als irrtümlich heraus, in- dem der Kronprinz von Ems leidender zurückkehrte, als er hin- gegangen war. Andere Nachrichten wieder wollten die bestimmte Versicherung haben, daß das Übel nur eine Folge des Rauchens, das der Kronprinz sehr liebte, sei, und eine Mäßigung darin oder noch besser, ein vollständiges Unterlassen desselben, würde

2. Kaiser Friedrich III. - S. 18

1888 - Wittenberg : Herrosé
18 auffallend ehrfurchtsvoll gegrüßt wurde und deshalb einsamere Wege aufsuchte. Da fühlte er sich plötzlich am Rockschöße erfaßt. Er blickte um sich und sah ein blasses Mädchengesicht, das flehend zu ihm emporschaute. „Wer schickt dich betteln, mein Kind?" fragte der Fremde. „Meine kranke Mutter!" antwortete die Kleine. „Wo ist dein Vater?" „Der ist tot — ach, uns hungert so sehr!" setzte sie schluch- zend hinzu. Der Herr, der schon seine Börse gezogen hatte, steckte sie wieder ein. „Führe mich zu deiner Mutter- Kleine," sagte er und folgte dem Mädchen, das ihn durch mehrere Straßen und Gäßchen bis zu einem kleinen, baufälligen Hause führte. Sie schritten zwei schmale, alte, knarrende Treppen hinauf. Dann öffnete die Kleine eine Bodenthür, und der Herr hatte nun einen Einblick in eine halbfinstere, unheimliche Dachkammer. Der Verschlag war feucht und kalt, und in der Ecke lag auf ärmlichem Lager eine junge Frau, der das Unglück in den Augen zu lesen war. Sie richtete sich stöhnend auf, als der Fremde eintrat. „O, Herr Doktor," sagte sie, „es ist nicht recht, daß meine Tochter Sie heimlich gerufen hat. Ich habe keinen Heller und kann nichts bezahlen." Der fremde Herr winkte einen Diener herbei, der ihm ge- folgt war, und sagte ihm einige Worte, worauf sich dieser so- gleich entfernte. „Haben Sie niemanden, der für Sie sorgt?" fragte er dann. „Ich habe keinen Verwandten, der sich um mich bekümmern könnte, und meine Wirtsleute sind selber arm. Mein Mann war Arbeiter. Solange er lebte, ging es uns gut; seit er tot ist, habe ich Tag und Nacht gearbeitet, um uns zu ernähren. Dann wurde ich krank, und so kamen wir in Not und Elend." Der Herr gab dem Mädchen Geld und sagte: „Geh und hole Brot und Wein." Schnell eilte das Mädchen davon und kehrte bald mit freude- strahlendem Gesicht zurück, ein Brot im Arm und eine Flasche Wein in der Hand. „Das lohne Ihnen Gott!" sagte die Frau mit Thränen in den Augen.

3. Kaiser Friedrich III. - S. 67

1888 - Wittenberg : Herrosé
67 Der Kronprinz hielt nämlich zu Pasewalk die Inspizierung eines pommerschen Kürassierregiments ab. Als die Besichtigung vor- über war, atmete man erleichtert auf, denn es hatte, wie man sagt, alles geklappt. Da ritt der Kronprinz noch an einen Kürassier heran und fragte: „Wie gefällt dir dein Quartier, mein Sohn?" Der Gefragte war ein Kaufmann aus Stettin, der freilich allerhand auf dem Kerbholz hatte und dem man deshalb ein sogenanntes Strafquartier gegeben hatte. Sein Pferd stand so ziemlich drei Viertelstunden vom Exerzierplatz am anderen Ende der Stadt. Der Kürassier antwortete: „Gar nicht. Kaiserliche Hoheit! Fensterscheiben hat die Stube nicht, ich habe Ölpapier davor kleben müssen. Sie ist infolgedessen so dunkel, daß ich die Thür offen lassen muß, um etwas zu sehen. Wenn ich den Helm aufsetze, stoße ich an die Decke. Neues Stroh für das Bett habe ich seit sechs Monaten nicht erhalten." „Haben Sie das gehört, Herr Rittmeister?" wandte sich der Kronprinz an den Führer der Schwadron. „Das ist ja eine recht nette Bude; die muß ich mir doch einmal ansehen." Mittlerweile jagte schon ein im Geheimen Abgesandter nach dem Musterquartier, ordnete seine bestmögliche Instandsetzung an und griff sogar selbst zum Besen, um die Spinngeweben von Decken und Wänden herunterzufegen. Doch schon ritt der Kronprinz in den Hof ein, hinter ihm der Oberst, der Rittmeister, der Wacht- meister, der Berittunteroffizier und der Bewohner der Stube. Von diesem geführt, erschien der Kronprinz in der Stube und befahl: „Lege dich mal in dein Bette, wie du da gehst und stehst!" Die alte Bettstelle krachte in allen Fugen. „Jetzt setze dir den Helm auf!" Der Mann konnte in der That nicht auf- recht stehen. Nun brach das Unwetter los. Beim Gehen wandte sich der Kronprinz noch einmal an den Kürassier: „Sollte dir etwas geschehen, mein Sohn, so weißt du, wo ich wohne; in Berlin, Unter den Linden." Ein Weihnachtsgeschenk. Im Jahre 1863 besuchte der damalige Kronprinz das Lazarett der Kadettenanstalt und fand unter anderen auch einen Zögling „fieberkrank infolge von Nikotin-Vergiftung", wie die über dem Bette hängende Tafel nachwies. D. h. der Kadett hatte zu viel geraucht, und rauchen sollen Kadetten überhaupt 5*

4. Kaiser Friedrich III. - S. 70

1888 - Wittenberg : Herrosé
70 Diese That steht in unserem Fürstenhause nicht vereinzelt da. Als Prinz Friedrich Karl in Bonn studierte, sah er, wie ein Knabe in den Rhein stürzte. Der Prinz sprang mit voller Klei- dung dem unglücklichen Knaben nach und entriß ihn den gierigen Wellen. Rührt euch! Gelegentlich der im September 1874 bei Hannover abgehal- tenen Kaisermanöver wurde dem Vorstande des in Hannover be- stehenden „Lokalvereins für im Felde verwundete und erkrankte Krieger" die Ehre zu teil, einen auf Kosten des Vereins er- bauten, zweckmäßig eingerichteten Verwundeten- und Kranken- Transportwagen dem hochseligen Kaiser Wilhelm und dem der- zeitigen Kronprinzen vorführen zu dürfen. Diese Besichtigung ge- schah in einem der inneren Höfe des Schlosses an der Leine- straße. Mitglieder des damals bestehenden freiwilligen Sanitäts- korps hatten die Bedienung des Wagens übernommen und stellten auch gleichzeitig die Verwundeten vor. Der Wagen stand in der Mitte und überall lagen Verwundete umher, die verbunden und aufgeladen wurden. Mit sichtlichem Vergnügen verfolgten die hohen Herren die mit großer Sicherheit und Schnelligkeit ausge- führten Manöver. Als Schlußübung erfolgte das Beladen des Wagens mit sechs Schwerverwundeten auf je drei hängend über- einander befestigten Tragbahren und Verschluß des Wagens gegen Witterungseinflüsse. Respektvolle Stille herrschte unter der Be- dienungsmannschaft, sowie im Innern des Wagens. Da trat aus der in eifrigem Gespräche befindlichen Gruppe der Zuschauer der Kronprinz hervor, näherte sich mit schelmischem Ausdrucke auf dem Gesichte dem Wagen, lüftete eine Seite des Vorhangs und rief den auf ihren Bahren Liegenden mit kräftiger Stimme ein „Rührt euch!" zu, damit in lustiger Weise die eingetretene scheinbar ernste Stimmung lösend. Ein herzliches, fröhliches Lachen aus dem Innern des Wagens, wie auch von seiten der sämtlichen Anwesenden erschallte als Antwort dem leutseligen Kaisersohne nach, der freundlich grüßend zum Kaiser zurückkehrte. Kaiser Friedrich auf dem Schlachtfelde. Kaiser Friedrich war schon als Kronprinz Oberstinhaber des österreichischen Infanterie-Regiments Nr. 20, d. h. der Kaiser

5. Kaiser Friedrich III. - S. 77

1888 - Wittenberg : Herrosé
77 hatte, während er zum Sterbebett seiner Mutter eilte. — Eine jetzt erwachsene Schülerin des kaiserlichen Lehrers hat diese Geschichte erzählt, und ist noch stolz darauf, einst Geographie- stunde beim nachmaligen Kaiser Friedrich gehabt zu haben. Kaiser Friedrich in der Kirche zu Alt-Geltow. Neun Tage vor seinem Tode, am 6. Juni d. Jhrs., besuchte Kaiser Friedrich noch das Dorf Alt-Geltow, um die daselbst er- baute neue Kirche zu besichtigen. Die Anregung zu diesem Bau ist allein dem Kaiser zu verdanken. Auf einer Ausfahrt vom „Neuen Palais" aus im Jahre 1884 kam der Kaiser nach Alt- Geltow und sah dort die alte Kirche, die äußerlich mehr einer Scheune als einem Gotteshause glich. Es schmerzte ihn, in seiner nächsten Nähe eine solche Kirche zu wissen, und er ver- anlaßte die Gemeinde durch Bewilligung einer bedeutenden Summe, sich zu dem Neubau der Kirche zu entschließen. 1885 schon konnte der Kaiser, damals Kronprinz, den Grundstein zu dem Gotteshause legen. Gar oft kani der Kaiser nach Geltow, um die Fortschritte, die der Bau machte, zu besichtigen. Zum letztenmale war er im Jahre 1687 dort, von seiner Schwester, der Frau Großherzogin von Baden, -begleitet. Wie die Kirche auf der Stelle errichtet wurde, wo das alte Gotteshaus stand, so ist auch der alte Tausstein mit in die neue Kirche übernommen worden, die, an den Ufern der Havel gelegen, in mittelalterlicher Gotik ausgeführt ist. Die Kosten des Baues der Kirche, die bereits am 22. Dezember vergangenen Jahres eingeweiht wurde, beliefen sich auf 80 000 Mk., von denen die Gemeinde 4000 Mk. aufbrachte, während der Rest vom Patronat und den kaiserlichen Herrschaften gedeckt wurde. Als der Kaiser mit seiner Gemahlin und den Prinzessinnen Viktoria, Sophie und Margarethe in Alt-Geltow an der Kirche eintraf, war der Kirchenälteste Stahns- dorf zugegen, der die Führung der Herrschaften übernahm. In aufrechter Haltung betrat der Kaiser, zu seiner Seite die Kaiserin, die Kirche, über deren Eingang auf Wunsch des Kaisers die Sprüche Lucas 11, 28, Jakobi 1, 22 und Psalm 119,115 stehen. Den Altar schmücken ein goldenes Kruzifix, zwei silberne Leuchter und eine prächtige Bibel, alles Geschenke des Kaisers. Die Orgel des neuen Gotteshauses hat Gesell in Potsdam gebaut.

6. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 6

1910 - Wittenberg : Herrosé
6 bis zur Tür des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser zurück Der dritte, den er im Leben oft am meisten vergaß, sind seine wohl- tätigen Werke. Sie allein begleiten ihn bis zum Throne des Richters; sie gehen voran, sprechen für ihn und finden Barmherzig- keit und Gnade. I. ®. $erber. b) Vaterlandsliebe, Mut und Tapferkeit. 6. Aufruf. Frisch auf, mein Volk! die Flammenzeichen rauchen, hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht. Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen; frisch auf, mein Volk! — die Flammenzeichen rauchen, die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht! Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte! Drück' dir den Speer ins treue Herz hinein, der Freiheit eine Gasse! — Wasch' die Erde, dein deutsches Land, mit deinem Blute rein! Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen: es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heilger Krieg! Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen hat der Tyrann aus deiner Brust gerissen; errette sie mit deiner Freiheit Sieg! Das Winseln deiner Greise ruft: „Erwache!" Der Hütte Schutt verflucht die Räuberbrut, die Schande deiner Töchter schreit um Rache, der Meuchelmord der Söhne schreit nach Blur Zerbrich die Pstugschar, laß den Meißel fallen, die Leier still, den Webstuhl ruhig stehn! Verlasse deine Höfe, deine Hallen! — Vor dessen Antlitz deine Fahnen wallen, er will sein Volk in Waffenrüstung sehn. Denn einen großen Altar sollst du bauen in seiner Freiheit ew'gem Morgenrot; mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen, der Tempel gründe sich auf Heldentod. — Was weint ihr, Mädchen, warum klagt ihr, Weiber für die der Herr die Schwerter nicht gestählt, wenn wir entzückt die jugendlichen Leiber hinwerfen in die Scharen eurer Räuber, daß euch des Kampfes kühne Wollust fehlt?

7. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 22

1910 - Wittenberg : Herrosé
22 Margarete schilderte ihm darauf fein Betragen, die Art, wie er einnehme und ausgebe, den Mangel an Aufmerksamkeit; selbst seine gutmütige Freigebigkeit kam mit in Anschlag, und freilich ließen ihn die Folgen der Handlungsweise, die ihn so sehr drückten, keine Entschuldigung ausbringen. Margarete konnte ihren Gatten nicht lange in dieser Verlegen- heit lassen, um so weniger, als cs ihr so sehr zur Ehre gereichte, ihn wieder glücklich zu machen. Sie setzte ihn in Verwunderung, als sie zu seinem Geburtstage, der eben eintrat, und an dem sie ihn sonst mit etwas Brauchbarem anzubinden Pflegte, mit einem Körbchen voll Geldrollen ankam. Die verschiedenen Münzsorten waren be- sonders gepackt, und der Inhalt jedes Röllchens war mit schlechter Schrift, jedoch sorgfältig, darauf gezeichnet. Wie erstaunte der Mann, als er beinahe die Summe, die ihm fehlte, vor sich sah, und die Frau ihm versicherte, das Geld gehöre ihm zu! Sie erzählte darauf, was sie ihm entzogen, und was durch ihren Fleiß erspart worden sei. Sein Verdruß ging in Entzücken über, und die Folge war, daß er Ausgabe und Einnahme der Frau vollstäudig über- trug, seine Geschäfte nach wie vor, nur mit noch größerem Eifer, be- sorgte, von dem Tag an aber keinen Pfennig Geld mehr in die Hände nahm. Margarete verwaltete das Amt eines Kassierers mit großen Ehren, kein falscher Laubtaler, ja kein verrufener Seck)ser ward angenommen, und durch ihre Tätigkeit und Sorgfalt fetzten sie sich nach Verlauf von zehn Jahren in den Stand, den Gasthof mit allem, was dazu gehörte, zu kaufen und zu behaupten. - » I. W. t>. Goethe. 17. Das Haus Gruit vau Zteen. Das Handelshaus Gruit van Steen war im Beginne des sieb- zehnten Jahrhunderts eines der angesehensten, reichsten und fest- begründetsten in Hamburg. Das Oberhaupt des Hauses war da- uwls Hermann Gruit, der nach dem Tode des ehrwürdigen Vaters mit der Handlung und dem Hause auch den alten Jansen als Erb- stück mit überkommen hatte, einen goldtreuen Diener des Hauses, mit Leib und Seele wie sonst dem alten, nun dein jungen Herrn zu- getan, den er schon als Kind auf den Knien geschaukelt hatte. Wenige verstanden das Handelswescn damaliger Zeit bis in seine äußersten Verzweigungen so von gründ aus, wie der alte Jansen, daher galt auch sein Wort in der Schreibstube wie das des Herrn selbst. Der dreißigjährige Krieg verheerte schon seit zwanzig Jahren unser armes Vaterland durch Raub, Mord und Brand von einem Ende zum anderen; Städte und Dörfer waren zu hunderten verheert und verlassen von den Bewohnern, die mit dem Vieh in die Wälder geflohen waren, um sich vor den räuberischen, blutigen Händen der gottlosen Kriegsleute zu retten. Unter diesen Umständen und namentlich auch bei der Unsicherheit der Straßen in allen Ländern war cs kein Wunder, daß der Handel stockte und vorzüglich der Be-

8. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 29

1910 - Wittenberg : Herrosé
29 3. Daß sie dir mit keinem Schlage von verlornen Stunden sage! Unersetzlich ist Verlust des Geschäfts und auch der Lust. 4. Sohn! der Tag hat Stunden viele, so zur Arbeit wie zum Spiele; gib das Seine jedem nur, und du freuest dich der Uhr. 5. Selber hab' ich mit den Stunden mich soweit nun abgefunden, daß ich ohne Glockenschlag sie nach Notdurft ordnen mag. 6. Zähle dn für mich die Stunden! Und auch jene, die geschwunden, kehren schöner mir zurück, wenn du sic dir zählst zum Glück. F. Rückert, 20. Warum? Zu Hamburg auf einem Platze standen einmal zwei Arbeiter, und wer sie sah, dachte an des Herrn Wort: „Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere müßig stehen am Markt und sprach zu ihnen: „Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig?" Sie sprachen zu ihm: „Es hat uns niemand gedinget." Denn obgleich der Mesner schon auf dem Wege war, die Mittagsglocke zu ziehen, so warteten sie doch immer aus den, der da kommen sollte und sagen: „Gehet mit mir, ich will euch geben, was recht ist." Und als um zwölf Uhr im Michaelisturme die große Glocke er- schallte, zog Karsten, der eine von den zweien, den Hut ab und betete ein Vaterunser, oder was er sonst in seinem Herzen redete. Denn seine Lippen regten sich, aber seine Stimme hörte man nicht. Vol- land aber, der andere' ließ den Hut auf dem Kopfe und sprach: „Weiß nicht, warum ich mich bemühen soll, wenn die Alte da oben brummt und summt. Wie leicht fällt ein Ziegel vom Dach und schlägt dir ein Loch in den Kopf!" Karsten aber antwortete nur: „Will sehen, Vetter Ehrhard, will sehen....." Er hätte auch zu einer längeren Rede nicht Zeit gehabt. Denn da er das gesagt, trat ein kleiner, alter Herr zu ihm und sprach: „Gefällt dir's, so komm! ich will dir Arbeit geben und bezahlen, was recht ist." Karsten ging freudig mit, und als das alte Herrlein unterwegs zu ihm sagte: „Aber ich kaun es nicht leiden, daß, die mein Brot essen, fragen: „warum?" antwortete er: „Euer Wille geschehe. Viel Fragen und Reden ist das ganze Jahr meine Sache nicht." Also kamen sie, ohne ein Wort weiter zu verlieren, in die große Zuckersiederei vor dem Tor. Und als Karsten hinter ihr die großen Holzstöße sah, wurde er ganz fröhlich in seinem Herzen und sprach bei sich selbst: Gott sei's gedankt, nun wird es mir nimmer an Arbeit fehlen! Da er aber ein Jahr laug und etwas darüber Holz gesägt und gespalten hatte, sprach der Zuckersieder zu ihm: „Claus, du hast alle Tage einen weiten Weg abends heim und morgens wieder heraus. Gefällt's dir, so magst du dort in mein Gartenhaus ziehen und mit Weib und Kindern drin wohnen umsonst."

9. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 72

1910 - Wittenberg : Herrosé
tus. Der brave Alte war nicht nur ein eifriger Waidmann und sorg- samer Hausvater, sondern auch ein edler Menschenfreund. Mancher Kranke hatte schon aus dem schlichten Forsthause ein wirksames Heil- mittel oder einen weisen Rat bekommen, und bei vielen Unglücks- sallen hatte die geschickte Hand des alten Försters Linderung und Rettung gebracht. Der stets gefällige und freundliche Hubertus war jedoch kein Wunderdoktor oder Quacksalber. Er dachte sehr gering von seiner werktätigen Nächstenliebe und wies jede Belohnung für seine Bemühungen zurück. Bei schweren Krankheiten und in zweifel- haften Fällen verordnete er immer dasselbe: „Holt schnell einen geschickten Arzt und erfüllt gewissenhaft alle seine Befehle und Wünsche." Eines Tages trat auch ein junger Mann aus der benachbarten Stadt in die freundliche Wohnung des Försters. Als Hubertus den hochaufgeschossenen, hageren und blassen Jüngling sah, strich er be- denklich den langen, weißen Bart und dachte bei sich: „Der arme Mensch, — er welkt dahin wie eine Blume des Waldes im engen Zimmer." Dann fragte er nach der Beschäftigung und Lebensweise seines Gastes. „Dir kann geholfen werden," sprach der Förster, nachdem er die Klagen des Jünglings gehört und erwogen hatte. Dann holte er aus dem Eßschranke von schwerem Eichenholze ein kleines Pistol hervor. Es war an der Mündung festverschlossen und nicht größer als ein Glied des Fingers. „Nimm diese unscheinbare Waffe," sprach der ehrwürdige Greis mit ernsten Worten, „und trage sie ein Jahrlang als Zierstück an deiner Uhrkette. Sie wird die Feinde deiner Gesundheit vertreiben und dich mehr kräftigen als kostbare Speisen und Getränke. Aber nur in der reinen, belebenden Luft kann sie ihre Heilkraft ausüben; darum sollst du sie täglich zwei Stunden lang in Wald und Feld umhertragen und vor jedem schäd- lichen Luftzuge sorgfältig in acht nehmen." Nach dieser Mahnung begab sich der Jüngling aus den Heim- weg und oftmals schaute er verwundert und enttäuscht auf das selt- same Geschenk an der Uhrkette. Gleichzeitig aber faßte er den festen Vorsatz, die Ratschläge des erfahrenen Försters genau zu befolgen. Die niedrige Dachstube, die als Schlafgemach diente, wurde tagsüber fleißig gelüftet und erhielt auch während der Nacht frische Luft durch das anstoßende Wohnzimmer. Die Fenster der kleinen Geschäftsstube gewährten jetzt auch wieder dem erquickenden Morgen- hauche wie der milden Abendlust den lange versagten Eintritts Die wunderbare Waffe hätte ja auch in einer verdorbenen Luft die ge- rühmte Heilkraft verloren! Aus diesem Grunde vermied der Ge- nesende auch soviel als möglich die staubigen Straßen und dumpfen Gassen, und in den engen Wirtsstuben, deren Luft durch Rauchen und Atem verdorben wird, war der Jüngling gar nicht mehr zu finden. Und wo noch sonst die Luft durch die Abfälle des Haus- gebrauchs oder durch vermodernde Pflanzen und Tiere, durch Sümpfe und Senkgruben oder durch gewerbliche Anlagen verun- reinigt war, da durste auch das Kleinod des Försters nicht weilen.

10. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 127

1910 - Wittenberg : Herrosé
127 Lebensweise und gewissenhafte Benutzung der Zeit und Kraft machten dies möglich. Bei Hohen und Niederen war er kurz an- gebunden in der Rede. Des Tages pslegte er nur einmal zu essen. Ein kleiner Vorrat von Brot fand sich in den Taschen seines Wagens stets vor. Solche beinahe übermenschliche Tätigkeit entfaltete der Mann, der sich fast nie ganz gesund fühlte. Oft war er vom Pferde gestürzt und hatte sich innere und äußere Verletzungen zugezogen. Auch im Alter gönnte er sich keine Ruhe. Selbst Unglück und Un- dank'konnten seine aufopfernde Tätigkeit und seinen Lebensmut nicht schwächen oder lähmen. Mit Mut und Ausdauer harrte er auf seinem Posten aus. Heim lebte sehr einfach und richtete seine Wirtschaft möglichst sparsam ein. Seine Frau stand ihm darin wacker zur feite. Durch weise Sparsamkeit war es möglich, jährlich etwas zu erübrigen und allmählich ein gewisses Vermögen anzusammeln, das Heim den Sei- nigen zu hinterlassen hoffte. Er gab das Geld in ein Handlungs- haus, das einen guten Ruf hatte ltnb volle Sicherheit zu gewähren schien. Aber die Sache änderte sich. Es kam die Zeit, da die Fran- zosen ihre Macht über Norddeutschland ausbreiteten und durch Plünderungen, Steuern, Einquartierungen und Lieferungen die Länder aussagen. Das waren schlimme Tage. Handel und Wandel stockten, die Gewerbe lagen darnieder, der Wohlstand schwand, und mancher, der früher ohne Sorgen gelebt hatte, mußte zum Bettelstäbe greifen. In dieser trüben Zeit, in der so manches blühende Unternehmen zu gründe ging, ging auch jenes Handelshaus unter, dem Heim sein Geld anvertraut hatte, und Heim verlor sein ganzes sauer erwor- benes Vermögen. Das war ein harter Schlag für einen angehenden Sechziger. Nach einigen Tagen besuchte ihn ein lieber Freund und redete ihn also an^ „Es hat mir herzlich leid getan, daß du einen so harten Ver- lust erlitten hast." „Ja," antwortete Heim, „zwei Tage war ich sehr geschlagen, aber jetzt habe ich's, Gott sei Dank, überwunden." „Wie hast du das angefangen?" fragte ihn verwundert der Freund. t „So, wie ich immer tue, wenn ich mir selber nicht zu raten weiß," erwiderte Heim. „Ich konnte anfangs den Verlust gar nicht vergessen. Tag und Nacht mußte ich daran denken. Wenn ich bei meinen Kranken war, mußte ich mir Mühe geben, meine Gedanken zusammenzunehmen; wenn ich zu Hause war, ließ ich den Kopf hängen; wenn ich bei Tische saß, schmeckte mir kein Essen; meine Kinder waren verschüchtert. So konnte es nicht bleiben. Ich ging in die Kammer und bat Gott auf meinen Knien, daß er mir wieder Ruhe und Mut gebe. Da war es mir, als ob der Herr zu mir spräche: Heim, du bist eines armen Pastors Sohn, und ich habe dich gesegnet in deinem Hause. Jahrelang habe ich dir dein Geld ge- lassen, jetzt habe ich dir's genommen. Nun höre auf zu jammern,
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