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1. Aus der Heimat - S. 223

1910 - Nürnberg : Korn
— 223 — und fuhr im Schlitten durch die Winterlandschaft; links stand der Zellerwald dunkel da und die Mörderbrücke. Spät in der Nacht traf er in Tölz ein und legte sich ein wenig nieder, um von dem nächtlichen Ritt auszuruhen. Hier blieb er bis gegen Mittag und schickte einen Eilboten an Senser nach München: „Die Befreier sind im Anmarsch!" Nachmittags ritt er über Königsdorf den Bauern nach, die er spät in der Nacht in Schäftlarn einholte. Fahne um Fahne rückten die oberländischen Landwehren in Schäftlarn ein, Benediktbeurer, Tölzer und Aiblinger. Jörg, der Pfeifer von Vagen, blies den Valleyern mit der Schwegelpfeife voran und die Gotzinger Heerpauke schlug den Takt dazu. Die eigentliche heilige Schar aber waren die 500 Jsarwinkler mit der Spielhahnfeder und dem Gemsbart auf dem Hut. Fünf Gerichte waren noch ausständig. Allein schon waren in Ebenhausen und Oberschäftlarn alle Häuser und Scheunen voll. Die Anführer hatten sich im Kloster einquartiert. Am nächsten Tage wurden die Leute bei dem Kloster in die Reihe gestellt; auf freiem Felde vor dem Kloster wurde Musterung gehalten. Gemeindenweise stellten sich Bürger und Bauern in Reih und Glied, und bei der Abzählung waren es 2769 Mann. Freilich waren noch viele zurück und kamen erst, aber es waren doch weniger, als man erwartet hatte. Nur die 500 Tölzer Schützen, lauter junge Burschen, hatten ordentliche Stutzen. Der Schützenkönig Jäger Adam war ihr Hauptmann. Auch von der Tölzer Bürgerschaft waren 200 da, meistens beritten. Im ganzen waren es 300 Reiter. Sechs Kanonen mit den nötigen Pulverwagen fuhren daher, und die Isar herab schwamm ein Floß mit Fässern voll Pulver. Aber die Bauern hatten meistens nur Spieße und Sensen, Dreschflegel, Streitkolben und Morgensterne. Nur der dritte Teil hatte ordentliche Waffen, manche bloß ihren Stecken in der Hand, als wenn sie zu Markte gingen. Wie der Müller Höger unterm Reutberg den großen Banern-haufen fah, rief er: „Wo so viele sind, da kann's nit gefehlt sein!" Manche hatten aber doch Angst und wollten sich wieder aus dem Staub machen. Darum wurden 200 Schützen vor die Brücke gestellt, daß keiner durchgehe. Sie trugen die Balken und Riegel der Brücke ab; vor allen Türen und um das Kloster herum hielten Wachen zu Fuß und Roß, damit keiner ausreißen könne. Wie nun alles Volk versammelt und gemustert und an jeden Mann Brot für zwei Tage verteilt war, da verlangten die Bürger und Bauern einen obersten Hauptmann, zu dem sie Vertrauen haben.

2. Aus der Heimat - S. 225

1910 - Nürnberg : Korn
— 225 — nommen haben, können wir beim Bräuhause in die Stadt kommen." Und er zeigte ihm einen Schlüssel, der sperrte außen den Wall auf. Aber Mayer wollte ihn nicht nehmen und fragte: „Was schreiben die Unterländer? Sind keine Briefe von ihnen da?" — „Ja, es ist ein -Zettel von Anzing gekommen," antworteten die anderen Anführer: „sie können nicht eintreffen, weil Wendt mit seinen Soldaten dort steht." — Und der Jäger Adam zeigte ihm einen anderen Zettel, den hatte ein reitender Bote aus der Stadt mitgebracht. Darin stand, sie sollten nicht einrücken, sie seien zu schwach. Der Verräter. In Starnberg war der Pfleger Öttlinger, der hatte oft über den Kurfürsten gespottet. „Ihr Narren," sagte er zu den Bauern, „wa^ vertröstet ihr euch auf den Kurfürsten? Seiner Lebtag kommt kein Bein mehr von ihm ins Stxrtd!" — Trotzdem schickte er nun seine Amtsleute von Haus zu Haus und ließ seinen Bauern sagen, sie müßten kommen nach Starnberg, wenn sie nicht Haus und Hof verlieren wollten. Und als sie kamen, da sagte er zu den Bauern: „Ihr könnt mit dem Haufen gehen! Ich befehle es keinem und verwehre es keinem!" Und er führte sie nach Schäftlarn zur Musterung, 200 frische Burschen. Wie er nun dort war, da spionierte er herum, wie viele Bauern es seien, wer ihr Kommandant sei und was sie im Sinne hätten. Und er kam mit den anderen Pflegern ins Zimmer und horchte zu und erfuhr alle Bürger von München und alle Hauptleute, die dabei waren. Nun hatte sich aber ein österreichischer Trommler als Spion bis Bayerbrunn herausgewagt; da wurde er eingefangen. Den Tambour setzte nun Öttlinger hinter sich aufs Pferd und ritt davon, München zu. Als er in der Nacht in Forstenried zum Wirtshause kam, trug der Wirt ein Licht heraus. Schnell löschte Öttlinger es mit dem Hute aus, damit niemand dem Trommler ins Gesicht sehe, Dann ritt er weiter in die Stadt zur Herzog Maxburg, wo der Graf Löwenstein wohnte, und verriet ihm alles. Der Stadthalter schickte einen reitenden Boten zu Wendt, daß er mit seinen Husaren sogleich nach München komme. Kriechbaum solle bei Anzing stehen bleiben, aber sogleich nachrücken, wenn er den ersten Kanonenschuß von München höre. Die Christmette in der Stadt ließ er abstellen, damit es keinen Auflauf gebe. Der Scheiblhüber. Aus der Heimat. 15

3. Aus der Heimat - S. 235

1910 - Nürnberg : Korn
— 235 — Halsband wie eine Kette von Perlen. Den Braunroten, üppigen Haarschopf hatte sie sauber gekämmt und ihr schönstes Kleid angezogen wie zur Hochzeit. Aber das hübsche Gesichts nur mit etlichen Sommersprossen auf der zarten, schneeweißen Haut betupft, war totenblaß. Ohne eine Miene zu verziehen oder ei«. Glied zu be-wegenh^ie -erstarrt, stand sie nun schon lange da§ Äe Augen hatte sie halb geschlossen wie eine Tote. Nur wenn ein freches Schimpfwort aus dem Hausen kam, ging ein Zittern durch ihren schlanken Körper, und wenn ein Stein oder ein fauler Apfel an das Eisengitter des Prangers klatschte, daß ihr der schmutzige Saft ins Gesicht spritzte, dann schoß ein wütender Blitz zwischen dem schmalen Schlitz der braunen Augen hervor. Als aber nun eine ganze Ladung Straßenkot aus der Hand eines Gassenjungen ihre schwer atmende Brust traf, da riß sie wütend ant Halsring, daß ihr Gesicht blutrot wurde. Und wie nun gar der Junge ganz nahe an das Gitter trat und fein Gesicht mit den frechen Augen zwischen die Stäbe zwängte und ihr das Wort „Diebin!" ins Gesicht schleuderte, da spuckte sie ihm vor Wut mitten ins grinsende Antlitz. Und als die ganze Schar in hellem Jubel lachte und klatschte und strampelte, da streckte sie blitzschnell ihren Peinigern die Zunge entgegen, worauf die beiden Stadtknechte endlich den Haufen ein wenig zurücktrieben und Ruhe stifteten. Jetzt kam aber auch für sie die Stunde der Erlösung. Der Gehilfe des Scharfrichters öffnete den Pranger und legte ihr, die noch immer die Hänbe auf dem Rücken gebuuben hatte, um den Weißen Hals einen schmierigen Leberriemen, woran üorne ein schwerer Stein aus die Brust herabhing. Der Stein war schwarz vom Alter und der Riemen schmierig von den vielen Hälsen, die unter ihm geschwitzt hatten vor Angst und Schaube. „Platz! Macht Platz! Platz ba!" schrie jetzt ein Schütz, nahm das Gewehr über die Schulter und schritt dem Zug voran; der Gehilse des Scharfrichters ging hinter-brein und trommelte, und zwischen den beiben Stabtknechten schritt Margareta mit dem Lastersteine. Noch immer blaß, den Kops wie gesenkt von der schweren Last, die Augen halb geschlossen, die Lippen zusammengepreßt und die Hänbe in zwei geballten Fäusten aus dem Rücken, ging sie die Straße vom Rathaus hinab zur Frauenkirche. Noch nie war ihr der kurze Weg so weit vorgekommen, noch nie ihre Füße so schwer gewesen. Sie umschritt den Marktplatz und ging die Buben der Marktweiber entlang; in ihren Ohren brauste es, daß sie kein Wort von dem hörte, was die Weiber über sie rebeten.

4. Aus der Heimat - S. 239

1910 - Nürnberg : Korn
— 239 — und um ihn saßen die Schöffen in der Reihe. Hatten sie aber einen zum Tode verurteilt und der Zentgraf über ihn den Stab gebrochen, dann warteten sie nicht länger und hingen ihn auf der Stelle. Nun sah aber der Zentgraf, wie der Galgen alt war und ganz verfault. Denn schon vor 29 Jahren hatten ihn die Scheinfelder Maurer und Zimmerleute aufgerichtet, und der vorigsjährige Sturmwind hatte ihn niedergerissen. Darüber freuten sich alle Diebe, Räuber, Mörder und Brandstifter. Aber der Herr Zentgraf dachte, daß trotz der teueren Zeit ein neues Halsgericht gebaut werden müsse. So ließ er durch die Stadtknechte in der ganzen Bürgerschaft ansagen, daß der Donnerstag bestimmt sei zur Aufrichtung des neuen Galgens. Jeder solle dazu kommen mit seinem besten Gewehr. Der älteste Zimmergeselle, Hans Randäschel, hatte schon beim alten Galgen mitgeholfen. Er lud alle Zimmerleute ein von der Zunft, Meister, Gesellen und Lehrjungen, 24 im Ganzen, sie sollten zusammenkommen schon am Tage vorher in ihrer Herberge im Schwanenwirtshaus. Die Bauern zu Grappertshoseu aber säuberten unterdessen von allem Gebüsch den neuen Platz, den der Zentgraf ausgesucht hatte. Als nun der Donnerstag anbrach, trommelten die Tamboure durch die Straßen und riefen die ganze Bürgerschaft zusammen. Um sechs Uhr standen schon alle da, und der Wagen von Tierberg hielt vor dem Rathause; da lud man die Hauen, Pickeln und Schaufeln, Laternen, Seile und Stangen ans, die man zur Arbeit brauchte. Der Stadtleutnant stellte die Bürgerschaft auf in der Ordnung. Und der Zentgraf verteilte an alle Zimmerleute und Musikanten und an den Fähnrich blaue Livreebänder; dann zog er ein Papier aus der Tasche und las allen laut vor, wie der Fürstbischof geschrieben habe, es müsse ein neuer Galgen gebaut werden. „Vorwärts, marsch!" rief der Stadtleutnant Müller. Die Trommler trommelten, die Feldpfeifer pfiffen und der Zug marschierte ab. Allen voran ging ganz allein der Zentgraf mit Stock und Degen. Hinter ihm schritten die Schöffen in ihren Mänteln. Und dann kam das ganze Zimmerhandwerk, zwölf Paare, mit den Äxten über der Schulter. Zuletzt marschierte der Hauptmann mit der Bürgerschaft; in der Mitte des Haufens ging der Herr Stadttürmer, der Fähnrich; der trug das Fähnlein und ließ es im Winde flattern. So marschierten sie hinaus und durch das Schloß Schwarzenberg in den Herrschaftswald. Dort hinterm Schloß beim Wolfssee warteten schon die sechs bespannten Wagen zum Holzführen, einer von Grappertshofen, zwei von Hohl-

5. Aus der Heimat - S. 248

1910 - Nürnberg : Korn
— 248 — Tage lag das beste Pferd des Bauern erdrückt im Stalle, die Dirne aber war von der Stunde an gesund." — Michel klopfte seine Pfeife am Kienspanleuchter aus; dann schneuzte er den Span und fing an: „Als mein Vater noch als Knecht diente, hatte er einen Nebenknecht, der stark mit dem Alpdrücken geplagt war. Im Winter, solange gedroschen wird, legen sich die Knechte nach dem Abendessen in der Wohnstube nieder, bis die Zeit zum Pferdeabfütteru kommt. Wenn nun das auch der Nebenknecht tat und die andern die Unruhe auf dem Gesicht des Schlafenden sahen, da zweiselten sie nicht, daß die Drude ihn drücke. Da beredete sich mein Vater mit den anderen Dienstboten und sie nahmen sich vor, den armen Menschen von der Plage zu erlösen. Geweihte Rosenkränze und Drudenschriftgürtel in den Händen, warteten sie am andern Abend auf einen neuen Anfall. Kaum war der Knecht eingeschlafen, so fing er an zu stöhnen. Da banden sie schnell die Rosenkränze und geweihten Gürtel, die sie im Kloster geholt hatten, an Fenster und Türen, so daß die Drud nicht entkommen konnte. Dann riefen sie den Knecht beim Namen und weckten ihn ans. Das Drücken hörte ans, ohne daß jemand etwas Verdächtiges wahrnahm. Da fingen plötzlich die Hühner unter der Ofenbank in ihrem Käfig an ängstlich zu flattern. Und wie mein Vater hineinleuchtete, sahen sie drinnen einen Strohhalm liegen. Der mutigste Bursche ergriff deu Strohhalm, setzte ihm sein Messer an und rief: „Bist du die Drud, so laß dich sehen, oder ich schneide dich mitten auseinander!" Im Augenblick stand eine alte Nachbarin vor ihm; die bat mit Tränen um Verzeihung und sagte, sie hätte das tun müssen. Von der Stunde an war der Knecht vom Drücken befreit." — „Mir -hat einmal der alte Weber und Windmühlenmacher von Überacker erzählt," sprach die Magd, „als er noch ledig war, ging er öfter in den Stall seines Nachbarn und half dort auf dessen Bitten beim Rübenschneiden mit. Wie er nun einmal ein wenig zu früh kam und die Leute noch beim Essen saßen, ging er einstweilen in den Stall. Und weil es dort finster war, setzte er sich aus den Rübenhaufen. Wie er nun eine Weile im Dunklen da saß, hörte er deutlich ein Geräusch, als ob gemolken würde und Milch in den Kübel flösse. Ohne zu atmen hörte er eine Weile dem Melken zu. Endlich aber faßte er Mut und fragte, ob jemand im Stalle sei. Beim ersten Laut seiner Stimme hörte das Melken flnf. So sehr er auck Augen und Ohren anstrengte, konnte er nicht das Geringste

6. Aus der Heimat - S. 249

1910 - Nürnberg : Korn
— 249 — wahrnehmen. So hat mir der alte Weber erzählt, und er hat fest geglaubt, daß Zauberei im Spiel war." — „In Rottenried lebte einmal ein Wilddieb," fuhr der Knecht fort, „der war in der ganzen Gegend unter dem Namen der Rottenrieder Simerl wohl bekannt. Den: redete man nach, daß er es mit dem Bösen habe, kugelfest sei und nicht sterben könne, und man zeigte mit Fingern auf ihn. Er prahlte auch damit, niemand könne ihm etwas antun. Besonders verspottete er die Jäger. Die hätten Sägekleie in ihren Gewehren, sagte er, und er forderte sie oft auf, ihn zu stellen, wenn sie Mut hätten. Aber alle fürchteten ihn und wichen ihm aus. So trieb er es von Tag zu Tag ärger und jagte zuletzt sogar am hellen Tag in den Forsten. - Eines Tages saß ein Forstgehilfe im Wald auf einem Baumstock. Da krachte ein Schuß. Er sprang -auf und sah den Simon, der diesen Schuß abgefeuert hatte. Da riß der Jäger seine Doppelflinte von der Schulter und jagte dem Wilddieb eine Kugel mitten durch die Brust. Aber Simon lies lachend davon. Wie nun der Forstgehilfe seine Pfeife aus der Tasche ziehen und stopfen wollte, war sie zerschmettert. Sie hatte die Kugel abgehalten und ihm das Leben gerettet. Ganz verstört kam er nach Schöngeising, wo gerade der Fürst von Löwenstein mit seinen Jägern war. Dem erzählte er, was er eben erlebt hatte. Da befahl der Fürst, man solle sogleich aufbrechen und auf Simon eine Treibjagd beginnen. Als sie sich Rottenried näherten, kam Simon daher und feuerte feine Flinte auf den Fürsten ab, ohne ihn zu treffen. Im nämlichen Augenblick schoß ein Jagdgehilfe den Wilddieb mitten durch den Kopf. Und dieser Jäger konnte mehr als Birnenbraten. Er verstand es sich fest zu machen und hatte eine geweihte Kugel von Glas in seinem Lauf. Er war ein Wildbanner; das Wild mußte ihm nachlaufen und er wählte sich dann das schönste Stück zum Schusse aus. Aber er wurde bald darauf von einem anderen Wilderer erschossen, der auch Blutkugeln gießen konnte." „Blutkugeln? Was ist das?" fragte eine junge Magd, die vor Neugierde ihr Spinnrad vergaß und zu spinnen aufhörte. „Wie mau Blntkngeln gießt?" sagte der Knecht. „Man verschafft sich einen Totenkopf, schmilzt mitternachts um zwölf Uhr Blei und schüttet es bei den Augen hinein, so daß es unten herausläuft. Mit diesem Blei kann man auf einem Kreuzwege Blutkugeln gießen. Solche Kugeln verlangen Blut. Schießt man uns etwas Lebendiges, so trifft man es sicher, und wäre das Ziel noch so weit vom Schuß. Schießt

7. Aus der Heimat - S. 260

1910 - Nürnberg : Korn
— 260 — Dann fahr ich mit vier Pferden Und hab ein goldnes Horn. Dann kann ich traben und reiten, Die Peitsche in der Hand, Hinaus nach allen Seiten, Hinein in alle Land. Gleich hinter der Brücke blieben die Pferde stehen. Quer über die Straße lag ein langer Schlagbaum, gelb und rot angestrichen, und sperrte den Weg. Vom Zollhause schaute drohend ein fremdes Wappentier und hinter der Schranke stand der Grenzwächter, legte die Hand an den Säbel und fragte brummig: „Nichts Mautbares?" — Der Postillon hielt. Der Mautner stieg in den Wagen, durchsuchte alles, nahm vom Pelzhändler ein Päckchen Tabak zum Geschenk und winkte dann freundlich mit der Hand: „Weiterfahren!" Eine Fahrt nach Mailand mit dem Lindaner Boten. Im großen gewölbten Hausflur, im Hof, im Lagerraum, überall standen Fässer herum. Es waren schwere, mit eisernen Reifen beschlagene Fässer, vollgepackt mit teuren Waren. Jeder Kaufmann in Lindau, der Waren nach Italien schicken wollte, brachte sie zum Mailänder Boten. Gegen Ende der Woche meldeten sich auch einige Reisende, welche die Reise mitmachen wollten. So kam der letzte Tag. Die Knechte fütterten Pferde und Maulesel, putzten sie und führten sie aus dem Stall. Jedem Tier legten sie einen massiv gearbeiteten Sattel aus; daran befestigten sie rechts und links ein schweres Faß. Denn über die Alpen konnte man mit Wagen nicht fahren. Aber auch auf der Ebene waren die Straßen so schlecht, daß man mit schweren Lastwagen nur schwer darauf fahren konnte. Der städtische Bote hing das Wappenschild der Stadt um und zog den Mantel an mit den städtischen Farben. Daun holte er die Briefe, die er nach Italien mitnehmen mußte; sie waren sorgfältig in lederne Säcke verpackt und versiegelt. In Mailand mußte er die Pakete und Briefe abgeben und dort die Sendungen einsammeln, die heraus nach Lindau gingen. Nun stiegen auch die Herren zu Pferd, welche mitreisen wollten. Ein langer Zug von bepackten Pferden und Mauleseln ging im Schritt durch die Straßen hinaus zum Tor an den

8. Aus der Heimat - S. 266

1910 - Nürnberg : Korn
— 266 — an ihren abgemagerten Gesichtern, an ihren zerlumpten Kleidern. „Kinder, ihr sollt Brot bekommen und nicht Hungers sterben!" sagte er und verteilte alles Geld, das er bei sich trug. Er ließ die Minister rufen. „Wer ist schuld? Warum sagt man mir nichts?" fragte er. Sie mußten reden. Die Not sei schon lange sehr groß, sagten sie. „Wie viel Getreide ist in den Kornspeichern?" fragte der Kurfürst. Sie waren längst leer. „Wer sind die Beamten, die das Getreide verkauft haben?" fragte er. Zwei Beamte, Aud-liuger und Schmöger, wurden zum Tode verurteilt. Der Kurfürst ließ 15 000 Scheffel Getreide aus Italien bringen; es kostete 2 Millionen Gulden. Aber es dauerte lang, bis es nach Bayern kam; es gab noch keine Eisenbahnen. Drum ließ er sogleich das Wild in seinen Wäldern schießen und das Fleisch um billigen Preis verkaufen. Der Tod des Kurfürsten Max imn. An einem Winterabend fuhr er von einem Fest heim. Er fühlte sich nicht wohl; der Leibarzt kam und untersuchte ihn, fand aber keine Krankheit. So ließ er am nächsten Morgen einspannen zur Hirschjagd. Auf der Fahrt stürzte der Hofpostillon, der ihn suhr, vom Bock herab in einen Graben und brach das Bein. Darüber erschrak der Fürst so, daß er umkehrte und sich zu Bett legte. Man erzählte ihm, eine Hofdame habe die Kinderpocken. Er hatte sie noch nie gehabt und wurde unruhig, als er auch an seinem Körper einen roten Ausschlag sah. Er ließ den Leibarzt kommen. „Es sind die Röteln, weiter nichts!" sagte dieser. Aber in der Stadt waren viele Erwachsene und Kinder an den Pocken krank. Nun hielt der Leibarzt mit anderen Ärzten eine Beratung; diese meinten, der Kurfürst habe die Kinderpocken; aber der Leibarzt blieb bei seiner Meinung. „Das Kind können wir jetzt taufen," sagte er am andern Morgen zur bekümmerten Kurfürstin; „es sind die Kindsflecken. Wird alles gut gehen!" Es ging aber nicht gut. Immer deutlicher sah der Kurfürst, daß es die Kinderpocken seien, und zuletzt konnte es auch der Leibarzt nicht mehr leugnen. Als der Kurfürst erfahren hatte, was ihm fehle, glaubte er nicht mehr, daß er gesund werde. Seine Gemahlin und seine Freunde redeten ihm zu und trösteten ihn; aber umsonst. Oft träumte er vom Sterben. Drei Wochen dauerte schon die Krankheit und der Kranke wurde jeden Tag schwächer.

9. Aus der Heimat - S. 268

1910 - Nürnberg : Korn
— 268 — Linde als Freiheitsbaum und feierten ein großes Fest. Die Gemeinde kaufte mit Geld aus der Gemeindekasse Kallstädter Wein zur Feier, den tranken sie aus das Fest und begossen auch den Baum damit, daß er wachse und grüne; denn es war April und Wachsenszeit und die Lüfte wehten rauh um die kahle Krone. Dann hing der Maire eine rote hohe Mütze, wie sie die Herren von der Regierung in Paris trugen, auf den Baum als Zeichen der Freiheir und ließ ein Geländer um den Lindenbaum machen. Als nach neunzig Jahren am 9. März Kaiser Wilhelm in Berlin starb, da wehte ein gewaltiger Sturmwind über das stille Lei-Ttirtger Tal. Er wehte die halbe Nacht und schüttelte die schöne alte Linde. Abends um 3/4ii Uhr brach er den Stamm und warf sie nieder. Aus der Franzosenzeit (17%). 1. Als der französische Armeezug am 3. August so unerwartet wie Königsberg auch Hellingen traf, ging ich mit anderen hiesigen Leuten auf den Kirchturm, um den Zug zu übersehen. Unterdessen kam die Nachricht, es brächen mehr als 1000 Reiter und Fußvolk ins Dorf ein. Nun wollte ich nach meiner Wohnung eilen; allein viele meiner Pfarrkinder, die sich zu mir in den Kirchhof geflüchtet hatten, wehrten mir es mit Tränen, weil sie befürchteten, die Franzosen würden mich mißhandeln, indem sie ja allenthalben die Geistlichen aufs heftigste verfolgten. Ich gab ihren Bitten eine Zeit lang nach. Allein der gräßliche Schall und das Getöse des Hackens und Schlagens in meiner Wohnung, die vom Kirchhof nicht weit entfernt ist, erschütterten mich zu sehr. Ich öffnete daher das Kirchhofstor und trat in die Gasse. Da kam ein Offizier geritten und redete mich an: „Seid Ihr der Pastor hier?" — „Ja, mein Herr!" — „O, wäret Ihr in Eurem Hause geblieben! Es sind alle Türen zerhauen und eingeschlagen. Kommt mit!" — Er ritt neben mir her, stieg ab, ging mit mir ins Haus und zeigte mir den Greuel der Verwüstung. — „Ich habe die Kanaille," sprach er, „wohl dreimal herausgejagt, allein es half nichts." — Er fing wieder an auszutreiben und befahl die Kellertüre zu schließen; allein es liefen zur vorderen Türe so viele herein, als zur Hinteren hinausgejagt wurden. Ich erlitt

10. Aus der Heimat - S. 270

1910 - Nürnberg : Korn
— 270 — war von mittelmäßiger Größe, hatte ein sehr alltägliches Gesicht und war ungefähr 60 Jahre alt. Er spaßte mit mir über das Drnnter-und Drüberliegen meiner Papiere, Bücher, Halsbinden und Über-schläglein vor meinem Schreibschrank. Was denn das wäre? — Ich sagte: „Das hat die Infanterie getan." — „£> gut! Nicht die Kavallerie? Nein! — Kommen Sie, mein lieber Pastor! Auf Ihre Gesundheit und Ihr Wohl!" — Hier schöpfte er mit einem großen Bierglas aus der Butte, die mitten in der Stube mit Wein gefüllt stand, und trank mir zu. Ich mußte aus dem nämlichen Glas Bescheid tun. Mortier trank mit und alle schöpften ihre Gläser voll und tranken auf mein Wohl. Die Generale saßen auf hölzernen Stühlen, Hautpoule auf einem niedrigen Spinnstühlchen und hatte anstatt Messer und Gabel, deren ich, so viel ich noch hatte, vorlegte, einen sogenannten Schnappbastel, wie die ärmsten Bauern dergleichen Messer haben, der Griss nämlich von Holz und eine kleine, sehr spitze Klinge. Er hat mir denselben zum Andenken zurückgelassen; ich würde aber keinen Schnappbastel hiezu nötig gehabt haben; das traurige Andenken wird ohnedem nicht erlöschen. Man aß mit dem größten Appetit. Wenn die Generäle saßen, so traten die obersten Majore und anderen Offiziere um sie herum, nahmen ihre Portionen in die Hände und schmauzteu wie die Schweine auf dem Felde. Indem kam mein Schullehrer in voller Angst und eröffnete mir heimlich, daß ein Trupp Soldaten in die Kirche eingebrochen sei und sich oben über die Orgel hermachte. „Ei," sagte ich, „das muß man laut sagen." Ich ergriff die Hand des Generals Hautpoule und bat jammervoll um Schonung meiner Kirche. Er auf, — ergriff meinen Stock, lief ohne Hut mit dem Schullehrer der Kirche zu und prügelte alles mit vollem Generalseifer zum Tempel hinaus. Dies Verfahren fiel mir sehr auf. Ich meinte, ein Offizier hätte diese Prügelei mit etlichen Husaren auf Befehl des Generals auch vornehmen können. Er tat's aber selbst, und ich bin ihm Dank dafür schuldig. Als abgegessen war und etliche Butten Wein von den Herren ausgeleert worden waren, geschah Aufstehen und Aufbruch in einem Augenblick. — „Adieu, Monsieur Pasteur, Adieu!" — Der General ließ mir einen Leutnant mit etlichen Dragonern, die Bärenmützen mit Roßschweifen daran aufhatten, als Schutzwache da. Allein das war wirklich Überfluß, denn ich hatte nichts mehr als mich, — und war mir sehr nachteilig; denn ich mußte dafür den Rest meiner Barschaft bezahlen, jedem Dragoner zwei Laubtaler. Der Offizier
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