Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 83

1905 - Wittenberg : Herrosé
83 Rückhalt in ein Land zu gehen, dessen Sprache man nicht versteht, und ein junger Mann hat auch nicht die genügende Charakterfestigkeit, um den sittlichen Gefahren mancherlei Art standzuhalten. Schon aus diesem Grunde ist London vor Paris für den ersten Versuch zu empfehlen. Hier sind die Kellnervereine in einer Weise entwickelt und eingerichtet, daß sie gewissermaßen Elternstelle an den jungen Leuten versehen. Der „Verein der Hotelangestellten Gens" hat sein Besitztum Charlotte-Street 107, der „Deutsche Kellnerverein Berlin" in Clip- stone-Street 36 und der „Deutsche Kellnerbund Leipzig" Charlotte- Street 84, Fitzroy-Square W. Diese Vereine sind Schutz und Stütze für ihre Mitglieder. In London ist der Jüngling außerdem nicht so sehr sittlichen Gefahren ausgesetzt als in dem leichtlebigen Paris. Getrosten Mutes, voll schöner Hoffnungen und guter Vorsätze trat ich meine Reise an. Der Seefahrt verdanke ich reiche Genüsse. Die Ankunft in London erfolgte auf Victoria-Station. Mein Gepäck behielt ich scharf im Auge, damit mich fremde Liebhaber nicht etwa erleichterten. Nachdem ich einem Kutscher das Klubhaus des Deutschen Kellnerbundes als Ziel genannt hatte, langte ich nach schneller Fahrt dort an. Der Geschäftsführer nahm mich freundlich auf und sorgte für meine Unterkunft. Mit mehreren anwesenden Kollegen konnte ich freundschaftlich verkehren und über die Verhältnisse der Riesenstadt eingehend sprechen. Der Aufenthalt im Vereinshause war eine große Wohltat für mich; in jeder Hinsicht war ich aufs beste versorgt und beraten, und ich fühlte mich so wohlgeborgen wie im Vaterhause. Die Stellenvermittlung wird im Hause besorgt. Es geht dabei redlich zu, und man zahlt eine billige Vergütung, während man in den Vermittlungs- geschäften der Großstadt oft stark geplündert und ausgesogen wird. Zum Glück brauchte ich nicht, wie viele andere, wochenlang auf eine Stellung zu warten, sondern fand schon nach wenigen Tagen in einem feineren Privathause als „Inäoor servant" einen Platz. Man zieht eine solche Stelle der Beschäftigung in einem Hotel mit mehreren deutschen Kellnern vor, da man in den Familien nur englisch sprechen hört und darum beffere Gelegenheit zur Erlernung des Englischen hat. Das ist für den Kellner die Hauptsache. Ein Ruheposten oder eine angenehme Stellung ist ein solcher Platz freilich nicht. Man ist sehr beschäftigt und muß Arbeiten verrichten, die man als Lehrling nicht getan hat. Aber das schadet nichts. Wer Rosen pflücken will, macht auch mit den Dornen Bekanntschaft. Nur der wird sich des Erfolges freuen, der bei jeder Arbeit mutig und kräftig zugreift und sie in zäher Ausdauer beendet. Neben freier Wäsche und Kleidung erhielt ich monatlich 30 Schilling. Obschon man in dienender Stellung eine hervorragende Rücksichtnahme nicht erwarten kann, war doch meine Behandlung im allgemeinen durchaus befriedigend. Die freien Stunden benutzte ich zum fleißigen Lernen der englischen Grammatik und zu Übungen in der schriftlichen Darstellung; denn ich wollte die englische Sprache möglichst gründlich erlernen. Als ich den ganzen Betrieb des Hauses genügend kennen gelernt hatte, arbeitete ich einige Zeit in einem „Boardinghaus", in dem ich mich recht gut stand. Jetzt 6*

2. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 136

1905 - Wittenberg : Herrosé
136 hatten Termin vor dem Amtsrichter, und als ich meine Sache vor- getragen habe und der Amtsrichter den Vogt fragt, was er zu erwidern hatte, erklärt er, sich auf die Sache überhaupt nicht eintasten zu wollen; denn meine Forderung sei verjährt! Ich traute meinen Ohren nicht; denn ich hielt es nicht für möglich, daß ich auf solche Weise um meinen redlich verdienten Lohn kommen sollte. Auch dem Amtsrichter schien die Sache nicht nach dem Sinn zu sein; wenigstens hielt er meinem Gegner vor, er müßte sich doch erinnern, ob und welche Arbeiten ich bei ihm ausgeführt hätte, und es würde doch nicht anständig sein, einen Handwerker auf solche Weise um seinen Verdienst zu bringen. Vogt aber blieb dabei, er könne sich auf nichts einlassen; meine Klage wurde abgewiesen; ich mußte die Gerichtskosten zahlen und hatte den Ärger obendrein. Darum rate ich dir, schiebe solche Sachen nie auf die lange Bank! Handwerkersorderungen verjähren in zwei Jahren; wenn du also im Jahre 1902 eine Arbeit geliefert hast, dann hast du mit Ablauf des Jahres 1904 kein Recht mehr, sie einzutreiben, und das Gericht weist dich zurück." Am Tage nach dieser Unterredung beantragte Meister Streich beim Amtsgericht die mündliche Verhandlung seiner Sache und erhielt auch bald eine Ladung. Pünktlich stellte er sich im Gerichtsgeväude ein und wartete, bis ein Gerichtsdiener rief: „Streich gegen Vogt". Der Meister trug seine Klage vor und war gespannt, was sein Gegner darauf antworten würde. Dieser gab zu, daß Streich ihm den Schrank geliefert hätte; doch wäre er mangelhast gearbeitet und der dafür ge- forderte Preis um mindestens 10 Jt> zu hoch. Meister Streich wußte, daß daran kein wahres Wort war, und wollte schon seinem Ärger laut Luft machen; der Amtsrichter aber bedeutete ihm, bei Gericht müsse alles in Ruhe und Ordnung hergehen; wenn Vogt bestritte, daß die Arbeit gut und preiswert sei, dann müsse darüber Beweis erhoben werden; ob er nicht einen Sachverständigen vorschlagen könne. Meister Streich nannte den Obermeister der Schreinerinnung; Vogt erklärte sich einverstanden, und der Amtsrichter machte den streitenden Par- teien bekannt, daß sie sich nach acht Tagen vor Gericht wieder einzu- finden hätten. Am festgesetzten Tage erschien außer Streich und Vogt auch der Obermeister vor dem Amtsrichter und gab sein Gutachten dahin ab: der Schrank sei gut gearbeitet; allerdings habe er sich etwas gezogen, und die Tür schließe nicht genau; aber dies sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß er an einer feuchten Wand und aus unebenem Fußboden stehe. Der geforderte Preis von 50 Ji sei angemessen. Vogt suchte noch einige Einwendungen zu machen; aber der Amts- richter verurteilte ihn, seinem Gläubiger die geforderte Summe zu zahlen und die Prozeßkoüen zu tragen. Auch wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Streich hoffte nun, jetzt würde sich Vogt beeilen, seine Schuld ab- zutragen; aber dieser ließ nichts von sich hören. Jnfolgedeffen er- kundigte sich der Meister bei der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts,

3. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 8

1905 - Wittenberg : Herrosé
darauf nach Frankreich gegangen. In Paris hat er erst recht sich einen feinen Geschmack verschafft. Da er sparsam war und die Kneipen- und Herbergswirtschaft mied, sparte er sich schon ein schönes Stück Geld, schickte seinen lieben Eltern regelmäßig Unterstützungen und ließ keinen Armen ohne eine Gabe, denn er wußte selbst auch, wie das Hungerbrot schmeckt. In Frankreich behagte ihm die Wirt- schaft nicht. Er machte sich daher auf die Beine und ging nach England — das heißt, er ging ans Meer, und dann fuhr er hinüber. Überall kann man geschickte Leute brauchen, absonderlich in London, wo man auf ein schönes Kleid etwas hält und es auch nicht knickerig bezahlt. Durch seine Geschicklichkeit wurde er Geselle beim Hofschneider und darauf Obergeselle, nämlich der, der zuschneidet. Er war auch mittlerweile gewachsen und ein hübscher Mann geworden, der sich nett kleidete und andere noch netter zu kleiden, besonders aber kleine Natur- fehler herrlich zu verstecken verstand. Das zieht bei den vornehmen Leuten, die den Verdruß Haffen. Nach einigen Jahren starb sein Meister, der Hofschneider, und er wurde es; ja, der König von England, Georg der Vierte, der auch ein Freund von schönen Kleidern war, gewann ihn erstaunlich lieb. In England wie allerwärts drehen sich alle Fahnen nach dem Winde, der vom Schlosse weht. Der reiche englische Adel wollte nun auch nur vom Meister Stulz gekleidet sein. Der aber suchte sich fast lauter tüchtige deutsche Gesellen zu verschaffen; denn die Deutschen sind in England als die besten Arbeiter bekannt und geliebt. Daher zieht auch alljährlich eine Menge Bäcker hinein. Der Stulz hielt sich gut, hatte die feinste und beste Ware, arbeitete nach dem besten und neuesten Geschmacke und nahm Geld ein über die Maßen, obwohl er niemals jemand übernahm. Solange seine Eltern lebten, überhäufte er sie mit Wohltaten, und gar manche leidende Seele segnete den deutschen Schneider. Was sagt ihr aber dazu, liebe Leser, wenn ich euch melde, daß der Georg Stulz aus Kippenheim im Lauf von dreißig Jahren ein Vermögen erworben hatte, das sich auf mehr als eine Million belief? Aber es ist wahrhaftig wahr! Als die fünfzig Lebensjahre hinter ihm lagen, und es bergab ging, fand er, daß die Lust in England, die feucht, dick und nebelig ist, seiner Gesundheit schlecht bekam. Er hing Schere und Bügeleisen an den Nagel und ließ sich in Hperes im südlichen Frankreich nieder, wo eine gar gesunde Luft ist und Leute, die bei uns schnell an der Auszehrung sterben würden, noch viele Jahre leben können, weswegen auch viele reiche Leute hinziehen. Er kaufte sich dort ein fürstliches Landgut und war ein großer Herr — aber niemals stolz, denn er erzählte seinen Gästen gar zu gern von seiner Herkunft, seinem Hand- werk, und wie er sich geplagt. Daß ihr nun wißt, wie ungeheuer reich er war, ist noch nicht alles. Die Hauptsache ist, wie er seinen Reichtum anwandte. Ich habe euch schon erzählt, daß Wohltun sein höchstes Glück war. Es

4. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 103

1905 - Wittenberg : Herrosé
Ili. Ner Mkiñer. Ledig aller Pflicht, hört der Bursch die Vesper schlagen: Meister muß sich immer plagen. Schiller. a) Sclbftäirdigmachung und Geschäftsgründung. 54. Sete und arbeite. Bete! heißt's zuerst. Das ist der Morgensegen und der Tages- segen und der Abendsegen. Wo das Gebet das Tagewerk beginnt, fortsetzt und endet, da hilft Gott arbeiten. Es geht frisch und freudig von der Hand und gibt ein ordentlich Stück. Da ist das „Arbeite!" keine Last und Bürde, sondern eine Lust und Würde. So lege ich das Sprüchlein aus: „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott." Und das Sprichwort: „Handwerk hat einen goldenen Boden," sagt mir auch nicht, es bringt Geld ein, sondern der goldene Boden ist die wahre Frömmigkeit des Herzens, auf dem das Handwerk ruhen muß; dann aber nährt es seinen Mann und die ganze Haushaltung mit. Das Beten allein tut's nicht; aber das Arbeiten ohne Beten tut's gar nicht; denn ihm fehlt der Segen Gottes. Drum beides zusammen, nur nie getrennt, das ist das Rechte und das Echte. Die Alten wußten recht gut aus Erfahrung, warum sie das Morgengebet „Morgensegen" und das Abendgebet „Abendsegen" nannten. Probier's nur einmal recht! Du lernst dann auch, warum es so heißt. O. v. s°rn. 55. Zur Geschäftsgründung. „Eigner sherd ist Goldes wert." Dieses alte und bewahrte Sprichwort hat wie in vergangenen Zeiten auch heute noch seine volle Geltung. Ein jeder, welches Standes und Berufes er auch sein möge, ob Beamter, oder Handwerker, oder Kaufmann, sucht sich sobald als möglich eine selbständige Stellung zu erringen, oder sich ein eigenes Geschäft, sei es auch noch so klein und bescheiden, zu gründen. Aber wie mancher Geschäftsmann muß gar bald die schwer errungene Selbständigkeit wieder aufgeben, wie gar mancher Kauf- mann wird zahlungsunfähig und geht wieder als Buchhalter, wie mancher Handwerker arbeitet nach Jahren wieder als Geselle. Und mit welchen Demütigungen für sich und seine Familie ist nicht ein

5. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 171

1905 - Wittenberg : Herrosé
171 81. Wie hat sich der Betrieb in den Werkstätten nach den gesetzlichen Bestimmungen zu vollziehen? An einem herrlichen Sonntage war ich auf dem Wege, um meinen alten, treuen Freund, den Schreinermeister Karl, wieder einmal zu besuchen. An der Werkstatt vorüberschreitend, horchte ich vergebens nach den Werktags gewöhnten Hammerschlägen und dem Geräusche des Hobels und der Sägen. Feierliche Stille herrschte heute in den sonst geräuschvollen Räumen. Weder Ge- sellen noch Lehrlinge waren zu sehen. Mich setzte der ungewohnte Zustand jedoch keineswegs in Erstaunen; er erschien mir vielmehr natürlich und recht. Kannte ich doch lange schon meinen ge- schätzten Freund Karl als einen Mann, der gewissenhaft die gesetz- lichen Bestimmungen befolgt, die es dem Gewerbetreibenden ver- bieten, seine Arbeiter an Sonn- und Festtagen zum Arbeiten zu verpflichten, die ihm nicht erlauben, sie überhaupt zu beschäftigen. Deshalb ruht an solchen Tagen in allen Werkstätten und Fabriken, auf allen Bauhöfen und bei allen Bauten die Arbeit. Herrn Karl fand ich in seinem Zimmer. „Nun, alter Freund, am schönen Nachmittage so ganz allein zwischen den vier Wänden!“ begrüfste ich ihn herzlich. „Leider kann ich nicht anders,“ war seine Antwort, „denn der Rheumatismus im rechten Arm fesselt mich ans Haus. Gross ist mein Bedauern, dass ich heute nicht, wie meine Gesellen und Lehrlinge, im bergigen Walde umherlaufen, steigen und nach Herzenslust singen kann, um meine Brust zu weiten, die Nerven zu stärken, das Gemüt zu erheitern und neue Kraft für die Anstrengungen der kommenden Woche zu sammeln.“ Freudig stimmte ich zu; denn ich wusste aus eigener Er- fahrung zu gut, dass nichts mehr erfrischt und stärkt, als die Be- wegung in würziger Wald- und Bergluft. Neben dem Freunde hatte ich, seiner Einladung folgend, Platz genommen; ich richtete an ihn die Frage; „Wie lange lässest du deine Leute feiern?“ „0,“ entgegnete er, „unsere heutigen Arbeiter haben ein besseres Los, als uns einst beschieden war. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe dauert für jeden Sonn- und Festtag mindestens vierundzwanzig, für zwei aufeinander folgende Sonn- und Festtage sechsunddreifsig, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest acht- undvierzig Stunden. Die Ruhezeit ist von zwölf Uhr nachts zu rechnen und muss bei zwei aufeinander folgenden Sonn- und Fest- tagen bis sechs Uhr abends des zweiten Tages dauern.“ „Das ist eine gute Einrichtung des Staates,“ sagte ich, „da können die jungen Leute auch regelmässig die Kirche besuchen und dem Herrn im Himmel geben, was ihm gebührt.“ Der Freund entgegnete mir: „Ja, in meinem Hause halte ich es so: Der Vormittag ge- hört dem Gottesdienste, der Nachmittag der wahren Erholung des Leibes.“ „Dann ist der Sonntag für deine Leute ein Tag des Segens!“ war meine Antwort, und ich fuhr fort: „Bei aller An- erkennung der Vorschriften halte ich es doch für nötig, dass Aus-

6. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 173

1905 - Wittenberg : Herrosé
173 deren Einrichtung und Ausstattung meine volle Befriedigung fanden und mir Worte der Anerkennung an meinen Freund entlockten. Der aber wehrte bescheiden ab und erklärte: „Hier siehst du wieder den vollen Einklang zwischen meinem Willen und des Gesetzes Vorschriften." Weiter wurde ich bis zu den Bedürfnisanstalten geführt, die so eingerichtet waren, dass sie für die Zahl der Arbeiter ausreichten, den Anforderungen der Gesundheitspflege ent- sprachen und ihre Benutzung ohne Verletzung von Anstand und Sitte erfolgen konnte. Als ich meinen Führer fragte, ob er mir Aufschluss über die Einrichtungen in anderen grösseren Betrieben mit männlichen und weiblichen Arbeitskräften geben könne, sagte er mir: „In solchen Betrieben sind in besonderem Masse Ein- richtungen zu treffen und zu unterhalten und Vorschriften zu er- lassen, die erforderlich sind, die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes zu sichern. Bei der Arbeit ist die Trennung der Geschlechter durchzuführen. Umkleide- und Wasch- räume müssen für die einzelnen Geschlechter gesondert vor- handen sein.“ Wir fanden beide diese Vorschriften durchaus berechtigt und freuten uns der Fürsorge der Staatsregierung gerade für die Er- haltung guter Sitten und des Anstandes bei den Arbeitern, die veredelnd auf ihr Denken, Reden und Handeln einwirken muss. Für die gewissenhafte Durchführung der getroffenen Anordnungen sorgt, wie mir Herr Karl mitteilte, die Beaufsichtigung der Fabriken, Werkstätten und Bauten, die ausschliesslich oder neben den ordent- lichen Polizeibehörden den Gewerbeaufsichtsbeamten zusteht. In das Wohnzimmer zurückgekehrt, vertieften wir uns noch mehr in die Sache. Mein Freund hatte mich zu einem Imbiss eingeladen, den seine soeben heimgekehrte, frische und freundliche Tochter bereitete. Bald schlug meine Abschiedsstunde. Manches Treffliche hatte ich gesehen und gehört, und auf dem Heimwege dachte ich: „Meister Karl ist ein zuverlässiger Freund und ein musterhafter Arbeitgeber. Kopf und Herz sitzen bei ihm auf dem rechten Flecke. Wären alle unsere Gewerbetreibenden so wohlgesinnt und gewissenhaft wie er, dann stände es besser um unser Handwerk, dann wirkte das Leben und Treiben in der Werk- statt in erhöhtem Masse veredelnd und vervollkommnend auf den Nachwuchs.“ 82. Verkehr und Ordnung in der Werkstatt. Wenn der Meister auf Größe, Luft, Erwärmung und Beleuchtung seiner Werkstatt seine Aufmerksamkeit gerichtet hat, so könnte er in einer kleinen Werkstatt allen Anforderungen genügt haben. Von seinem Platze aus vermag er alles zu übersehen; er kann Gehilfen und Lehr- linge mit Leichtigkeit zu sich rufen oder ihnen Aufträge erteilen. Schwieriger ist dieses in größeren Werkstätten, wo des Meisters oder seines Vertreters Stimme unmöglich über den weiten Raum, durch das

7. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 425

1905 - Wittenberg : Herrosé
425 dadurch zu Ehren, und war es, die dem Handwerk den goldenen Boden bereitete, indem sie sich auf sittlichen Grundsätzen auf- baute. Im ganzen Leben des damaligen Bürgerstandes bekundete sich der ideale Sinn. Der Gemeinsinn war vor allem eine herr- liche Tugend, die leider später — zur Zeit des 30 jährigen Krieges — dem Spießbürgersinn, der nur seinen eigenen Vorteil kennt, weichen mußte. Der Gemeinsinn umfaßte den Vorteil aller; das Ganze, das städtische Wohlsein, die Ehre und Macht der Stadt, das war sein Ziel. Schöne Gotteshäuser, herrliche Rathäuser und sonstige öffentliche Bauten bekundeten das edle Streben. Die Selbstsucht, die sich leider jetzt noch immer im Handwerkerstand sehr breit macht und mehr als irgend etwas das Emporkommen hindert, war nur selten zu finden. Ihre Frömmigkeit zeigten die Handwerker darin, daß jede Zunft einen besonderen Heiligen zum Patron hatte. Welche Einsicht und Selbständigkeit sie in kirchlichen und politischen Dingen hatten, zeigten sie in ihrem Eintreten für das Kaisertum und in ihrem An- schluß an die Reformation. Vor allem aber ist es der Familiensinn, der den damaligen Handwerkerstand auszeichnete, ein Sinn, der heut- zutage vielfach erloschen ist. Dieser Sinn ist aber die Grundlage von dem Gedeihen eines guten Hausstandes. Der Meister war der Vater, nicht nur seiner Kinder, sondern auch seiner Gesellen und Lehrlinge. Diese fühlten sich als Kinder des Hauses und lebten als solche in rechtem Gehorsam gegen die Hausordnung, die vom Meister und der Meisterin als der Hausmutter für alle aufrecht erhalten wurde. Ein Wirtshausleben, das alle Bande guter Ordnung lockert, und viele auf die Bahn der politischen Aufwiegler führt, gab es nicht. Das Morgen- und Abendgebet, der Haussegen, versammelte alle Hausgenossen um den Tisch. Der Meistergesang, der in vielen deutschen Städten, wie Nürnberg, Ulm, Mainz und Straßburg, blühte, läßt uns auch einen Blick in das ideale Streben des Handwerkerstandes tun. Als die Ritter heruntergekommen waren, pflegten sie nicht mehr wie früher die edle Sanges- und Dichtkunst. Da waren es die ehrsamen Hand- werker, die sich ihrer annahmen. Abends kamen sie zusammen und lernten ihre Weisen. Alle Teilnehmer mußten eine Lehrzeit durch- machen; sie mußten auch diese Kunst zunftmäßig lernen. Wollte einer Meister werden, so mußte er im Meistersingen, das Sonntags nach beendigtem Gottesdienste in der Kirche stattfand, singen. Der Sieger bekam dann eine Kette mit dem Bilde des Königs David (Damdsgewinn). Das war eine Ehre für die ganze Zunft, der der Sieger angehörte. So wandten die Handwerker ihre freie Zeit aufs beste an, so daß mancher Handwerker von heute jene alten Meister sich zum Vorbild nehmen kann. N°4 V-rschàm. 171. Einige bedeutende Handwerker und Künstler des Mittelalters. Hans Sachs wurde 1404 in Nürnberg geboren. Sein Vater war Schneidermeister. Zu Hause und in der lateinischen Schule wurde

8. Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten - S. 52

1905 - Wittenberg : Herrosé
52 schlossen. Auf der linken Nheinseite wird vor Öffnung der Wingerte morgens sieben Uhr und zum Schluß abends etwa 6 Uhr das Zeichen mit den Kirchenglocken gegeben. Schüffe und Glockenschläge mischen sich mit dem Jauchzen der heimkehrenden Winzer; das Echo dieses Lebens und Webens hallt in den Bergen wieder; über uns steigen Raketen auf, und bengalisches Feuer beleuchtet unsern Heimweg. Er kommt zur Welt auf sonnigem Stein, hoch über dem Rhein, hoch über dem Rhein, und wie er geboren, da jauchzt überall im Lande Trompeten- und Paukenschall; da wehen mit lustigen Flügeln die Fahnen von Burgen und Hügeln. 34. Die Industrie im Schwarzwalde. In den Waldungen des Schwarzwaldes findet die Bevölkerung seit langer Zeit ihren ergiebigsten Nahrungszweig. Das Kohlen des Holzes, das Teerschwelen und Harzreißen gewährt ihr neben der Flösserarbeit Beschäftigung und Unterhalt, und wer kennt nicht die Schwarzwälder Holzschnitzereien, die von der Kunstfertigkeit der Be- wohner ein redendes Zeugnis ablegen, wer nicht die Holzuhren, die sie kunstreich zu verfertigen wissen? Keine Industrie ist bei den auf- geweckten Söhnen des Gebirges so beliebt als diese, und nichts vermag sie mehr an ihre Heimat zu fesseln als dieser Erwerbszweig. Es ist geschichtlich beglaubigt, daß bereits in den Tagen Rudolfs von Habs- burg das Holzschnitzergewerbe in dem Schwarzwalde blühte, doch hat sich erst in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Uhrmacherei ausgebildet. Nur mit einem Zirkel, einer kleinen Säge, einigen kleinen Bohrern und einem Messer wußte man die Gestelle und das Triebwerk der ältesten Holzuhr herzustellen. Ihr Vau war im höchsten Grade einfach, wie wir an einzelnen noch erhaltenen Exemplaren er- sehen. Sie zeigt nur Stunden an und ist nach zwölf Stunden ab- gelaufen; statt des Zifferblattes hat sie einen einfachen Holzring mit darauf geschriebenen Zahlen, und das Gewicht vertritt ein angehängter Stein. Während die Verfertigung der von dem Nürnberger Peter Hele um 1500 erfundenen Taschenuhren sich die Berge des Jura zur Heimat erkor, blieb der Schwarzwald seinen Wanduhren treu; das fleißige Volk schnitzelte in seinen Forsten emsig fort, so daß ganze Wälder, zu Uhren geformt, bald ihren Weg in die weite Welt hinaus- nahmen, anfangs nur getragen auf den Schultern des Uhrmannes, dann schiffladungsweise bis nach Amerika, wo sie die Wohnung des Hinterwäldlers schmückten, bis der betriebsame Iankee nach den Mustern der Schwarzwälder selbst seine Iankee-Clocks zu bauen begann. Ohne Lehrer, bloß auf den Erflndungsgeist der Bauern angewiesen, fristete sich die Schwarzwälder Uhrenindustrie schlecht und recht, behielt aber stets ihren Rang, da sie wenig Mitbewerb zu fürchten hatte und
   bis 8 von 8
8 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 8 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 3
1 0
2 0
3 7
4 0
5 26
6 0
7 5
8 0
9 0
10 4
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 0
17 0
18 0
19 2
20 0
21 0
22 1
23 0
24 0
25 0
26 0
27 0
28 1
29 1
30 1
31 0
32 0
33 5
34 0
35 0
36 1
37 31
38 0
39 7
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 6
46 0
47 0
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 0
2 0
3 0
4 1
5 1
6 0
7 0
8 0
9 0
10 0
11 0
12 0
13 1
14 0
15 0
16 0
17 3
18 0
19 1
20 0
21 0
22 0
23 0
24 0
25 0
26 0
27 0
28 0
29 0
30 0
31 0
32 1
33 0
34 0
35 0
36 2
37 0
38 0
39 2
40 1
41 1
42 1
43 0
44 0
45 5
46 0
47 0
48 0
49 0
50 0
51 0
52 0
53 0
54 0
55 0
56 0
57 0
58 0
59 0
60 0
61 0
62 0
63 0
64 0
65 0
66 0
67 0
68 1
69 0
70 0
71 3
72 1
73 0
74 0
75 0
76 1
77 3
78 0
79 0
80 0
81 0
82 0
83 0
84 0
85 0
86 0
87 2
88 0
89 0
90 0
91 0
92 4
93 0
94 3
95 0
96 0
97 0
98 0
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 1
1 39
2 0
3 18
4 0
5 62
6 3
7 11
8 0
9 0
10 0
11 4
12 39
13 6
14 1
15 0
16 0
17 0
18 0
19 8
20 0
21 1
22 0
23 0
24 7
25 5
26 1
27 0
28 4
29 1
30 0
31 1
32 1
33 52
34 1
35 1
36 1
37 0
38 0
39 80
40 0
41 1
42 1
43 30
44 2
45 0
46 4
47 1
48 0
49 0
50 34
51 9
52 155
53 0
54 8
55 0
56 1
57 0
58 0
59 25
60 6
61 1
62 25
63 0
64 2
65 8
66 1
67 4
68 0
69 0
70 0
71 6
72 1
73 2
74 0
75 15
76 1
77 0
78 23
79 0
80 5
81 32
82 2
83 1
84 1
85 0
86 5
87 0
88 0
89 1
90 0
91 0
92 0
93 0
94 4
95 0
96 4
97 1
98 1
99 10
100 31
101 2
102 6
103 1
104 0
105 3
106 6
107 8
108 0
109 1
110 13
111 8
112 3
113 4
114 16
115 0
116 0
117 2
118 0
119 5
120 0
121 0
122 21
123 2
124 21
125 8
126 0
127 8
128 0
129 12
130 2
131 10
132 0
133 21
134 0
135 0
136 28
137 10
138 0
139 0
140 0
141 0
142 6
143 0
144 0
145 12
146 0
147 14
148 0
149 0
150 0
151 6
152 11
153 0
154 118
155 8
156 0
157 2
158 0
159 1
160 0
161 0
162 0
163 0
164 0
165 8
166 9
167 2
168 6
169 2
170 0
171 0
172 0
173 7
174 1
175 49
176 0
177 17
178 0
179 5
180 0
181 0
182 9
183 106
184 0
185 4
186 0
187 0
188 22
189 0
190 0
191 0
192 0
193 0
194 1
195 0
196 20
197 0
198 0
199 5