Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Bergmännische Schule, Hüttenmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): Jungen
Geschichte
393
die mangelhafte Ernährung kamen reichlich denen einer Schlacht
gleich. Die stärkste Kompagnie zählte am 30. März nur noch 107
Mann, die übrigen brachten es höchstens auf 100. Rastlos mar-
schierte die Garde auf Frankreichs Hauptstadt los. Nicht ein ein-
ziges Mal kam sie unterwegs ins Feuer. Die Überzeugung, daß man
zu kämpfen und auch zu siegen verstand, lebte seit den Tagen von
Großgörschen und Bautzen in der Brust eines jeden Gardisten
und ließ den brennenden und auch berechtigten Wunsch entstehen,
nun auch etwas von den Ehrungen einzuheimsen, die den übrigen
Regimentern der Armee in reichem Maße zuteil geworden waren.
Besonders war Oberst von Alvensleben, der Held von Großgör-
schen und Bautzen, von diesem Wunsche erfüllt. Wiederholt hatte
er an zuständiger Stelle um aktive Beteiligung gebeten. Zu seinem
Leidwesen gestattete der Gang der kriegerischen Ereignisse keine
Berücksichtigung der Bitte. Und doch stand der Garde ein großer
Ehrentag bevor. Napoleon holte zum letzten Wurfe aus. Am
30. März kam es zur endgültigen Entscheidungsschlacht, dem
Kampfe vor Paris, der das stolze, napoleonische Staatsgebäude zer-
trümmerte und an dem auch die Garde hervorragenden Anteil nahm.
Nordwestlich von Paris liegt der Ort Pantin. Dorthin brach
die Gardeinfanteriebrigade auf, sie befand sich in der gewöhnlichen
Marschordnug : das Füsilierbataillon des 1. Regiments, die bei-
den Grenadierbataillone des 2. Regiments, das badische Garde-
bataillon, die beiden Grenadierbataillone des 1. Regiments, das
Gardejägerbataillon und zuletzt das Füsilierbataillon des 2. Regi-
ments. Während des Marsches vernahm man den immer deutlich
von Paris herschallenden Kanonendonner, der nach und nach leb-
hafter und volltönender wurde und in den sich bald das Geknatter
des Kleingewehrfeuers mischte. Plötzlich lief die Nachricht ein,
daß das vorausmarschierende Vi. Korps bereits im heißen Gefecht
um den Besitz des Dorfes Pantin stände und dringend der Unter-
stützung bedürfe. Nun ging's im Laufschritt vorwärts. Mittags um
12 Uhr, als die Brigade nur noch eine halbe Meile von Pantin ent-
fernt war, erschien Großfürst Konstantin. Er richtete sofort an
den Obersten die kurze Frage: ,,Alvensleben, wollen Sie vor?“
Nach erfolgter Bejahung erteilte er den Befehl zum Angriff. Ju-
belnd nahm die Brigade diese Nachricht auf. Die Kampflust zündete
zur hellen Flamme der Begeisterung. Der Großfürst ermahnte in
wenigen Worten Offiziere und Mannschaften zur Tapferkeit. Schon
kamen ganze Scharon Verwundeter denvorwärtsstürmenden entge-
gen, darunter war auch General Roth, der, schwer verwundet, auf
seinem Pferdesaß und von mehreren Kosaken, die mit ihren Lanzen
eine Rückenlehne bildeten, unterstützt wurde. Pantin besteht, wie
eine Reihe französischer Dörfer, fast durchweg aus massiven Häusern
und war mit einer 10 Fuß hohen Mauer umgeben. Der Ort wurde
besetzt. Dem Füsilierbataillon des 1. Garderegiments fiel die Auf-
gabe zu, sofort aus Pantin hervorzubrechen. Gleich am Ausgange
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Extrahierte Personennamen: Alvensleben Napoleon Konstantin Roth
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Bautzen Bautzen Paris Paris Paris
Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
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Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
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Geschlecht (WdK): Jungen
Geschichte
395
Kampfe zu gedenken, besonders der Leibkompagnie, die mit der
feindlichen Infanterie in ein Handgemenge geriet. Kolben und
Bajonett wurden mit solchem Nachdruck gebraucht, daß der
Feind floh.
Von Alvensleben erkannte mit soldatischem Scharfblick, daß
er die Entscheidung nur mit größeren Massen herbeiführen konnte.
Er bat um den Befehl zum Vorrücken der ganzen Brigade und er-
hielt ihn auch. Durch Unterstützung der 2. Leibhusaren, der Bri-
gade des Prinzen Wilhelm und der russischen Gardeinfanteriebri-
gade wurde die Schlacht siegreich beendet. Es erfolgte der Sturm
auf die Festungsmauern von Paris. Grenadier Blech steckte sein
Gewehr durch eine Schießscharte und feuerte einen Fehlschuß
gegen einen Verteidiger. Seine Kugel war die einzige, die wirk-
lich nach Paris hineingeschickt wurde. Die stolze Stadt ergab sich.
Die Gesamtverluste der Brigade an Toten und Verwundeten
beliefen sich auf 69 Offiziere und 1286 Unteroffiziere und Ge-
meine, die des 1. Garderegiments auf 37 Offiziere und 700 Unter-
gebene. So war der Schlachttag von Paris, der 30. März 1813,
ein Tag tiefer Trauer, aber auch zugleich ein Ehrentag für unsere
Garde. Im Regimentshause des 1. Garderegiments hängt als Ge-
genstück zu dem Gemälde über den Angriff des I. Bataillons bei
Großgörschen das über den Kampf vor Paris.
Das Bewußtsein, daß die Garde vor Paris sich ihres Namens
und ihrer Stellung würdig gezeigt, und der Gedanke, auch ein
Scherflein zur Demütigung des übermütigen Korsen beigetragen
zu haben, schwellten die Brust eines jeden Kriegers. Wie sehr
der vaterländische Geist in den Herzen der Truppen Wurzel ge-
faßt hatte, zeigte das Verhalten eines sterbenden Grenadiers am
Morgen nach der Schlacht. Bereits in der ersten Morgenstunde des
31. März brach Oberst von Alvensleben, dem das Wohl seiner Un-
tergebenen stets über alles auf dem Herzen lag, auf, um den Ver-
wundeten den nötigen Beistand zu verschaffen. Da kam er u.a. auch
zu einem gräßlich verstümmelten Grenadier des 1. Garderegiments.
'Er lag in den letzten Zügen. Tief ergriffen, versprach von Alvens-
leben schleunigst ärztliche Hilfe. „Mir ist nicht mehr zu helfen",
sprach der Tapfere mit erlöschender Stimme, ,,Ihre Hand lassen
Sie mich noch einmal küssen, denn Ihnen habe ich es zu verdan-
ken, daß wir an den Feind gekommen sind". Dieses herrliche Wort
eines sterbenden Helden, der mit seinem Leben seine Liebe zum
Könige und Volk bezahlte, kennzeichnet so recht den deutschen Sol-
datengeist, der auch heute in den Herzen unserer Truppen nicht
erloschen ist, der sie beseelte im Kampfe gegen die schwarzen Söhne
der glutheißen, afrikanischen Steppen, im fernen Asien gegen die
gelben Mongolensöhne, auf den brandenden Wogen des Ozeans,
der sie unaufhaltsam forttreibt, bis heißer Tod den Weg zu ihren
Herzen findet.
Der königliche Kriegsherr zollte Offizieren und Mannschaften
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Alvensleben Wilhelm Garderegiments Alvensleben Garderegiments
Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Paris Paris Paris
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402
Vii. Abschnitt
15 Stunden im Sattel zugebracht und sich so wenig geschont, daß wiederholt
seine Umgebung ihn auf die drohende Lebensgefahr aufmerksam machen
mußte. — Als bekannt wurde, daß der französische Marschall Mac Mahon
von Norden her einen Versuch machen werde, das in Metz eingeschlossene
Heer zu befreien, eilte der König sogleich an die gefährdete Stelle und lei-
tete persönlich den Kampf gegen dieses Ersatzheer, der mit der Einschließung
desselben in die Festung Sedan und der Übergabe der Stadt endete. Mit
dem feindlichen Heere wurde auch Napoleon selbst gefangen genommen.
— Während der Belagerung von Paris hatte König Wilhelm jein Haupt-
quartier in Versailles. Hier in der Residenz der Bourbonenkönige wurde
er nach Abschluß langwieriger Verhandlungen mit den deutschen Bundes-
regierungen am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses zum deut-
schen Kaiser proklamiert. Den Geistlichen, der vor der Feier den Gottes-
dienst abhalten sollte, bat er: „Rühmen Sie mich nicht, denn ich bin nur
das Werkzeug in Gottes Hand." — Am 17. März kehrte er aus dem
Felde zurück und hielt am 16. Juni unter Kanonendonner und Festgeläute
seinen feierlichen Einzug in das jubelnde Berlin.
Nach dem Friedensschlüsse erwartete den greisen Helden neue Ar-
beit. Cs galt den inneren Ausbau des Reiches und den Schutz des Ge-
tvonuenen. Stets blieb das Heer vornehmster Gegenstand der kaiserlichen
Sorge; denn auf ihm beruhte allein die Sicherheit des Landes. Bis in die
letzte Zeit seines Lebens wohnte er allen Truppenvorstellungen der Garde
bei. Als ihm die Ärzte das Reiten verboten, ließ er es sich nicht nehmen,
noch im Wagen den Manövern beizuwohnen. Mehrfach ist in diesen Jah-
ren das Heer verstärkt worden. So konnten unter dem Schutze starker
kriegerischer Rüstung die Worte des Kaisers sich verwirklichen, die er bei
seiner Proklamation in Versailles gesprochen hatte, daß er sein wolle
„allezeit ein Mehrer des Reiches, nicht an kriegerischen Eroberungen, son-
dern an den Gütern und Gaben des Friedens auf den Gebieten nationaler
Freiheit, Wohlfahrt und Gesittung." Und das ist er voll und ganz ge-
wesen. Mochte ihm auch eine Reihe hervorragender Helfer zur Seite stehen
— die letzte Entscheidung in wichtigen Dingen hat er sich stets selbst vor-
behalten. Oft hat er auch, wenn die Meinungen der Minister heftig auf-
einander prallten, versöhnend gewirkt. Zwischen Bismarck und Moltke
hat er mehr als einmal vermittelt. Indem er tüchtige Männer zum Wohle
des Ganzen jeden an den richtigen Platz stellte, sorgte er, frei von persön-
lichen! Ehrgeiz, für die beste Erfüllung der Aufgaben. Eine war es vor
allem, die ihm seit langer Zeit am Herzen lag.
Die fortschreitende Umwandlung Deutschlands in einen Industriestaat
hatte die sozialen Unterschiede imuier stärker hervortreten lassen. Es machte
sich die Notwendigkeit geltend, der bedrängten Lage der Arbeiter auf dem
Wege der Gesetzgebung zur Hilfe zu kommen, und auch dieses Werk hat
der greise Held in die Wege geleitet. (Siehe Lesestück Nr. 131.)
Die letzte Lebenszeit des Kaisers war mehrfach getrübt. In die Kreise
derer, die ihm nahe standen, riß der Tod immer größere Lücken. Am
schmerzlichsten war es ihm, daß Kronprinz Friedrich von einem unheilbaren
Leiden ergriffen wurde. Am 28. Februar 1888 starb auch des Kaisers ge-
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Extrahierte Personennamen: Marschall_Mac_Mahon Napoleon König_Wilhelm Wilhelm Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Paris Versailles Gottes Berlin Versailles Deutschlands
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412
Vil Abschnitt
Sedan und Paris. Der ganze Krieg ist nur ein Zeugnis für die über-
ragendegeistesgröße und Überlegenheitmoltkes. Und doch steht dermann
auch jetzt wieder in seiner großen Bescheidenheit vor uns. Als nach der
Schlacht bei Sedan sein Neffe ihm entzückt zurief: „Aber, Onkel, das
hast du wirklich gut gemacht," entgegnete er in seiner wortkargen Weise:
„Ja, es war ziemlich gut abgepaßt." Schon nannte man ihn wohl den
„großen Schweiger"; aber selten ist ein Schweigen beredsamer gewesen
als das von ihm bei den Übergabeverhandlungen im Schlößchen Don-
chery vor Sedan geübte.
Vor Paris angelangt, wurde die Stadt allmählich umklammert und
endlich ganz eingeschlossen. Aber es begann dann doch noch nicht sofort
die Beschießung, obgleich man in Deutschland mit Ungeduld darauf war-
tete, damit der furchtbare Krieg beendigt werde. An Moltke schrieb man:
„Guter Moltke, gehst so stumm immer um das Ding herum;
bester Moltke, sei nicht dumm, mach doch endlich bum, bum, bum!"
Indessen der kluge und vorsichtige Mann schwieg vorderhand weiter. Erst
als die Deutschen alle Forts hatten und als die schweren Belagerungs-
geschütze eingetroffen waren, da brach er das Schweigen: es donnerten
die Kanonen mit Nachdruck, und als sich dann bald zu diesem letzten
Zwangsmittel noch eine zweite furchtbare Macht, der Hunger, hinzu-
gesellte, da mußte die stolze Stadt sich ergeben und Frankreich Frieden
schließen.
6. Reich an Siegen und Ehren, als Generalfeldmarschall und Graf
kehrte Moltke mit seinem kaiserlichen Herrn und den übrigen Helden nach
Deutschland zurück. Im Sommer Gutsherr auf Kreisau, wo er im Garten
selber mit Baumsäge itnb Baumschere arbeitete, verlebte er den Winter
in Berlin, seine hohen Ämter fast bis zum letzten Lebenstage mit aller
Treue und Umsicht verwaltend. Nur selten noch sprach er vom Tische
des Bundesrats oder von der Tribüne des Reichstags aus zum Volke;
aber wenn er redete, so horchte die Welt auf. Er überlebte seinen alten
Kaiser und folgte ihm am 24. April 1891 ins Grab. Die Ruhestätte
auf einem Hügel des Gutes Kreisau, die er für seine im Jahre 1868 ver-
storbene Gemahlin erbauen ließ, nahm auch ihn auf, sie birgt die Hülle
eines der bedeutendsten Männer aller Zeiten.
Potthoff, Gelfenkirchen-
149. Wer weiß wo.
(Zur Erinnerung an die Schlacht bei Kolin, am 16. Juni 1757.)
Auf Blut und Leichen, Schutt und
Qualm,
auf roßzerstampften Sommerhalm
die Sonne schien.
Essankdienacht. Dieschlachtistaus,
und mancher kehrte nicht nach Haus
einst von Kolin.
Ein Junker auch, ein Knabe noch,
der heut' das erste Pulver roch,
er mußte dahin.
Wie hoch er auch die Fahne schwang,
der Tod in seinen Arm ihn zwang,
er mußte dahin.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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390
Vii. Abschnitt
Am 23. März 1813 stand die Garde vor den Toren Breslaus,
auf dem Schweidnitzer Anger, im Feldparadeanzuge, d. h. ohne
Haarbüsche. Ein feierlicher Gottesdienst wurde abgehalten. Nach
demselben erfolgte die Einsegnung der Truppen zu dem bevor-
stehenden Kampfe, von dem Theodor Körner sang: „’s ist ein
Kreuzzug, 's ist ein heil’ger Krieg", und darauf die Verlesung
des Aufrufs an das Heer mit den wuchtigen Schlußworten: „Wir
kämpfen den großen Kampf für des Vaterlandes Unabhängigkeit,
wir vertrauen auf Gott, Mut und Ausdauer sei unsere Losung."
Hie königliche Familie wohnte der Feier bei, abgesehen vom Kö-
nige und vom Kronprinzen, die sich bereits am 19. März von Bres-
lau nach Potsdam begehen hatten.
Bereits am 2. Mai stehen das 1. Garderegiment, das Regi-
ment Gardedukorps und das Gardejägerbataillon im Feuer in der
Schlacht bei Großgörschen, in der großen Leipziger Ebene nahe
bei Lützen und Roßbach, den Schachtfeldern Gustav Adolfs und
des großen Friedrich. Bis Mittag bleiben die Gardetruppen in
Reserve stehen. Da erhält das Füsilierbataillon des 1. Garderegi-
ments den Befehl, das Dorf Kaja, den Schlüssel der feindlichen
Stellung, zu nehmen. Mutig stürmt es vor. Es besetzt das Dorf,
sieht sich aber bald, nachdem Major von Block, der Bataillons-
kommandeur, von einer feindlichen Übermacht umringt wird, ge-
zwungen, nach rückwärts durchzubrechen. Das Ii. Bataillon er-
zwingt sich den Weg durch Großgörschen, vertreibt mehrere feind-
liche Bataillone, steht aber bald vereinsamt weit vor der preußi-
schen Stellung. Es marschiert auf, verteidigt sich durch Salven
und geht nach erhaltenem Befehl langsam und in guter Ordnung
zurück. Das I. Bataillon erleidet die schwersten Verluste. Es rückt
zwischen den Dörfern Kaja und Rahna unter mörderischem Feuer
gegen drei feindliche Karrees im Laufschritt vor. Major von Pog-
witsch stirbt den Heldentod. Die Truppen sind, bevor sie an den
Feind herankommen, derartig zusammengeschossen, daß sie Halt
machen müssen. Über eine Stunde bleiben die wackeren Grena-
diere im Feuer stehen, zwei Drittel der Mannschaft liegen auf
dem Felde der Ehre. Bis auf zwei sind alle Offiziere tot, die
todbringenden Geschosse raffen sechs Fahnenträger hintereinander
dahin, die Fahnenstange wird vollständig zersplittert. Noch ein-
mal versucht die kleine Schar mit Hilfe eines heranrückenden Er-
satzbataillons Kaja zu nehmen, sie muß von neuem in Gemein-
schaft mit dem ebenfalls aus Kaja verdrängten Füsilierbataillon
weichen.
Über das ruhmvolle Verhalten der Gardejäger während des
heißen Kampfes, erfahren wir aus einem Berichte, den General
Röder, -zu dessen Brigade die Gardetruppen gehörten, an den Ge-
neral von Blücher schreibt. Der Bericht zollt zunächst den Füh-
rern der Gardetruppen, von Alvensleben und von Witzleben, un-
eingeschränktes Lob. Es heißt von ihnen: „Sie haben gemein-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T170: [Schlacht Leipzig Franzose Preußen Napoleon Heer Herzog Ferdinand Jena Braunschweig]]
Extrahierte Personennamen: Theodor_Körner Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Friedrich Friedrich Kaja Kaja Kaja Kaja Alvensleben
Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
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392
Vii. Abschnitt
Truppen endete, so war doch deutsches Heldenblut nicht umsonst
geflossen. Unser Heer hatte einen moralischen Erfolg davongetra-
gen, Napoleon hatte Preußen wieder achten und fürchten gelernt.
Auch bei Bautzen, der zweiten Schlacht, stellte die Garde
ihren Mann, sie erlitt wiederum erhebliche Verluste. Trotzdem Na-
poleon das Schlachtfeld behauptete, sah er sich doch zur Schließung
eines Waffenstillstandes gezwungen. Der Tagesbefehl, der unsere
Truppe von dieser Tatsache in Kenntnis setzte, schloß mit den Wor-
ten : ,,Beharrt in Euerm festen Willen, vertraut Eurem König,
wirkt rastlos fort, und wir werden unsere Unabhängigkeit erkämp-
fen." Während des Waffenstillstandes erhielt das Potsdamer
Garderegiment, das erst seit dem 9. November 1808 das zweite
und seit dem 17. März 1809 das dritte Bataillon besaß, zum Un-
terschiede von dem am 20. Juni gebildeten 2. Garderegiment den
Namen ,,Erstes Garderegiment". Zu jedem Bataillon gehörte noch
eine freiwillige Jägerabteilung, einschließlich derselben war es
1000 Mann stark. Die beiden Garderegimenter bildeten mit dem
Gardejägerbataillon die Gardeinfanteriebrigade.
Im weiteren Verlaufe des Feldzuges kam die Garde, abgesehen
von einem unerheblichen Vorstoß bei Leipzig, auf preußischem
Boden nicht mehr vor den Feind. Sie blieb in Reserve stehen und
brannte vor Begierde, sich mit dem Feinde zu messen, mußte aber
zu ihrem großen Bedauern sehen, wie anderen Truppenkörpern
die Lorbeeren zufielen, die sie sich so gerne erkämpft hätte. Doch
machten sich die Strapazen des Krieges auch ihr fühlbar. Kälte,
Hunger, Anstrengungen aller Art rissen empfindliche Lücken in
die Reihen der zum ruhigen Abwarten verurteilten Gardestreiter.
In Frankfurt a. M. wurden die Gardetruppen neu ergänzt aus
Kreisen, die seit 1806 zum Königreich Westfalen gehört hatten.
Viele Rekonvaleszenten und Nachzügler trafen gleichfalls wieder
ein. Statt der bis dahin getragenen leinenen Hosen bekamen die
Soldaten Tuchhosen. Von den vom Könige Friedrich Wilhelm Iii.
verliehenen Eisernen Kreuzen Ii. Klasse empfing jedes Garde-
bataillon eins für Offiziere und vier für Unteroffiziere und Ge-
meine. Am Neujahrsmorgen 1814 wurde den Gardetruppen, die
im Großherzogtum Baden im Quartier lagen, eine Königliche
Order vorgelesen, die jedem Freiheitskämpfer eine Denkmünze mit
der Jahreszahl 1813 versprach, die aus dem Metall eroberter Ge-
schütze geprägt und an einem Bande getragen werden sollte.
Bald darauf ging es in Feindesland. Die Verpflegung dort war
schlecht, der Lebensmittelvorrat in den einzelnen Ortschaften in-
folge der vielen Durchmärsche fast völlig aufgezehrt. Die Quar-
tiere, in die die Mannschaften kamen, waren menschenleer, hatten
sich doch die Einwohner mit ihrem Vieh und sonstiger beweglichen
Habe in entfernte Waldungen geflüchtet. Dennoch wurde die Man-
neszucht in ausgezeichneter Weise aufrecht erhalten. Die Verluste
an Menschenleben durch die dauernden anstrengenden Märsche und
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
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394
Vii. Abschnitt
empfing es feindliches Artilleriefeuer. Die Landstraße war mit
aufspritzendem Staube bedeckt, der von dem Einschlagen der Gra-
naten herrührte. Dem Truppenkörper standen drei feindliche Ba-
taillone gegenüber, gegen die es, das Gewehr zum Sturmangriffe
rechts nehmend, vorrückte und die sich bald zurückzogen. Von den
Bergen herab wurden die Füsiliere nun mit Kartätschen über-
schüttet, bald erhielten sie auch Kleingewehrfeuer. Geschlossen
drangen sie, des männermordenden Kugelregens nicht achtend, vor.
Unterdessen hatte der Feind feste Stellung genommen. Trotz Un-
terstützung des I. Bataillons mußten die wackeren Kämpfer, da
ein Ausharren eine gänzliche Vernichtung zur Folge gehabt hätte,
zurückweichen. Als das Bataillon auf seinem Rückzüge die Unter-
stützung der Gardefeldartillerie fand, machte es wieder Kehrt und
blieb in einer Stellung, die auch nicht den geringsten Schutz gegen
das feindliche Artilleriefeuer bot, fast eine Stunde stehen. Schreck-
lich waren seine Verluste. Von sämtlichen Offizieren war nur ein ein-
ziger, von Knobelsdorf, unverwundet. Von 450 Mann, die Oberst-
leutnant von Block ins Treffen geführt hatte, standen nur noch
70 unter der Fahne.
Fürwahr, ein leuchtendes Beispiel von Mut und Ausdauer!
Wahre Heldentaten sind von einigen Streitern vollbracht wor-
den. Unteroffizier Beyer, am Genick verwundet, holte im heftig-
sten Kartätschenfeuer den auf den Tod verwundeten Leutnant von
Caprivi, übergab den sterbenden Offizier zwei Füsilieren und
kehrte, notdürftig verbunden, zum Gefecht zurück. Der Rekrut
Gayl, der als gemeiner Soldat eintrat und 1857 zum Regiments-
kommandeur befördert wurde, verrichtete geradezu Wunder von
Tapferkeit.
Das Ii. Bataillon des 1. Garderegiments hatte zunächst, ge-
stützt durch Kleingewehrfeuer der Scharfschützen, gegen feind-
liche Kavalleriemassen zu kämpfen, ging mit gefälltem Gewehre
auf Ulanen los, die sich eiligst in eine Schlucht zurückzogen, sah
sich aber plötzlich zwei feindlichen Infanterieabteilungen gegen-
über. Major von Ditfurth blieb kaum Zeit übrig, sich von seiner
Überraschung zu erholen. Gerade wollte er die erforderlichen An-
ordnungen treffen, da wurde sein Pferd getötet. Er kam im Stürzen
unter dasselbe. Die Truppe, ihres Führers beraubt, verlor jedoch
die Kaltblütigkeit nicht. Mit Hurra! wandte sie sich gegen die
Franzosen. Feindliches Artilleriefeuer richtete sofort verheerende
Wirkung in den Reihen der Grenadiere an. Uber die Hälfte der
Mannschaft bedeckte das Schlachtfeld. Von den Fahnenunteroffi-
zieren waren fast alle tot oder schwer verwundet. Das Bataillon sah
sich deshalb zum Rückzüge gezwungen.
Nicht minder tapfer hielt sich das Gardejägerbataillon, das
in raschem Anlauf 10 Kanonen, darunter zwei mit Bespannung,
erbeutete.
Es erübrigt sich noch, der Teilnahme des I. Bataillons am
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Autor: Gehrig, Hermann, Sonnenschein, A., Oldenburger, G.
Jahr der Erstauflage_wdk: 1905
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Bergmännische Schule, Hüttenmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): Jungen
406
Vii. Abschnitt
erreicht. An der Spitze des Norddeutschen Bundes stehend, verfügte es
über eine gewaltige Macht; der Anschluß der süddeutschen Staaten mußte
über kurz oder lang erfolgen. Frankreich hätte gerne diesen Anschluß ver-
hütet, um Preußen nicht noch mächtiger werden zu lassen. Aber Napoleons
Diplomatie (Staatskunst) war derjenigen Bismarcks nicht gewachsen. Vor-
sichtig und weitblickend hatte dieser 1866 einen für Österreich günstigen
Frieden durchgesetzt, so daß dieser Staat nicht darauf angewiesen war,
im Kriegsfalle den Gegner Preußens zu unterstützen. Mit Rußland und
England war Bismarck in gutem Einvernehmen. So konnte er in Ruhe
dem unvermeidlichen Zusammenstoß entgegensehen. Als Frankreich im
Jahre 1870 die Hohenzollersche Thronkandidatur in Spanien zum An-
laß nahm, um Preußen vor aller Welt eine Demütigung aufzuerlegen,
sorgte Bismarck durch die „Emser Depesche" dafür, daß sich eine Bloß-
stellung Frankreichs daraus ergab. Die unmittelbare Folge oavon war
die französische Kriegserklärung (19. Juli 1870). Nun wälzten sich die
gewaltigen Heeresmassen des Norddeutschen Bundes, vereint mit den
Truppen der süddeutschen Staaten, in Frankreich hinein. Hart war der
Kampf, herrlich der Sieg, groß der Lohn. Als nach den vernichtenden
Schlägen bei Metz und Sedan, nach der Übergabe der Festungen Straß-
burg, Metz und zuletzt Paris die Franzosen milde Friedensbedingungen
nachsuchten, blieb Bismarck als Unterhändler unerbittlich und eisenhart
bei seinen Forderungen: Abtretung Elsaß-Lothringens und Zahlung einer
Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Franken. Die Besiegten mußten
sich fügen. Als der schönste Erfolg des gemeinsamen nationalen Kampfes
und der gesamten Bismarckschen Politik ergab sich nun der feste Zusammen-
fdjlttfi aller deutschen Staaten (außer Österreich) zum Deutschen Reiche
unter dem Könige von Preußen als deutschem Kaiser. (Kaiserproklamation
zu Versailles am 18. Januar 1871.) Bismarck wurde der Kanzler des
neuen Reiches und erhielt den Fürstentitel.
Als Kanzler entfaltete Bismarck eine gewaltige Tätigkeit. Er sicherte
das Reich nach außen durch eine kluge Diplomatie, schloß 1876 mit dem
früher besiegten Österreich und dem Königreich Italien den Dreibund-
vertrag zu gemeinsamem Schutze gegen etwaige Angriffe von Ost und
West und begann die Errichtung eines deutschen Kolonialreiches. Nach
innen bekämpfte er mit harter Hand alle Feinde des Reiches (Welfen,
Ultramontane, Sozialisten), wobei er nicht immer von Erfolg begünstigt
Ivar. Wichtiger war seine aufbauende Tätigkeit. Er förderte die deutsche
Industrie und Landwirtschaft durch eine weise Schutzzollgesetzgebung, die
zu dem Aufblühen des nationalen Wohlstandes wesentlich beigetragen hat.
Münzen, Maße und Gewichte wurden für das ganze Reich einheitlich ge-
staltet; ein gleiches bürgerliches Recht für alle deutschen Staaten wurde in
Arbeit genommen. (Bürgerliches Gesetzbuch, vollendet und eingeführt im
Jahre 1900.) Er schuf die Arbeiterschutzgesetzgebung mit ihrer Versicherung
der wirtschaftlich Schwachen gegen Krankheitsfälle, eintretende Arbeits-
unfähigkeit und die Folgen von Betriebsunfällen.
So stand das Reich in sich gefestigt da, achtunggebietend nach außen,
ein starker Hort des Friedens. Das starke Anwachsen der Fabriktätigkeit
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Napoleons England Frankreich Hohenzollersche_Thronkandidatur Spanien Frankreich Sedan Paris Versailles Italien Ost
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): koedukativ
241
den Preußen geräumt und demnächst geschleift, das gesamte Land dagegen bei dem
oranisch-niederländischen Herrscherhanse verbleibe, für neutral erklärt und diese
Neutralität unter die Gewähr der europäischen Mächte gestellt werde. Zugleich
blieb es im Zollvereine und dadurch mit Deutschland wie früher verknüpft.
So war der Sturm noch einmal beschworen und die Gefahr vorübergegangen,
doch weniger durch die Friedensliebe Frankreichs, als weil die Umbildung des
französischen Heeres, dem nach dem Vorbilde der preußischen Heerverfassung noch
eine Reserve und Mobilgarde (die der Landwehr entsprechen sollte) zur Seite ge-
stellt wurde, und die Bewaffnung dieses Heeres mit dem Chassepot-Gewehre,
das man dem Zündnadelgewehre bei weitem überlegen wußte, und mit den
neuerfundenen Mitrailleusen noch nicht fertig war. Diese Neubildung des
französischen Heeres aber wurde in den Jahren 1867 bis 1869 durch den
Kriegsminister Niel vollständig durchgeführt, und nun glaubte sich Frankreich
Preußen und dem Nordbunde mehr als gewachsen. Von der republikanischen
Partei im Innern bedrängt, hatte Napoleon sich einer Regierung durch Volks-
vertreter zugewandt, die unter dem Ministerium Ollivier ins Leben trat, und
hatte durch eine allgemeine Volksabstimmung diese Veränderungen, in Wahrheit
dadurch seine eigene Stellung in Frankreich bestätigen lassen. Und obwohl
die Zahl der ihm feindseligen, republikanischen Stimmen selbst im Heere
nicht gering gewesen, so war ihm doch durch eine stattliche Mehrheit seine
Gewalt aufs neue verbürgt worden. Er schien fortan nur noch im Sinne
einer gemäßigten Freiheit regieren zu wollen.
Das Jahr 1870 ließ mithin sich friedlicher an, als die vorhergehenden,
und Preußens König Wilhelm weilte im Juni seiner Gesundheit wegen im
Bade zu Ems, als die Nachricht kund ward, die Spanier, die im Jahre 1868
ihre Königin Jsabclla vertrieben hatten und seitdem ohne monarchisches Ober-
haupt gewesen, hätten durch ihren Ministerpräsidenten Prim dem Erbprinzen
Leopold von Hohenzollern die Krone ihres Landes angetragen. n In
Frankreich nahm man die Miene an, als sei dies ein neues ehrgeiziges Über-
greifen Preußens, und der französische Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten, Herzog von Gramont, gab in der Kammer eine Erklärung ab, Frankreich
werde eine solche Vergrößerung der preußischen Macht nimmermehr dulden.
Auch jetzt bethätigte Preußens König wieder seine Friedensliebe. Zwar lehnte
er es ab, seinem Verwandten die Annahme der spanischen Krone zu verbieten,
wie von Frankreich her gefordert wurde; doch geschah dies ohne jede schroffe
Form, und als gleich darauf der Erbprinz aus freiem Antriebe jener .Krone
entsagte, schien jeder Grund einer Entzweiung der beiden großen Mächte
geschwunden. Nun aber zeigte es sich, daß man in Frankreich nur einen
Vorwand für den lang beabsichtigten Krieg gesucht hatte. Gramont erklärte
den Rücktritt des Prinzen für Nebensache und wagte es, durch den französischen
Botschafter Graf Benedetti in Ems dem Könige die Gewähr dafür abzu-
verlangen, daß eine etwa sich wiederholende Bewerbung desselben seitens
Preußens nie eine Unterstützung finden würde: ja, er wagte dem preußischen
Gesandten in Paris anzudeuten, daß ein entschuldigender Brief des Königs
un den Kaiser am besten das beleidigte Nationalgefühl in Frankreich be-
schwichtigen werde. Gegen diese, durch Benedetti noch dazu in taktloser
Weise vorgebrachten Forderungen erhob sich ruhig und würdig der gerechte
Königsstolz des greisen Helden. Der Franzose ward abgefertigt, höflich und
kalt, wie er es verdiente und wie es sich von selbst verstand. Auf Grund
dieser erzwungenen Abweisung erfolgte wenige Tage später, am 19. Juli 1870,
die von Napoleon Iii. längst geplante Kriegserklärung Frankreichs an Preußen.
Rach Dav. Müll er.
Schürma..n u. Windmöller, Lehr- u. Leseb. f. Fortbildung«- u. Gewerbesch. I. A. 16
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Extrahierte Personennamen: Niel Napoleon Wilhelm Leopold_von_Hohenzollern Leopold Graf_Benedetti Benedetti Napoleon Schürma
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreichs Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Paris Frankreich Frankreichs
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): koedukativ
243
In bewunderungswürdig kurzer Zeit standen die deutschen Heere auf der
„Wacht am Rhein". Die Nordarmee unter Steinmetz nickte vor: Trier
gegen Saarbnicken vor; die Rheinarmee unter Prinz Friedrich Karl ging
durch die Rheinpfalz, und die Südarmee unter dem Kronprinzen erstrebte
die Nordgrenze des Elsaß. Am 2. August begannen die Franzosen den Kampf,
indem sie mit 40 00o Mann gegen Saarbrücken losbrachen, das nur von
750 Preußen verteidigt wurde. Mehrere Stunden 'hielt sich das Hanf-
lein der Preußen tapfer, mußte aber der Übermacht weichen. Napoleon,
begleitet von seinem Sohne, war selbst Zeuge des ersten Erfolges seiner
Waffen, und in ruhmrednerischer Sprache nannte er den für die Franzosei:
wenig rühmlichen Zusammenstoß eine „siegreiche Schlacht". Durch diese Bezeich-
nung hatte der schlau berechnende Napoleon einen solchen Siegesrausch bei
den Seinen entzündet, daß ihnen „ein Spaziergang nach Berlin", den sie sofort
anzutreten gedachten, keine großen Schwierigkeiten zu haben schien. Aber wie
hatten sich die Franzosen verrechnet! Am 4. August griff der Kronprinz an;
seine Bayern warfen den Feind aus Weißenbürg, und preußische Regimenter
erstürmten den G e i s b e r g. Hierauf zog der französische General M a c M a h o n
80 0o0 Mann bei Wörth zusammen, die in Weinbergen und Hopfengärten
eine verschanzte Stellung einnahmen, welche der General für uneinnehmbar
hielt. Am 6. August griffen die Deutschen den Feind dennoch an. Der Kampf
war heiß und blutig; 4o0o der Unseren deckten das Schlachtfeld; aber um
4 Uhr war die Schlacht gewonnen und das feindliche Heer zertrümmert, das
den Weg nach Süden gedeckt hatte. An demselben Tage wetzte Steinmetz die
Scharte von Forbach wieder aus, indem er gegen die Spicherer Berge vor-
drang, dieselben unter Strömen deutschen Blutes erstürmte und den verblüfften
Franzosen zeigte, was deutscher Mut vermag. Der Rückzug. des Feindes war
ein allgemeiner, nicht einmal die steilen Pässe der Vogesen wcchten die Franzosen
zu verlegen, und unsere Heere drangen mit stürmischer Hast immer tiefer
hinein in des Feindes Land, um die Flüchtigen zu erreichen. In der Nähe
der Festung Metz stand die andere französische Hauptarmee. Ihr Befehlshaber
Bazaine beabsichtigte, sich zurückzuziehen, wurde aber von den Deutschen
daran verhindert und von Steinmetz nach blutigem Kampfe bei Pan ge am
14. August nach Metz zurückgeworfen. Die Versuche Bazaines, durchzubrechen
und sich mit dem weiter westwärts stehenden Heere zu vereinigen, führte:: die
mörderischen Tage von Mars-la-Tour (16. August) und Gravelotte
(18. August) herbei, an denen der Tod furchtbare Ernte hielt. Lange schwankte die
Entscheidung; aber deutsche Tapferkeit und deutscher Mut wußte den endlichen
Sieg an unsere Fahnen zu fesseln. Der erschöpfte Feind zog sich unter die schützenden
Schanzen und Außenwerke von Metz zurück, das von unseren Kriegern wie
von einen: eisernen Ringe umschlossen wurde. Napoleon raffte nun den letzten Rest
seiner Heere zusammen, um Metz zu entsetzen; da erreichte ihn am 1. September
bei Sedan sein trauriges, aber gerechtes Geschick. Von allen Seiten umzingelt
und mit den Trümmern seiner Macht in Sedan eingeschlossen, ergab er sich an:
1. September unserem siegreichen Könige zum Gefangenen. Dem gefangenen
Franzosenkaiser wies der König das Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel zum
Aufenthaltsorte an, und die mit ihm gefangene Armee von 150 000 Mann
wurde in verschiedenen deutschen Festungen und Städten untergebracht.
Die weitere Fortsetzung des Krieges kann man den Belagerungskrieg
nennen. Auf den: südlichen Kriegsschauplätze war es die Festung Straß bürg,
welche ein bedeutendes Belagerungsheer beschäftigte. Prinz Karl hielt mit
16*
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Karl Friedrich Karl August Napoleon Napoleon August August August August August Metz Napoleon Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Rhein" Rheinpfalz Elsaß Weißenbürg Weinbergen Forbach Sedan Sedan Schloß_Wilhelmshöhe Kassel