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1. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 251

1911 - Leipzig : Dürr
W. H. Riehl, Das landschaftliche Auge. 251 reichsten Partien des Schwarzwaldes, des Harzes, des Thüringer Waldes als „gar betrübte", öde, einförmige oder mindestens „nicht sonderlich angenehme" Landschaften geschildert sind. Das ist keineswegs bloß die Privatmeinung der einzelnen Topographen: es war die Ansicht des Zeitalters. Denn jedes Jahrhundert hat nicht nur seine eigene Welt- anschauung, sondern auch seine eigene Landschaftsanschauung. Zahllose Lust- schlösser baute man vor mehr als hundert Jahren in kahle, langweilige Ebenen und glaubte ihnen dadurch die möglich schönste Lage gegeben zu haben, während die alten Herrensitze in den reizendsten Gebirgsgegenden als zu wenig „plaisierlich" verwitterten und verfielen. Nicht nur pracht- volle Sommerresidenzen und Prunkgärten legten damals die bayrischen Kurfürsten in die öden Wald- und Moorflächen von Nymphenbnrg und Schleißheim: Max Emanuel ließ sogar mitten in einem dieser Gärten, der die natürliche Wüste rings um seine Mauern hat, noch einmal eigens eine künstliche Wüste Herstellen. Karl Theodor von der Pfalz baute zwei Stunden seitwärts von den herrlichen Heidelberger Gründen seinen Schwetzinger Garten mitten in das einförmigste Flachland hinein. Wenn nur eine Gegend recht eben und baumlos war, dann getraute man sich schon die ergötzlichste Landschaft aus ihr hervorzuzaubern. Noch vor hundert Jahren hielt man den zwar keineswegs reizlosen, doch in seiner Fläche immerhin eintönigen Rheingau für den wahren Paradiesgarten landschaftlicher Schönheit und schätzte die weitere Strecke des Rheinlaufes von Rüdesheim bis Cobleuz mit ihrer reichen Pracht von Schluchten, Felsen, Burgen und Wäldern mehr um des Gegenspiels willen. Im obern Rheingan reihte man damals Villen an Villen, die jetzt großenteils verlassen stehen, während man an der früher ver- nachlässigten, von den Bergen eingeengten Strecke später wiederum auf jede Felsspitze ein neues Lustschloß zu kleben oder wenigstens die dort hängenden Ruinen wieder wohnlich zu machen begann. Unsere Vorfahren, die in dem obern Rheingau den schönsten Winkel Deutschlands erblickten, schmückten ihre Zimmer mit den damals so beliebten Kupferstichen nach Claude Lorrains verwandten, weithin offnen, breiten, in Friede und Anmut gesättigten Landschaften. Wir sind von diesem klassischen Landschaftsideal wieder zum romantischen zurückgekommen, und die Dome des Hochgebirges verdrängen die Laubtempel von Claude Lorrains Götterhainen mit dem endlosen sonneglänzenden Meereshintergrund. Im siebzehnten Jahrhundert galten noch die in engen, steilen Berg- gründen gelegenen Badeorte, deren viele jetzt ganz eingegangen sind, mehren- teils für die besuchtesten und schönsten; im achtzehnten Jahrhundert gab man den gegen die Ebene hin gelegenen den Vorzug; jetzt werden gerade die Badeorte im steilsten Gebirge, wie im Schwarzwald, in den böhmischen Bergen, in den Alpen, wegen ihrer Lage aufgesucht. Der Hessen- Kasselsche Leibmedikus Welcker sagt in seiner 1721 erschienenen Be-

2. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 408

1911 - Leipzig : Dürr
408 Prosaheft Vii. keine Despoblados. Das Viertel des deutschen Bodens, das noch mit Wald bedeckt ist, der eingeengte, zusammengedrängte, durch Lichtungen jeder Form und Größe durchbrochene und zerschnittene Rest jenes alten germanischen Urwaldes, der einst undurchdringlich genannt wurde, kann heute ebensogut als Kulturland gelten wie Äcker und Wiesen. Die Waldknltur nutzt den Boden aus, der sonst unergiebig wäre, und ist an andern Stellen unentbehrlich für die Erhaltung eines gesunden klima- tischen und hydrographischen Zustandes. Ja, man wird füglich sagen dürfen, der Ackerbau sei in vielen Teilen Deutschlands schon weiter gegen den Wald vorgedrungen, als Boden und Klima gestatten. Die armen, steinigen Hafer- und Kartoffelfelder auf dem Rücken des Erz- gebirges, im Harz, in den südlichen Vorbergen des Thüringer Waldes oder auf manchen steinigen Muschelkalkhochebenen über dem Main und der Tauber bieten ihren Bebauern geringen Nutzen. In die Landschaft bringen diese kärglich bewachsenen Wölbungen mit ihren grüngrauen flechtenbewachsenen Felsgraten oder ihren seit Generationen heraus- gepflügten und zu breiten Steinwällen aufgeschichteten Kalkstein- fladen, die die geringe Tiefe der Ackererde bezeugen, einen Zug von Armut, den in unserer Zone selbst die Heide nicht kennt. Sie ver- künden das Vorhandensein einer dichteren Bevölkerung, als dieser Boden verträgt. Die ältesten Spuren und Reste der Bewohner des deutschen Bodens in Höhlen, Pfahlbauten, Küchenresten, Gräbern jeder Art zeigen immer nur kleine Völkchen in weiter Zerstreuung. Sie haben auch keine so zahlreichen Steinpfeiler, Steinkreise und Dolmen aufgerichtet wie in manchen Teilen Westeuropas. Wir haben auf deutschem Boden kein einziges prähistorisches Denkmal von wahrhaft monumentalem Charakter. Nur im Tiefland ist noch da und dort eine Steinsetzung an einsamer Stelle erhalten, die das Grab eines großen Mannes bedeckt, und wenige Höhen des Mittelgebirges sind von Ringwällen umzirkelt, deren schönste Beispiele der Allkönig im Taunus bietet. Auch das Fichtelgebirge hat schöne Reste davon. Manche die in einst slawischen Gebieten gefunden werden, ragen deutlich in die geschichtliche Zeit herein. Wohl werden auch in grauer Vergangenheit Völkerwellen von Osten, Süden und Norden her das in der Mitte Europas gelegene Land über- schwemmt haben; aber sie konnten dieses Land nicht bedecken. Sie breiteten sich ans den natürlichen Lichtungen in den Heiden und längs den Flnßlüufen ans. Die ältesten Wege auf deutschem Boden können nur Waldpfade gewesen sein, die die Lichtungen miteinander verbanden. Sie waren ebenso vereinzelt und abgebrochen wie der Verkehr, der sich auf die Verbindung der einander nüchstgelegenen, durch alte, geheiligte Formen die Gemeinsamkeit des Ursprungs bewahrenden Stämme be- schränkte. Selbst diese ließen weite Wildnisse, die höchstens Jagdgebiete

3. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 416

1911 - Leipzig : Dürr
416 Prosaheft Vil 46. Miederelöische Landschaft. Richard Linde, Die Niederelbe. (Berlin, Bielefeld und Leipzig, Verl, von Velhagen & Klasing.) Man kann es verstehen, wenn die niederelbische Landschaft nur in geringer Wertung steht. Sie verzichtet in der Tat auf alles oder doch auf fast alles, was gemeinhin sinnenfällig ist: grüne Waldwogen, schroffe Felsen, geschwungene Pfade mit verträumten Ausblicken, zwischen Moos- gestein zu Tal schäumenden Wildbach. Alle diese wundervollen Bilder des Felsenbodens suchen wir hier vergebens. Am Septembermorgen rohrt kein Hirsch, die Nachtigall selbst meidet dieses kahle Nebelland, kein Mädchen beugt sich über steingefaßten Quell, schreitet den Henkel- krug auf dem Haupt, die Hand erhoben, den Bergpfad hinab oder kommt, wenn der Tag sich gesenkt, zum Marktbrunnen zu fröhlicher Kurzweil. Hier steigt die wasserholende Magd in den Keller hinab, wo die Zisterne steht voll trüben Regenwassers, das der Filter erst trinkbar macht, ein häßliches, ganz unmalerisches Bild. Und doch ist auch diese scheinbar so reizlose Landschaft ein Kind ewig reicher Natur, und das Menschenleben ist hier wie dort organisch erwachsen. Man wird es versuchen müssen, diese Landschaft aus sich heraus zu verstehen, so wie man einen eigenartigen Menschencharakter aus gegebener Anlage und Lebensschicksalen abzuleiten versucht. Es ist überflüssig zu sagen, daß man nicht den Reiz der unbe- rührten Natur hier suchen soll. Die Marschen sind die ausgeprägteste Kulturlandschaft, die wir in Deutschland haben. Nicht nur die Ober- fläche hat der Pflug gewendet und die Saat begrünt, sondern der Boden selber ist unter der helfenden Hand des Menschen ausgeschüttet und geformt. Was hier liegt, ist das Ergebnis einer vielhnndertjührigen Arbeit. In diese große ebene Tafel ist alles Schaffen, alles Hoffen, alles Leiden, alles Gewinnen und Verlieren eingezeichnet. Ans Schlamm- und Schilswildnis ist durch Arbeit geadeltes Kulturland geworden. Nur der Außendeich und noch mehr der herrliche, breite Strom bewahren Bilder unberührten Naturlebens. Dieses Kulturland ist altes Wasserland. Wasser und Land durch- dringt sich hier so wie nirgends. Wasser wird zu Land, Land zu Wasser; zwischen den Häusern liegen die Schiffe und die Häuser auf Pfählen im Wasser. Das Wasser rinnt in der Tiefe, es quillt zutage, es überschwemmt die tiefer liegenden Striche, es webt im feuchten Nebel- schleier über dem Boden. Das ist die Mitgabe der Natur, das eigent- lich Besondere, aus der alle Eigentümlichkeiten in letzter Linie sich erklären. Von dem Wasser stammt die ebene Linie, das Elementare, der meergleiche Horizont mit dem unendlichen Himmelsgewölbe darüber. Das ist es, was das Menschenkind in der Fremde nie vergißt, wonach

4. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 417

1911 - Leipzig : Dürr
R. Linde, Niederelbische Landschaft. 417 es sich sehnt, wie der Schweizer nach seinen Bergen. Es ist wahr, daß die Linien auf die Dauer monoton wirken können. Das ist eben die Monotonie aller großen und erhabenen Natur. Aber die eigentliche bleierne Monotonie der endlosen Ebene fehlt. Überall winkt am Hori- zont der blaue Reif der Geest, und gleitende Rauchsäulen erinnern daran, daß inmitten der Ebene ein ewig belebter Strom seine breite Bahn zieht. Die Schlichtheit der Horizontlinie ist die reiche Quelle malerischer Vorzüge. Aus ihr erklärt sich der Bilderreichtum. Denn wo nur irgend eine Vertikale den Horizont schneidet, entsteht für das gleitende Auge ein Ruhepunkt, um den sich ein Bild gruppiert. So reiht sich hier Bild an Bild. Aber diese Bilder sind besonderer Art. Schaut man den Hintergrund an, so schrumpft die Erdscheibe zu einem schmalen Streifen zusammen gegenüber dem unendlichen Himmel. Faßt man den Vordergrund ins Auge, so erscheinen Gegenstände und Gestalten der Nähe riesengroß. Sie heben sich in machtvollster Silhouette empor, alles Beiwerk verschwindet, das Minutiöse, Kleinliche fehlt. Hinter dem Vordergrund gibt es nur die einfache Horizontlinie. Wo aber trgeuö ein Gegenstand auch im Mittelgrund aufragt, da legt sich in diesem Wasserlande feiner silbriger Duft um ihn, die Linien schwächend und löschend, daß der Vordergrund nur noch mehr hervortritt. So sind zweierlei Bilder für die elbische Wasserlandschaft charakteristisch, Vorder- grundsbilder mit mächtigster Silhouette und Hintergrundsbilder, wo alles in die großen Linien der Landschaft sich dienend einfügt. Diese Linieneinfachheit teilt sie mit jeder ebenflächigen Landschaft, dem Meere, dem Watt, dem Fjeld, der Heide, dem Moor. Eigentüm- lich dagegen sind diesem Wasserlande bestimmte Motive, die es nur hier gibt: das weißgraue Prielwasser, das umsäumende Schilf, die hangenden Weidenreihen, die Rinder und Rosse. Auch das besondere Menschen- leben. Es ist das uralte Gewerbe des Schiffers und Landmanns, das in seinen typischen Bildern von nie erschöpfter Schönheit sich hier ab- spielt: der Säemann, wie er in die aufgerissene Furche den Samen streut, die Schnitter, die Binderinnen, der Erntewagen, der Pflüger mit den braunen Rossen, über graue Schollen den Pflug führend. Oft kann man die Pflüger zu fünf oder sechs oder noch mehr zu gleicher Zeit erblicken, wie sie sich auf der fernen, sonnigen Erdscheibe in Mückengröße verlieren, über ihnen eine einzige Herbststurmwolke, vorn die hohe Weide mit silbrigen Blättern. Weiter elbabwärts gewinnt dieses uralte Bild von fast heiligen Linien einen ganz besonderen Zug. Da umflattern Hunderte weißer Möven den Pflüger mit den strebenden Rossen und leuchten lichtweiß über den dunkeln Boden. Und wie hier das alte Motiv des Pflügers besondere Form gewinnt, so wandelt sich elbauf- wärts in den Vierlanden die Schnitterin in das Bild der alten Bäurin, Lorentzen-Rode-Weise, Prosaheft Vii. 27

5. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 418

1911 - Leipzig : Dürr
418 Prosaheft Vii. die, selber in ihrer Tracht einer bunten Blume gleichend, aus dem Gold- lackselde aufragt oder, über den Vergißmeinnichtacker gebeugt, mit zittern- der Hand die Blüten sammelt, ein Bild zugleich von unsagbar farbigem Reiz. Den Bildern des Landlebens stehen die des Wassers gegenüber, dem Pfluge der Kiel, der die Salzwüste durchpflügt, der Riesendampfer mit den qualmenden Schloten, das Vollschiff mit Raaen und Masten, der gleitende Ewer, bald im schmalen Priel, bald auf weitem Strom, bald allein, bald vereinzelt, in schönster Perspektive hintereinander, dunkel im Licht schwimmend oder lichtdurchglüht auf dunklem Wasser. Oder es ist der Fischer selber, das Netz werfend, den Anker hievend, das Segel reffend, oder wieder das Idyll des ruhenden Kutters mit seinen Filigrannetzen, die sich wie Guirlanden von Mast zu Mast schwingen, von der zitternden Welle widergespiegelt. Das scheinen alles Bilder rein epischer oder idyllischer Art zu sein, und doch ist es bekannt, wie sie sich in der Sturmnacht des Winters zu höchster dra- matischer Kraft erheben. Das Charakteristische dieser Bilder ist schlichte Größe und monu- mentale Kraft zugleich. Dazu paßt die dem Wasserlande eigentümliche Vegetation. Die Bäume wachsen nicht zusammengedrängt, wie im Walde, von Lichthunger aufwärts getrieben, sondern weit in Abständen, gleich- mäßig von Luft und Licht genährt. So gewinnen sie in sich vollendete Form, wie die Natur sie wollte. Sie wachsen zu Jdealtypen ihrer Gattung. Daher sieht man nirgends so mächtige Baumsilhouetten auf- ragen wie hier. Es kommt hinzu, daß die Bäume des Wasserlandes schon an und für sich etwas Vollsaftiges, Vollaubiges, Starres, Plastisches haben, so der eigentliche Charakterbaum der Marsch, die graugrüne Weide, die dunkellaubige Erle, die Linde, die wundervolle Esche, die Schwarzpappel, der Nußbaum oder die Kastanie, die den Deich begleitet. Welcher Unterschied etwa gegenüber der Heidebirke im dürren Sand- boden mit den zierlichen Zweigfäden, die der leiseste Windhauch in Schwingungen versetzt, während hier den starren Wasserbüumen kamn der stürmende West die plastische Form nehmen kann. Auch die niedere Strauchvegetation zeigt in anderer Weise wieder dieselbe Formenge- bundenheit, das Schilf mit den steifen Süulenschäften, der Sumpfkolben mit den schranbig gedrehten Blättern, die hohe Iris, das weißblühende Kälberkraut, das alle Gräben umsäumt, die Klettenvegetation, noch mehr der überall wuchernde Lattich, der wie Rhabarberkulturen den Tonboden bedeckt. Dahin gehören auch die gelbe und weiße Seerose mit den wie aus Wachs gearbeiteten Blättern, die auf den Hausgräben schwimmt. Die Salzpflanzen der äußersten Unterelbe von der hohen Meerstrand- aster bis zur Besengestalt des Quellers fügen sich ein, überall in Form gebundene Vegetation. Zu ihr paßt das Tierleben. Auch hier zeigen sich, wohin immer

6. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 419

1911 - Leipzig : Dürr
R. Linde, Niederelbische Landschaft. 419 das Auge blickt, Bilder plastischer Art von altem Reiz: die Gänse, die Schafe mit den Lämmern, die Rinder, weidend oder im Grase ruhend, die Rosse am Gatter, den schlanken Hals aneinander geschmiegt. Bei weitem das schönste Tierbild ist der junge Stier, wie er mit dumpfem Stöhnen und heißem Atem den Priel durchwatet, oder auch, wie er ruhig am Gatter steht, den Kopf erhoben, Nacken und Rücken eine gerade Linie, die Schenkel gestemmt, ein Bild starrer, gebundener Urkraft. Der schweigende Mittag zeigt den besonderen Charakter jeder Land- schaft gesteigert. Niemals wirkt das Waldweben geheimer, die blühende Heide traumverlorener, die südliche Felsenlandschast sonnendurchglühter als am Mittag. So tritt auch in der Marschlandschaft das Plastisch- Gebundene am Mittag am stärksten hervor. Gänzlich fehlt das geheimnis- volle Raunen der Blätter. Wie leblos stehen Eschen und Weiden, kein Hauch in dem starren Schilf, Roß und Rind wie aus Bronze geformt, die Schafe lagern bewegungslos am Prielufer, die Enten schlafen am Deich, nur unmerklich rinnt das Prielwasser aufwärts. Der Mittagsstille ist der Mondzauber verwandt. Auch dann be- gegnet uns ein ähnliches Bild bewegungsloser Plastik. Jede Einzelheit des Laubwerkes ist verschwunden, die blauen Baumgestalten wirken als körperhafte Massen, nur auf dem spiegelnden Schilfwasser glitzert ein wirres Spiel, Ring an Ring auftauchend und gibt Kunde von dem geheimnisvollen Leben der Tiefe. Bisweilen erscheint der plastisch monumentale Charakter der Land- schaft geradezu ins Stilisierte gesteigert. Bei der ausgeprägten Eben- flächigkeit und Bodengleichheit lag für den bauenden Menschen nirgends ein Grund vor, von der mathematisch kürzesten geraden Linie abzugehen, und so ist jeder Graben, jeder Weg, jede Furche, jede Hecke, jede Straße geradlinig. Dazu tritt die Regelmäßigkeit der Linie in dieser Kultur- landschaft. Das Zufällige fehlt. Gleichweit laufen die Ackerstücke, in gleicher Entfernung sind Bäume, Büsche und Stauden gepflanzt. Auch Haus und Hof zeigen die gleiche gebundene Linienführung. Geradlinig der Hausgraben, die Weiden-, Pappeln- und Eschenpslanzungen, Garten und Beete geometrisch abgeteilt, steife Wacholder- und Lebensbäume drinnen oder bunte Glaskugeln auf hohen Stäben. Eine geradlinige Allee beschnittener Bäume führt auf die Hadler Höfe, beschnittene Schutzbüume umgeben die Front und spiegeln sich, die Wirkung ver- stärkend, mit den Bäumen und Büschen des Gartens im Hausgraben wieder. Auch das Haus selber ist in Form gebunden, schematisch das Balkonwerk, das Sckffteinmofaif; bald Zickzackmuster, die über die Hausfront hinlaufen, bald vielgestaltige Einzelmuster wie Teppichgewebe zwischen dem Balkengefüge. So namentlich im Alten Lande. Hwrher gehört auch das besonders stilisiert wirkende Bild der vielen Mühlen, namentlich der Wilstermarsch, die sich in langer Reihe und regelmäßigem 27*

7. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 420

1911 - Leipzig : Dürr
420 Prosaheft Vii. Abstand, die Flügel seitwärts gestreckt, den Kanal entlang ziehen. Auch die Pfahlbündel der Dükdalben in regelmäßigen Abständen und von gleicher geometrischer Gestalt sind hier zu nennen. Verwittert und zer- splissen, wieder ein Stück Natur geworden, ragen sie steif und starr aus dem Strom empor. Zu dieser großzügigen, in Formen gebundenen Landschaft gesellt sich die Farbe. Auch sie ist durch das Wasser bedingt. Einmal die Farbe an sich. Gegenüber dem Gelbgrau und Braun der Geest ist das Mattgrün der Wiesen und das Lichtblau des Stromes die eigentliche Farbe des Wasserlandes. Selbst im Hochsommer, wenn längst auf der Geest das Laub sich gefärbt und die Ährenselder weiß geworden, leuchtet hier noch im frischen Zauber Wiese, Feld und Gezweig. In den Mooren ist der Boden dunkelbraun, im Frühjahr gesprenkelt durch nickendes Woll- gras, im Spätsommer mattschimmernd von blühender Heide. Der Gegen- satz zwischen dem Grün der Marsch und dem Braun der Geest ist überall typisch. Am überraschendsten wirkt dieser Terrassengegensatz zwischen Altenwalde und der Wursterheide; nur ein paar Meter höher nichts als braune geschwungene Wildnis. Er wiederholt sich dann wieder — viel- leicht noch schöner — jenseits Neuenwalde. In wenigen Minuten wandelt sich die braune Erdscheibe in eine grüne. Ein anderes Farbenbild zeigt die herrliche Strandnelkenvegetation in Neuwerk, ein einziges rosiges Blütenmeer, bei Sonnenuntergang von unsagbarem Zauber. Neuwerk vor allem ist reich 'an Farbengegensätzen. Nicht leicht läßt sich etwas Reizvolleres denken als das Weiß der Tausende von Marienblümchen am mattgrünen Deich, diesseits die blütengelbe Wiese, jenseits das leuchtende Rosa der Millionen und Abermillionen von Strandnelken, in der Ferne das lichtblaue, segelbelebte Meer mit der graugelben Wüsten- landschaft der Sande und Watten. Am Sommerabend kann man hier Farbenbilder erleben, wie sie keine südliche Landschaft leuchtender zeigt. Noch besonderer vielleicht ist das endlose Rapsfeld, überall funkelndes Gelb, während jenseits des Deiches die schaumköpfigen Wogen dunkel- farbig heranrollen. Verwandt ist der gelbe Teppich der Sumpfdotter- blume, der den lichtblauen Strom im ersten Frühling verbrämt, bis das wuchernde Schilf ihn verdeckt. Auch der Elbstrom ist weit farben- reicher, als man gewöhnlich annimmt. Gerade der Hamburger sieht seinen Strom von der „verkehrten" Seite, dem Bergufer, gegen das Licht. Dann erscheint er grau, silbrig, mattviolett oder glitzernd im Spiel der untergehenden Sonne. Die eigentliche farbige Leuchtkraft offenbart er erst vom linken Wiesenufer, wo man ihn mit dem Licht sieht, also etwa von Neuenfelde, Kranz, vom Asseler Sand und von Krautsand. Bei frischem Ostwind bietet sich hier das Bild einer blauen Ostseebucht. Welle auf Welle rollt weißschäumend heran — „de Elv geiht in Hemdsärmeln", heißt es im Volksmunde. Schöner noch er-

8. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 422

1911 - Leipzig : Dürr
422 Prosahest Vii. hm in dunkles Violett bis Ultramarin wandelt und das Fleetwasser das weiche Farbenspiel umgekehrt wiederholt. Das hat noch kein Maler gemalt. Und wieder durch die Staubfülle erklärt es sich, daß gerade die Sonnenuntergänge in dem Wasserdunst des Hafens von unvergleich- licher Schönheit sind. Sie können bisweilen in ihrer Leuchtkraft an die Farbenschönheit der Sonnenuntergänge nach dem Krakatoaausbruch er- innern. Und da ein gnädiges Schicksal den Elbbusen nach Sonnenunter- gang richtete, im Gegensatz zur Trave, der Kieler Föhrde oder der Themse, so spiegeln Welle und Strom den Lichtzauber wider. Daher kommt es, daß Abend für Abend sich ein glühendes Lichtmeer in den Strom ergießt und zur Winterszeit zwischen den blauen Eismassen Ströme rieselnden Goldes erglänzen, auf denen die lichtumsponnenen Silhouetten ankommender Dampfer langsam Heraugleiten, umschwärmt von Hunderten von Möven. So kommt auch das Gegenlicht zu seinem Rechte. Und wieder aus jenem Wasserreichtum der Atmosphäre erklärt sich die Größe der Wolkenbilder. In ungebrochener Kraft schieben sie sich vom nahen Meere her. Gerade zur Herbstzeit kaun man sie in riesiger Größe über dem Elbbusen aufsteigen sehen, oft nur eine einzige Wolke, einem grauen Riesengeier gleich, der, zum Zenith sich hebend, mit gestreckten Fängen die Himmelswölbung umklammert. Oder es gleißt und flackert stunden- lang hinter den dichten Wolkenschichten von geheimem Leben. Zu diesen mehr allgemeinen Merkmalen in Linien und Farben treten Einzelbilder, die es nur hier geben kann. Dahin gehören vor allem die Deichbilder des Wasserlandes. Schon an und für sich ist der Deich von hohem Reiz mit seinem Idyll der weidenden Schafe und Ziegen, der Rinder und Rosse, der spielenden Kinder, der hangenden Fischernetze, der Gatter und Treppen, der weißgestrichenen Bänke, wo abends die Mädchen sitzen und der Wind erfrischend über den Strom weht. Man muß einmal im Herbst und Hochsommer die Nebendeiche sehen, nicht wenn sie „schaubar" gemacht worden sind, sondern kurz vorher. Dann sind sie erst in Wahrheit „schauenswert", meterhoch mit malerischem Unkraut bedeckt, Rainfarn, Schafgarbe und Glockenblumen. Nur im Salzwassergebiet ist der Deich kahl, im Süßwassergebiet da- gegen von Eschen und Weiden begleitet, an den Nebendeichen mit Kastanien-, Wallnuß- und anderen Fruchtbäumen bepflanzt, deren Herbst- segen in schwerer Fülle über dem Wanderer hängt. Der Höhepunkt dieser niederelbischen Fruchtbaumlandschast ist der Lühe-, Este- und Krückaudeich zur Zeit der Obstblüte. Eine Mondnacht oder ein sonniger Morgen, wenn die Milliarden weißer Blüten, von Bienen umsummt, sich im Wasser spiegeln, hat seinesgleichen nicht in Deutschland. Da mm der Deich wie ein gleichmäßig erhöhter Weg das ganze Wasserland durchzieht, so öffnet sich der Blick nach beiden Seiten in die Wildnis des Außendeichs und die Gartenlandschaft des Binnen-
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