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1. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 6

1911 - : Crüwell
6 allen Ausdruck, während das Schreien unangenehm und wüst klingt. — Den richtigen und wahrhaft guten Ton zu finden, lehrt allein ein gutes Herz. 5. (Eine wichtige Kunst für jeden Tag. Sparen! Dies Wörtchen bedeutet für manche Menschen eine Kette von Entbehrungen. Ls weckt in ihren Köpfen unangenehme Vorstellungen von Einschränken, Entsagen und Sichselbstüberwinden. aber ist es wirklich so schlimm? Legt die so wenig geübte Kunst des Sparens uns wirklich drückende Entbehrungen auf? Birgt sie nicht auch manche stille beglückende Freude in sich? Freude am eigenen Besitz, eine behagliche Zukunft, das beglückende und erhebende Gefühl der inneren Vervollkommnung, der Herrschaft über sich selbst. Sparen und Entbehren, das sind zwei grundverschiedene Be- griffe. Sparen heißt noch lange nicht geizen. Nicht am Notwen- digen und Unentbehrlichen soll abgezogen, nicht auf Kosten anderer gespart werden, sondern am Überflüssigen, an dem, was sich ent- behren läßt. Und wie vieles gibt es da nicht, an dem die Kunst des Sparens erprobt werden kann. Da sind so manche ausgaben für überflüssigen Tand, für Vergnügungen, die in Wirklichkeit gar keine sind, weil sie ein Gefühl der Leere in uns zurücklassen. Va sind die vielen ausgaben, die unsere Eitelkeit, unsere Putzsucht und Nasch- haftigkeit von uns fordern, hier heißt es die ersten Sparversuche machen. Freilich eine kleine Überwindung wird es wohl kosten, wem so ein schöner Hut ins äuge sticht oder eine hübsche Bluse, eine Schleife, ein Band, oder wer eine große Neigung zum Naschen hat, dem kommt das Verzichten zuerst wohl etwas hart an, und gerade die Jugend ist einem verzichtleisten auf derartige Dinge nicht besonders hold. wozu sparen? Das Leben ist noch so lang. Und wie heißt es im Liede? „Genieße, solange das Leben noch mait. Noch sind die Tage der Kosen." wozu soll ich sparen? Die Frage, die so manches junge Mäd- chen an sich stellt im Mai des Lebens, wo ihnen tausend Freuden und Genüsse winken, hat eine gewisse Berechtigung. Denn wozu sparen, wenn man nicht weiß warum. Das aber ist es gerade, was viele vom Zurücklegen abhält. Ein Ziel muß ins Nuge gefaßt werden. Ein Pilger, der eine Wallfahrt unternimmt, der Missionar, der das Evangelium unter die wilden Völkerschaften trägt, ein Schiff, das der Heimat zusteuert, sie alle haben ein Ziel, und sie alle suchen es zu er- reichen auf dem einen oder andern Wege. Buch denen, die durch die *

2. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 28

1911 - : Crüwell
28 hinwegzutäuschen, der hört inmitten dieser wortreichen Trauer fort und fort das eine anklagende „Zu spät!" Wer kann am Sarge eines teuren Toten stehen, ohne sich zu sagen: Ganz anders hättest du ihn betreuen können! Ganz anders hättest du den '-schätz von Liebe und Leben, den dir der Herrgott anvertraut hatte, ausmünzen müssen! Viel, viel zuwenig bist du dem Heimgegangenen gewesen! Und wenn dann der Nachlaß geordnet wird — ach! wie oft sind, Söhne, die längst im harten Leben standen, im tiefsten Innern erschüttert worden, wenn sie sahen, mit welcher rührenden Sorgfalt die Mutter jede Zeile von der Hand des Sohnes im verschwiegenen Kästchen aufbewahrt hatte: Kinder- briefe und Jünglingsbriefe, Karten und flüchtige Mitteilungen^- Mutterhand hat das alles gesammelt, obschon es kaum des Sam- melns wert war. Wie anders hätte man schreiben sollen, wie viel häufiger und herzlicher! Da klingt neben dem Grundton der Trauer und liber die Terz der Klage hin die Quinte des Schuldbewußt- seins — daß du doch mehr geliebt hättest! Zu spät! — Kennst du die Sage vom Totenvolk? Durch die Novembernacht schreitet's dahin, langsam und feierlich. Reihe an Reihe zieht es durch die schweigende Dorfstraße, ein unabsehbarer Zug von Männern und Weibern, Kindern und Greisen, und der Lauscher, der am Kammerfensterlein steht, sieht unter dem Totenvolke manche bekannte Gestalt: Menschen, die ihm einst nahe standen im Leben und nun längst unter dem grünen Hügel ruhen, liebliche Kinder und zittrige Greise, kraftvolle Jünglinge und blühende Jung- frauen, liebende Mütter und sorgende Väter; gespenstisch wallt's daher, und dem Lauscher schlägt das Herz lauter an die Rippen. Hast du uie das Totenvolk geschaut, wenn in schweigender Nacht der Schlaf deine Lider floh und deine Gedanken auf den Pfaden der Erinnerung wanderten? Draußen war das Geräusch der Straße längst verhallt, und nur der Schall eines einsamer Menschen- schrittes klang an dein Ohr, aber vor deiner Seele wurde es lebendig, und Bild um Bild stieg auf, verschwommen und in Nebeln und Wolken zuerst, dann näher und greifbarer. Und nun liegt es vor dir in hellem Lichte: die Heimat mit den Teuren, die einst deine Jugendhüter waren, die Fremde, durch die einst dein Fuß schreiten mußte, und alles, was du einst besessen, gewinnt Gestalt und Leben und schaut dich mit großen fragenden Augen an: die du geliebt hast und mit denen du in den fröhlichen Tag hinausgewandert bist, die sich um dich sorgten und bangten, die mit dir gerastet haben und mit dir eine Weile fröhlich gewesen sind, die dir Kümmernisse bereitet und Wunden geschlagen haben: alle, alle stehen vor deiner Seele, als ob's gestern gewesen sei, daß sie von dir gingen. Und mit ihnen werden längst vergessene Worte wieder lebendig, und seltsame Fragen steigen auf, und durch die Nacht raunt dir der Geisterchor zu:

3. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 60

1911 - : Crüwell
60 Das entwürdigt, führt zur Heuchelei und zum Lügen und würde Dich schließlich zu einer unglücklichen Bettlerin, vielleicht sogar zu einer verachteten Diebin machen. Trotz der bescheidenen Verhältnisse, in denen Du Deine Kind- heit verlebt hast, bist Du reicher, als Du vielleichst denkst. Du stehst in der schönen Zeit der Jugend; der liebe Gott hat Dir ge- sunde Arme und Hände zur Arbeit und einen klaren Kopf gegeben. Das ist ein dreifaches Kapital, von dem Du mit Fleiß und Streb- samkeit hohe Zinsen erhalten wirst. Das erste, die Zeit, ist von unschätzbarem Wert. Jede Stunde ist kostbar. Du kannst sie benutzen, um zu arbeiten und zu lernen; Du kannst sie aber auch vergeuden durch Tändeln oder Müßig- gehen. Die vergeudete Zeit kommt nie wieder. Möchte doch jeder Stundenschlag der Hausuhr Dich mahnen an die Flüchtigkeit der Zeit und Dich anspornen zum Fleiß! Deine Gesundheit, Deine kräftigen Arme und gewandten Hände, um die so viele kranke und schwache Mädchen Dich be- neiden, sind das zweite Kapital, das Gott Dir verliehen hat. Jetzt schon bringt es Dir schone Zinsen, da Du imstande bist, Dir das tägliche Brot und die Kleidung selbst gn verdienen. Bei emsigem Fleiß und steter Sparsamkeit wirst Du schon bald manch schönes Stück Geld ansammeln können für Deine Zukunft. Doch nicht allein um des Geldes willen sollst Du fleißig sein; die Arbeit sel- der mußt Du lieben. Eine rauhe Arbeitshand ist für ein Mäd- chen ein besserer Schmuck als goldene Ketten und glänzende Arm- bänder. Arbeit macht die Hände zwar rauh, aber die Seele froh und heiter. Gebrauche bei Deiner Arbeit aber auch redlich das dritte Kapital, welches Gott Dir geschenkt hat, Deinen guten Verstand. Arbeite nie gedankenlos und blind in den Tag hinein, sondern über- lege stets, was Du zuerst und wie Du jedes Teil am besten ver- richten sollst. Besonnenheit und Nachdenken verschaffen erst die rechte Freude an der Arbeit. Würdest Du jemals träge und mit Widerwillen arbeiten, dann würde gar bald der Frohsinn aus Dei- nem Herzen entschwinden; Mißmut würde dich beherrschen, und Müßiggang würde Dich in Sünde und Armut stürzen. Denn Arbeitscheu und Müßiggang verzehren allen Wohlstand, zerstören den Frieden des Herzens und alles häusliche Glück. Und nun tritt mutig ein in ein arbeitsvolles, fleißiges, fröh- liches Jugendleben! Bewahrest Du mein Testament stets treu in Deinem Herzen, dann findest Du ganz sicher hienieden das häus- liche Glück und einstens die ewige Gliickseligkeit.

4. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 70

1911 - : Crüwell
70 lichen Verhältnissen. Ich erfuhr, daß sein Gehalt bewunderungs- würdig klein war, und daß er dafür ebenso bewunderungswürdig viel zu tun hatte. „Ja, früher, in der sogenannten Gründerzeit," sagte er, „da war's besser, da gab's auch mancherlei Nebenverdienst. Wir gehen alle Jahre zweimal ins Opernhaus in eine recht schöne Oper, und damals haben wir uns gar bis in den zweiten Rang ver- stiegen, wo wir ganz stolz und preislich saßen und vornehme Gesich- ter machten und dachten, es käme wohl nochmal eine Zeit, da wir noch tiefer sinken würden, bis unten ins Parkett, von wo die glänzenden Vollmonde wohlsituierter, behäbiger Rentiers zu uns emporlenchteten. Es kamen aber die sogenannten schlechten Zeiten, und endlich ereignete es sich, daß unser Chef einen Teil seiner Be- amten entlassen und das Gehalt der andern sehr bedeutend redu- zieren inußte. Ja, da sind wir wieder ins Amphitheater emporge- stiegen. Im Grunde ist es ja auch ganz gleich, ich finde sogar, die Illusion wird befördert durch die weitere Entferimng von der Bühne. Und glaube nur nicht, daß dort oben keine gute Gesellschaft vorhanden ist. Dort habe ich schon Professoren und tiichtige Künst- ler gesehen. Dort sitzen oft Leute, die mehr von Musik verstehen als die ganze übrige Zuhörerschaft zusammengenommen, dort sitzen Leute mit Partituren in der Hand, die dem Kapellmeister Note für Note auf die Finger gucken und ihm nichts schenken." Es war elf Uhr, als ich mich verabschiedete. Zuvor wurde ich in die Schlafkammer geführt, um die Kinder zu sehen, die in einem Bettchen lagen in gesundem, rosigem Kinderschlafe. Hühnchen strich leise mit der Hand über den Rand der Bettstelle: „Dies ist meine Schatzkiste," sagte er mit leuchtenden Augen; „hier bewahre ich meine Kostbarkeiten — alle Reichtümer Indiens können das nicht erkaufen!" Als ich einsam durch die warme Sommernacht nach Hanse zurückkehrte, war mein Herz gerührt, und in meinem Gemüt bewegte ich nmncherlei herzliche Wünsche für die Zukunft dieser guten und glücklichen Menschen. Aber was sollte ich ihnen wünschen? Würde Reichtum ihr Glück befördern? Würde Ruhm und Ehre ihnen ge- deihlich sein, wonach sie gar nicht trachteten? Gütige Vorsehung, dachte ich zuletzt, gib ihnen Brot und gib ihnen Gesundheit bis ans Ende — für das übrige werden sie schon selber sorgen. Denn wer das Glück in sich trägt in still zufriedener Brust, der wandelt son- nigen Herzens dahin durch die Welt, und der goldene Schimmer verlockt ihn nicht, dem die andern gierig nachjagen; denn das Köstlichste nennt er bereits sein eigen.

5. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 166

1911 - : Crüwell
166 den Hof gemacht. Was sie aber am meisten an ihm entzückte, das war seine Heiterkeit und sein Witz. Daß er den letzteren stets ans Kosten des lieben Nächsten übte, daß der himmlische Prinz ein Spötter war, hatten sie bald entdeckt, und sie bemühten sich aus vollen Kräften, diesen fadendünnen Spalt an dem Panzer seiner Vollkommenheit zu erweitern. Dies geschah aus weiblichem Instinkt. Jedes Edelfräulein, mit dem er gelacht und gescherzt, war über- zeugt, seiner Schwäche am geschicktesten geschmeichelt und damit sein Herz gewonnen zu haben. Doch keine dieser Hoffnungen erfüllte sich, und eines schönen Tages war der Prinz ebenso plötzlich wie er gekommen, verschwunden. Dasselbe wiederholte sich in vielen andern Städten. Der Prinz begann seine Freudigkeit einzubüßen; sein Witz wurde immer schonungsloser; er spottete nicht mehr, er lästerte. Sein Erden- wallen, das fühlte er wohl, machte ihn nicht besser, und am meisten kränkte ihn, daß er nun in seinen eigenen Augen an Wert verlor. Die Väter, die Mütter, die Töchter trieben nach wie vor Ab- götterei mit ihm und verehrten jedes seiner Worte. „Ewiges Einerlei!" sagte er oft laut vor seinem ganzen Ge- folge. „Ich werde heimkehren zu meiner königlichen Mutter als alter Junggeselle." Und wirklich begann er zu versauern wie ein solcher. Endlich ergriff ihn ein ungeheurer Ekel. „Laß satteln! Unsere Wolken vor! Die schwärzeste für mich!" befahl er seinem Oberstallmeister. „Wir reiten!" „Heute, Eure Hoheit?" versetzte der Würdenträger. „Ist heute nicht Hofball, den Eure Hoheit besuchen müssen?" Der Prinz gab das zu und ging auf den Ball. Aber er tanzte nicht, schwatzte nicht, lachte nicht. Er stand in einer Ecke, sah den schönen, jungen Damen, die im Takt an ihm vorüberschwebten, traurig nach und seufzte: „Keine, keine einzige!" Die Melancholie des Prinzen war aufs höchste gestiegen, als er plötzlich am andern Ende des Saales ein liebliches Mädchen erblickte, das ruhig dasaß und wie er dem Tanze zusah. Sie jedoch tat es mit Heller Zufriedenheit und schien seelenvergnügt. O Seele! dachte der Prinz, wie schön mußt du sein, um dich so zu vergnügen am Vergniigen der andern! Sanft, aber unwider- stehlich angezogen, trat er vor das liebliche Mädchen hin, verbeugte sich und fragte: „Sie tanzen nicht, mein Fräulein?" Sie stand auf, erwiderte seine Höflichkeit und, nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, auch seine Frage: „Nein, mein Herr." „Und warum nicht?" „Weil ich keinen Tänzer bekommen habe," ant-

6. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 227

1911 - : Crüwell
227 beschieden war, ist gleichwohl ein sonderliches gewesen, denn jenes Knäblein ist nachmals der große deutsche Dichter Johann Wolfgang Goethe geworden, und er hat alle seine Lebtage immer sehr viel von seiner Mutter gehalten und gemeint, von der hätte er nicht sein schlechtestes Teil geerbt: „Voin Vater hab' ich die Statur, Des Lebens ernstes Führen, Vom Mütterchen die Frohnatnr Und Lust zu fabulieren;" — von welchen beiden Stücken das letzte bekanntlich einem Dichter un- entbehrlich und das erste sehr nützlich ist. Wer darum den Dichter Goethe gehörig kennen lernen will, der darf an seinem Mütterchen beileibe nicht vorübergehen. Sie war eine rechte deutsche Frau, die gar manchem und gar mancher zum Vorbilde dienen kann. Damals, als sie ihr erstes Kind in den Armen hielt, war sie noch nicht neunzehn Jahre alt, denn am 19. Februar 1731 war sie geboren und am 20. August 1748 Ehefrau des Kaiserlichen Rats Johann Kaspar Goethe geworden. Ihr Vater, der Stadtschultheiß Textor, stand an der Spitze des Rates der Freien Reichsstadt Frank- furt. Obwohl er aber so ein hochgestellter und kluger Mann war, hat er seine Töchter doch nicht allzuviel mit den Wissenschaften be- lästigt. Man war damals schon zufrieden, wenn nur die Söhne das Nötige wußten. Nicht einmal das Französische hat sie gelernt, wo- mit doch so viele den Anfang machten, und auch in den übrigen Stücken stand es nur kümmerlich. Dafür aber war sie an Leib und Seele gesund, auch gehorsam und fromm, und das ist am Ende die Hauptsache. Da hat sie nun wohl immer sehr ernst und schwermütig auf die Welt herabgesehen und allen Freuden den Rücken gekehrt? Weit gefehlt. Es gab in ganz Frankfurt kein fröhlicheres Menschenkind, das allem Traurigen so gern aus dem Wege ging und am Scherzen und Lachen so herzlich Gefallen fand. Zwar die bösen Stunden traten auch ungebeten ins Hans. Ihr Eheherr, der zwanzig Jahre vor ihr voraus hatte, war ein strenger und harter Mann und legte den Seinen nicht selten drückende Lasten auf. Darum hat seine Gehilfin auch oft, wenn es in der Freundschaft einen Riß gab, die erhitzten Gemüter beruhigen und das Ungerade wieder ins Gleiche bringen müssen. Wenn aber einmal etwas gar zu Schweres ihr zu- stieß, dann schlug sie sich flugs einen tröstlichen Spruch auf, und alsbald waren alle Regenwolken von der Sonne des fröhlichen Gott- vertrauens verscheucht. Darum verschreibt sie auch einem gelehrten Doktor, der von Schwermut geplagt ward, folgendes Rezipe: „In 15*

7. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 231

1911 - : Crüwell
231 gar aus Weimar inzwischen ein Brief oder Geschenk eingelaufen dann war der Festtag noch einmal so groß, und das Vorlesen und Bewundern nahm gar kein Ende. Am andern Tag aber wußte die ganze Stadt, was im Goetheschen Hause wieder für Freude ge- wesen sei. 3. Von der Königin Luise und ihren Geschwistern. Im Herbst des Jahres 1790 war in der alten Reichsstadt Frankfurt wieder ein mächtiges Treiben. Viele hohe Herrschaften, Regenten und Gesandte waren herzugeströmt, die Krönung Kaiser Leopolds mitzufeiern. Für jeden von ihnen hatten die Quartier- herren Unterkommen zu schaffen. Auch die Frau Rat im großen Hirschgraben mußte ihr Teil haben. Wer wird's nur werden"? Da trat eines Tages eine ganze kleine Familie bei ihr ins Haus. Die vierzehnjährige Prinzessin Luise von Mecklenbnrg-Strelitz war die älteste, ihre zwölfjährige Schwester Friederike die zweite und ihr elfjähriger Bruder, Erbprinz Georg, der dritte. Eine Hofdame und andere Diener begleiteten sie. Als die Hofdame noch mit Frau Rat im Gespräch war, hatten die Kinder sogleich sich auf Kundschaft begeben und den Weg durch die Hintertür gefunden. Triumphierend kamen sie zurück. „Liebe Frau Rat, auf dem Hofe steht ein Brun- nen. Dürfen wir wohl versuchen, ob wir Wasser daraus pumpen können?" „Gewiß, Prinzeßchen, dürfen Sie das; pumpen Sie nur nach Herzenslust." Die Hofmeisterin wollte Einspruch tun gegen solche unfürstliche Hantierung. Aber Frau Rat nahm sich der Kinder so tapfer an, daß sie die Segel streichen mußte. Und die Prin- zessinnen hoben und drückten den Schwengel aus Leibeskraft und freuten sich über jeden Wasserstrahl, der aus dem Rohr in die Stein- schale hinabfloß. Solch herrliches Vergnügen hatte man ihnen noch in keinem Schlosse erlaubt. Als die eine von ihnen längst Königin Luise und die andere Prinzessin Ludwig von Preußen geworden war, dachten sie noch immer mit Entzücken an jene Pumpenlust. Leider stiegen auch diese herrlichen Tage nur allzubald in das Grab hinab. Aber sie stiegen nicht hinab, ohne auch der Frau Rat, die mit den Kindern wieder ein Kind geworden war, etwas Schönes zu hinterlassen. Der Vater des jungen Kleeblatts schenkte ihr eine prächtige Dose mit seinem Namenszug — sie nahm nämlich von Zeit zu Zeit gern ein Prischen — und dankte ihr warm für die Freude, die sie seinen Kindern bereitet habe. Als diese selbst aber zu Ehren und Thronen emporgestiegen, da war es ihr immer, als hätte auch sie ein bißchen mit dazu geholfen, und als gehörten sie ihr noch mehr als den andern zu. Darum haben sie auch alle so

8. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 215

1911 - : Crüwell
215 ins Lächerliche ziehen wollen. Vernünftiger Ernst ist immer angenehmer als törichte und gemachte Lustigkeit. Maßhalten soll man nicht nur mit Lachen, sondern auch beim Lachen. Gewiß darf man ruhig von ganzem Herzen sich der Heiterkeit hingeben, es schadet gar nichts, wenn man auch einmal Tränen lacht; aber ausgelassen und maßlos soll das Lachen niemals sein. Ein wildes, wieherndes Gelächter macht schon äußerlich einen unangenehmen Eindruck und ist zugleich ein Beweis, daß die Selbstbeherrschung fehlt. Auch in Lust und Fröhlichkeit muß man sich in der Gewalt behalten. Wer kann sich vorstellen, daß der Heiland jemals in lautes, schal- lendes Gelächter ausgebrochen sei ? Ob er wirklich gelacht hat, wissen wir nicht einmal, wohl, daß er geweint hat; sicherlich wird aber auch ein freundliches Lächeln oft sein Antlitz verklärt haben. Sonst hätten sich die Kinder nicht so von ihm ange- zogen gefühlt. Es gibt auch ein schlechtes Lachen. Wenn einer lacht über Religion und heilige Dinge, so ist dies Lachen gottlos. Wenn einer lacht über die Not oder über die Gebrechen seiner Mitmenschen, so ist dies Lachen grausam. Immer ist ein sol- ches schlechtes Lachen sündhaft, das Zeichen eines schlechten Charakters. Man sollte nicht einmal über eine Torheit lachen, die ein anderer aufrichtig ernst nimmt; wer Zartgefühl hat, wird es nicht übers Herz bringen. Nicht mit Unrecht pflegt man zu sagen: Am Lachen erkennt man den Menschen, oder: Sage mir, worüber du lachst, und ich will dir sagen, wer du bist. Mit einem einzigen Lachen verrät der Mensch oft mehr, als man durch jahrelange Beobachtung seines Lebens erfahren kann. Ein einziges Lacken kann oft tiefer verwunden als das härteste Wort. Nicht immer ist das Lachen ein Zeichen der Freude. Es gibt auch ein bitteres, ein höhnisches, ein zorniges Lachen. Dann ist es nicht schön, nicht erquickend und befreiend, son- dern wie ein Krampf, wie eine Grimasse, die unheimlich aus- sieht. Es hat nur den Körper des Lachens, aber darin lebt eine fremde Seele. Ja, man sagt, daß der Mensch auch in großer Qual und Verzweiflung, wenn ihm die Tränen ver- siegen, und wenn jeder Laut des Jammers verstummt, weil er zu schwach ist, in ein grelles, entsetzliches Lachen ausbrechen kann. So mögen die Verdammten lachen in der Hölle. Wir wollen die schöne Gabe, die Gott uns zum Troste und zur Erheiterung verliehen hat, nie mißbrauchen! Das

9. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 217

1911 - : Crüwell
217 wollen, außerdem aber nur noch dumme Jungen. Es gibt unter letzteren allerdings auch Menschen, die über fünfzig Jahre alt sind. Wenn du Bücher kaufst, fo scheue die kleine Mehrausgabe nicht und kaufe gebundene Bücher. Tiefe hast du zehnmal länger als ungebundene, und du erlebst viel mehr Freude an ihnen. Ge- bundene Bücher sehen immer anständig und ansehnlich aus, selbst wenn sie schon sehr alt sind. Welch widerwärtigen Eindruck tnacht dagegen ein vielbenutztes ungebundenes, aus einzelnen Stücken be- stehendes, schmutziges und zerrissenes Buch, von dein eigentlich nur noch Überreste vorhanden sind. Kannst du das Buch nur in un- gebundenem Zustande beschaffen, so laß es einbinden, bevor du es aufschneidest und zu lesen beginnst. Sauber und reiickich wird das Buch nur, wenn es in unaufgeschnittenem Zustande zum Buchbinder kommt. Dieser kann bei einem Buche, das in unzusammenhangen- den Stücken zu ihm kommt, nichts Gutes mehr leisten. Laß Bücher nicht allenthalben in deiner Wohnung herumliegen. Abgesehen davon, daß dies ein Zeichen großer Nachlässigkeit ist, sind die Bücher dabei zahllosen Beschädigungen und Verunreinigungen ausgesetzt. Wenn du ein Buch verleihst, laß dir einen Empfangszettel dafür geben. Du hast in vier Wochen vollständig vergessen, an wen du das Buch geliehen hast, und da es Hunderte von Menschen gibt, die es als ihr gutes Recht betrachten, geliehene Bücher zu be halten, so ist das Buch für dich verloren. Oder mache es dir zum Grundsatz, überhaupt niemals Bücher zu verleihen. Jedes Aus leihen bedeutet auch eine Wertvermindernng und Beschädigung des Buches. Sage deinen Freunden und Verwandten, die Bücher von dir leihen wollen, du tätest dies grundsätzlich nicht, und sie werden sich damit beruhigen. Bringe deinen Kindern und Hausgenossen Respekt vor Büchern bei. Nicht nur deshalb, weil das Buch einen gewissen Geldwert hat, sondern auch deshalb, weil jedes gute Buch auch einen Schatz des Wissens oder der geistigen Leistung darstellt. Ist es nicht wunderbar, daß so vielen Menschen, alle Begriffe von Eigentum und Recht abhanden gekommen scheinen, wenn sie mit Büchern zu tun haben, die andern gehören? Warum geben sie geliehene Bücher nicht zurück? Sie machen sich doch eines Eigen tumsvergehens schuldig, wenn sie in dieser Weise Bücher unterschla- gen. Warum beschädigen und beschmutzen sie rücksichtslos fremde Bücher? Auch dadurch machen sie sich vielleicht gesetzlich strafbar. Aber Büchern gegenüber glauben sie sich alles erlauben zu können. Es fehlt eben in Deutschland noch in weiten Kreisen der Respekt vor dem Buche.

10. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 218

1911 - : Crüwell
218 127+ 330tl Öer Ereile* Von (Smil Frommet. 3m deutschen Land gab's einst einen Edelstein, und ganz ist er aus ihm gottlob noch nicht entschwunden; der Edelstein hieß die deutsche Treue. Mochten andere Völker reichere Gaben und Vor- züge besitzen, eines konnte von unserm deutschen Volk gerühmt werden: daß es ein „treues Volk" sei, und „deutsche Treue" war sprichwörtlich geworden. Darum singt auch ein Lied: „Der alten Barden Vaterland, Dem Vaterland der Treue, Dir niemals ausgesungenes Land, Dir weih'n wir uns aufs neue!" Nun geht's mit dem Wörtlein Treue wie mit allen herrlichen Dingen, daß man nicht mit einen: Wort sagen kann, was sie alles bedeuten und sind. Oder wer will mit einem Worte sagen, was „Gott", was „Liebe", was „Leben" sei? Solche Worte fassen eine Welt in sich. So ist's mit der Treue auch. Kannst du von einem Men- schen sagen, daß er treu sei, so hast du mehr zu seinem Lobe gesagt, als wenn du ein ganzes Buch über seine Tugenden zusammen- geschrieben hättest. Alle Tugenden des Menschen und Bürgers sind einzelne Lichtstrahlen, aber die Treue ist der Brennpunkt, in welchen sie sich alle sammeln. Wir wollen's aber einmal mit etlichen Worten versuchen, das Bild der Treue zu malen. Zunächst hat die Treue ihre Verwandtschaft mit dem Worte Vertrauen. Einen: treuen Menschen traut und vertraut man. Ein treuer Mensch ist also doch zunächst einer, auf dessen Wort und Zu- sage man bauen kann. Ein Mann — ein Wort! und an diesen: Worte wird festgehalten und durchgehalten, mag biegen und brechen, was da will. „Ewigkeit geschwornen Eiden!" So ist also die Treue das solide Fundament im Menschen, und man sagt darum auch von einem treuen Menschen: „auf den kann man Häuser bauen". Häuser baut man aber nicht auf Sand. Aber die Treue geht nicht bloß auf das Wort und die Zusage eines Menschen, die er da oder dort gibt, sondern aus den ganzen Menschen mit Herz, Mund und Hand, auf seine ganze Gesinnung, mit einem Wort: ein treuer Mensch ist einer, aus den man sich verlassen kann. Das macht den großen durchschlagenden Unterschied unter den Menschen aus, daß man wohl mit Recht sagen kann: Es gibt überhaupt nur zweierlei Menschen in der Welt, so verschieden sie auch sonst sind; erstens Menschen, aus die man sich verlassen kann, und zweitens Menschen, auf die man sich nicht verlassen kann. Denn alles an- dere — wie eines Menschen Verstand, Fähigkeit und Wissen, sein
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