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gegen die Thüringer unter Herminafried vor. In dem ersten Treffen
waren die Franken siegreich, konnten aber in einem zweiten den Sieg
nur mit so schweren Opfern erkaufen, daß sie sich nach Bundesgenossen
umsehen mußten. Als solche fanden sich die Sachsen, welche damals
in den Ebenen zwischen Rhein und Elbe wohnten und kriegerisch
und abenteuerlustig waren.
Herminafried hatte sich in die Gegend an der Unstrut zurückgezogen
und stützte sich auf Burg-Scheidungen. Mit großer Übermacht rückten die
Franken und Sachsen heran, um dies letzte Bollwerk der Thüringer
zu nehmen. In einem verzweifelten Ausfalle brachen diese heraus,
wurden aber in die Feste zurückgedrängt und hart belagert. Da, in
der größten Not, bat Herminafried Theodorich um Frieden; und dieser,
dem die Beute, welche er den Sachsen versprochen hatte, leid geworden
war, bewilligte nicht nur die Waffenruhe, sondern schloß mit den
Thüringern ein Bündnis gegen die Sachsen, die ahnungslos vor der
Feste lagen.
Am Abende dieses Tages ging mm ein junger Thüringer am
Ufer des Flusses jagen und warf seinen Jagdfalken nach einer Ente.
Indem kommt ein Sachse an das andere Ufer und lockt den Falken
zu sich. Da bat der Thüringer ihn, daß er ihm seinen Vogel wieder-
gebe; der wollte es aber nicht tun. Da sprach der Thüringer: „Laß
den Falken fliegen; ich will dir etwas offenbaren, das dir und deinen
Freunden nützer werden wird als 100 solcher Vögel." Da sprach der
Sachse: „Das sage mir, und ich sende dir den Falken wieder!"
Darauf verriet ihm der Thüringer: „Die Könige haben sich verglichen
und Frieden geschlossen, und wenn ihr morgen noch in euren Zelten
gefunden werdet, so fangt und erschlägt man euch!"
Der Sachse ritt zu seinem Heere und gab Kunde von dem, was
er erfahren hatte. Die meisten Führer rieten, man solle bei Nacht
entfliehen. Da stand aber einer der alten Helden ans und sprach:
„Nun höret, ihr allerbesten Sachsen, ich habe manches Jahr gelebet
und bin zu diesem Alter gekommen; bei wie vielen Geschäften ich aber
auch gewesen bin, nie habe ich gesehen, daß ein Sachse floh. Wer
fliehen will, der mag es tun; aber kann ich ohne Flucht nicht länger
leben, so ist mirs viel süßer, daß ich sterbe mit meinen Freunden!"
Er gab seinen Volksgenossen den Rat, noch in dieser Nacht über die
in Sicherheit schlummernden Thüringer herzufallen und durch den
leichten Erfolg den Frankenkönig zu zwingen, wieder offen auf ihre
Seite zu treten. Diesem klugen Plane stimmen alle zu, und in der
Nacht wird die Burg ohne Widerstand von den Sachsen erstiegen. Die
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20 I. Beschreibende Prosa: Geschichtliche und geographische Charakteristik.
und Sang für alle Zeit verherrlichten Stätten, wo der göttliche Kämpe
mit den unnahbaren Händen schreckliche Opfer brachte den Manen des
erschlagenen Waffenbruders. Dann sah der Kronprinz die herrliche
Siebenhügelstadt am Goldenen Horn, das Ein- und Ausgangsthor zum
Schatzhause der halben Welt. Über Jaffa nahm er darauf seinen Weg,
wie ehedem abendländische Pilger und Kreuzfahrer, zu den hochheiligen
Stätten der Welterlösung, zum erinnerungsreichen Jerusalem, einreitend
durch das sonst nur dem Sultan geöffnete Damaskus Thor, von male-
rischen Volkshaufen umdrängt und bewillkommnet von griechischen und
abessinischen Mönchen. Er betrat die heilige Grabkirche, begab sich nach
Hebron und Nazareth und zog dann die vormalige indisch-türkisch-italie-
nische Handelsstraße entlang über Damaskus und Beirut nach Port-Said.
Es stand bevor die Eröffnung des Suezkanals. Auf fünf buntbewimpelten
Schiffen fuhren die neue Wasserstraße dahin die versammelten Fürsten,
ein jeder einzeln mit seinem Gefolge: vorauf der Khedive, dann die teil-
nehmenden Gäste in geordnetem Zuge: die Kaiserin von Frankreich, der
Kaiser von Österreich, der Kronprinz von Preußen und der Kronprinz
der Niederlande. Man sah Jsmailia, Suez, Kairo. Dann folgte eine
Fahrt den Nil hinauf, ein Kamelritt in die Wüste, die Besteigung der
großen Pyramide von Gizeh, der Besuch Alexandrias. Zu lebendiger
Gegenwart wurde geschichtliche Vergangenheit, Zeiten und Zustände, Men-
schen und Schicksale, Völkerschlachten und Umwälzungen älterer und
jüngerer Jahrhunderte: die Pharaonen und Moses, Sesostris und Rham-
sinit, Kambyses, Alexander, die Ptolemäer, Cäsar, Antonius und Kleopatra,
die türkischen Schecks und die portugiesischen Seehelden, versunkene Han-
delsflotten und begrabene Karawanenzüge.
Von all den Erlebnissen auf all den Reisen senkt sich am tiefsten
in unser Herz ein anheimelndes Bild. Es war im Januar 1878. Unser
Kronprinz weilte im Namen und Aufträge seines erhabenen Vaters zu
Rom im Quirinal. Der König Humbert und seine Gemahlin Margareta,
gefeiert von dem begeisterten Volke auf dem geräumigen Vorplatze, waren
bereits wieder und wieder hinausgetreten auf den Balkon des Palastes.
Aber die Evvivas erbrausen von neuem, und von neuem erscheint das
Königspaar, diesmal zugleich mit ihnen der befreundete kaiserlich deutsche,
königlich preußische Thronerbe. Der führt an der Hand den achtjährigen
italienischen Erbprinzen; er hebt ihn aus den Armen dem Volke entgegen;
er küßt ihm Stirn und Wange. Ein Sturm der Begeisterung, tosend wie
Meergebrause, dankt dem beglückenden Kinder- und Menschenfreunde, dem
glücklichen Gatten und Vater aus nordischen Landen. Denn daheim, hin
über die Alpen, war an ihm zur Wahrheit geworden das Wort des
Psalmisten: „Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock um
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Extrahierte Personennamen: Jsmailia Gizeh Alexander Alexander Cäsar Antonius Margareta
Extrahierte Ortsnamen: Jaffa Jerusalem Damaskus Hebron Nazareth Damaskus Beirut Port-Said Frankreich Niederlande Suez Kairo Kambyses Rom