i4 " Erstem Abschnitt.
Ende eine Aehnlichkeit mit einem Pferdefüße hat,
und unten mit vielen kurzen Borsten versehen ist,
deren sich das Thier bedient, um die Seekrauter,
die feine Nahrung sind, von den Steinen abzu-
kratzen. Der Rücken ist wie bei einem Ochfen; der
große Umfang des Bauchs nimmt mit einem male
ab, der Schwanz selbst aber wird nach der Floßfeder
zu, die statt der Hinterfüße dient, immer dünner.—
Diese Thiere lieben feuchte und sandige Oerter, am
Ufer des Meers, daher sie sich an den Flußmündun-
gen in ganzen Heerden zu lagern pflegen, und hier
so zahm sind, daß man sie streicheln und nach sie
schlagen kann. Die männlichen Geschöpfe scheinen
nur mit einem Weibchen zu leben, wenigstens be-
steht eine Heerde gewöhnlich nur aus zwei Alten
Kon verfchiedncn Geschlechtern, einem erwachsenen
und einem kleinen Jungen. Ihre Eßlust ist so uner-
sättlich, daß sie deshalb den Kopf fast beständig un-
ter dem Wasser halten, und um ihre Sicherheit we-
nig bekümmert sind. — Der Fang dieser Thiere
geschieht mit großen eisernen, mit Widerhaken ver-
sehenen Spießen, die an einem langen und starken
Seil befestigt sind. Die Jager rudern behutsam
auf eine Heerde zu, und der Fänger, der in dem
Vordertheil des Kahnes steht, wirft den Haken auf
das Thier, welches hierauf von den auf dem Lande
befindlichen Leuten vermittelst des Seils an das
Ufer gezogen wird. Da hiezu aber wenigstens
dreißig Menschen erforderlich sind, und das Tbier^
sich mit der äußersten Anstrengung feiner Kräfte
widersetzt, so folgt der Kahn demselben, und die
Fänger suchen es durch Verwundungen kraftlos zu
machen. Sobald die in der Nähe vorhandenen See-
kühe die Gefahr ihres Geselk-schafters merken, eilen
sie zu seiner Hülfe herber. Einige versuchen deswe-
gen mit ihrem Rücken den Kahn umzustoßen, an-
dere legen sich über das Seil und bemühen sich es
dadurch Zu zerreißen, oder sie schlagen mit den
Schwänzen, um den Haken aus der Haut des ver-
wundeten Thieres zu bringen, welches ihnen auch
zuweilen gelingt. — Die dicke und starke Haut die.
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TM Hauptwörter (200): [T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere]]
i6
Erster Abschñi-.
fchen, einigem Seekraut, und auch in Fleische Es
ist kein Zweifel, daß diese nützlichen Thiere, wenn
man die Kosten daran wenden wollte, nach Ruß-
land überbracht, und hier zahm gemacht werden
könnten, da sie sich eben so gern in Landseen, Flüs-
sen und! Teichen als im Meer aufzuhalten pflegen.—
Den Sitten nach ist keins unter allen hier genann-
ten Thieren so kurzweilig und angenehm als dieses,
wegen seines Fells so sehr gesuchte Geschöpf. Sie
liegen am liebsten Familienweise beisammen. Das
Männchen liebkoset dem Weibchen mit seinen Vor-
dertatzen, deren es sich ans eine künstliche Weise zu
allerlei Verrichtungen bedient, und das Weibchen
spielt mit seinen Jungen und weiset die Liebkosungen
des Vaters mit verstellter Sprödigkeit von sich.
Ihre Liebe für ihre Jungen ist so groß, daß sie
nicht nur das Aeußerste zur Rettung derselben un-
ternehmen, sondern sich auch über den Verlust der-
selben nicht selten zu Tode gramen. Auf der Flucht
nehmen sie ihre Säuglinge ins Maul, und treiben
die Erwachsenen vor sich her. Wenn sie das Glück
haben ihren Verfolgern zu entgehen, so verspotten
sie diese, sobald sie in der See sind. Bald stellen
sie sich senkrecht ins Wasser und Hüpfen mit den
Wellen, halten auch wohl eine Vordertatze über die
Augen, als ob sie jemand unter der Sonne scharf
ansehen wollten; bald legen sie sich auf den Rücken
und schaben sich mit den Vorderfüßen den Bauch;
bald werfen sie ihre Jungen ins Wasser, und fan-
gen sie wieder. Wenn eine Seeotter eingeholt wird,
und keine Rettung mehr sieht, jo blast und zischt
sie wie eine erbitterte Katze; erhalt sie einen Scblag,
so macht sie sich sogleich zum Sterben bereit; sie legt
sich nämlich auf die Seite, zieht die Hinterfüße an
sich, und bedeckt mit den Vordertatzen die Augen.
Die Kurilen gehen im Frühjahr in ledernen Kähnen
oder Bardaren zehn und mehr Werste weit auf den
Fang dieses Thiers in die See. Wenn sie eine See-
otter ereilen, so schießen sie sogleich Pfeile auf die-
selbe ab, und da das Thier, des Athemholens we-
gen, nicht lange unter dem Wasser bleiben kann, so
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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iug Dritter Abschnitt.
Gerechte von der Hand des Ungerechten fallen?'
Der Cherub verstummte. — Adam aber fuhr fort
in feinen Klagen und sprach: Was bleibt mir denn
nun in meinem^ Jammer auf der blutbefleckten Er-
de ? — Der Cherub antwortete und sprach: Der
Blül gen Himmel! — Darauf verschwand er.
Adam aber stand bis nach Sonnenuntergang. Und
als die Sterne aufgegangen waren, da breitete er
seine Arme empor gegen Orion und den Wagen,
und rief: O ihr glanzenden Wächter an den Tho-
ren des Himmels, warum wandelt ihr so schwei-
gend ? Darf ein Sterblicher den Laut eurer Stimme
vernehmen, o, so redet von dem Lande, das jenseits
ist, und von Abel, dem Geliebten! -r- Da ward
es noch stiller rings umher, und Adam warf sich
auf sein Antlitz und betete an. Und er vernahm in
seinem Herzen ein leises Wort! Siehe, Abel dein
Sohn lebet! — Da ging er getröstet von dannen,,
und seine Seele war still und voll Wehmuth.
19. Die Reue.
Ein Landmann hatte mit eigenen Handen eine
Reihe edler Obstbaumchen gezogen. Zu seiner groß-
ßen Freude trugen sie die ersten Früchte, und er war
begierig, zu sehen, von welcher Art sie seyn möchten.
Da kam der Sohn des Nachbars, ein böser
Bube, in den Garten, und lockte das Söhnlein des
Landmanns, also daß sie hingingen, und die Bäum-
chen allesiunmt ihrer Früchte beraubten, ehedenn
sie völlig gereift waren. Als nun der Herr des Gar-
tens herzutrat, und die kahlen Bäumchen erblickte,
da ward er sehr bekümmert und rief: Ach, warum
hat man mir das gethan? Böse Buben haben mir
meine Freude verdorben! Diese Worte gingen
dem Söhnlein des Landmanns sehr zu Herzen,^ und
er lief zu dem Sohne des Nachbars und sprach:
Ach, mein Vater ist bekümmert um die That, welche
wir verübt haben. Nun hab' ich keine Ruhe mehr
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
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Fabeln. -53
5* Das Krokodill, der Tiger und der
Wandersmann.
Auf einem schmalen Wege, wo zur rechten
Hand ein hohes Gebirge emporstieg, und zur lin-
ken der Ganges stoß, ging ein Wanderer. Plötzlich
sahe er vom Berge herab einen grimmigen Tiger
auf sich zu eilend um ihm zu entgehen, wollte er
geradezu in den Strom sich stürzen, und durch
Schwimmen sich retten, so guter könne, als auch
aus diesem ein Krokodill empor fuhr. — O ich
Elender! rief der arme Wanderer: wohin ich blicke,
ist der gewisse Tod. — Voll unaussprechlicher Angst
sank er bei diesen Worten zu Boden. Der Tiger,
schon hart an ihm, that einen jähen Sprunge und —
fiel dem Krokodill in den Rachen.
Auch in der höchsten Gefahr verzweifle nicht!
Oft dient zu deiner Erhaltung, was im ersten Au-
genblick deines Untergangs Vollendung schien.
6. Die zwei Pflugschaare.
Von einerlei Gattung Eisen und auf eben der-'
selben Werkstalte wurden zwei. Pflugschaare ver-
fertigt. Einer davon kam in die Hand eines Land-
manns, d^er andere ward in den Winkel des Schup-
pens geworfen, lag allda ruhig acht oder neun Mo-
nate lang , und ward mit Rost^ überdeckt. Jetzt erst
erinnerte man sich seiner, und zog ihn auch wieder
hervor.
Wie staunte derselbeals er seinen ehemaligen
Bruder erblickte, und mit sich selbst verglich! Denn
erfand ihn hell und spiegelglatt, ja fast glänzender
noch, als er anfangs war. — Ist das möglich?
rief der Verrostete aus: Einst waren wir einander
gleich. Was hat dich so herrlich erhalten, da ich
in der glücklichsten Ruhe so verunstaltet worden
bin? Eben diese Ruhe, erwiederte jener, war dir
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer]]
6o
Zweiter Abschnitt.
Hahn; sondern nur immer: der stolze Pfau. —
Das macht, sagte die Henne, weil der Mensch einen
gegründeten Stolz übersieht. Der Hahn ist auf sei-
ne Wachsamkeit, auf seine Mannheit stolz; aber
worauf du? — Auf Farben und Federn.
G. E. Lessing.
13. Der Maulwurf und das Eichhörnchen.
Zwei Fabeln.
T*
Du armer Schelm da unten in deiner finstern
Kluft.' raunte ein Eichhörnchen einem Maulwurfe in
fein Loch hinein; du dauerst mich. Denk uur, wie
gut ich es habe! Ich habe ein hübsches Häuschen,
hoch auf einem Baume, beschattet von seinen grü-
nen Zweigen, und köstliche Früchte die Fülle. Kurz,
ich habe dir's so gut gegen dich; du solltest es nur
einmal sehen! — Kann wohl seyn, versetzte der
Maulwurf; aber eben, weil ich's nicht fehe, kümmert
mich das nicht, und ich befinde mich, Gott Lob,
ganz wohl in meiner finstern Kluft bei meinen Erd-
würmern. — Spare die Klagen, glanzender Mann,
über den armseligen Zustand des dürftigen Mitbru-
ders! Er ist nicht so übel dran, als du denkst, wenn
er nur deinen Glanz nicht kennt.
Aber komm' doch nur einmal heraus aus dei-
nem schmutzigen Loche, finsterer Murrkopf, und
nimm wenigstens meinen Wohlstand in Augenschein.'
ftrhr das Eichhörnchen fort. Der Maullvurf ließ
sich bereden, und ging mit. Jetzt stand er unten am
Baume, spähete mit seinen blöden Augen hinauf,
bewunderte die hohe Burg, fing an zu vergleichen,
und allmahlig lüstete ihm nach dem Zustand des
Eichhörnchens. Nun, hub er an, Freund, dein
Glück reizt mich. Sag' an, wie kann ich meine
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Briese. > 119
und ausschließlich für die Unterhaltung mit Ihnen
zu retten. Wann verfliegen mir die Stunden schnel-
ler, und wann wird mir leichter und besser zu Mu--
the, als wenn ich mich an Ihre Seite hindenke?
Was für eine angenehme Ueberraschung uns gestern
Ihr liebevollcr Brief vom 12. dieses Monats^ ge-
währt hat! Im lachenden Gebiete unsrer jüng-
sten gemeinschaftlichen Erinnerungen umherstreifend,
standen wir eben zusammen auf der Altane unseres
Gasthofes. Unverwandt waren unsre Blicke aus
den mit weißen Segeln besaeten Spiegel des Sees
gerichtet, und auf die vor uns aufgethürmten Hoch-
gebirge von Glarus, Unterwalden und Uri, von
deren Schnee- und Felsengipfeln die eben enipor-
steigenden Schatten den Purpur der Abendsonne
langsam verdrängten, als Ihr willkommner Brief
unser aller Gespräche, Sinn und Gedanken für dem
Rest des Abends auf Sie, und auf Sie allein zu-
rückführte. Nur allzugern glauben wir Ihrer für
uns so erfreulichen Versicherung, daß Ihnen ein
so langes Getrenntseyn von Ihren Kindern schwer
fällt. — Dank sey es der, das Herz, wenn bange
Besorgnisse es anfechten, zu froheren Gefühlen
stimmenden Kraft eines heitern Sommers; Dank
sey es der in wundersamen Mischungen um uns her
grünenden Schweizer-Welt, und dem mit jedem
Augenblicke sich erneuernden Wechsel reizender, noch
nie gesehener Naturscenen, daß unsre Sehnsucht
nach Ihnen nicht jetzt schon in quälendes Heimweh
übergeht! Unser Herz hing zwar an Ihnen von
frühester Jugend an, und mit unendlicher Liebe:
doch erst als unser erwachender Geist dem Ihrigen
von ferne zu folgen versuchte, und wir ansingen^
es zu fühlen, mit welcher Einsicht und Sorgfalt
Ihre mütterliche Liebe nicht bloß dre physischen Ve^
dürfnisse unsrer ersten Kindheit, nein, auch alles
das bedachte, was unser Herz zu seiner Ausbildung,
unser Verstand zu seiner Entwicklung bedurfte; da
erst sind wir zum vollen und lebendigen Bewußt-
seyn gelangt, was für ein kostbares und seltenes
Geschenk uns die Vorsehung in Ihnen habe zu Theil
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Dramatische Darstellung. 161
Iber, bei uns, die ihr Barbaren nennt, nur die
Räuber mit ihrem Raube.; prahlen selbst dann nur
damit, wenn sie sich in Sicherheit wissen. — S. (mir
gelaßner Hoheit) Du trägst, wie ich sehe, Allucius,
die Hitze, die man im Gefecht an dir bewundert,
auch auf deinen Umgang und auf dies Gespräch jetzt
über. Ich würde zürnen, wenn ich deine Vorwürfe
verdiente. Jetzt, da sie mich unschuldig treffen,
vergeb' ich sie dir. — Kannst du nun hören?
A. Muß ich nicht. S. Nur höre mich aus; und
dann, hoff' ich, sollst du glimpflicher deine Verglei-
chungen wählen; selbst römische Treue nicht mehr
mit punischer verwechseln. Ja, Prinz, als ich das
erste Mal Ildegerden sah, da, ich leugn' es nicht,
wandelte auch mich die Leidenschaft an, die jetzt in
dir so heftig tobt. Da rief ich mit Entzücken: Wie
schön ist sie ! da - -- A. (wieder einfallend) O daß
sie es .nie gewesen wäre! Aufgewachsen mit ihr
von frühster Jugend an hatt' ich ihre schönere Seele
auch im unscheinbarsten e Körper lieb gewonnen.
Sie, die Glücklichere, hatte nie der Feinde gieri-
gen Augen gefallen, nie deine Lüste gereizt. —
S. (ihn bei der Hand fassend) Und Hort dieser Aetna
wirklich nimmer zu toben auf? — Jüngling, deine
von Zorn glühenden Wangen werd' ich doch viel-
leicht mit Schaamröthe noch starker färben, wenn
ich dir sage: deine Braut ist frei? S. Ist frei und
sey dein! A. Frei und mein! Scipio, du betäubst
mich. S. (lächelnd) Muß ich das nicht, um nur
ruhiger sprechen zu können? Junger Mann, als
man meine Gefangene mir darstellte, da entzückte
mich — ich wiederhol' es dlr — ihr Reiz; da
würd' ich, nicht als ein, schweigender Gebieter, als
ein werbender Liebhaber vielmehr ihr Herz und
Hand angeboten haben, hatt' ich nicht rasch einen
Blick auf das Vaterland, das meiner noch unge-
teilt betzarf, geworfen. Doch indem ich noch
wankte, indem ich schon auf Vereinigung von Bür-
gerpflicht und Männerliebe dachte, vernahm id},
daß' sie bereits durch Werbung und Versprechen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Dramatische Darstellung. 165
muth! — So will ich rufen, und kehr' ich nicht
mit tausend Reitern wenigstens binnen drei Tagen
zurück; so mache mich das Schicksal eben so zu«
Spotte meines Landes, als es zur Zierde und zum
Retter des deinigen dich erschuf *). (ab)
Meißner.
5. Tobias Witt.
Herr Tobias Witt war aus einer nur mäßigen
Stadt gebürtig, und nie weit über die nächsten
Dörfer gekommen, dennoch hatte er mehr von der
Welt gesehen, als mancher, der sein Erbtheil in
Paris oder Neapel verzehrt hat. Er erzählte gern
allerhand kleine Geschichtchen, die er sich hie und da
aus eigner Erfahrung gesammelt hatte. Poetisches
Verdienst hatten sie wenig, aber desto mehr prakti-
sches, und das Besonderste an ihnen war, daß ih-
rer je zwei und zwei zusammen gehörten.
Einmal lobte ihn ein junger Bekannter, Herr
Till, seiner Klugheit wegen. — Ei, fing der alte
Witt an und schmunzelte; wär' ich denn wirklich so
klug?
Die ganze Welt sagt's, Herr Witt. Und weil
ich es auch gern würde------
Je nun, wenn er das werden will; das ist
leicht. — Er muß nur fleißig Acht geben, Herr Till,
wie es die Narren machen.
Was? Wie es die Narren machen?
Ja, Herr Till, und muß es dann anders ma-
chen, wie die.
Als zum Exempel?
Als zum Exempel, Herr Till: So lebte da hier
in meiner Jugend ein alter Arithmetikus, ein dür-
res, grämliches Männchen, Herr Veit mit Namen.
Der ging immer herum und murmelte vor sich selbst;
*) Er kehrte wirklich mit einem Trupp von 1400 Reitern
wieder.^ .a;,, , -
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TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]
Extrahierte Personennamen: Tobias_Witt Tobias_Witt Till Witt Till Till Till
Dramatische Darstellung. 167
lege ich dib Hände.gar lieber in den Schoos und
bleibe zu Hause. —'
Aber nicht doch! Nicht doch, Herr Flau! Gehen
muß er immer darnach, aber nur hübsch in Acht neh-
men, wie ers Gesicht trägt.
Was? Wie ichs Gesicht trage? —
Ja, Herr Flau! wie ers Gesicht tragt. Ich
will's ihm erklären, — Als da mein Nachbar zur
Linken sein Haus baute, so lag einst die ganze
Straße, voll Balken und Steine und Sparren; und
da kam unser Bürgermeister gegangen, Herr Trik,
damals noch ein blutjunger Rathsherr, der rannte,
mit von sich geworfenen Armen, ins Gelag hinein,
und hielt den Nacken so steif,, daß die Nase mit den
Wolken so ziemlich gleich war. — Pump! lag er
da, brach ein Bein, und hinkt noch heutiges Tages
davon. — Was will ich nun damit sagen, lieber
Herr Flau? — . . . . . ;
Ei, die alte Lehre: Du sollt die Nase nicht all-
zuhoch tragen.
Ja, sieht er! Aber auch nicht allzuniedrig. —¿
Denn nicht lange darnach kam auch ein anderer ge-
gangen , das war der Stadtpoete, Herr Schall, der
mußte entweder Verse oder Hausforgeu in seinem
Kopfe haben, denn er schlich ganz trübsinnig einher,
und guckte in den Erdboden, als ob er hineiusinken
wollte. — Krach! riß ein Seil, der Balten her-
unter, und wie der Blitz vor ihm nieder. — Vor
Schrecken fiel der arme Teufel in Ohnmacht, ward
krank und mußte ganze Wochen lang aushalten. —
Merkt er nun wohl, was ich meine, Herr Flau?
Wie man's Gesicht tragen muß? —
Sie meinen so hübsch in der Mitte. —
Ja freilich, daß man weder zu keck in die Wok-
ien, noch zu scheu in den Erdboden sieht. — Wenn
man so die Augen fein ruhig, nach. oben und unten
«nd nach beiden Seiten umhcrwirft, so kommt man
in der Welt schon vorwärts, und mit dem Auglück
hat'sso leicht nichts zu sagen.
Noch ein andermal besuchte den Herrn Witt ein
junger Anfänger, Herr Mills; der wollte zu einer
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TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
iz2 Vierter Abschnitt.
und in den benachbarten Theilen, die er, wenn sie
heftig wurden, gleich einem fest aufgedrückten glü-
henden Eisen, empfand, eine schreckliche Quaal!
Dennoch unterbrach auch dieses Leiden seinen Froh-
sinn nur selten auf längere Zeit. Wie es mich jam-
merte, wenn er oft unter solchen Schmerzen an
seine Frohnarbeit gehen, und als Secretaire inter-
prete französische Verordnungen, Conscriptionsli-
sten, Verfügungen wegen feierlicher Aufzüge und
dgl. m. verdeutschen mußte! Er schätzte, nachdem
die Revolution sein Erziehungsinstitut zu Grunde
gerichtet, und die Assignaten sein Vermögen verrin-
gert hatten, jene Anstellung für eine Wohlthat;
denn das sauerste Geschäft wurde ihm leicht, das
gemeinste veredelte sich, wenn er es als Opfer ansah,
seiner Family gebracht. — Pfeffels Biograph wird
Dir, mein Lieber, die vielfachen harten Prüfungen
erzählen, denen die Geduld des trefflichen Mannes
ausgesetzt war; die blutigen Thränen, um so man-
chen seiner Lieblinge geweint; die bangen Erwar-
tungen in der Schreckensperiode; nach ihr das sor-
genvolle Ringen und Streben, mit den Ueberbleib-
seln feines kleinen Glücks sich wieder aufzuhelfen:
alle die mühseligen Tage, die schlaflosen Nächte ;
und auf dem letzten Krankenlager die unaussprech-
lichen Schmerzen, unter denen er sein Leben endete.
Wenn Du es liesest, so wirst Du gestehen, daß
Pfeffel Recht hatte, die Beraubung des Augenlichts
»icht für sein größtes Unglück zu achten. Du wirst
voller Verwunderung vor dem Bilde desjenigen
verweilen, der nicht allein im Gedränge so vieler
Widerwärtigkeiten sich aufrecht hielt, sondern unter
Gesang und Scherz auf den bedornten Wegs fort-
ging, und die frohe Laune der Jugend mit in sein
Alter hinüber nahm. Der Kummer hatte nicht seine
Stirn gefurcht, nichtseinen Nacken gebeugt, und
der oft wiederkehrende Schmerz nur den Wangen
einige leichte Spuren eingedrückt. Freilich war ft-
ner Frohsinn, wie er selber es rühmt, ihm von der
unsichtbaren Hand, „die Sonnen wie Goldstaub in
den Raum gefäet," zur Erleichterung seines trau-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
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