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1. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 2

1911 - : Crüwell
2 2. Das verlorene Gebet. «-» Frau, ®«tuer. (As kam einmal mit einer Mutter zum Sterben. Sie hatte ein ^ Kind, einen Knaben von fünfzehn Jahren. Er war sonst ein gutes Herz, aber mit allem leicht fertig und veränderlich. Darum war der Mutter so bang um ihn, als sie ihn das letztemal vor sich stehen sah. Er weinte wohl bitterlich, als sie ihm den Mnttersegen auf die Stirne gab und ihm Lebewohl sagte. Die Mutter hatte lange hin und her gedacht, was sie dem Sohne als letztes Wort recht tief ins Herz legen sollte, daß es ihm als unverwelkliches Vergißmeinnicht für das ganze Leben bliebe. Und was sie für das Beste und Notwendigste hielt, gab sie ihm zu guter Letzt und sagte, die Augen voll Tränen: „Aus allen deinen Lebensstürmen rette nur eines, o Kind! Verliere nie dein Gebet!" Bald hernach starb die Mutter. Der Sohn kam in fremde Hände und lernte ein Handwerk, und es ging ihm gut; seine Fröhlichkeit und Leutseligkeit gewann ihm viele Herzen, und das war für ihn das Unglück. Der Knabe ließ sich in lustige Kanieradschaft ein, wo man ihm schmeichelte. Er lernte allerhand Schlimmes und auch das Allerschlimmste, und dies kostete sein erarbeitetes Geld. Er geriet in Not, mußte wandern und wandern und da und dort auch fliehen, daß ihn die Gerechtig- keit nicht in ihre Hände bekäme. So fand er nirgends mehr Ruhe; aus dem Herzen war sie schon lange verbannt. Es vergingen zehn, zwanzig, dreißig Jahre. Er bekam schon weiße Haare und fühlte allmählich die Kräfte abnehmen. Da erwachte in ihm das Verlan- gen nach einem stillen Orte, wo er ausruhen konnte. Er dachte in seine Heimat zurückzukehren. Dort hoffte er noch einige Verwandte und Unterstützung für das Alter in der Gemeinde zu finden. So machte er sich auf den Weg. Je näher ihm die Heimat kam, desto enger wurde ihm das Herz, so meinte er. Es war an einem Sonntag, als er morgens früh den letzten Hügel vor seinem Heimatorte hinanstieg. Ihm gegenüber ging eben die Sonne auf und beleuchtete drunten die bekannte Gegend und das stille Dörflein seiner Heimat. Die Glocken läuteten gerade zum Gottesdienste, und auf allen Wegen durch Wiese und Wald und aus allen Häusern zogen die Leute zum Kirchlein. Jetzt steht er oben, den Bettelstab in der Hand, das schwere, leidbeladene Herz in der Brust, und es wird ihm bald heiß, bald kalt. Er sieht das Vaterhaus und den Anger nebenan, er erkennt die Lindenbäume, unter denen er als Kind so oft gespielt; er erblickt den Wasser- brunnen am Platze vor der Kirche, sieht auch, wie die Leute die

2. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 4

1911 - : Crüwell
4 5. Was hilft nun dein Leid, dein Bedauern, Dein Weinen und Klagen und Trauern! Es bleibt zu spät, zu spät! 6. Sie nützt nichts, verspätete Reue Triff richtig in Zukunft das Neue! Komm nicht zu spät, zu spät! 4. Vom guten Ton. Von Marie v. Lindernan. A ls guten Ton bezeichnet man gewisse hergebrachte Umgangs- formen, die von der feinen Gesellschaft als Regeln ange- nommen sind. Diese haben meist einen tiefern Sinn, selbst da, wo sie in jedem Lande, ja sogar in verschiedenen Städten des- selben Landes sich anders gestalten. In England z. B. erlaubt sich ein Herr nicht, eine ihm bekannte Dame zuerst zu grüßen, sondern er wartet, ob sie ihm ihren Gruß widmen will, während bei uns in Deutschland jeder Herr für sehr unhöflich gehalten würde, der eine ihm bekannte Dame nicht zuerst grüßte. In beiden Fällen liegt Achtung vor den Frauen zugrunde. In Deutschland verlangt der gute Ton, daß eine Fremde denjenigen Familien, an die sie empfohlen ist, zuerst ihren Be- such macht, worauf sie erst den Gegenbesuch der Einheimischen empfängt. Gewiß drückt sich in dieser Sitte die Ehrfurcht aus, die man dem Hause, von dem man Schutz oder Güte erwartet, schuldig ist. In England, Frankreich, Spanien ist es umgekehrt; dort kommt die einheimische Dame zur fremden, wenn diese ihre Empfehlungsbriefe ihr gesandt hat — eine liebenswürdige Sitte, da eine solche Zuvorkommenheit den im Lande Unbe- kannten jede Verlegenheit erspart. Es gibt in jedem Lande viele Vorschriften für den guten Ton, die man nicht unbeachtet lassen darf. Es ist z. B. un- schicklich, bei Tisch das Messer zum Munde zu führen. Knochen- stückchen und Kerne lege man auf den Tellerrand, ja nicht auf das Tischtuch. Bei herumgereichten Bratenstücken lange man, um andere nicht warten zu lassen, schnell zu, ohne mit prüfenden Blicken sich das beste auszuwählen. Beim Essen soll man kein Geräusch mit dem Munde, kein Schnalzen mit der Zunge und beim Suppe-Essen kein Schlürfen hören lassen. Man kaue stets mit geschlossenem Munde. Auch ist es weder anmutig noch schicklich, den Ellenbogen auf den Tisch zu legen oder aufzustützen. Es ist nicht artig gegen die Wirtin, Eßbares

3. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 6

1911 - : Crüwell
6 allen Ausdruck, während das Schreien unangenehm und wüst klingt. — Den richtigen und wahrhaft guten Ton zu finden, lehrt allein ein gutes Herz. 5. (Eine wichtige Kunst für jeden Tag. Sparen! Dies Wörtchen bedeutet für manche Menschen eine Kette von Entbehrungen. Ls weckt in ihren Köpfen unangenehme Vorstellungen von Einschränken, Entsagen und Sichselbstüberwinden. aber ist es wirklich so schlimm? Legt die so wenig geübte Kunst des Sparens uns wirklich drückende Entbehrungen auf? Birgt sie nicht auch manche stille beglückende Freude in sich? Freude am eigenen Besitz, eine behagliche Zukunft, das beglückende und erhebende Gefühl der inneren Vervollkommnung, der Herrschaft über sich selbst. Sparen und Entbehren, das sind zwei grundverschiedene Be- griffe. Sparen heißt noch lange nicht geizen. Nicht am Notwen- digen und Unentbehrlichen soll abgezogen, nicht auf Kosten anderer gespart werden, sondern am Überflüssigen, an dem, was sich ent- behren läßt. Und wie vieles gibt es da nicht, an dem die Kunst des Sparens erprobt werden kann. Da sind so manche ausgaben für überflüssigen Tand, für Vergnügungen, die in Wirklichkeit gar keine sind, weil sie ein Gefühl der Leere in uns zurücklassen. Va sind die vielen ausgaben, die unsere Eitelkeit, unsere Putzsucht und Nasch- haftigkeit von uns fordern, hier heißt es die ersten Sparversuche machen. Freilich eine kleine Überwindung wird es wohl kosten, wem so ein schöner Hut ins äuge sticht oder eine hübsche Bluse, eine Schleife, ein Band, oder wer eine große Neigung zum Naschen hat, dem kommt das Verzichten zuerst wohl etwas hart an, und gerade die Jugend ist einem verzichtleisten auf derartige Dinge nicht besonders hold. wozu sparen? Das Leben ist noch so lang. Und wie heißt es im Liede? „Genieße, solange das Leben noch mait. Noch sind die Tage der Kosen." wozu soll ich sparen? Die Frage, die so manches junge Mäd- chen an sich stellt im Mai des Lebens, wo ihnen tausend Freuden und Genüsse winken, hat eine gewisse Berechtigung. Denn wozu sparen, wenn man nicht weiß warum. Das aber ist es gerade, was viele vom Zurücklegen abhält. Ein Ziel muß ins Nuge gefaßt werden. Ein Pilger, der eine Wallfahrt unternimmt, der Missionar, der das Evangelium unter die wilden Völkerschaften trägt, ein Schiff, das der Heimat zusteuert, sie alle haben ein Ziel, und sie alle suchen es zu er- reichen auf dem einen oder andern Wege. Buch denen, die durch die *

4. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 8

1911 - : Crüwell
8 Wie man vorwärts kommt? Mit Automobilgeschwindigkeit ganz gewiß nicht, und das ist gut. Denn so wundervoll sich die Welt vom Ledersitze auch ansieht: jedes Auto hinterläßt seinen be- sondern Gestank. Es geht auch nicht mit der Geschwindigkeit des Radfahrers, und auch das ist gut. Denn unzählige Radler werden herzkrank. Man kommt nur Schritt für Schritt vorwärts; die sprungweise reich werden wollen, verstauchen sich meistens den Fuß. Langsam und sicher ist besser als hastig und unbesonnen. Ein Faden jeden Tag gibt im Fahr einen Strang; Fuß vor Fuß kommt auch vorwärts. 7. Ein Cjgisflich flbendlied. von Sottkriecj Kinkel. Cs ist so still geworden, ^ Verrauscht des Abends Wehn, slun hört man allerorten Der Engel Füße gehn. Rings in die Cale senket Sich Finsternis mit macht — Wirf ab, Berz, was dich kränket, Und was dir bange macht! 2. Es ruht die Welt im Schweigen, Shr Tosen ist vorbei, Stumm ihrer Freude Reigen Und stumm ihr Schmerzensschrei. Bat Rosen sie geschenket, Bat Dornen sie gebracht — Wirf ab, Berz, was dich kränket, Und was dir bange macht! 3. flun stehn im Bimmelskreise Die Stern’ in Majestät; Sn gleichem, festem Gleise Der goldne Wagen geht. Und gleich den Sternen lenket Er deinen Weg durch flacht. — Wirf ab, Berz, was dich kränket, Und was dir bange macht!

5. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 10

1911 - : Crüwell
10 10+ Um 9)ltttentac^t. Von Eduard Mörike. /Tlelassen stieg die Nacht ans Land, Lehnt träumend an der Berge Wand, Ihr Auge sieht die goldne Wage nun Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn. 2. Und kecker rauschen die Quellen hervor, Sie singen der Mutter, der Nacht ins Ohr Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. 3. Das uralt alte Schlummerlied — Sie achtet's nicht, sie ist es müd; Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch, Der flüchtigen Stunden gleichgeschwungnes Joch. 4. Doch immer behalten die Quellen das Wort, Es singen die Wasser im Schlafe noch fort Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. 11. Zprichworter und Zinnsprüche. l- Rast' ich, so rost' ich. 2. Sin unnütz Leben ist ein früher Tod. Goethe. 3. Schaffen und Streben ist Gottes Gebot, Arbeit ist Leben, Nichtstun ist Tod. 4. Arbeit ist des Blutes Balsam, Arbeit ist der Tugend ^uell. Herder. 5. Siehe, voll Hoffnung vertraust du der Erde den goldenen Samen Und erwartest im Lenz fröhlich die keimende Saat. Nur in die Lurche der Zeit bedenkst du dich Taten zu streuen, Tie, von der Weisheit gesät, still für die Ewigkeit blühn? Schiller. 6. Gott woll' im Lebensbuch dereinst den Tag nicht lesen, An welchem ich nicht sein und auch nicht mein gewesen. 7. wo ich mich in Demut beuge, Darf ein Tor nicht ruchlos schelten: was euch heilig, will ich achten, was mir heilig, laßt es gelten! Friedrich Wilhelm Weber.

6. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 11

1911 - : Crüwell
11 8. Ernsthaft streben, Leiter leben, Bieles schauen, Wenigen trauen — Deutsch im Kerzen, Tapfer und still Dann mag kommen, Was da will! Scheffel 9. schaff, als ob des Lebens Hot Nie von deinen Wangen schwände; Aber leb, als ob der Tod Schon vor deiner Türe stände. Friedrich von Badenstedt. 12. 5rüf)lingsglcmbe. von Ludwig Uhland. T*Vte linden Lüfte sind erwacht, Sic säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schassen an allen Enden. (D frischer Duft, 0 neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden. 2. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Alan weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal! Nun, armes Herz, vergiß der ^siial! Nun muß sich alles, alles wenden. 1 '1. {yriiijiutg^ ilnfmtft Von Stephan Reinke. war schon hoch im Februar. Draußen lag noch tiefer Winter, ^ und das Wetter war öde und ungastlich. Zischend fauchte der Wind um die Hüuserecken, und der Himmel blickte bleigrau und trübselig darein. Ich kam an einer Schule vorbei, und aus dem offenen Fenster- flügel drang ein sehnsüchtig trauriges Lied: „O, wie kalt ist es geworden und so traurig, öd und leer; Rauhe Winde wehn von Norden, und die Sonne scheint nicht mehr. Auf die Berge möcht' ich fliegen, möchte sehn ein grünes Tal, Möcht' in Gras und Blumen liegen und mich freun am Sonnen- strahl !

7. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 12

1911 - : Crüwell
12 Möchte hören die Schalmeien und der Herden Glockenklang, Möchte freuen mich im Freien an der Vögel süßem Sang. Schöner Frühling, komm doch wieder, lieber Frühling, fomm doch bald, Bring uns Blumen, Laub und Lieder, schmücke wieder Feld und Wald! Ja, bit bist uns treu geblieben, kommst nun bald in Pracht und Glanz, Bringst nun bald all deinen Lieben Sang und Freude, Spiel und Tanz." So sangen die Kinder, und ein hungriger Spatz saß mit bloßen Beinen im Schnee auf dem Dachfirst und hatte die Federn gesträubt, daß er aussah wie ein runder Federball, und schilpte dazwischen; und arlch sein „Schilp, Schilp" klang so traurig und trostlos über den beschneiten Garten, als ob auch sein kleines Vogelherz eine stille Sehnsucht nach dem lachenden Frühling mit seinen Mücken und Maikäfern erfülle. Aber toller denn je heulte der Wind und wir- belte der Schnee und schüttelte der Winter seinen weißen Kopf; und der Spatz verkroch sich unter die Dachziegel, und die Kinder hörten auf zu singen. Hatte der böse Winter denn gar kein Erbarmen? An und für sich hatten die Kinder ja nichts gegen den Winter, hatte er ihnen doch den Nikolaus und das Christkind und die Eisbahn und den Schneemann gebracht — aber alles mit Maß! Da — einige Tage weiter! Die Sonne hatte mit beiden Armen die nassen, grauen Wolkensäcke, die seit Wochen ihr den Ausblick auf ihre liebe Erde verwehrt hatten, hastig und unmutig zur Seite geschoben und blickte strahlend wie eine Mutter auf ihr wiederge- fundenes Kind vom klaren blauen Himmel herab, und schnell, als ob sie Versäumtes nachholen wolle, hatte sie das weiße Leichentuch aufgerollt und es dem brummend abrückenden Winter nachgeworfen. Sie winkt dem Westwind, und der kommt geflogen und fegt mit sausendem Besen liber die schlaftrunkene Erde, packt mit unbarm- herzigen Händen in die rasselnden Kronen der Eiche und Buche und schlendert die vergilbten Blätter hoch in die Luft, daß sie in tollen Wirbeln weithin über die Wiesen und Äcker tanzen. Der Wind ist fertig mit seiner Scheuerarbeit. Die Wälder, Hecken und Felder sind blitzblank, nur Hainbuche und Eiche halten mit geizigem Finger auch jetzt noch ihre abgetragenen und ver- wetterten Sommerkleider fest. Es wird still in der Natur, und die dunkle weite Erde liegt erwartend da. Und nun gießt Mutter

8. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 13

1911 - : Crüwell
13' Sonne in breiten vollen Fluten ihr goldenes, wärmendes Licht über die stillen Weiten. Die Erde saugt in vollen langen Zügen die goldene Flut in sich hinein und beginnt leise und langsam zu atmen. Da gibt's ein wundersames Sehnen und Dehnen, Hasten und Drän- gen unter der stillen schwarzen Decke. Und immer lockender, immer lauter klopft die strahlende Mutter dort oben mit ihren warmen Fingern auf die Brust ihrer zum Lebeu erwachten Tochter, und nicht lange, da sprießt es und sproßt es, da lebt es und webt es an allen Enden, da stecken tausend und aber tausend Hälmchen und Knöspchen ihre spitzen grünen Köpfchen neugierig aus den weiten dunkeln Falten der Erde hervor und strecken und recken sich und wollen schauen, wie's dort oben tut, und schauen der strahlenden Königin ins lächelnde Antlitz. Und in den Wipfeln der Bäume nicken die Vögel und üben ihre sangesfrendigen Kehlen zum großen Frühlingskonzert. Doch hat das sorglose Sängervölkchen nicht zu früh gejubelt? Siehst du da tief im Norden nicht die dicke schwarze Wolke, und ist das nicht der Winter, der mit mordlüsternen Augen herüberblickt? O, er möchte dem kecken Vogelvolk den vorlauten Schnabel einmal stopfen und den Blumen und Hälmchen das Aufstehen einmal gründ- lich verleiden! Und in einer Nacht ist's gewesen, da ist das schwarze Ungeheuer im Norden plötzlich aufgestanden und ist fauchend heran- gekrochen. Und die Vögel in den Bäumen sind erschrocken zusammen- gefahren, und die kleinen Blumen haben zitternd ihre grünen Män- telchen fester um die Schultern gezogen. Aber nur einmal! Die Sonne rief den Südwind, und wenn sie zu Bett gegangen, hat er Wache gestanden, und da ist der Winter endlich fortgezogen und ist nicht wiedergekommen. So ist's gewesen, und nach abermals zwei Wochen ist endlich der schöne Frühlings- knabe mit den großen, himmelblauen Augen und dem Blumenkörb- chen im Arm aus dem Mantel der Mutter Erde hervorgehüpft, und wo er ging, da blühten und dufteten die Blumen und sangen die Vögel und jubelten die Menschen. Und er kam auch an jene Schule und zu jenem Sperling. Und der Sperling ist auf den höchsten Rand des Schornsteins geflogen und hat den Schnabel gewetzt und dem Frühling sein schönstes Lied gesungen, das er gelernt, und aus dem offenen Fenster der Schule klang ein inun- teres Frühlingslied, und die Kinder klatschten dabei jubelnd in die Hände. Ja: „Wonnig ist's, in Frühlingstagen Nach dem Wanderstab zu greifen Und, den Blumenstrauß am Hute, Gottes Garten zu durchschweifen!"

9. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 20

1911 - : Crüwell
20 Gewiß, auch solch ein Halmenfeld ist schön; sei es, daß es wie ein stiller Wald träumend in die Luft stehe, oder daß buhleud der Wind in seinen Wellen wühle. Wenn da in den Tagen der Som- mersonnenwende die langen Kornwogen dunkellicht aufschlagen und die Hügel hinauf und hinab und weiter und weiter ziehen und die ganze Fläche jetzt violett, jetzt silbergrau schimmert, dann ahnen auch wir gleich unsern Vorfahren im Neigen und Beugen der Halme den Segensgang der befruchtenden Naturkraft. Dann mag noch immer Fro, der schützende Gott, auf seinem Eber durch die Fluren reiten und Gedeihen geben, oder Walpurgis, die heilige Ahrenhüterin, die Saaten weihen. Und was flüstern nun diese schwankenden, wiegenden Halme? Was raunt in diesem Rauschen, in dem es immer wie ein verbor- genes reifendes Feuer zu knistern scheint? Sie erzählen sich von dem Natursegen, der nun wieder aufgetan ist für so viel sorgende, hoffende Menschenherzen, aufgetan für alles, was da lebt. Das ist das unendlich Beruhigende, ich möchte sagen Sättigende im Anblick des Kornfeldes. Es ist die neue Erfüllung der alten Gottesverhei- ßung: „Solange die Erde stehet, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht." Aber auch an Schmuck will es die ewig junge Natur uicht fehlen lassen. Mitten in die Frucht des Schweißes wirft sie ihre Blüten. Das schlichte Werkelkleid mit buntem Saume zu zieren, drängt sich die Kornblume herbei mit der Federkrone aus Himmels- blau, kommt der lustige Rittersporn, der wilde Mohn. An der Sonnenlohe selber hat er seine flatternden Blätter angezündet, und in diesem Brande eilt nun auch das Korn zu reisen. Lange bevor noch die Weizenähre ihr bronzenes volles Braun zeigt, wenn noch grün die Gerste steht, bleicht das Korn. Manches Wetter zog darüber, doch gnädig verschonte der Hagel. Nun ist es todreif. Aber auch jetzt noch regt es das Gemüt lebendig an, und man fühlt nichts von den: trüben Eindruck, den eine verbrannte Trift oder ein welker Blumenflor inacht. Ein Gang durchs Kornfeld um Mittag! Welch eine eigene, fast seltsame Poesie liegt darin! Man streift aus den Rainwegen hin zwischen den hohen Ahrengassen, in denen die Glut des Tages sich verfängt. Da drinnen kocht und gärt und arbeitet es unhör- bar; die Sommergeister, die Erdmännchen bereiten aus verborgenen Kräften das Manna der Welt. Schwül und glasig zittert die Luft über den weiten Flächen; aber kein Halm regt sich, keine Wolke zieht über die brennende blaue Wüste des Himmels. Alles steht unbewegt im flimmernden Zauber, und der Knabe, den Rade und

10. Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.) - S. 22

1911 - : Crüwell
22 3. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, His flöge sie nach Haus. 19. Das Haus in der Heide. Von Annette von Droste-Hülshoff. Al 7ie lauscht, vom Abendschein umzuckt, W Die strohgedeckte Hütte, Recht wie im Nest der Vogel duckt, Aus dunkler Föhren Mitte. 2. Am Fensterloche streckt das Haupt Die weißgestirnte Sterke, Bläst in den Abendduft und schnaubt Und stößt ans Holzgewerke. 3. Seitab ein Gärtchen, dornumhegt, Mit reinlichem Gelände, Wo matt ihr Haupt die Glocke trägt, Aufrecht die Sonnenwende. 4. Und.drinnen kniet ein stilles Kind, Das scheint den Grund zu jäten; Nun pflückt sie eine Lilie lind Und wandelt längs den Beeten. 5. Am Horizonte Hirten, die Im Heidekraut sich strecken Und mit des Aves Melodie » Träumende Lüfte wecken. 6. Und von der Tenne ab und an Schallt es wie Hammerschläge, Der Hobel rauscht, es fällt der Span, Und langsam knarrt die Säge. 7. Da hebt der Abendstern gemach Sich aus den Föhrenzweigen, Und grade ob der Hütte Dach Scheint er sich mild zu neigen. 8. Es ist ein Bild, wie still und heiß Es alte Meister hegten, Kunstvolle Mönche, und mit Fleiß Es auf den Goldgrund legten:
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