24
A. Europa.
und Beute geneigt), die Abstufung der Ritter und Knappen und
manche andre Eigenthümlichkeit des neuern Europa. Kunstlos
und dech zweckmäßig war die Anordnung im Gefecht; das Gefolge
umgab seinen Führer; familien- und stammweise vereinigt focht
das Volk, doch so, daß meist einer zu Pferde von mehreren zu
Fuß begleitet war; eine Einrichtung, die selbst Casar zweckmäßig
fand und nachahmte. Die Weiber begleiteten oft das Heer, err
munterten die Streitenden durch Zuruf, pflegten der Verwunde-
ten und stellten mehr als ein Mal die halb verlorne Schlacht durch
ihre Ermunterungen wieder her, oder wählten auch wohl freiwil-
ligen Tod, um der Knechtschaft zu entgehen. — Bedenkt man
nun noch, wie schuell und innig das Christenthum von den Deut-
schen aufgenommen, wie schnell Bevölkerung, Wohlstand und
selbst geistige Bildung in den von den Germanen eroberten Ländern
emporblühten; wie Sprachen, Sitten, religiöse Ansichten, bür-
gerliche und gesellige Verhältnisse, mit einem Worte, die ganze
neue europäische Bildung, das deutliche Gepräge dessen tragen,
wovon wir die Grundzüge in den von den Römern uns geschilder-
ten Germanen wahrnehmen: so wird man diese schwerlich mit
amerikanischen Wilden vergleichen, wenigstens ihre hohe Bildungs-
fähigkeit und ihre geistige Kraft nicht verkennen.
Dieses kräftige Volk war bestimmt, einst die alle Eigenthüm-
lichkeit der Völker vernichtende Weltherrschaft der Römer zu zer-
trümmern; und unfehlbar hätte es diesen, von einsichtsvollen
Römern Jahrhunderte vorher geahndeten Beruf früher erfüllt,
wenn es nicht in sich selbst uneins, in eine Menge kleiner, einan-
der häufig selbst befehdender Volksstämme getheilt gewesen wäre.
Erst später, als sie die Gewalt der römischen Waffen mehrere
Male erfahren, lernten die Germanen sich theilweise zu gemein-
samer Abwehr des Feindes verbinden, und aus solchen Eidgenos-
senschaften deutscher Stämme, wie die der Sueven oder Schwa-
den, der Kalten (Hessen), der Cherusker u. a., ist wahrscheinlich der
Name Germanen, d. h. Wehrmannschaften, entstanden. —
Was man gewöhnlich die große Völkerwanderung nennt und als
ein rathfelhaftes sich vorwärts und übereinander Wälzen der Völ-
ker betrachtet, ist im Grunde nichts anders, als das siegreiche
Ende des Jahrhunderte lang fortgesetzten Kampfes der Deutschen
gegen die Römer und ihres Bestrebens nach Ansiedelung in frem-
den Ländern, bei Ueberfüllung des eignen Vaterlandes. So tre-
ten zuerst, schon 100 I. v. Chr. Geb., die Cimbern und Teuto-
nen, aus dem nördlichen Deutschland oder der dänischen Halb-
insel, Ansiedelung, gegen treue Dienste im Kriege, begehrend auf,
und unterliegen der überlegenen römischen Kriegskunst des Ma-
rius, weil sie den Römern gerade in dem höchsten Punkte ihrer
kriegerischen Macht begegneten. So brechen die Helvetier aus
ihrem Lande hervor und werden von Cäsar nach großem Verluste
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Extrahierte Personennamen: Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Europa Europa Hessen Deutschland
25
Vii. Deutschland.
zurückgewiesen und auch Ariovift (Ehrenveft?), ein Oberhaupt
der Sueven, wird von Casar über den Rhein zurückgeworfen.
Von nun an beginnt der beinahe ununterbrochene Kampf der Ger-
manen mit den Römern, in welchem jene eine Zeitlang theilweise
unterliegend, aber ihre Freiheit stets behauptend, endlich nach 4
Jahrhunderten den vollständigsten Sieg erringen. Cäsar hatte
nur versuchsweise und ohne bleibenden Erfolg den Rhein, wahr-
scheinlich in der Gegend von Neuwied, überschritten. Unter dem
August hoffte man eine Zeitlang die Germanen zu unterjochen,
wie es mir so manchen andern kriegerischen Völkern gelungen
war. Drusus, der tapfere Stiefsohn Augusts, drang in 4 Feld-
zügen, 12 — 9 Jahre v. Chr., bis an die Elbe, doch ohne blei-
bende Eroberungen zu machen; sein Bruder Tiberius kämpfte nicht
allein mit Glück, sondern es gelang ihm auch mehrere deutsche
Völkerschaften zu gewinnen und als Hülfstruppcn in Sold zu neh,
men. Schon glaubten die Römer das Land bis an die Weser das
ihre nennen zu können, und der kurzsichtige Varus unternahm
es sogar, römische Sitten und Gerichtsordnung einzuführen, als
er mir 3 Legionen von den Deutschen, unter Hermanns (Armi-
nius), eines Fürsten der Cherusker, Anführung, im Teutobur,
ger Walde, beim heutigen Veldrom, unweit Paderborn, völlig
vernichtet ward. Germaniens, der edle Sohn des Drusus, un-
ternahm vergeblich 4 Feldzüge, um die Erschlagenen zu rächen;
fruchtlose, unentschiedene Siege waren alles was er gewann, und
kaum nur entging ein Theil seines Heeres dem Schicksal des Va-
rus. Hermann aber, der mit Recht jetzt allgemein gefeierte Ret-
ter der deutschen Freiheit, von seinen eignen Zeitgenossen wenig
erkannt, von seinem Schwiegervater Segest, dem er die Tochter
Thusnelda entführt hatte. Zeitlebens angefeindet, dessen eigner
Bruder, unter dem Namen Flavius, im Römerheer diente, fiel
durch Meuchelmord, als ein Opfer der kleinlichen Eifersucht sei-
ner Verwandten und andrer Oberhäupter. Doch lebte, zu Taci-
tus Zeiten, sein Andenken in den Liedern, die das Volk zu seiner
Ehre sang. Von der Zeit an ward es Grundsatz der Römer, sich
auf den Besitz des Rhein - und Donauufers zu beschränken, und
lange genug gelang es ihnen, diese wohlbefestigten Gränzen un-
ter harten Kämpfen zu behaupten. Siegreich führte noch Trajan
den Krieg im heutigen Ungarn und überschritt die Donau, aber
nur mit der äußersten Anstrengung gelang es dem Marc Aurel,
166 — 180 n. Chr., die Angriffe der Quaden und Markomannen,
im heutigen Oestreich, Böhmen und Mähren, zurückzuhalten.
Immer sichtbarer ward nun der Verfall und die Erschöpfung dev
Römer, schwach nur vermögen sie noch dem Andringen der Ger-
manen zu widerstehen; schon hatten verschiedene deutsche Stämme
Ansiedelung im Süden der Donau erhalten; schon bestanden die
Heere der Römer größtenthcils aus angeworbenen oder ihnen vers
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Cäsar August Drusus Augusts Tiberius Varus Hermann Schwiegervater_Segest Thusnelda Marc_Aurel
26
A. Europa.
bündeten Barbaren; schon sehen wir Deutsche an der Spitze rö-
mischer Heere, im Senat, in der Nähe des Throns, als endlich
im Anfange des 5ten Jahrhunderts das längst schon nur noch dem
Namen nach vorhandene römische Reich eine leichte Beute der
Germanen ward, welche von allen Seiten in die erschöpften, ver-
ödeten Provinzen eindrangen und zum Theil von den unglücklichen
römischen Unterthanen mit Freuden aufgenommen wurden. Man
kann zur leichtern Uebersicht 4 Haupteinbrüche germanischer Völ-
ker unterscheiden. Von Osten her drangen aus dem heutigen Un-
garn die verschiedenen gothischen Völkerschaften erst in Griechen-
land und dann in Italien ein, wo, nachdem Rom schon einige-
mal von ihnen erobert, Odoacer, Anführer der Herulerund Ru-
gier, dem römischen Reiche 476 ein Ende machte. Sie waren un-
streitig die mildesten aller Germanen und durch das Christenthum
den Römern näher verwandt; ihr Reich aber war nur von kur-
zer Dauer, sie unterlagen den Longobarden, wie diese später den
Franken. Ein zweiter Zug, aus einem Theile der Gothen, West-
gothen, den Sueven, Vandalen und Alanen bestehend, drang
über den Rhein und eroberte Spanien, später auch für einige Zeit
die Nordküste von Afrika. Die Burgunder, welche die nemliche
Richtung nahmen und ebenfalls zu den edelsten germanischen
Stämmen gehörten, ließen sich an der Rhone und im südlichen
Frankreich nieder, bis auch sie den Franken unterlagen. Die
fränkischen Stämme, die zu den weniger gebildeten gehörten,
drangen anfänglich nur über den nördlichen Rhein und eroberten
die jetzigen Niederlande, später ward ihr Reich das ausgedehnteste
von allen. Von den nördlichsten und wahrscheinlich ungebildetsten
aller germanischen Völker gingen die Sachsen und Angeln (Angel-
sachsen) nach Britannien über und eroberten den größten Theil des
heutigen England. Zu gleicher Zeit finden wir im äußersten Nord-
osten von Deutschland slavische'völker, unter dem allgemeinen
Namen der Wenden bekannt, von welchen es ungewiß bleibt, ob
sie schon längst dort unter Germanen gemischt Wohnsitze gehabt,
oder ob sie in die nun minder bevölkerten Gegenden friedlich oder
als Sieger eingerückt. Verworrener und zerstörender wurde die
Völkerwanderung durch das Hinzukommen eines jener seltnen
Menschen, welche das innere Asien zu Zeiten hervorgebracht, des
Attila (deutsch Etzel), welcher an der Spitze der Hunnen seine un-
ermeßlichen Streifzüge aus der großen Tatarei bis in die Gegend
der Marne und an die Thore von Rom ausbreitete. Viele
deutsche Stämme waren von ihm unterjocht oder mit ihm verbün-
det, und andre Deutsche waren es, Franken und Westgothen,
welche in den Ebenen von Chalons sur Marne seinen alles ver-
wüstenden Zügen ein Ziel setzten. Er wendete sich hierauf nach
Italien und starb glücklicherweise im folgenden Jahre 4&¿.
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Extrahierte Personennamen: Attila_( Chalons
Extrahierte Ortsnamen: Europa Griechen- Italien Rhein Spanien Afrika Frankreich Rhein Sachsen Britannien England Deutschland Rom Italien
27
Vii. Deutschland.
Die Besitznahme der römischen Provinzen durch die Germa-
nen war im Ganzen genommen von geringen Verheerungen und
Blutvergießen begleitet gewesen; desto blutiger aber waren di e
Kampfe, welche nunmehr unter den Eroberern selbst entstanden,
als besonders die Franken unter Chlodwich von 491 bis 511 die
Weftgothen und Burgunder, im heutigen Frankreich, die Alle-
mannen im südlichen und die Thüringer im östlichen Deutschland
besiegten und sich unterwarfen. Das dadurch entstandene große
Frankenreich kam nach langen inneren Zerrüttungen endlich in die
kräftigen Hände Carl Martells, seines Sohnes Pipin und endlich
dessen Sohnes Carls des Großen, 771 — 814, welcher die Grän-
zen seines Reiches durch Unterjochung der Longobarden in Italien,
der Sachsen in Deutschland und eines Theils von Spanien bis an
den Ebro bedeutend erweiterte. Als aber, nach der schwachen Re-
gierung seines Sohnes Ludwig des Frommen, dessen Söhne erst
mit dem Vater um die Theilung, dann unter sich um den Besitz
der Erbschaft seines Reiches in blutigen Kämpfen stritten, kani
endlich 843 zu Verdün jener berühmte Theilungsvertrag zu Stan-
de, wodurch die unabhängige Existenz der 3 Reiche Deutschland,
Frankreich und Italien begründet ward. Von Ludwigs Söhnen
erhielt Lothar Italien und das sogenannte Lotharingische Reich;
Carl der Kahle das eigentliche Frankreich, und Ludwig der Baien
oder der Deutsche Deutschland, und mit ihm beginnt im engern
Sinne die Geschichte des deutschen Reiches. Welche Veränderun-
gen bis auf diesen Zeitpunkt in der ursprünglichen Verfassung der
deutschen Völker entstanden, das Entstehen großer Vasallen, das
Emporkommen der Geistlichkeit und ihre Theilnahme an der Re-
gierung der Völker, das alles haben wir bei Frankreich (1. Th.
S. 214 u. f.) entwickelt. Hier bleibt nur noch zu erinnern übrig,
daß das Christenthum theils durch die Bemühungen frommer
Mönche, vorzüglich aus England, unter welchen Winnfried oder
Bonifacius der bedeutendste gewesen, im Laufe des7ten und 8ten
Jahrhunderts, theils aber auch durch die siegreichen Waffen Carls
des Großen in ganz Deutschland eingeführt war.
So groß war die Ehrfurcht vor dem Andenken Carls des Gro-
ßen, daß man, so lange Nachkommen von ihm vorhanden wa-
ren, der alten deutschen Sitte, der Wahl, zu vergessen schien,
bis sie endlich mit dem unmündigen Ludwig dem Kinde 911 aus-
gestorben. Deutschland befand sich damals in einem traurigen Zu-
stande der innern und äußern Schwäche. Die vier großen Va-
sallen, die Herzoge von Sachsen, Franken, Baiern und Schwa-
den, waren der königlichen Macht weit überlegen, und unauf-
hörlich wiederholte Einfälle raubgieriger Barbaren zerrütteten das
unglückliche Land. Im Norden streiften die heidnischen Normän-
ner (allgemeiner Name der Dänen, Norweger und Schweden);
im Osten drohten die Wenden; von Südosten brachen die alles
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Extrahierte Personennamen: Carl_Martells Ludwig_des Ludwig Ludwigs_Söhnen Ludwigs Lothar_Italien Ludwig_der_Baien Ludwig Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Deutschland Italien Sachsen Deutschland Spanien Deutschland Frankreich Italien Frankreich Frankreich England Deutschland Deutschland Sachsen Baiern Schweden
28
A. Europa.
verwüstenden Schwarme der Ungarn hervor, die mit ihrer leichten
Reiterei alles überschwemmten und jede Gegenwehr unmöglich
machten, und einst sogar durch Deutschland nach Frankreich vor-
drangen und ihren Rückweg durch Italien nahmen. Noch Con-
rad der Salier (Herzog von Franken), der erste deutsche Wahl-
könig, vermochte wenig zur Wiederherstellung der Ordnung.
Dies gelang erst den Regenten aus dem sächsischen Stamme, wel-
che man, nach den ausgezeichnetsten unter ihnen, wohl die Otto-
nen nennt. Heinrich I., 918 — 030, erwarb sich das große
Verdienst, die Normänner und Wenden nachdrücklich zu züchti-
gen: zur Sicherung der Gränzen bestellte er Mark- (Gränz-)
Grafen, deren Gebiete die Mark Schleswig, die nordsächsische
(jetzt Altmark) und die ostsächsische Mark (Meißen) genannt wur-
den. Die Ungarn schlug er bei Merseburg, und um ihre künfti-
gen Einfälle besser abzuwehren, legte er überall ummauerte Plätze '
an, erst Burgen, dann Städte, und führte Waffenübungen zu
Pferde ein; woraus in der Folge die Turniere der Ritter entstan-
den. Sein Werk ward durch seinen Sohn Otto J. den Großen,
836 — 73, vollendet. Die Ungarn, am Lech gänzlich geschlagen,
wagten in der Folge keine Einfälle mehr, und seine Siege über
die Wenden, welche er durch Anlegung der Bisthümer Branden-
burg und Havelberg befestigte, unterwarfen ihm diesen Theil
Deutschlands bis an die Oder. Unter seinen Nachfolgern Otto Ii.
973 — 83, und Otto Hi. 983 —1002, stieg und befestigte sich
die königliche Macht immer mehr; Lothringen, eine Zeitlang von
Deutschland getrennt, ward wieder damit vereinigt und behaup-
tet, und die Macht der deutschen Kaiser, (Otto!, hatte diese Würde
902 angenommen, welche von nun an beim deutschen Reiche blieb),
als Könige von Italien auch dort anerkannt. Selbst der Anfang
zu einiger wissenschaftlichen Bildung ward durch die Verbindun-
gen der Ottonen mit den byzantinischen Kaisern begründet. Der
nemliche Zustand erhielt sich auch noch unter dem letzten Kaiser
aus dem sächsischen Stamme Heinrich Ii. 1002 — 24. Unter
dem folgenden Herrscherftamme, den fränkischen Kaisern, den
Heinrichen, erreichte die Königsmacht in Deutschland ihren höch-
sten Gipfel, um schnell und schmachvoll von dieser Höhe gestürzt
zu werden. Conrad Ii. der Salier (Franke), 1024 — 39, und
vorzüglich sein Nachfolger Heinrich Iii., 1040 — 56, herrschten
nicht allein mit großem Nachdruck in Deutschland und Italien,
sondern selbst die Geistlichkeit, welche nach und nach, schon von
Carl dem Großen und später von den Ottonen begünstigt, große
Güter, Fürftenthümern an Unfang gleich, erlangt hatte, beugte
sich vor ihnen; Päpste wurden von ihnen ein - und abgesetzt und
keiner ohne ihre Bewilligung erwählt. Diese Macht, bei welcher
Deutschland im Innern ruhig und geordnet, nach außen höchst
kräftig wirkte, ging, und zwar für alle Zeiten, unter dem leicht-
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Ungarn Deutschland Frankreich Italien Merseburg Ungarn Havelberg Deutschlands Lothringen Deutschland Italien Deutschland Deutschland Italien Deutschland
Vii. Deutschland. Preußen. 65
und die nicht fechtenden Kriegsbeamten eine Denkmünze von Guß-
eisen. Für Frauen, welche in jener denkwürdigen Zeit sich hülf-
reich und wacker bewiesen, ist der Louisenorden 1814 gestiftet.
Der von Friedrich Ii. 1740 gestiftete Orden pour le inérite, wel-
cher in den letzten Kriegsjahren noch eine Verzierung von Eichen-
laub erhalten hat. Endlich wird noch statt des ehemaligen Johan-
niter-oder Maltheserkreuzes der preußische Johanniterorden seit
1812 vertheilt.
In den letzten Jahren ist gleiches Maaß und Gewicht für die
ganze Monarchie eingeführt worden, und durch die Ausprägung
der sogenannten Silbergroschen, wovon 30 auf einen preußischen
Thaler gehen, ist wenigstens für die Scheidemünze eine ziemliche
Gleichförmigkeit der Münzen erreicht worden.
Entstehung der Monarchie.
Die neuere Geschichte Europa's kennt wenig Beispiele eines
so schnellen Wachsthums, als das der Preußischen Monarchie.
Das Stammland derselben, der Kern, an welchen sich nach und
nach die übrigen Provinzen anschlossen, ist die Mark Branden-
burg, oder die Gegenden zwischen der Elbe und Oder. Diese,
so wie alle nördlicher und östlicher gelegenen Gegenden, wurden
theils schon vor, theils während und nach der Völkerwanderung
von slavischen Stämmen, als Obotriten, Milzen, Wenden, Sor-
den u. a. eingenommen, welche sich selbst über die Elbe hinaus
bis an die Saale und weiter verbreiteten. Sie waren ein fleißi-
ges, im Ackerbau und selbst in den Handwerken n.cht ungeübtes
Volk. Ihr Hauptort in diesen Gegenden, Brannibor oder Bren-
nibor, an der Havel, ist das heutige Brandenburg, welches dem
Lande seinen Namen gegeben hat. Schon Carl der Große suchte
sie zu unterjochen und zum Christenthum zu zwingen, doch gelang
es ihm nur, einen Theil der am linken Ufer der Elbe, in der jetzi-
gen Altmark wohnenden Slaven zu bezwingen, und um diese
Gränze zu bewachen ward hier die Markgrafschaft Nordsachsen,
oder die Wendische Mark, später die Markgrafschaft Soltwedel
(Salzwedel) angelegt. Kaiser Heinrich I. und Otto I. drangen
mehrere Male über die Elbe vor, eroberten Brannibor, und leg-
ten, zur Verbreitung des Christenthums in diesen Gegenden, die
Bisthümer Brandenburg und Havelberg an. Die Eroberung der
Marken bis an die Oder ward indeß erst um die Mitte des 12ten
Jahrhunderts, durch Albrecht den Bär aus dem Hause Ascanien,
den Stammvater des jetzigen Anhaltischen Hauses, vollendet, wel-
cher auch zuerst den Namen eines Markgrafen von Brandenburg
annahm. Seine Nachfolger, die Markgrafen aus diesem Hause,
erweiterten ihre Besitzungen ansehnlich durch die Neumark, einen
Theil von Pommern und Pomerellen (einen Theil von Westpreu-
Blanc Handb. 11. 8. Ausl. 5
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Heinrich_I. Heinrich_I. Otto_I. Albrecht Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Johan- Brandenburg Havelberg Brandenburg Pommern
203
Vii. Deutschland. Oestreich.
behindert, ist nicht von großer Bedeutung. — Ungarn ist eine
in männlicher und weiblicher Linie erbliche Monarchie; nach Ab-
sterben des regierenden Hauses hätten die Reichsstände das Recht,
sich selbst einen König zu wählen. Die königliche Macht, obwohl
sie in der neuern Zeit sehr zugenommen, ist dennoch immer von
den Reichsständen beschränkt, an deren Spitze der gewählte Pala-
tinus von Ungarn steht.
Geschichte.
Das heutige Ungarn war lange Zeit unter dem Namen Pan-
nonien eine römische Provinz. Als das römische Reich dem An-
drang barbarischer Völker erlag, ward Pannonien abwechselnd
von vielen Völkerschaften durchzogen und besetzt, unter welchen
die Gepiden und später die Aoaren die bedeutendsten waren. Mit
letzteren hatte noch Carl der Große zu kämpfen, welcher sein Reich
bis an die Raab ausdehnte und den Avaren das Christenthum auf-
drang. Ein neuer Schwarm nomadischer Barbaren, die Magya-
ren oder Madscharen, es bleibt ungewiß, ob von kalmykischer
oder finnischer Abkunft, aus dem Innern Asiens, drang unter
der Anführung Arpads ums Jahr 894 in Ungarn ein, eroberte
binnen 10 Jahren das Land und theilte sich in den Besitzungen;
wobei die bisherigen Bewohner zu Sklaven gemacht wurden; eine
Erklärung, wenn auch nicht Rechtfertigung des heutigen Zustan-
des. Arpads Nachkommen beherrschten Ungarn bis 1301. Die
Magyaren waren an ein kriegerisches Nomadenleben gewöhnt und
setzten ihre alles verheerenden Streifzüge durch Deutschland, Frank-
reich und Italien und bis vor die Thore von Conftantinopel bis
zu Ende des 10ten Jahrh, fort, wo unter ihrem Anführer Geysa
das Christenchum und mit ihm Liebe zum Frieden und zum Acker-
bau eindrang. Geysa'ssohn, Stephan der Heilige, ward vom
Kaiser als erblicher König erkannt und erhielt vom Papst Syl-
vester Ii. die noch jetzt aufbewahrte apostolische Krone. Diesem
großen Fürsten verdankte Ungarn seine Eintheilung in 72 Comi-
tate, die erste Gesetzgebung und den Anfang einiger Bildung,
welche besonders durch die Aufnahme deutscher Ansiedler beför-
dert ward. Die Krone Ungarns war erblich, aber die Erbfolge
unbestimmt; daher entstanden nach Stephans Tode, >1038, bei-
nahe 50jährige Kriege, welche erst mit Ladislav's Thronbestei-
gung 1085 beendigt wurden. Die dadurch wie durch die verwü-
stenden Durchzüge der Kreuzheere entstandenen Verheerungen wur-
den durch Aufnahme einer großen Zahl besonders sächsischer und
niederländischer Kolonisten unter Geysall., bis 1161, einiger-
maßen wieder gut gemacht. Aber jede Spur der wieder aufblü-
henden Cultur verschwand und das Land ward beinahe zu einer
menschenleeren Wüste, als von 1241 — 43 unzählige Horden von
Mongolen den König Bela Iv. schlugen, ihn aus dem Lande
zu fliehen zwangen und alles mit Feuer und Schwcrdt verwüste-
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TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
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S10 A. Europa.
4. Das Königreich Dalmatien.
Ein langer Küstenstrich von sehr verschiedener Breite, am öst-
lichen Ufer des adriatischen Meers, mit vielen davor liegenden In-
seln. Es erstreckt sich vom 42° bis beinahe 45°, doch nicht ganz
ununterbrochen, indem das türkische Gebiet an zwei schmalen Stel-
len das Meer erreicht, und enthalt auf etwa 273 □ Wt. über
300,000 Menschen. Dieses einst den Römern unterworfene Kü-
stenland ward bei der Völkerwanderung zuerst von Gothen und
Avaren, dann im 7ten Jahrh, von Slaven besetzt, welche noch jetzt
die Mehrzahl der Bewohner ausmachen In der Folge ward es
von Ungarn abhängig; doch blieben die meisten Städte stets in Ver-
bindung mir Venedig, welcher Staat auch später den größten Theil
des Landes an sich riß. In der neuesten Zeit ist es mit den übrigen
venerianischen Besitzungen an Oestreich gekommen. — Dalmatien
hat zwar ein überaus mildes Klima und edle Produete, wird aber
wohl schwerlich jemals einen hohen Grad von Cultur erreichen, in-'
dem ihm die 2 wesentlichsten Bedürfnisse, Dammerde und Wasser,
beinahe gänzlich fehlen. Die ganze Küste besteht aus steilen, dür-
ren Kalkgebirgen, welche man als die südlichen Verzweigungen der
Alpen betrachten kann. An die Jütischen Alpen schließt sich das Ge-
birge Welle bith, und dieses zieht sich unter mancherlei Namen,
als Popila, Golossio, Mossor, bis zum klonte negro, wel-
cher die südlichste Gränze ausmacht. Alle diese Gebirge fallen sehr
steil nach dem Meere ab, so daß es nur wenige eigentliche Ebenen
giebt, und auch diese aus nichts anderm als aus Kalkgerülle beste-
hen. Eben so verhält es sich mir den Inseln, welche nur kleinere
mit den Küstengebirgen parallel laufende Züge sind. Die meisten
dieser Berge sind völlig kahl oder doch nur mitgestrüpp bewachsen;
tiefer im Lande, im höhern Gebirge, sind wohl noch schöne Wal-
dungen, aber sie sind beinahe ganz unzugänglich; denn die ganze
Küste hat keinen schiffbarem Fluß, und die Wege sind so abscheulich,
daß man bisher sie nur mit Saumrossen benutzen konnte. Fuhr-
werk war gänzlich unbekannt. Doch haben die Franzosen und jetzt
auch die östreichische Regierung angefangen Landstraßen anzulegen.
Dabei fehlt es diesen Gebirgen beinahe ganz an Quellen; die mei-
sten Städte und Inseln müssen sich mit Cifternenwasser begnügen.
Daher ist auch der Getreidebau höchst unbedeutend; desto besser ge-
deihen aber die Oliven, deren Oel das meiste italiänische übertrifft;
Feigen, Mandeln, Rosinen, Granaten und andre edle Süd-
früchte; der Wein ist besonders feurig und gut. — Von den un-
bedeutenden Küstenflüssen sind die Kerka (1itiu8), wegen ihrer
herrlichen Wasserfälle berühmt, die Cettina (1eluru8) und die
Narenta (lvsro oder Narbo) noch die wichtigsten. — Der Berg-
bau ist ganz vernachlässigt, und das Land hat kein andres Salz, als
was man aus dem Meere durch Verdunstung gewinnt. — Da-
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242
À. Europa.
sich auf den Umsturz der Republik zu erheben. Cicero, der größte
Redner unter den Römern, damals Consul, durchschauete und ver-
eitelte seine Absichten; Catilina mußte fliehen, seine Anhänger wur-
den hingerichtet, und er selbst fiel rühmlicher, als er es verdiente,
in einem Gefechte bei Pistoja 692. Pompejus, nicht zufrieden den
glänzendsten Triumph gefeiert zu haben, den Rom noch gesehen,
sich noch nicht genug geehrt wähnend, verband sich zu gemeinsa-
mer Ausführung ihrer ehrgeizigen Absichten mit Cäsar, dem größ-
ten Manne der damaligen Zeit, obgleich er nur noch wenig Gele-
genheit gefunden, seine außerordentlichen Talente zu entwickeln,
und mit Crassus, dem reichsten seiner Zeit. Ihrem Einfluß ver-
mochten weder Senat noch Volk zu widerstehen; sie vertheilten
Aemter und Verwaltung der Provinzen nach Willkühr. Crassus,
begierig nach den Schätzen des Orients, ließ sich Syrien zutheilen,
um die mächtigen Parther zu bekriegen, wo er aber bald mit sei-
nem Heere in Wüsten aufgerieben ward, 760 d. St. Pompejus
übernahm die Verwaltung Spaniens, blieb aber, um seines fürst-
lichen Ansehens besser zu genießen, in Rom, und ließ die Provinz
durch seine Unterfeldherren verwalten. Cäsar, tiefer schauend als
beide, unternahm das von zahlreichen und kriegerischen Völker-
schaften bewohnte Gallien zu erobern. In 7 Feldzügen schlug er
die Helvetier, die über den Rhein unter Ariovist vorgedrungenen
Germanen, ging selbst, wiewohl erfolglos, zweimal über den
Rhein, unterjochte ganz Gallien und drang selbst nach Britannien
bis über die Themse vor. Hierdurch hatte er nicht allein sich den
Beifall des Volks im höchsten Grade erworben, sondern auch ein
ihm völlig ergebenes kriegslustiges Heer von 12 Legionen (die Legion
zahlte damals an 7000 M.) gebildet. Schon längst fürchtete ihn
Pompejus, der nichts für sich hatte, als einen großen Namen und
die entfernten, ihm persönlich unbekannten Legionen Spaniens,
und auf seinen Betrieb forderte nun der Senat, Cäsar sollte seine
Legionen entlassen und als Privatmann nach Rom kommen. Statt
dessen eilte er mit wenigen Truppen nach Italien, ging nach kur-
zem Ueberlegen 704 d. St. 50 v. Chr. über den kleinen Fluß Ru-
bico, die bis dahin geheiligte Gränze des eigentlichen Italien, die
kein Feldherr ohne Erlaubniß des Senats bewaffnet überschreiten
durfte, und drang schnell in die Nähe Roms vor. Pompejus, der
größte Theil des Senats und unzählige der vornehmsten Bürger
waren bei seiner Annäherung zuerst nach Capua, von da nach
Brudusium und endlich nach Griechenland entwichen, wo sie Mit-
tel sammelten, dem Cäsar zu widerstehen. Dieser hielt sich nur
einen Augenblick in Rom auf; großmüthig und milde behandelte er
das Volk, das die Rückkehr eines neuen Sylla fürchtete, und eilte
nach Spanien, wo er in wenigen Monaten die Legionen auf seine
Seite brachte und sich des Landes versicherte. Ohne einen Augen-
blick zu verlieren, eilte er nun trotz der ungünstigen Jahreszeit nach
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Rom Spaniens Rom Gallien Rhein Rhein Gallien Britannien Spaniens Rom Italien Italien Roms Capua Brudusium Griechenland Rom Spanien
Viii. Italien.
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griechischen Städte schon größtentheils zerstört, oder sehr herabge-
kommen, als die Römer in jene Gegenden vordrangen. Im nörd-
lichen Italien verbreiteten sich schon in sehr alter Zeit gallische Völ-
kerschaften und verdrängten einen Theil der Ligurer und der Etrus-
ker; sie waren so sehr das vorherrschende Volk in jenen Gegenden,
daß die Römer, mit denen sie vor ihrer Unterjochung häufige und
blutige Kriege geführt, nach ihnen das ganze nördliche Italien,
Gallia cisalpina, Gallien diesseits der Alpen, oder togata nann-
ten, weil die überwundenen Gallier mit der Sprache und den Sit-
ten der Römer auch das diesen eigenthümliche Kleid die toga ange-
nommen hatten, in Gegensatz des eigentlichen Galliens oder Frank-
reichs, welches bei den Römern Gallia transalpina, das jenseits
der Alpen gelegene, oder enmata hieß, weil die dortigen Einwoh-
ner das Haupthaar (coma) lang wachsen ließen.
Einer alten, allerdings durchaus unhistorischen und fabelhaf-
ten, aber seit dem 5ten Jahrh. Roms so allgemein angenommenen
Sage nach, daß Virgil darauf sein Heldengedicht gründen konnte,
war Aeneas, nach der Zerstörung Troja's, mit fliehenden Troja-
nern an der Küste Latiums gelandet, hatte Lavinia, die Tochter
des dortigen Königs der Aboriginer Latinus, geheirathet und eine
Stadt Lavinium gegründet. Sein Sohn Askanius erbte die Herr-
schaft über die nunmehrigen Lateiner und gründete Zojahre später
in einer fruchtbaren Gegend die Stadt Alba longa. Die Reihe
der von ihm abstammenden albanischen Könige ist durchaus fabel-
haft; dennoch knüpft sich an sie die erste überaus unsichere, wo
nicht ganz mythische, doch von Dichtungen aller Art höchst entstellte
Geschichte der Entstehung und der ersten Jahrhunderte Roms.
Da hier nicht der Ort ist zu historischen Untersuchungen, so können
wir auch hier nur die'herkömmliche Geschichte Roms erzählen.
Der letzte König von Alba aus des Aeneas Geschlecht, Numitor, so
erzählt die Sage, ward von seinem jüngern Bruder Amulius ver-
drängt und sein Sohn ermordet. Seine Tochter aber Rhea Syl-
via, welche Amulius, damit sie kinderlos bliebe, unter die Jung-
frauen der Vesta hatte aufnehmen lassen, ward schwanger vom
Gotte Mars und gebahr Zwillinge, den Romulus und Remus.
Diese befahl Amulius in die eben stark ausgetretene Tiber zu wer-
fen; sie wurden aber ans seichte Ufer getrieben, von einer Wölfin
gesäugt und von einem herbeigekommenen Hirten erzogen. Spä-
ter zu kriegerischen Jünglingen herangewachsen und von ihrer Her-
kunft unterrichtet, erschlugen sie den Amulius und setzten ihren Va-
ter wieder auf den Thron. Sie selbst aber beschlossen, an der Ti-
der, in einer mit Hügeln, Morästen Und Wald erfüllten Gegend,
eine neue Stadt zu gründen. Jeder von ihnen begab sich auf den
von ihm gewählten Hügel, um aus dem Fluge der Vögel zu erfor-
schen , welcher von beiden den Platz bestimmen und die Herrschaft
fuhren sollte. Remus erblickte zuerst 6geier, Romulus später 12,
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