§. 24. Napoleons Krieg in Portugal und Spanien. 279
entsagung und der Übertragung der Krone an Napoleon, dann zwang er Ferdinand zur Anerkennung dieses Gewaltstreiches. Ferdinand mußte sich mit einer Jahresrente begnügen und in Frankreich leben, während König Karl sich mit seiner Familie nach Rom begab. Zum Könige von Spanien ernannte Napoleon jetzt seinen ältesten Bruder Joseph, welcher Neapel an den bisherigen Großherzog von Berg, Joachim Murat, abtreten mußte. Dessen Großherzogtum erhielt der Kronprinz Ludwig von Holland.
Als Joseph unter dem Schutze französischer Truppen in Madrid einzog, war dort bereits ein Aufstand ausgebrochen, der den Franzosen 1200 Soldaten kostete und ihnen zeigte, daß das spanische Volk mit der napoleonischen Zwingherrschaft nicht einverstanden war. Ganz Spanien griff nun zu den Waffen, und England versprach Hilfe. Es entspann sich ein heftiger fünfjähriger Krieg (1808—1813), welcher mit wechselndem Glücke geführt wurde. Bei Baylen (22. ^uli 1808) ward ein französisches Heer unter dem General Dupont von den Spaniern gefangen genommen. Das von den Franzosen belagerte Saragossa verteidigte sich unter Palasox aufs heldenmütigste. Jedes Haus ward in eine Festung verwandelt, die Mönche riefen jung und alt zu den Waffen und feuerten die Belagerten zur Ausdauer und Tapferkeit an. Als eine Batterie von ihrer Mannschaft verlassen war, eilte ein junges Mädchen herbei, schoß selbst die Kanonen ab und rief durch ihren Mut die beschämten Krieger zurück. Saragossa hielt sich; die Franzosen zogen ab. Joseph mußte Madrid verlassen.
Inzwischen war in Portugal ein englisches Heer unter Arthur Wellesley, dem nachmaligen Herzog von Wellington, gelandet und hatte den General Junot besiegt und zum Abzug genötigt. Nach dem glänzenden Kongreß zu Erfurt eilte Napoleon mit einem mächtigen Heer selbst nach Spanien, besiegte seine Gegner und setzte seinen Bruder Joseph wieder ein. Aber er konnte nur kurze Zeit in Spanien verweilen, da Östreich von neuem zu den Waffen griff. Nun drängte Marschall Soult mit dem zum Teil aus Deutschen bestehenden großen Heer die Engländer aus Spanien fort; doch rettete Wellington durch den Sieg bei Talavera 1809 Portugal. Das zum zweiten Mal belagerte Saragossa fiel nach tapferer Gegenwehr, und Palafox geriet in französische Gefangenschaft. Trotzdem gelang die vollständige Unterwerfung Spaniens nicht. Die spanische Nationalregierung nahm ihren Sitz in Cadix, und der Volkskrieg loderte abermals auf. Überall bildeten sich Guerillabanden,
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§. 32, 2. Die Revolution in Belgien.
317
zunötigen suchten. Der Unterricht der katholischen Belgier wurde unter protestantische Behörden gestellt, und die Last der Steuern zur Anlegung von Festungen, Kanälen und Straßen wurde immer drückender. Die katholisch-ultramontane Partei und die französisch gesinnten Liberalen einigten sich in ihrem Hasse gegen Holland, und die Presse nährte die allgemeine Unzufriedenheit. König Wilhelm I. übte gegen die Zeitungsschreiber die größte Strenge und strafte sie mit Geld, Gefängnis und Verbannung. Die Kunde von der Julirevolution regte die Gemüter weiter auf, und der glückliche Erfolg trieb zur Nachahmung. Als der König den Befehl gab, die Nationalgarde zu entwaffnen, wurde die Mißstimmung noch größer. Am 25. Aug. rottete sich das Volk zusammen, zerstörte die Druckerei des National, eines im holländischen Interesse redigierten Blattes, den Palast des verhaßten Justizministers von Maanen und die Wohnung des Polizeidirektors. Mehrere Fabrikgebäude hatten am folgenden Tage gleiches Schicksal. Um weiterem Unfuge vorzubeugen, bildete sich jetzt auf Anordnung des Magistrats eine Bürgergarde, und ein Bürgerausfchuß sandte eine Deputation nach dem Haag, um den König zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Während der Prinz von Dramen den Belgiern gerecht zu werden willens war, sann der König auf Gewaltmaßregeln und schickte den Prinzen Friedrich mit einem Heere nach Brüssel. Allein nach einem dreitägigen Straßenkampfe (24.—26. September) wurde derselbe genötigt, Brüssel zu verlassen und den Rückzug nach Antwerpen anzutreten. Zu spät entschloß sich der König zur Nachgiebigkeit; die provisorische Regierung hatte bereits am 3. Oktober die Losreißung Belgiens verkündigt. Die Belgier rückten jetzt nach Antwerpen vor, um auch diese Stadt den Holländern zu entreißen. Der holländische General Chassä zog sich in die Citadelle zurück, beschoß die Stadt 7 Stunden lang aus 300 Feuerschlünden und richtete durch die Zerstörung bedeutender Warenvorräte einen beträchtlichen Schaden an. Dadurch ward eine Aussöhnung unmöglich, und ein zusammenberufener Nationalkongreß sprach am 20. Dezember die Unabhängigkeit Belgiens von Holland und die Ausschließung des Hauses Dramen vom belgischen Throne aus. Die europäischen Großmächte, welche in London zu einer Konferenz zusammengetreten waren, entschieden sich zu Gunsten der Aufständischen und bestätigten, da der Sohn des französischen Königs Louis Philipp die Krone des neuen Königreichs ausgeschlagen hatte, den von den Belgiern erwählten Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg 1831 als König. Nochmals ver-
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§. 32, 3. Die Revolution in Polen.
319
obwohl er der von dem Volke ausgegangenen Bewegung abholb war, um Unorbnungen vorzubeugen, die Diktatur, fanbte eine Deputation nach Petersburg und ließ dem Kaiser Unterhanblungen anbieten. Allein biefe würden zurückgewiesen. Darauf legte Chlopicki seine Diktatur nieber, und Fürst Rabziwill bekam den Oberbefehl. Ein Beschluß des Reichstags entfchieb den vollstänbigen Bruch mit Rußlanb, inbem er die Entthronung des Hauses Romanow in Polen aussprach.
Aber General D i e b i t s ch rückte bereits mit einem großen russischen Heere gegen Polen vor und überschritt ungehinbert die Grenze.
Die Polen fochten mit einer bewunbernswürbigen Tapferkeit und
blieben mehrere Male Sieger. Chlopicki würde verrounbet und mußte den Oberbefehl an Skrzynecki abtreten. Dieser würde jeboch in der Schlacht bei Ostrolenka (26. Mai 1831) besiegt. Der tapfere General Dwernicki, welcher nach Volhynien vorgebrungen war, um die Revolution in die ehemaligen russischen Provinzen zu tragen, würde genötigt, sich aus östreichisches Gebiet zu flüchten. Zwietracht, Verrat und leere Vertröstungen aus französische Hilfe
fchabeten der polnischen Erhebung so sehr, daß an ein Gelingen nicht mehr zu benken war. General Diebitsch und Großfürst Konstantin erlagen zwar nebst vielen Tausenben des russischen Heeres der ausgebrochenen asiatischen Cholera, aber Fürst Paskiewitsch, welcher siegreich aus dem Kriege mit Persien und mit der Türkei zurückgekehrt war, übernahm jetzt den Oberbefehl, überschritt in Preußen die Weichsel und brang gegen Warschau vor. Skrzynecki konnte der Übermacht nicht wiberstehen und mußte den Oberbefehl an den General Dembinski abtreten. Mißtrauen und Zwietracht herrschten in der Hauptstabt wie in dem Heere. In Warschau regte ein Jakobinerklub den Pöbel zu grausamen Blutthaten auf und veranlaßte die Ernennung des unfähigen Generals Kruko-tviecki zum Diktator. Paskiewitsch langte unterbeffen vor den Wällen der Hauptstabt an, forberte biefelbe zur Übergabe auf und versprach Amnestie. Allein die Polen wiesen diese Forberung ab. Doch nach einem zweitägigen Sturme übergab Krukowiecki unter der Bebingung freien Abzugs (^ept. 1831) die Stadt. Der Kampf bauerte im Lanbe noch einige Zeit fort, enbigte aber bamit, daß die einzelnen Heeresabteilungen auf preußisches Gebiet gebrängt würden, wo sie die Wassert nieber-legen mußten. Ein Teil berfelben machte von der russischen Amnestie Gebrauch und kehrte ins Vaterlanb zurück; viele zogen es vor, in Frankreich und England eine neue Heimat zu suchen. Polen hat feitbem
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318
Dritte Periode der Neuzeit.
suchten jetzt die Holländer, mit Gewalt das abtrünnige Land zu erobern; allein eine englische Flotte bedrohte die holländische Küste, und ein französisches Heer unter dem Marschall G srard belagerte und eroberte nach einem furchtbaren Bombardement 1832 die Citadelle von Antwerpen, welche der tapfere General Chasss bis aufs äußerste verteidigt hatte. Aber erst im Jahre 1839 waren alle streitigen Verhältnisse zwischen Belgien und Holland geordnet und die Grenzen geregelt. König Wilhelm I. von Holland legte hierauf zu Gunsten seines ältesten Sohnes Wilhelm Ii. 1840 die Regierung nieder, dem 1849 Wilhelm Iii. folgte. Belgien erhob sich seitdem unter der weisen und kräftigen Regierung des Königs Leopold I. (1831—1865) und Leopold Ii. zu einem glücklichen und blühenden Lande, an welchem auch die Stürme des Jahres 1848 glücklich vorübergingen.
3. Die Revolution in Polen 1830.
Polen hatte von Napoleon mehrfach die Zusicherung erhalten, er werde das Königreich wieder herstellen. Noch auf dem Schlachtfelde von Leipzig hatte er den tapferen Fürsten Poniatowsky zu neuen Anstrengungen mit dem Zurufe angespornt: „Vorwärts, König von Polen!" Die Hoffnung auf Wiedererlangung ihrer Selbständigkeit lebte in den Polen fort, auch als Napoleons Größe und Macht dahingeschwunden war. Als die Julirevolution in Paris von glücklichem Erfolge gekrönt war, glaubten sie, es sei sür Polen der Zeitpunkt zur Losreißung vom russischen Reiche gekommen. Kaiser Alexander hatte anfangs dem Königreiche eine Verfassung gegeben, ihm Reichstag und Nationalbewaffnung zugestanden, später aber aus Argwohn sich veranlaßt gefunden, diese Begünstigungen wieder zurückzuziehen und die russischen Beamten zu einer strengen Amtsführung aufzufordern. Der Vizekönig von Polen, Großfürst Konstantin, der älteste Bruder Alexanders I., regierte mit Strenge und verfolgte die Unzufriedenen mit unnachstchtlicher Härte. Die Polen hofften auf Hilfe von Frankreich, und am Abend des 29. Nov. 1830 drangen zu Warschau 20 bewaffnete Zöglinge der Kadetten-schule in den Palast des Großfürsten, andere riefen die Bevölkerung der Hauptstadt zu den Waffen. Mit Mühe rettete sich Konstantin und zog sich mit den russischen Beamten und Soldaten zurück. Die Revolution war ausgebrochen. Allein statt rasch zu handeln, begann man erst zu überlegen, was für die Zukunft Polens das beste fei, und rief den alten Meinungsstreit wieder hervor. General C h l o p ick i übernahm,
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Extrahierte Personennamen: Chasss Wilhelm_I._von_Holland Wilhelm_I. Wilhelm Wilhelm Leopold_I. Leopold_Ii Leopold Napoleon Poniatowsky Napoleons Alexander Alexander Konstantin Alexanders_I. Alexanders_I. Konstantin
Extrahierte Ortsnamen: Antwerpen Belgien Holland Belgien Polen Leipzig Polen Polen Paris Polen Frankreich Warschau
§. 33, 3. Der schleswig-holsteinische Krieg 1848. 335
der fchleswig - holsteinischen Verhältnisse, und ein preußisches Heer rückte unter General Wrangel siegreich bis Jütland vor. Allein bei dem Mangel einer deutschen Kriegsflotte, für deren Gründung das Parlament und Private eifrig thätig waren, war der Kampf für Preußen störend, und die drohende Haltung Rußlands, Englands und Schwedens zu Gunsten der Dänen bewirkte, daß die preußische Regierung sich auf Unterhandlungen einließ, welche die kriegerische Thätigkeit lähmten, und am 26. August einen siebenmonatlichen Waffenstillstand zu Malmö in Schweden abschloß , wonach dänische und deutsche Truppen bis auf 2000 Mann Schleswig räumen und 5 eingeborene Männer einstweilen die Regierung der Herzogtümer führen sollten. Dieser, ohne Vorwissen der deutschen Centralgewalt abgeschlossene Vertrag erregte in den Herzogtümern und in Frankfurt große Unzufriedenheit. Am 18. September 1848 wurde der Versuch gemacht, das Parlament, welches nachträglich den Malmöer Waffenstillstand gebilligt hatte, zu sprengen, aber der Barrikadenkampf in den Straßen wurde unterdrückt. Zwei Mitglieder der Nationalversammlung, der preußische General von Auerswald und der Fürst Lichnowski, wurden an diesem Tage auf der Bornheimer Heide unweit der Stadt ermordet. Zu derselben Zeit wurden auch die republikanischen Freischaren Struves und des Dichters Herwegh in Baden geschlagen und auf schweizerisches Gebiet gedrängt.
Die Friedensverhandlungen mit Dänemark blieben ohne Erfolg, und der Krieg begann im März 1849 von neuem. Die Dänen wurden bis zur Spitze Jütlands zurückgetrieben, und trotz des Mangels an einer Kriegsflotte, gelang es der deutschen Artillerie, bei Eckernförde ein großes dänisches Kriesschiff (Christian Viii.) zu vernichten, eine Fregatte zu erobern und die Düppler Schanzen (13. April) zu erstürmen. Im Juli 1849 trat infolge der Einmischung Englands und Rußlands ein neuer Waffenstillstand ein, und am 2. Juli 1850 schloß Preußen für sich Frieden mit Dänemark. Die Herzogtümer, die ihr Recht nicht genug gewahrt sahen, setzten zwar mit eigener Kraft den Krieg fort, wurden aber bei einem Ausfall der Dänen vor Friedertcta (6. Juli) und bei Jdstedt (25. Juli 1850) geschlagen. Nach der Übereinkunft zwischen Preußen und Östreich zu Olmütz (Nov. 1850) gab Östreich den Dänen die Festung Rendsburg zurück, nötigte die schleswig-holsteinischen Truppen zur Entwaffnung und brachte Schleswig und Holstein unter Zusicherung einer eigenen Verfassung wieder unter dänische Herrschaft.
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Extrahierte Personennamen: August Auerswald Herwegh Christian_Viii
§. 34. Der orientalische Krieg.
343
Typhus und nasses Wetter den Winter hindurch fortgesetzt werden. Neue Friedensunterhandlungen zu Wien hatten wieder keinen Erfolg; da starb Kaiser Nikolaus I. (2. März 1855), und sein Sohn Alexander Ii. (1855—1881) bestieg den russischen Thron. Während die Verbündeten in der Ostsee russische Festungen beschossen, ohne viel auszurichten, entbrannte jetzt in der Krim unter dem neuen französischen Feldherrn Pelissier, der auf Canrobert folgte, der Kampf mit größerer Heftigkeit. Er besetzte die Einfahrt ins asowsche Meer, siegte an der Tschernaja, und am 8. September 1855 fiel endlich der Malakossturm nach einem heftigen Sturm in die Hände der Verbündeten. Damit war die Eroberung Sebastopols entschieden, und der Friede zu Paris (30. März 1856) beendigte den Krieg. Rußland verzichtete auf seine besondere Schutzherrschaft über die Christen in der Türkei, deren Freiheit von allen Mächten gewährleistet wurde, sowie auf sein Schutzrecht über die Donaufürstentümer, wogegen es Sebastopol und den südlichen Teil der Krim zurückerhielt; das schwarze Meer ward sür neutral und die Donauschiffahrt für frei erklärt.
Rumänien. Die beiden Donaufürstentümer Moldau und Walachei vereinigten sich 1859 unter dem Fürsten Kusa und bilden seit 1861 das Fürstentum Rumänien. Im Jahre 1866 folgte der Prinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen als Fürst, der 1881 das Fürstentum zu einem Königreich erhob.
Alexander Ii. wandte nach dem Frieden seine Hauptsorge der inneren Wohlfahrt seines Reiches zu und hob die Leibeigenschaft der Bauern auf. Die Gefangennehmung Schamyls endete den langjährigen Krieg gegen die Bergvölker im Kaukasus (1859); die Unzufriedenheit der Polen mit der russischen Herrschaft führte 1863 zu einem neuen Aufstand, der nur durch vieles Blutvergießen gedämpft werden konnte. Im Jahre 1865 setzte Rußland seine Eroberungskämpfe in Türkest an in Centralasien fort, wo es der Grenze des britischen Reiches in Ostindien immer näher kommt.
Der russisch-türkische Krieg 1877—1878. In einem neuen Krieg, den Rußland, mit Rumänien verbunden, 1877 gegen die Türkei unter dem Sultan Abdul Hamid ü. (seit 1876) unternahm, erlitt die russische Armee anfangs bei Plewna und Low atz Niederlagen, zwang dann aber die Türken zur Kapitulation. Serbien und Montenegro griffen nun ebenfalls zu den Waffen gegen die Türkei; die Russen überschritten den Balkan und zogen in Adrianopel ein, während ein zweites russisches
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Extrahierte Ortsnamen: Wien Tschernaja Paris Sebastopol Donaufürstentümer_Moldau Kaukasus Centralasien Ostindien Serbien Montenegro Adrianopel
378
Dritte Periode der Neuzeit.
am Mont Valerien ebenfalls zurückgewiesen. Die Not stieg in Paris, und als der Mangel an Lebensmitteln immer drückender wurde, war endlich der Stolz der Hauptstadt gebrochen: nach einer Belagerung von 130 Tagen mußte sie sich gedemütigt den Deutschen ergeben. Am 28. Jan. wurde nach mehrtägigen Verhandlungen zwischen dem deutschen Kanzler Grafen Bismarck und dem französischen Minister Jules Favre in Versailles ein Waffenstillstand unterzeichnet, unter der Bedingung der Übergabe aller Forts, der Auslieferung der Waffen seitens der eingeschlossenen Armee und der Berufung einer aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Nationalversammlung zur Herbeiführung des Friedens.
Der Friedensschluß. Am 12. Febr. 1871 trat in Bordeaux die Nationalversammlung zusammen, die in ihrer Mehrheit auf die deutschen Forderungen einzugehen geneigt war, und wählte am 16. Febr. den alten Staatsmann Thiers zum Haupt der neuen Regierung. Nach hartnäckigen Verhandlungen kam der Präliminarfriede am 26. Februar in Versailles zustande. Am 1. März zogen 30 000 Mann deutsche Truppen unter dem Arc de Triomphe hindurch in Paris ein und hielten den bis zur Place de la Concorde reichenden Teil der Hauptstadt 3 Tage besetzt. Unter dem Eindruck dieser Besetzung erteilte die Nationalversammlung am gleichen Tage dem Friedensvertrage ihre Zustimmung. Laut dieses Vertrages trat Frankreich das Elsaß (außer der Festung Belfort) und Deutsch-Lothringen mit Metz und Diedenhosen (263 Q.-M. mit 1 l/S Mill. Einw.) an Deutschland ab und zahlte innerhalb 3 Jahren 5 Milliarden Kriegskosten, bis zu deren vollständiger Entrichtung Teile von Frankreich besetzt blieben. Am 2. März meldete Wilhelm I. seiner Gemahlin nach Berlin: „Soeben habe ich den Friedensschluß ratifiziert, nachdem er schon gestern in Bordeaux von der Nationalversammlung angenommen worden. Soweit ist also das große Werk vollendet, welches durch siebenmonatliche siegreiche Kämpfe errungen wurde, dank der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer des unvergleichlichen Heeres in allen seinen Teilen und der Opferfreudigkeit des Vaterlandes. Der Herr der Heerscharen hat überall unsere Unternehmungen sichtlich gesegnet und daher diesen ehrenvollen Frieden in seiner Gnade gelingen lassen. Ihm sei die Ehre! Der Armee und dem Vaterlande mit tief erregtem Herzen meinen Dank." Am 10. Mai 1871 wurde der endgültige Friede zu Frankfurt abgeschlossen. Die neu erworbenen Gebiete Elsaß-Lothringen sollten mit den beiden Festungen Straßburg und Metz Deutschland gegen französische Angriffe sicher
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Ter Zug nach Rußland.
159
nun machte der (wahrscheinlich unbeabsichtigte) Brand von Moskau den 15.—19. Sept. Besitz dieser Stadt wertlos. Vergebens suchte Napoleon den Zaren zum Frieden zu bewegen. Alexander, von den damals in Petersburg weilenden deutschen Patrioten Stein und Arndt trefflich beraten, wußte durch scheinbar ernstgemeinte Verhandlungen den französischen Kaiser noch volle fünf Wochen auf den Trümmern von Moskau hinzuhalten. Napoleon erkannte die Gefahr, aber er wollte sich nicht durch einen Rückzug als besiegt erklären. Als dieser endlich infolge der fortgeschrittenen Jahreszeit un- Ende oft. bedingt notwendig wurde, war es zu spät. Die Russen hatten ihren Zweck erreicht: der hereinbrechende nordische Winter richtete den Rest der französischen Hauptarmee zugrunde.
Wohl geschahen von den Zurückgehenden noch große Heldentaten: Der Übergang über die Beresma, für den man unter dem mörberifchert Feuer der nach- Ende Nov. setzenben Russen durch Hochwasser und Treibeis zwei Brücken schlagen mußte, erlangte eine traurige Berühmtheit. Das bayerische Korps, das (schon auf dem Hinmarsch) bei Polozk (a. b. Düna) zur Deckung der linken Flanke hatte stehen bleiben müssen, opferte sich in blutigen Kämpfen; Deroy fiel; nur wenige Tapfere konnte Wrebe in die bayerische Heimat zurückführen*). — Doch hielt das alles den Untergang der Hauptarmee nicht auf. Mit Einrechnung der Nachschübe gingen von der Großen Armee in Rußlanb runb 550 000 Menschen, 160 000 Pferbe,
1000 Geschütze und 20 000 Packwagen verloren. Die Österreicher und die Preußen bagegen, die kaum mehr als einen Scheinkrieg führten, hatten nur geringe Verluste.
Allenthalben betrachtete man das entsetzliche Unglück als eine Strafe des Himmels. Nur Napoleon blieb ungebeugt. Trotzig eilte er von Wilna nach Paris-), De», um die verlorne Große Armee durch eine „noch größere" zu ersetzen. Ließ man ihm dazu genügenb Zeit, dann kehrte die Gelegenheit, das französische Joch abzuschütteln, wohl so rasch nicht wieber. Deshalb ging durch die geknechteten Völker das Gefühl „Jetzt ober nie" und riß die zögernben Fürsten und Staatsmänner mit fort. So erfüllte sich das Wort des klugen Talleyranb, daß der russische Feldzug „der Anfang vom Ende" fein werbe.
Der europäische Freiheitskampf (1813—1815).
Vorgeschichte. Die Wiedergeburt Preußens. Rußlanb allein konnte den Kampf gegen Europas Zwingherrn nickt unternehmen, ba es durch den Krieg ebenfalls geschwächt war. Aber auch O st e r r e i ch sah sich infolge der wiederholten Nieberlagen wirtschaftlich berart entkräftet, daß es den Staatsbau -k e r 0 11 hatte erklären müssen. Also richteten sich alle Augen auf P r e u ß e n, 181» wo man feit 1807 eifrig baran arbeitete, die für notwenbig befunbenen R e -formen durchzuführen. Dabei hatten die Minister Stein und später Har-
x) Der von Ludwig I. errichtete eherne Obelisk in München verkündet, daß auch die 30 000 Bayern „starben für des Vaterlandes Befreiung".
2) Dazu veranlaßte ihn auch die Nachricht, daß eigensinnige Republikaner unter Führung eines Generals, namens Malet, einen Aufstandsversuch gemacht hatten, der allerdings sofort unterdrückt worden war. Man hatte^das Gerücht verbreitet, Napoleon sei in Moskau umgekommen.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Alexander Alexander Arndt Napoleon Düna Napoleon Ludwig_I. Malet Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Rußland Moskau Petersburg Moskau Rußlanb Wilna Europas München Moskau
228
Die nationale Einigung Deutschlands und Italiens.
(s. oben) die größere Hälfte der französischen Loirearmee mit der Ostarmee, zog den italienischen Freischarenführer Garibaldi (S. 212, Anm.), der für die französische Republik kämpfte, an sich und trat mit etwa 150 000 Mann den Marsch auf Belfort an. Nun eilte Werder rasch zurück und nahm hinter der Lisaine (einem Seitenbach der Allaine und somit des Doubs) südwestlich von Belfort eine Stellung ein, die den Weg nach Belfort sperrte.
1871 In der dreitägigen Schlacht a. d. Lisaine mußten die Truppen, durch die i5.—i7^on. scheidende Kälte, durch Hunger und Durst bedrängt, fast Übermenschliches ertragen, konnten aber den Feind so lange aushalten, bis ihm eine inzwischen herbeigeeilte Armee unter Manteuffel iu den Rücken gelangte.
Garibaldi entwich zur rechten Zeit; das französische Heer wurde umringt. Um sich nicht ergeben zu müssen, führte B o u r b a k i seine entmutigten und ent-1.Febr. kräfteten Truppen auf schweizerisches Gebiet, wo sie die Waffen niederlegten. B e l f o r t ergab sich erst auf Grund des Waffenstillstandes gegen ehren-i6.Febr. vollen Abzug der Besatzung.
e) Die Kämpfe vor Paris. Mittlerweile hatten die deutschen Truppen um Paris nicht minder schwere Tage zu bestehen gehabt. Die Riesenfestung, von einem weiten Kranz starker Vorwerke umgeben, wurde durch fast 400 000 Mann verteidigt. Wenn diese auch nur zum kleineren Teil kriegs-tüchtig waren, so fanden sie doch in den zahlreichen schweren Geschützen der Vor- und Festungswerke eine treffliche Unterstützung und machten
1870 den Belagerern durch wiederholte Ausfälle viel zu schaffen, z. B. den Preu-' rs.-si. Okt. ßen bei L e Bourget (im Nordosten v. Paris), den Sachsen und
so.nov.-s.dez.württembergern bei Brie und Champigny (im Südosteu) rc. rc.
Endlich trafen auf deutscher Seite die nötigen Belagerungsgeschütze ein leit 27. Dez. und nun konnte die Beschießung (zunächst der Vorwerke, dann der Stadt
1871 selbst) beginnen. Ein letzter großer Ausfall nach Südwesten miß* 19-3cm- lang ebenfalls und so mußte Jules Favre mit Bismarck einen Waffen-28. Jan. stillstand schließen, der die Übergabe von Paris herbeiführte.
3. Die Beendigung des Krieges. Da jeder weitere Widerstand aussichtslos war, trat eine französische Nationalversammlung i2.Febr.in Bordeaux zusammen, wählte den Staatsmann Thiers zum Haupt der Regierung und beauftragte ihn, mit Bismarck Unterhandlungen anzuknüpfen. So wurde nach sechstägigen Beratungen der Vorfriede L6.Febr.von Versailles vereinbart: Frankreich trat Deutsch-Lothringen (mit Metz) und E l s a ß (ohne Belfort) an Deutschland ab und zahlte fünf Milliarden Franken Kriegsentschädigung; bis zur völligen Abtragung dieser Summe mußten deutsche Besatzungtruppen in den östlichen Departements von Frankreich unterhalten werden.
Ans Grund einer weiteren Bestimmung hielten preußische und bayerische
l. März Truppen ihren Einzug in Paris, besetzten den Stadtteil nördlich der Seine, räumten ihn aber nach zwei Tagen wieder. Die Hauptstadt wurde nun der Schauplatz
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Extrahierte Personennamen: Garibaldi Garibaldi Brie Jules_Favre Thiers Bismarck Metz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Italiens Belfort Belfort Belfort Paris Paris Paris Sachsen Paris Versailles Frankreich Belfort Deutschland Frankreich Paris
3. Vom Verrat Italiens bis zur Gegenwart.
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worden war, eine fast übermenschliche Leistung (11. I. 1916)! -Beide Könige flüchteten, wie es der von Belgien hatte tun müssen, zu den großen Verbündeten, die ohnmächtig ihrem Untergänge zuschauten.
Unsere Feiude wußten sehr wohl, welch ungeheure Bedeutung ein Die mserjoigc siegreiches Vorgehen der Mittelmächte auf dem Balkan haben mußte, He u.wmter und verdoppelten deshalb im Herbst 1915 ihre Anstrengungen, unsere Linien zu durchbrechen; aber vergeblich. Wohl hat die am 22. September einsetzende dritte „Große Offensive" im Westen, die in der Richtung auf Lille (Loos) und an der Aisne (Perthes) ihre Hauptstellen hatte, mit ihrem furchtbaren Trommelfeuer aus loooo Geschützen an einigen Punkten die deutschen Linien etwas zurückgedrängt; aber auch diese „Septemberschlacht" hat unseren Feinden furchtbare Opfer gekostet und nichts Wesentliches geändert. Ebenso fruchtlos verlaufen die Versuche, die die Russen seit Weihnachten machen, um von Beßarabien aus sich zwischen die galizische Front und den Balkan zu schieben, wodurch sie wohl auch das russeusreuudliche, aber immer noch zögernde Rumänien zum Eintritt in den Kampf zu bewegen hoffen.
Ganz ergebnislos blieb auch die seit Anfang Oktober vollzogene Landung von großen englisch-französischen Streitkräften in der griechischen Hafenstadt Saloniki; die Hoffnung dieser Mächte, Griechenland auf ihre Seite zu ziehen, hat sich trotz schmachvoller Mißhandlung des neutralen Landes dank der Festigkeit des Königs Konstantin, des Schwagers unseres Kaisers, nicht verwirklicht. Und immer lauter werden die Stimmen in Frankreich und England, die auch die Aufgabe dieses zwecklosen Abenteuers fordern, das ebenso verlustreich enden könne wie das Dardanellenunternehmen. Dies uämlich haben beide beteiligten Mächte nach ungeheuren Opfern unter dem verdienten Hohngelächter Europas am 9. Januar 1916 aufgegeben, da alle Angriffe an der ehernen Ausdauer des türkischen Heeres gescheitert waren.
So ist in demselben Angenblicke, wo die ungestörte Verbindung der Mittelmächte mit der Türkei durch die Niederwerfung Serbiens hergestellt und dem „Balkanzug" Berlin — Konstantinopel glatte Fahrt eröffnet wurde, auch die unbehinderte Fortführung dieser Linie über die türkische Hauptstadt hinaus nach Mesopotamien gesichert worden. Da auch am Tigris die Türken den Engländern zähen Widerstand leisten und Bagdad vor ihnen schützen, so ist die neue Weltlinie Hamburg — Bagdad jetzt für die Mittelmächte und ihre Fr?uuoe frei. Möge von ihr aus der Stoß ins Genick der Engländer, vach dem Snezkanal, glücken!
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Extrahierte Personennamen: Perthes Konstantin
Extrahierte Ortsnamen: Italiens Belgien Lille Saloniki Griechenland Frankreich England Europas Serbiens Berlin Konstantinopel Mesopotamien Bagdad Hamburg Bagdad