1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Ix. Italien.
399
Zu diesen, welche man die Urv'ölker Italiens nennen kaun, kamen nun
im südlichen Theile und auf Sicilien viele griechische Niederlassungen; dvch
waren mit geringen Ausnahmen diese griechischen Städte schon größtentheils
zerstört oder sehr herabgekommen, als die Römer in jene Gegenden vor-
drangen. Im nördlichen Italien verbreiteten sich schon in sehr alter Zeit
gallische Völkerschaften und verdrängten einen Theil der Ligurer und der
Etruster; sie waren so sehr das vorherrschende Volk in jenen Gegenden,
daß die Römer, mit denen sie vor ihrer Unterjochung häufige und blutige
Kriege geführt, nach ihnen das ganze nördliche Italien, Gullia cisalpina
(Gallien diesseit der Alpen) oder Oallia togata nannten, weil die über-
wundenen Gallier mit der Sprache und den Sitten der Römer auch das
diesen eigenthümliche Kleid, die Inga, angenommen hatten, im Gegensatz
des eigentlichen Galliens oder Frankreichs, welches bei den Römern Oaliia
transalpina (das jenseit der Alpen gelegene) oder coinata hieß, weil die
dortigen Einwohner das Haupthaar (coma) lang wachsen ließen.
Einer alten, allerdings durchaus unhistorischen und fabelhaften, aber
seit dem 5. Jahrhundert Roms so allgemein angenommenen Sage nach,
daß Virgil daraus sein Heldengedicht gründen konnte, war Aeneas, nach der
Zerstörung Trojas, mit fliehenden Trojanern an der Küste Latinms gelandet,
hatte Lavinia, die Tochter des dortigen Königs der Aboriginer Latinus,
geheirathet und eine Stadt Lavinium gegründet. Sein Sohn Ascanius erbte
die Herrschaft über die nunmehrigen Lateiner und gründete 30 Jahre
später in einer fruchtbareren Gegend die Stadt Alba longa. Die Reihe
der von ihm abstammenden albanischen Könige ist durchaus fabelhaft; den-
noch knüpft sich an sie die erste, überaus unsichere, wo nicht ganz mythische,
doch von Dichtungen aller Art sehr entstellte Geschichte der Entstehung und
der ersten Erweiterung Roms. Da hier nicht der Drt ist zu historischen
Untersuchungen, so können wir auch hier nur die herkömmliche Geschichte
Roms erzählen. Der letzte König von Alba aus des Aeneas Geschlecht,
Nümitor, so erzählt die Sage, ward von seinem jüngern Bruder Amulius
verdrängt und sein Sohn ermordet. Seine Tochter Rhea Sylvia aber,
welche Amulius, damit sie kinderlos bliebe, unter die Jungfrauen der Vesta
halte aufnehmen lassen, ward durch den Gott Mars Mutter und gebar
Zwillinge, den Romulus und Remus. Diese befahl Amulius in die eben
stark ausgetretene Tiber zu werfen; sie wurden aber an's seichte Ufer ge-
trieben, von einer Wölfin gesäugt und von einem herbeigekommenen Hirten
erzogen. Später zu kriegerischen Jünglingen herangewachsen und von ihrer
Herkunft unterrichtet, erschlugen sie den Amulius und setzten ihren Großvater
wieder auf den Thron. Sie selbst aber beschlossen, an der Tiber, in einer
mit Hügeln, Morästen und Wald erfüllten Gegend, eine neue Stadt zu
gründen. Jeder begab sich auf den von ihm gewählten Hügel, um aus
dein Fluge der Vögel zu erforschen, welcher von beiden den Platz bestimmen
und die Herrschaft führen sollte. Remus erblickte zuerst 6 Geier, Romulus
später Id!, welche Mehrzahl für ihn entschied. In der Folge deutele man
dies auf Jahrhunderte der Bestehung des römischen Reichs, welches, da
man gewöhnlich das Jahr 753 v. Ehr. als das der Gründung Roins an-
nimmt und das weströmische Reich 480 unterging, ziemlich genau mit der
Geschichte übereinstimmt. Als Stiftungstag ward in Rom der 21. April
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gefeiert. Remus soll bald nachher bei einem Streite mit seinem Bruder
erschlagen worden sein. Romulns gründete die Stadt auf dem von ihm
erwählten Hügel, dem Palatinischeu, am linken Tiber-Ufer und befestigte
den gegenüber liegenden höheren Capitolinischen. Schwer ist es auszumachen,
wer die ersten Bewohner Roms gewesen: nach Einigen die ehemaligen Ge-
fährten des Romulns und Remus, nicht viel besser als Raubgesindel aus
den verschiedenen hier zusammengrenzenden Völkerschaften; nach Andern
Einwohner von Alba und unter ihnen viele edle Geschlechter.
Biel Wahrscheinlichkeit hat die neueste Meinung, daß die Bewohner
Roms ursprünglich aus zwei verschiedenen Völkerschaften bestanden, nämlich
aus Etruskern, welche als die gebildeteren die Classe der Vornehmen, die
Patricier oder den Adel ausgemacht — wie denn auch lange Leit noch
immer alle gottesdienstlichen und richterlichen Verrichtungen nur von ihnen
und zwar nach tuscischer Sitte verwaltet wurden; und aus Lateinern und
Sabinern vermischt, aus welchen in der Folge der mächtige Stand der
Plebejer oder der Freien sich bildete. Da es der neuen Stadt an Frauen
gebrach, so wurden bei einem Feste sabinische Jungfrauen geraubt und die
daraus entstandene Fehde damit beendigt, daß ein Theil der Sabiner, mit
ihrem Könige Tatius, sich an die Römer anschloß und den Quirinalischen
Hügel anbaute; das vereinigte Volk führte nun auch den Namen Quiriten.
Tatius kam bald, der Sage nach, durch Romulns um; dieser selbst, der
sich durch Willkür und Strenge verhaßt gemacht hatte, soll von den Sena-
toren, dem Rath der Vornehmsten und Aeltesten, ermordet, die Sage aber
verbreitet worden sein, er sei in einem Ungewitter zu den Göttern heimge-
gangen. Auch wurde ihm unter dem Namen tzuirrnus später göttliche
Verehrung erwiesen. Ein Jahr lang blieb der Thron unbesetzt; dann ward
der fromme und weise Numa Pompilius, ein Sabiner, zum König erwählt.
Ihm schreibt die Sage alle älteren religiösen Einrichtungen, sowie dem
Romulns die bürgerlichen und militärischen zu. Die Nymphe Egeria, so
heißt es, war die Rathgeberin des frommen Königs. Er stiftete die Pon-
tifices, Priester, denen die Erhaltung der Religionsgesetze oblag; die
Flämines, die in den Tempeln dienenden Priester; die Salii, welche religiöse
Waffentänze aufführten; die Vestalinnen, welche in ewiger Jungfräulichkeit
das heilige Feuer der Vesta hüteten. Er soll den Tempel des Janus ge-
baut haben, welcher im Frieden geschlossen, im Kriege offen stand; unter
seiner Regierung ward er nicht geöffnet. Ihm folgte der kriegerische Tullns
Hostilius (ein zweiter Romulns), welcher die in den: Zweikampf der Horatier
und Curiatier überwundenen Bürger von Alba longa nach Rom auf den
Cülischen Hügel versetzte und ihre Stadt zerstörte. Er ward bei einem
Opfer von einem Blitzstrahl getödtet. Sein Nachfolger Ancus Martins,
an Frömmigkeit ein zweiter Numa, war zugleich kriegerisch. Ihm schreibt
die Sage Siege über die Lateiner und die Gründung der ersten römischen
Colonie 08tia am Ausfluß der Tiber zu; eine Andeutung, daß Rom nicht
bloß kriegerisch, sondern auch handeltreibend gewesen. Auch baute er die
erste Brücke über die Tiber, schloß den Aventinischen Hügel in die Stadt
mauer ein und fing an, den am rechten Ufer liegenden Hügel Janiculns
zu befestigen. Tarquinius der Aeltere, nach Einigen aus einem vornehmen
korinthischen Geschlechte, nach Andern ein etruskischer Lucumo, der uiit
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vielen Clienten oder Leibeigenen, nach tuscischer Sitte, nach Rom gezogen
| war, folgte dem Ancus. Ihm werden die ächt etruskischen Bauwerke zu-
geschrieben, wovon noch einige vorhanden sind, nämlich die unterirdischen
Canäle oder Cloaken, wodurch das sumpfige Feld zwischen dem Palatinischen
und Capitolinischen Hügel getrocknet, und znni Marktplatz Noms, Forum,
eingerichtet ward; auch soll er die gewaltigen Mauern an den Seiten des
Capitolinischen Hügels angelegt und dadurch den Grund zu den prächtigen,
später darauf errichteten Gebäuden gelegt haben. Er ward von den Söhnen
des Ancus, deren Vormund er gewesen, ermordet. Sein Nachfolger war
Servius Tullius, der Sage nach der Sohn einer Sclavin, aber im Hause
des Tarquinius erzogen, der in dem Knaben die künftige Größe ahnte. Er
vergrößerte den Umfang der Stadt bedeutend, indem er die Hügel Viminalis
und Esquilinns mit in den Umfang der Mauern zog, und so blieb auch
die Stadt bis ans die Zeiten der Kaiser. Sie lag. ans 7 Hügeln am linken
Tiberuser: dem Palatiinschen, dem Capitolinischen, dem Quirinalischen, dem
Viminalischen, dem Esquilinischen, dem Cälischen und dem Aventinischen,
wozu noch der Janiculus auf dem rechten Ufer kam, war aber damals ge-
wiß noch voll Felder und selbst Waldstreckeu. Unter ihm erhielt Rom den
Borrang unter allen verbündeten lateinischen Städten. Er änderte Vieles
an der bisherigen Verfassung zu Gunsten der Plebejer, erhob diese zu
einem eigenen Stande, milderte den schroffen Kastenunterschied, welcher bis
dahin diese von den Patriciern getrennt hatte, und theilte die ganze Be-
völterung nach dem Vermögen in 6 Classen, wovon die letzte ohne alles
Vermögen vom Kriegsdienste ausgeschlossen blieb; die übrigen dienten nach
dem Maße ihrer Mittel als leicht oder als schwer Bewaffnete; die Reichsten
bildeten die Reiterei. Diese Veränderungen waren den Patriciern verhaßt
und sie rächten daher nicht den Tod des Königs, als dieser von seiner
unnatürlichen Tochter Tullia und ihrem Geinahl Tarquinius, nach der
Sage ein Sohn des älteren Tarquinius, ermordet ward; vielmehr bestieg
der Mörder Tarquinius, der Jüngere oder der Tyrann genannt, den Thron.
Er machte sich bald durch Härte und Willkür den Patriciern, durch Stolz
und harten Druck den Plebejern verhaßt. Ihm wird die Erbauung des
dreifachen Tempels auf dem Capitol, des Jupiter, der Juno und der
Minerva, zugeschrieben. Er war der letzte römische König. Die Frevel-
that seines Sohnes Septns gegen Lucretia, die Gemahlin des mit dem
königlichen Hause verwandten Collatinus, brachte die längst verhaltene Wuth
des Volts zum Ausbruch; die Tarquinier wurden vertrieben, die königliche
Würde für immer abgeschafft und an ihrer Stelle 2 jährlich zu ernennende
Consuln (Rathgeber, oder solche, welche die Meinung des Senats be-
fragen) erwählt. Die ersten waren Brutus und Collatinus; doch mußte
Letzterer als ein zu naher Verwandter des vertriebenen Geschlechts dieser
Wurde wieder entsagen und Rom verlassen. Die Tarquinier fanden
Beistand in Etrurien, und ein König, wohl nur Lucumo oder Häuptling
eines Bezirks, Porsenna von Clusium, versuchte es, sie mit Waffengewalt
wieder zurückzuführen. Wie sehr auch die römischen Geschichtschreiber be-
müht gewesen sind, diesen Kampf durch Heldenthaten auf Seiten der Römer
und Großmuth Porsennas auszuschmücken, soviel ist unwiderleglich, daß Por
senna Rom tief demüthigte, ihm einen Theil seines Gebietes, wahrscheinlich
Blanc's Handbuch Ii. 8te Au fl. 26
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421
seinem
gilius Maro, zu Andes, einem Dorfe bei Mantua, geb. 70 I. v. Chr.,
gest. 19, von welchem wir ländliche Gedichte, Eklogen, ein größeres Ge-
dicht über den Landbau, Georgica, und ein unvollendetes Heldengedicht,
die Aeneis, besitzen, in welcher er die Ankunft des Aeneas in Italien
und somit den Ursprung des römischen Volks und des julischen Geschlechts,
zu welchem Augustus gehörte, besingt; Quin tu s Horatius Flaccus,
ziovenusium in Apulien 65 I. v. Chr. geb., gest. 8, von welchem wir
mehrere Bücher Oden, größtentheils nach griechischen Mustern, sowie in
griechischen Versmaßen gedichtet, ferner Satiren und Episteln (poetische
Briefe) besitzen. Zu gleicher Zeit lebte der elegische Dichter Aurelius
Propertius auö Umbrien, 16 I. v. Chr. gest., und Pub.lius Ovi-
dius Naso aus Sulmo in Pelignien, geb. 43 v. Chr., in der Verban-
“ )mi, am Ausfluß der Donau; seine zahlreichen
Werkes die berühmten Metamorphosen oder Verwandlungen, worin er einen
reichen Schatz mythologischer Notizen ausschüttet, die Fasten oder die poe-
tische Beschreibung der in jedem Monat gefeierten religiösen Feste, die He-
rolden, poetische Briefe, welche er meist mythologischen Personen unterlegt,
st zu lieben und Liebesgedichte, endlich poetische Briefe, meist aus
Verbannungsorte geschrieben, verrathen zwar alle einen großen
dichterischen Reichthum und Leichtigkeit der Darstellung, aber auch 'ein
höchst sinnliches und unmännliches Gemüth; sein Trauerspiel Medea ist
nicht auf uns gekommen. Noch war ein Zeitgenosse Augusts der treffliche
Geschichtschreiber Titus Livius aus Padua, geb. 59 v. Chr., gest. 19
n. Chr., von dessen großer römischer Geschichte leider ein bedeutender Theil
verloren gegangen ist. — Bis auf die Zeit Trajans erzeugte Rom noch
mehrere bedeutende Schriftsteller; die wichtigsten unter ihnen sind: die
Satirendichter Aulus Perfins, geb. 34, gest. 62 n. Chr., und De-
cimus Juvenalis, etwa von 38—120 n. Chr., beide stehen freilich
dem Horaz an Geist und Leichtigkeit nach, übertreffen ihn aber weit an
sittlicher Strenge. Marcus Annäus Lucanus aus Corduba in Spa-
nien, von 38—65 n. Chr., hat ein Heldengedicht über die bürgerlichen
Kriege zwischen Cäsar und Pompejns, die Pharsalia, hinterlassen. Si-
lius Italiens, geb. 25, gest. 100 n. Chr., welcher ein Heldengedicht
über den zweiten punischen Krieg geschrieben, das für die Geschichte wich-
tiger ist, denn als Gedicht. Von den prosaischen Schriftstellern dieses Zeit-
raums sind die bedeutendsten: Belle jus Paterculus, etwa 30 I. n.
Chr. gest., welcher einen kurzen Abriß der römischen Geschichte geschrieben,
worin dem Tiberius sehr geschmeichelt wird. Lucius Annäus Seneca
aus Corduba in Spanien, gest. 65 n. Chr., der Erzieher Neros, auf
dessen Befehl er sich selbst durch Oeffnung der Adern tödtete, hat mehrere
philosophische Schriften und Briefe hinterlassen; die frostigen Trauerspiele,
die seinen Namen sichren, sind ihm entschieden abzusprechen. Die beiden
Plinius, der Aeltere, Casus Plinius Secundus, geb. 23, und 79
n. Chr. bei einem Ausbruche des Vesuvs umgekommen, ein überaus fleißiger
Sammler, von dem wir unter dem Namen Xaturalm histovia ein ency-
klopädisches Werk besitzen; der Jüngere, Cajus Plinius Cäcilius Se-
cundus, Neffe und adoptirter Sohn des Vorigen, geb. 62 n. Chr., von
dem wir nur eine Sammlung Briefe und eine etwas schwülstige Lobrede
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A. Europa.
auf seinen Gönner, den Kaiser Trajan, haben. Marcus Fabius Quinc-
tilianus aus Calaguris in Spanien, geb. 42 n. Chr., hat ein schätzbares
Werk über die Rhetorik geschrieben. Cornelius T a c i t u s, an Gesinnung
und Kraft der größte Geschichtschreiber der Römer, wahrscheinlich unter Nero,
59 n. Chr. geboren und unter Hadrian gestorben, hat vier historische Werke
hinterlassen, die Annalen und Geschichtsbücher; iene enthalten vorzüglich die
Zeiten des Tiberius und des Nero, diese die Regierungen des Galba und
Vespasian (beide sind leider unvollständig auf uns gekommen); ferner die
wichtige kleine Schrift von der Lage, den Sitten und den Völkern Germa-
niens, und das Leben seines Schwiegervaters Agricola, welcher in Britan-
nien als Feldherr sich ausgezeichnet. Tief unter ihm steht sein Zeitgenosse
Suetonius Tranquillus, welcher die Lebensbeschreibungen der 12
ersten Kaiser von I. Cäsar an geschrieben, ein für die Geschichte allerdings
höchst wichtiges Werk. Wahrscheinlich viel später lebte der übrigens unbe-
kannte Qu intus Cur t i us, Verfasser einer romanhaften Geschichte Alex-
ander des Großen. — Immer deutlicher wird von dieser Zeit an der Ver-
fall der Sprache und das Ermatten des Geistes, und nur noch als seltene
Ausnahmen unter geistlosen Zeitgenossen kann man allenfalls nennen: die
Dichter Julius Calpurnius im 3. Jahrhundert n. Chr., der 7 Idyllen
geschrieben: Claudius Claudiauus, im Anfange des 5. Jahrhunderts,
dessen episches Gedicht: der Ranb der Proserpina, eine für seine Zeit hohe
Vortrefflichkeit zeigt; und den Geschichtschreiber Ammianus Marcelli-
nus aus dem 4. Jahrhundert, dessen Geschichte die Zeiten von Nerva bis
Valens umfaßt. — Obgleich der eigentlichen römischen Literatur fremd,
verdienen noch angeführt zu werden die ersten lateinischen kirchlichen Schrift-
steller (Kirchenväter), Quintus Septimius Florenz Tertullianus
aus Karthago, gest. 220, dessen Apologie fiir die Christen ausgezeichnet ist;
Lucius Firmianus Lactantius, gest. 325, welcher seiner besseren
Schreibart wegen auch wohl der christliche Cicero genannt wird; Eusebius
Hieronymus ans Dalmatien, 331 geb., lebte abwechselnd in Antiochien,
Constantinopel, Rom, und starb in einem Kloster in Palästina 420. Er
hat zahlreiche Schriften hinterlassen, wovon die Uebersetzung des Alten Testa •
ments die Grundlage der in der katholischen Kirche allein angenommenen
sogenannten Vulgata ist. Endlich der bedeutendste von allen, Aurelius
Augustinus, 354 in Afrika geboren und als Bischof von Hippo 430
gestorben; die wichtigsten seiner zahlreichen Schriften sind die gegen Pelagius
über die Erbsünde und die göttliche Gnade.
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wurden zu Verbrechen gestempelt, und ein Heer von feigen Delatoren (An-
gebern) unterstützte den finstern Argwohn des Tyrannen. Selbst Germa-
niens, der vom Volke geliebte Sohn des Drusus, der in Deutschland ge-
siegt, ward nach Asien versetzt, um ihn zu entfernen, und bald darauf ver-
giftet; seine Wittwe, mit zweien ihrer Söhne auf eine öde Insel verwiesen,
mußte den Hungertod sterben. Nur einem Menschen schien Tiber zu ver-
trauen, seinem Günstlinge Sejan, welcher ihn überredete, Rom zu verlassen
und sich nach der Insel Capr^ä, am Eingänge des neapolitanischen^Meer-
ruriehen, wo er unzugänglich und von Truppen und Schiffen
sich
Auch Sejan, vor
dessen Statuen man opferte, ward ihm verdächttg und auf seinen Befehl
hingerichtet. Noch 6 Jahre wüthete der finstere Despot, ohne je wieder
nach Rom zu kommen, und ward endlich, 78 Jahre alt, bei einer Ohn-
macht, die ihn befallen, von seinen eigenen Leibwächtern mit Kissen erstickt.
Er hatte den jüngsten Sohn des Germaniens, den schwachen und kränklichen
Casus Caligula, adoptirt, und dieser ward als Kaiser anerkannt. Anfäng-
lich schien er die harten Gesetze des Tiberius mildern zu wollen; bald aber,
wahrscheinlich vom Wahnsinn befallen, verwandelte sich seine Regierung in
eine Reihe der wildesten Grausamkeiten und der lächerlichsten Tollheiten.
Er wünschte, das römische Volk möchte nur einen Hals haben, um es mit
einem Hiebe vernichten zu können; sein Pferd ließ er zum Consul ernen-
nen ; er floh in feigem Schrecken aus Deutschland, und ließ Muscheln sam-
meül an den Ufern des Canals von Britannien; dies nannte er den Ocean
plündern. Endlich tödtete ihn der Präfect (Anführer) der Prätorianer,
Chärea, 41. Schon hoffte der Senat, es würde möglich sein, die alte
republikanische Verfassung wiederherzustellen, als die Prätorianer, die sich
zu gut dabei standen, einem Kaiser zu dienen, den an Geist und Leib schwäch-
lichen Claudius, einen Bruder des Germaniens, aus einem Winkel, wo er
sich versteckt hatte, hervorzogen und znm Kaiser ausriefen. Der unglückliche
Claudius, nicht ohne Spuren eines besseren Geistes, aber schwach, dem Trunk
und den Wollüsten ergeben, unfähig selbst zu handeln, war ein bloßes Werk-
zeug in den Händen seiner nichtswürdigen Weiber und Günstlinge. Seine
erste Gemahlin Messalina, weltberüchtigt durch ihre unerhörten Ausschwei-
fungen, und der Freigelassene Narcissns schalteten zuerst mit frecher Will-
kür. Als aber Messalina, alle Schranken überschreitend, es wagte, beim
Leben ihres Gemahls einen Anderen zu heirathen, ward sie hingerichtet,
und ein anderer Freigelassener, Pallas, vermochte den Claudius, seine Nichte
Agrippina zu heirathen. Diese, welche schon einen Sohn, den Nero, hatte,
vergiftete ihren Gemahl, 54, weil sie seine Vorliebe für seinen eigenen
Sohn, Britanniens, fürchtete. Unter Claudius fingen die Römer zuerst
an, festen Fuß in Britannien zu fassen. Nero. 54
68, von Burrhus
dem Präfecten der Leibwache und von Seneca seinem Erzieher geleitet, er-
1-!- schönsten Hoffnungen; bald aber, jeglichen Zwanges
ergnügungen ergeben, entzog er sich der Leitung seiner
Führer, ließ seinen Halbbruder Britanniens vergiften, und entfernte seine
Mutter. Täglich brach nun seine ebenso grausame als wahnsinnige Natur
immer deutlicher hervor. Er zeigte sich öffentlich vor dem Volke im Theater
als Sänger, Zitherspieler und Wagenlenker; heillose Verschwendungen und
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Empörungen, die eine in Gallien, die andere der Bataver, unter dem Ci-
vilis. Er war seit August der erste Kaiser, welcher eines natürlichen To-
des starb. Sein als der Inbegriff aller Trefflichkeit gefeierter Sohn Titus
regierte leider nur 2 Jahre, von 79—81; gehäufte Unglücksfälle, die Ver-
schüttung der Städte Herculanum, Pompeji und Stabiä durch einen Aus-
bruch des Vesuvs, eine große Feuersbrunst in Rom und die Pest, welche
ihr folgte, gaben ihm Gelegenheit genug, seine Menschenliebe zu zeigen.
Ihm folgte sein unwürdiger Bruder Domitianus, von 81—96. Er erin-
nerte durch Ausschweifungen und Verschwendung, wie durch die überlegteste
Grausamkeit an die Zeiten des Nero; ja er wollte schon bei seinem Leben
unter die Götter aufgenommen werden. Muthwillig reizte er die Barbaren
an der Donau zum Kriege, der sich mit Niederlagen und einem schimpf-
lichen Tribute endigte. Nur Jul. Agricola, sein Feldherr in Britannien,
erhielt die Ehre des römischen Namens und eroberte das Land bis an die
schottische Grenze. Der Tyrann, der nach bloßer Laune die Edelsten hin-
richten ließ, ward endlich auf Anstiften seiner eigenen Gemahlin, der er den
Tod zugedacht, ermordet. Der Senat wagte es, einen Kaiser, den Greis
Nerva, zu ernennen, und das Heer erkannte ihn an. Nerva's kurze Re-
gierung von l'/j Jahren war milde und gerecht; das beste, was er that,
war, einen Spanier aus Italien, den Trajan, zu seinem Nachfolger zu er-
nennen. Trajan, 98 —117, gehört zu den besten und größten Kaisern.
Gerecht und wohlwollend, that er Alles, um dem Volke und den Provinzen
aufzuhelfen; er ließ die Beamten wieder durch das Voll ernennen und ver-
schaffte dem tief gesunkenen Senat wieder einige Achtung. Als Krieger
zeichnete er sich vorzüglich aus. Er verweigerte den schimpflichen Tribut,
den sein Vorgänger den Datiern bewilligt, drang in mehreren Feldzügen
über die Donau, über welche er eine steinerne Brücke schlagen ließ, und
verwandelte Dänen (Walachei, Siebenbürgen und Moldau) in eine römische
Provinz. Die Einfälle der Parther und ihre Einmischung in die armenischen
Angelegenheiten riefen ihn nach Asien; auch hier siegte er, machte Armenien
zur Provinz, demüthigte die Parther, ging siegreich über den Euphrat und
den Tigris und erweiterte die Grenzen des Reichs bis an diesen Fluß. Auf
der Rückkehr von einem Feldzuge gegen die Araber starb er an Krankheit.
Durch ein wahrscheinlich untergeschobenes Testament ward Aelius Hadria-
nus, 117—138, sein Nachfolger. Mäßig, milde und gerecht, suchte er das
Wohl des Reichs ohne Kriege zu befördern und gab selbst einige Eroberungen
Trajans jenseit des Tigris wieder auf. Aus seinen beständigen Reisen sorgte
er für die Anlage von Wegen und Städten, und erweiterte namentlich das
von ihm begiinstigte Athen. Dagegen aber war er kleinlich eitel aus seine
Gelehrsamkeit und eifersüchtig auf den Ruhm früherer großer Schriftsteller.
Das Grabmal, welches er sich errichten ließ, Moles Hadriani, ist die jetzige
Engelsburg in Rom. Sein adoptirter Sohn Antoninus mit dem wohlver
dienten Zunamen Pius, der Fromme, auch der Vater der Menschen genannt,
hat von seiner an äußeren Begebenheiten armen Regierung nur das An-
denken seiner Gerechtigkeit und seines Wohlwollens hinterlassen. Von seinen
beiden adoptirten Söhnen M. Aurelius, der Philosoph, 161 —180, und
L. Verus, war jener ein durch Mäßigkeit, Sttenge gegen sich selbst, Thätig-
keit und Milde, dieser ein nur durch Ausschweifungen berühmter Fürst.
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Íx. Italien.
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drängt. Alarich, König dieses kriegerischen Volkes, drang zu verschiedenen
Malen von Jllyrien ein; bald. von dem Vormunde des Kaisers, Stilicho,
zurückgeschlagen, bald mit Geld befriedigt, kehrt er stets wieder zurück; Rom
muß sich 409, zum ersten Male seit der Zeit der Gallier, an ihn ergeben,
und weil der Schwache Honorius in Ravenna nicht Frieden schließen will,
wird Rom von Alarich nochmals eingenommen und geplündert. Alarich
stirbt, und sein Schwager Athanlf oder Adolph schließt einen Vergleich, ver-
läßt Italien, und die Westgothen gründen im südlichen Frankreich ein mäch-
tiges Reich, dessen Hauptstadt Toulouse, welches sich tief nach Spanien hin-
ein erstreckt und erst 711 durch die Araber zerstört ward. Honorius stirbt
423, und sein Reffe Valentinian Iii. ist sein ebenso unwürdiger Nachfolger.
Zn seiner Zeit waren die Hunnen, von vielen theils deutschen, theils sar-
matischen Stämmen verstärkt, unter dem gewaltigen Attila vereinigt, welcher
sich nichts Geringeres vorgenommen, als den römischen Namen zu vertilgen.
Schon längst zitterte das oströmische Reich vor ihm und zahlte ihm Tribut;
jetzt brach er mit seinen wilden Horden in Gallien ein, wo indeß der letzte
bedeutende Feldherr der Römer, Aötius, mit Westgothen und Franken ver-
einigt, ihn bei Chalons 4.91 zurückschlug. 9cun wandte er sich nach Italien,
zerstörte und plünderte Aquileja, Mailand, Pavia und drang bis nach Ra-
venna vor, wo die Bitten des Bischofs Leo des Großen und das Verspre-
chen einer Tributzahlung ihn aushielten. Er starb im folgenden Jahre
453, und sein unerineßliches Reich verschwindet bald darauf ans der Ge-
schichte. Valentinian hatte den tapferen Aötius ermorden lassen; er selbst
ward von seinem Feldherrn Maximus 455 ermordet, welcher sich des
Throns bemächtigte und die Wittwe seines Vorgängers, Eudoxia, ihn zu
heirathen zwang. Diese wendete sich um Rache an den Vandalenkönig
Genserich, welcher schon 439 von Spanien aus Afrika erobert und ein
vandalischcs Reich daselbst gegründet hatte. Er kam, eroberte Rom und
ließ es 14 Tage lang plündern, Maximus war schon von den Römern
getödtet worden; die meisten der geraubten Kunstschätze verschlang das Meer.
Schnell folgen nun auf einander Avitus, Majorianus und einige Andere,
von dem in römischen Kriegsdiensten stehenden Sueven Ricimer gehoben
und gestürzt, welcher selbst 2 Jahre lang ohne Titel die Regierung führte.
Zuletzt als auch Anthemius, welchen der osttömische Hof ernannt hatte,
wieder gefallen, ernannte Ricimer den Olybrius, starb aber mit diesem in
demselben Jahre 473. Vergebens suchten sich Glycerins und Julius Ne-
pos zu behaupten; sie müssen dem Orestes, Statthalter in Pannonien,
weichen, welcher seinen Sohn Romulus Augnslulus zum Kaiser ernennt,
475. Die Heruler aber und Rugier (wahrscheinlich aus Pommern),
Miethsvölker der Römer, nicht zufrieden mit ihrem Solde, verlangen den
dritten Theil aller Ländereien Italiens; und ans die Weigerung des Orestes
wird dieser von dem Anführer der Heruler, Odoacer, geschlagen und ge-
tödtet, Romulus Augustulus aber seiner Jugend wegen verschont und in
eine Festung gesperrt 476. Erst 480 mit dein Tode des in Salona (in
Dalmatien) ermordeten Imperators Julius Nepos, hörte das weströmische
Reich factisch auf, und Odoacer, sich mit dem Titel eines Patricius be-
gnügend , herrschte nun über Italien. Sechs Jahre später ging mit Sya-
grius, dem letzten Feldherrn der Römer in Gallien, welcher 486 von
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
420
A. Europa.
ohne Verdacht, Gift von der Livia bekommen zu haben; der beste seiner
Stiefsöhne, Drusus, starb, wie schon erwähnt, in Deutschland; seine beiden
Enkel, Söhne des Agrippa, Casus und Lucius, starben, der eine wahr
scheinlich an Gift, der andere an den Folgen einer Wunde. So blieb von
seiner Familie nur der finstere und tückische Tiberins übrig, welchen August
fürchtete und haßte, der daher, obgleich er gegen die Pannonier sich aus-
gezeichnet, mehrere Jahre in einer Art von Verbannung zu Rhodus lebte,
adoptirt wurde.
Heuchelei
Germaniens
schickten, nach Deutschland zu gehen, um die Niederlage des Varus zu
rächen, starb August bei Nola in Campanien, 14 Jahre n. Chr., und auch
diesen Tod wird Livia beschuldigt, wenigstens beschleunigt zu haben. Die
Lobsprüche, welche Zeitgenossen und Spätere dem feigen und hinterlistigen
August ertheilt, sind nur daraus zu erklären, daß er die Ruhe und damit
Handel und Gewerbe im Reiche wiederherstellte,' daß ganz unwürdige Nach-
folger ihn als einen trefflichen Fürsten erscheinen ließen, und daß unter
ihm und vou ihm zum Theil begünstigt, einige der ausgezeichnetsten Dichter
und Schriftsteller lebten, welche seinen Namen unbillig erhoben haben.
Alan pflegt die Zeilen Augusts das goldene Zeitalter der römischen Lite-
ratur, wiewohl nur mit halbem Rechte, zu nennen, indem gerade die bedeu-
tendsten Schriftsteller unmittelbar vorher gelebt; aber ausgemacht ist es,
daß die auf seine Zeit folgenden die deutlichsten Spuren des geistigen Ver-
falls verrathen. Wir wollen daher, ehe wir die Geschichte weiter verfolgen,
hier eine kurze Uebersicht der römischen Literatur in ihrem ganzen Um-
fange einschalten.
Von den ältesten römischen Dichtern Livius Andronicus, Cnejus
Nävius, Ennius und von Plautus und Terentius ist schon oben
die Rede gewesen. Etwas später als sie, ungefähr 60 I. v. Chr., schrieb
Titus Lucretius Car ns sein Lehrgedicht von der Natur der Dinge,
nach den Ansichten der epikureischen Philosophie. Unmittelbar vor August,
in den Zeiten der bürgerlichen Kriege, lebten mehrere der bedeutendsten
Dichter und Schriftsteller Roms; so die elegischen Dichter Valerius
Catullus aus Verona, etwa 86 v. Chr. geb., und Alb ins Tibullus,
43 v. Chr. geb.; Marcus Tullius Cicero, zu Arpinum 106 v. Chr.
geb., 43 gest., auch als Staatsmann berühmt, von dessen zahlreichen Werken
wir viele seiner trefflichen Reden, mehrere philosophische und rhetorische
Schriften und eine große Anzahl fiir die Geschichte höchst wichtiger Briefe
besitzen; von seinen Vorbildern und Nebenbuhlern in der Beredtsamkeit,
Antonius, Hortensius u. A., ist leider nichts aus uns gekommen. Die Ge-
schichtschreiber: Casus Sallustius Crispus, 34 v. Chr. gest., welcher
den Krieg gegen Jugurtha und die Verschwörung des Catilina meisterhaft
erzählt; sein größeres Werk über die röniische Geschichte ist verloren ge-
gangen; Cornelius Nepos, etwa 30 Jahre v. Chr. gest., von welchem
wir 25 kurze Biographien berühmter Feldherren besitzen; Julius Cäsar
endlich, geb. 100, gest. 44 v. Chr., der seine eigenen Feldzüge in Gallien
und die bürgerlichen Kriege unübeurefflich geschildert. — Unter August
lebten die beiden berühmtesten römischen Dichter, beide von Mäcenas be-
günstigt und daher nicht karg mit dem Löbe des Kaisers: Publius Vir-
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Krone aufzusetzen, ließ er die eigene Mutter, die er selbst in der Entfernung
fürchtete, ermorden. Bald darauf ließ er Rom anzünden, und fteute sich
der ungeheuren Feuersbrunst, die mehrere Stadttheile verzehrte; die Schuld
davon aber suchte er auf die Christen zu lenken, deren viele auf das Grau-
samste hingerichtet wurden. So hatte er Platz gewonnen, sich einen unge-
heuren neuen Palast, die Dormí8 aurea (das goldene Haus), zu erbauen.
Nicht zufrieden mit dem Beisall Roms, durchzog er auch Griechenland als
Sänger und Schauspieler, beraubte aber bei der Gelegenheit die Städte
ihrer schönsten Kunstwerke. Eine ausgebrochene Verschwörung im Senat
lvard durch viele Hinrichtungen bestraft; auch Seneca, der den Muttermord
entschuldigt hatte, mußte sich den Tod geben. So viele Unthaten weckten
endlich den allgemeinen Unwillen; die Legionen in Spanien ernannten den
Greis Galba zum Kaiser, und als Nero dessen Annäherung vernahm und
sich von Allen verlassen sah, entfloh er aus Rom und ließ sich von einem
Freigelassenen tödteu. Mit ihm starb das Geschlecht des I. Cäsar aus.
Wenige Monate sahen nun 3 Kaiser entstehen und verschwinden. Der
Greis Galba machte sich bald verhaßt, vorzüglich bei den Soldaten durch
seinen Geiz, und beim Volk durch die unbegrenzte Nachsicht gegen unwür-
dige Günstlinge. Otho, von einer ungeheuren Schuldenlast gedrückt, machte
sich die Unzufriedenheit zu Nutze, und wurde von den Prätorianern zum
Kaiser ausgerufen, Galba aber nach einer 7mouatlichen Haft ermordet.
Otho, früher durch Verschwendung und Ausschweifungen berüchtigt, zeigte
sich würdiger, als man erwartet hatte. Vitellins, der am Niederrhein von
tapferen Legionen zum Kaiser war erwählt worden, eilte nach Italien und
siegte nach einigem Verluste in der Schlacht bei Brixellum; Otho, um nicht
die Gräuel eines Bürgerkrieges zu verlängern, tödtete sich selbst 3 Monate
nach seiner Thronbesteigung. Dennoch erlaubte Vitellins seinen Soldaten
jegliche Plünderung und rückte in Rom wie in eine eroberte Stadt ein.
Seine Grausamkeit, seine ungeheuren Verschwendungen und die niedere
Freude an den Genüssen der Tafel machten ihn ebenso verächtlich als ver-
haßt. Die Legionen des Orients verweigerten ihm die Anerkennung und
wählten statt seiner den Vespasian, der eben mit einem blutigen Kriege ge
gen die empörten Juden beschäftigt war. Ehe er aber noch selbst nach
Italien kommen konnte, war schon einer seiner Freunde, Antonius Primus,
aus Mosten (Serbien und Bulgarien) in Italien eingebrochen, hatte den
Vitellius geschlagen und war in Rom eingedrungen, wobei Vitellins, nach
einer 8monatlichen Regierung unter vielen Mißhandlungen getödtet ward.
Das Capitol brannte bei einem in der Stadt schon früher entstandenen
Kampfe ab. Titus Flavius Vespasianus, 69—79, nahm nun ruhigen Be-
sitz von dem ganzen römischen Reich, während sein Sohn Titus die merkwürdige
Belagerung Jerusalems beendigte und diese Stadt dem Erdboden gleich
machte. Vespasian erfreute das lange von grausamen Tyrannen gemißhau
teste Rom durch eine ruhige, gesetzmäßige Regierung; nur über seinen klein
lichen Geiz ward Klage geführt. Er baute das Capitol wieder auf und
errichtete jenes riesenhafte Amphitheater, welches unter dem Namen des
Kolosseums noch jetzt bekannt ist. Ueberall stellte er die Ordnung wieder
her, begünstigte Hantel und Gewerbe und dämpfte glücklich zwei gefährliche