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Heimatkunde der Provinz Sachsen.
Oer Roland von Stendal.
vor dem Rathause steht ein Roland, aus Stein gemeißelt. Er ist mit Schwert und
Schild bewaffnet und sieht aus wie ein Krieger des Mittelalters, von ihm erzählt
folgende Sage: Einst ging des 5lbends spät ein Bürger aus dem Weinhause über den
Markt nach Hause. Er hatte des Guten etwas zu viel getan und einen Spitz. Oeshalb
war er sehr fröhlicher Laune. Übermütig stellte er sich vor den Roland, höhnte ihn und
rief: „he, du alter, trockener Mann da! Du steinerner Narr! Du tränkest wohl auch
gern ein Gläschen Wein auf deinem hohen Gerüste!" Dabei machte er allerhand Bocks-
sprünge und schnitt dem Roland Gesichter zu. •— Oer alte Roland hatte die Narrheiten
lange mit ernstem Gesichte angesehen. Aber auf einmal drehte der steinerne Niese
sich auf seinem Gerüste herum, dem Narren den Rücken zu. Oa wurde der arme Bürger
plötzlich nüchtern. Es überkam ihn eine solche tlngst, daß er nicht von der Stelle weichen
konnte. Er rief laut um Hilfe: „he dheit mi wat! he dheit mi wat!" (Er tut mir was,
er tut mir was!) Man nutzte ihn fast krank nach Hause tragen. 5lm andern Morgen
stand der alte Roland wieder wie früher. Oer Mann hat sich aber in seinem Leben
nicht mehr betrunken.
In einer fruchtbaren Gliederung der Milde liegt Gardelegen. Oas ist der
Mittelpunkt des altmärkischen Hopfenbaues. Oaher entstanden mehrere Bierbrauereien.
Krüher wurde hier das „Garlei" gebraut, ein Bier, das in ganz Oeutschland berühmt
war. Sehenswerte Bauten sind die Marienkirche, das Nathans und das Salzwedeler
Tor. E a l b e im Ealbeschsn Werder treibt ebenfalls hopfenbau. Tangermünde
liegt hoch über dem Elbstrom, wo der Tanger mündet. Oie Lage der Stadt an der Elbe
begünstigt die Schiffahrt, den Schiffbau sowie den Handel mit Getreide, holz, Nohlen
und Zucker. Tangermünde war eine Residenz der Brandenburger Nurfürsten. Naiser
Narl Iv. wohnte mit seiner Gemahlin oft hier im prächtigen Schlosse. Oas Nathans
und schöne Stadttore erinnern noch heute an jene Blütezeit der Stadt. In der Nähe
liegt Tangerhütte mit berühmter Eisengießerei. Gsterburg, d. i. Gstburg,
ist eine kleine Landstadt mit Getreide-, Nonserven- und Gbsthandel. S a l z w e d e I,
d. i. Salzfurt, an der Reetze', war früher Hauptort der Nordmark. In der Burg wohnten
die Markgrafen. Oie Stadt hat Zabriken in Leinen, Oamast, Baumwolle und Steck-
nadeln. Neuhaldensleben an der Ghre hat Stärke- und Malzkaffeefabriken.
Zwölf Steingutfabriken beschäftigen mehr als 2000 Arbeiter.
5. Die staatlichen Verhältnisse des Tieslandes der
Provinz Sachsen.
Oas Tiefland der Provinz Sachsen gehört zum größten Teile den Regierungs-
bezirken Merseburg und Magdeburg an. Leide hängen durch einen schmalen
Landstreifen bei Aschersleben zusammen. Zwischen beide Regierungsbezirke
schiebt sich das Herzogtum ü n h a l t ein. In das übrige Gebiet teilen sich
die Provinz Brandenburg, das Königreich Sachsen und die Herzogtümer Braun-
schweig und Sachsen-Ültenburg. Oer Regierungsbezirk schließt südlich von
Gardelegen das braunschweigische Amt Talvörde ein.
Zeige, in welchen Staaten die einzelnen Landschaften liegen! Zeige und
nenne die Hauptstädte der genannten Staaten! Lestimme die Länder, in denen
die erwähnten Städte liegen!
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Extrahierte Personennamen: Roland_von_Stendal Roland Roland Roland Roland Naiser
Narl
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Heimatkunde der Provinz Sachsen.
sich sehr. Ms es aber näher kam, erschraken sie gewaltig. Venn ein ungeheurer, riefen-
großer Mann ging ganz gebückt in der Strecke bergauf. Er war mit Kutte und Kappe
bekleidet wie ein Mönch. In der Hand trug er ein mächtiges Grubenlicht. Zreundlich
sagte er zu den ängstlichen Bergleuten: „habt keine Zurcht, ich will euch helfen." Er
schüttete ihnen von seiner Lampe Dl auf ihre Lampen. Dann arbeitete er für sie und
oerrichtete in einer Stunde mehr, als sie in der ganzen Woche.
„Sagt's ja keinem Menschen, dasz ihr mich gesehen habt!" rief er den Bergleuten
zu. Nun schlug er mit der Kaust an eine Seitenwand. Oie tat sich auseinander. Oa
sahen sie eine lange Strecke, die schimmerte ganz von Gold und Silber. Oer wunderbare
Glanz blendete ihre Augen. Sie wendeten sich daher ab. hätten sie doch das nicht getan,
sondern ihren Hammer oder ihre Spitzhacke in die Strecke hineingeworfen. Öa wäre
sie offen geblieben, und sie wären sehr reich geworden. Nun war aber alles verschwunden.
Doch das Gl des Berggeistes nahm auf ihren Lampen nicht ab. Aber einmal
plauderten die Bergleute doch die ganze Geschichte ihren guten Zreunden im Wirtshause
aus. Oa war am anderen Morgen das (Dl von der Lampe verschwunden. Sie muhten
nun jedesmal wieder wie früher frisch aufschütten.
4. Gewerbe. Oer Reichtum an holz und Metallen hat im harz eine rege
Zabriktätigkeit hervorgerufen. Oas Wasser liefert dazu eine billige Betriebs-
kraft. In zahlreichen holzwaren-, Zündholz-, Papier-, Maschinen-
und Eisenwarenfabriken werden die vorhandenen Rohstoffe verarbeitet.
Außerdem sind Tuch-, Watten-, Leinen - und Wollwarenfabriken
vorhanden. Kür diese müssen die Rohstoffe eingeführt werden.
5. Handel. Daher hat sich ein lebhafter Handel entwickelt. Wolle, Baum-
wolle, Kohlen, Getreide und allerhand Kaufmannswaren werden ein-, die Zabrik-
waren ausgeführt, viele Leute leben auch vom Hausierhandel. Sie ziehen
im Planwagen oder mit dem „Reff" in die benachbarten Gegenden und verkaufen
allerhand holz- und Webereiwaren. )n vielen Orten treibt man einen ein-
träglichen Handel mit Singvögeln: Dompfaffen, Zeisigen und Hänflingen. Le-
rühmt sind die harzer Kanarienvögel, die besonders in flndreasberg
gezüchtet werden, hier werden jährlich für ca. 100 000 Mark verkauft. Gute
Schläger kosten oft 100 Mark. Sogar über den Ozean werden die harzer
„Roller" verschickt, .fluch aus dem lebhaften Fremdenverkehr im Sommer und
Winter erwächst den Harzbewohnern eine gute Linnahme.
Ii. Verkehrswege.
Die Gebirge hindern gewöhnlich den Verkehr. Doch die Lodenform des
Harzes bietet dem Verkehr nicht allzugroße Schwierigkeiten. Die vielen Täler
machen das Gebirge wegsam. Zwar sind ihre Ein- und Ausgänge mehr oder
weniger steil. Aber sie führen an den höchsten Stellen über freie, offene Hoch-
ebenen. Das Gebirge konnte deshalb ohne große Schwierigkeiten überschritten
werden, fluch zahlreiche Straßen und Eisenbahnen konnten angelegt werden.
Schöne Kunststraßen in bestem Zustande führen daher nach allen Richtungen
durch das Gebirge. Ven Harzrand durchziehen ringsum Hauptbahnlinien.
Die legen sich wie ein Gürtel um die Harzmasse. Von dieser Gürtelbahn führen
Nebenlinien bis tief in den harz hinein, ja bis auf den Brocken hinauf. Die
Harzquerbahn durchquert den ganzen harz von Norden nach Süden.
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Heimatkunde der Provinz Sachsen.
die Luftbahn wird sie zum Kohlenwerk befördert. Die kleinen vollen wagen oder Loren
laufen an starken Drahtseilen hin, die leeren wieder zurück. Solche Bergwerke nennt
man „Tagebau e". va die Kohle aber gewöhnlich tiefer liegt, gräbt man einen
Schacht. Oer führt wie ein Brunnen in die Tiefe. Unten im Schachte werden nach
allen Seiten Gänge oder Stollen angelegt. Sie führen nach den Arbeitsstellen
der Bergleute. Damit sie nicht einstürzen können, werden sie durch Pfosten gestützt.
Mit dem Filzhut ohne Krempe auf dem Kopfe und dem Grubenlicht im Gürtel, fährt
der Bergmann im Fahrstuhle in den Schacht. Dort schlägt er mit Fäustel und Spitz-
hacke die Kohle los. Die Förderleute laden die Kohlen in Loren und schieben diese auf
Eisenbahnschienen auf den Fahrstuhl im Förderschacht. Mit rasender Schnelligkeit wird
die gefüllte Lore durch Maschinenkraft in die höhe getrieben. Zu gleicher Zeit saust
eine leere Lore auf einem Fahrstuhl daneben in die Tiefe. Die gewonnene Braunkohle
wird dann zu preß st einen und Briketts verarbeitet. Aus der besten bereitet
man S o l a r ö l und Paraffin. Aus Paraffin
werden die weißen und bunten Weihnachtskerzen
hergestellt.
Ein solches Kohlenwerk ist eine großartige
Fabrikanlage. Überall herrscht reges Leben Tag und
Nacht. Kräftige Arbeiter schieben schwerbeladene
Kufren. Frauen und Mädchen füllen die Loren mit
Kohlen, preßsteinen und Briketts. Aus einem bunten
Gewirr von allerhand Gebäuden ragen große und
kleinere Schornsteine in die Luft. Schwarze und
weiße Oampfwolken steigen daraus empor. Überall
raucht, zischt und pufft es. Dazwischen tönt der
schrille pfiff der Lokomotiven und Fabrikpfeifen.
Mit gewaltigem Getöse rasen schwerbeladene Last-
automobile zum nächsten Bahnhof.
Oer Kohlenreichtum der Landschaft hat aber
auch andere Großgewerbe in den Städten
zu hoher Llüte gebracht. In zahlreichen Ifta-
schinen-, Schuh-, Voo\U, Laumwollfabriken finden
viele Leute guten Verdienst.
In den Moorlagern bei Schmiedeberg wird
Moorerde gewonnen. Daraus werden Moor-
.Ämät* b°d°r bereitet. Sie Ip-nden Kranken, die an
Gicht und Rheumatismus leiden, Linderung
und Heilung. Daher wird Schmiedeberg jährlich von mehr als 3000 Kurgästen
besucht. 5luf diese Weise erwächst den Bewohnern eine gute Einnahme.
Ii. Verkehrswege.
Infolge des umfangreichen Kohlenbergbaues und der blühenden Industrie
hat sich ein reger Handelsverkehr entwickelt. Er wird durch zahlreiche ver-
kehrswege zu Wasser und zu Lande bewältigt. Die Hauptverkehrsader ist die
Saale. Zahlreiche Flöße, Lastkähne und Dampfer ziehen auf ihrem Rücken
dahin. Sie tragen die Erzeugnisse der Wälder und der Tiefebene über Halle
nach Magdeburg und Hamburg. Ein reichverzweigtes Eisenbahnnetz bedeckt
besonders das Saal- und Elstertiefland. Die Mittelpunkte des Verkehrs sind
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