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1. Bd. 1, Abth. 1 - S. V

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
Das vorliegende Buch, zunächst ein bloßes Fragment, will nichts anderes sein, als was sein Name sagt. Ohne irgend welchen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit und Geschlossenheit, ja auch uur auf Selbständigkeit im strengen Sinne des Wortes, gesellt es sich als geo- graphisches Lesebuch zu so manchen anderen seiner Art, indem es gleich diesen eine Sammlung von Skizzen und Charakteristiken giebt. Und auch der Zweck der Auswahl ist derselbe hier wie dort. Deu jüngeren Leser, der die Vorstufen des Unterrichts überschritten, allmählich einem wirklichen Studium der Erdkunde zu befreunden, ihn den „geheimniß- voll-offenbaren" Zusammenhang des Menschen- und Naturlebens ahnen zu lassen und so sür die Erkenntniß vorzubereiten, daß die Geschichte, wenn sie auch als Geschichte des Geistes vou anderen als bloß natürlichen Mächten bestimmt ist, doch allenthalben im festen Erdgrunde wurzelt und somit nur verstanden werden kann im Spiegel der Geographie — das ist die Aufgabe, welche sich diese Illustrationen gestellt haben. Sollten dieselben aber auch in anderen Kreisen Eingang finden, so wäre dies eine besondere Gunst, die ich mit besonderem Danke anzuerkennen hätte. Der hier gebotene Band giebt einzelne Blicke in das allgemeine Erdleben, Skizzen aus der physischen Geographie. Drei folgende Bände sollen, im Anschluß an die Lehrbücher von Daniel-Kirchhofs und Gnthe, Charakterbilder der außereuropäischen Erdtheile, Europas und insbesondre Deutschlands bringen, während geeignete Abschnitte aus der astronomischen Geographie den Schluß bilden werden. Es handelt sich demnach zunächst im wesentlichen allerdings um ein erst auszuführendes Programm. Inzwischen dürfte sich schon aus dem Vorliegenden Art und Ton meiner Auffassung erkennen lassen. Das Auge zuerst und zumeist auf die lernende Jugend, namentlich unserer höheren Schulen gerichtet, habe ich gemeint, daß hier nichts gleichgültig sei: ein gediegener, sorgsam gesichteter Inhalt in anschaulich lebendiger

2. Bd. 1, Abth. 1 - S. VI

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
Vi Form schien mir unerläßlich. Ich habe daher so weit möglich aus klassischen Schriftstellern geschöpft und nur hie und da, wo der päda- gogische Zweck es zu erheischeu schien, behutsam geändert. Weuu ich aber, in Ermangelung zugänglicher Musterdarstelluugeu, deu Stoff nicht selteu durchgreifender umgestaltete und eine Reihe von Aussätzen entweder ganz oder theilweise neu entwarf, so darf ich doch gleich- zeitig versichern, auch meinerseits jener eben angedeuteten Forderung nachgestrebt zu habeu. Und auch das wird man, hoffe ich, nicht tadelu, daß ich bei diesen Bearbeitungen mehrfach auf die Alten und auf die Dichter zurückwies. Denn eben dadurch fcheiueu die Fädeil des Juteresses nur um so fester und vielseitiger angeknüpft zu werden. Wenigstens ist dies meine Ueberzeugung, und ich darf mich für dieselbe vielleicht bereits aus eiue gewisse Erfahrung berufen, zumal einzelne der in Rede stehenden Darstellungen gewissermaßen nur erweiterte Auszeichuuugeu von Lectionen sind, wie ich solche jeznweilen in dem vou mir geleiteten pädagogischen Seminare zu halten Pflege. Ich werde daher gleicherweise in den folgenden Theilen des Lesebuchs ver- fahren und überdies einzelne besonders bezeichnende Bilder aus der eilte» und mittleren Völker-- und Länderkunde aufnehmen und eben auch da die zeitgenössische:: Schriftsteller möglichst selbst sprechen lassen, wiewohl das alles ohne jede Beeinträchtigung der neuereu Geo- graphie, deren Schätze in den Werken unserer Forscher und in den trefflichen Zeitschristen von Andree, Bastian, Behm, Delitsch, v. Hell- Wald, Koner, Petermann, Ule und Müller u. f. w. in immer wachsender Fülle zu Tage treten. Indem ich schließlich dem Verleger, meinem Freunde, Herrn O. Bertram, und Herrn Factor Bobardt sür die ebenso liberale als sorgfältige Ausstattung des Buches aufrichtig danke, empfehle ich dasselbe der wohlwollenden Prüfung kundiger Benrtheiler, jeder Verbesserung im voraus dankbar. Michaelis 1873. H. M.

3. Bd. 1, Abth. 1 - S. 23

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
1. Geographie des Meeres. 23 für längere Zeiträume und zumal für Jahrtausende, die Küstenlinien etwas außerordentlich Veränderliches sind. „800 n. Chr. Ein großer Theil der Insel Helgoland zwischen Weser- und Elbemündung erhebt sich aus dem Meere. (?) — 800 bis 900. Stürme verändern die Küste der Bretagne, Thäler und Dörfer versinken. — 800 bis 950. Windstöße bewegen die Lagunen von Venedig, die Inseln Ammiano und Constaneiaco verschwinden. — 1044 bis 1309. Das baltische Meer bricht zerstörend über die pommersche Küste herein und giebt Veranlassung zu der Sage vom Untergange der fabelhaften Stadt Vineta. — 1106. Alt- Malamocco, eine beträchtliche Stadt in Venedigs Lagunen, wird vom Meere verschlungen. — 1210. Eine große Überschwemmung bildet den Busen der Jahde und macht den kleinen Fluß dieses Namens verschwinden. — 1219 bis 1221 und 1246 bis 1251. Seestürme trennen die Insel Wieringen vom festen Lande und bereiten den Durchbruch der Landenge vor, welche Nord- Holland mit der Grafschaft Stavoren in Friesland verband. — 1240. Ein Einbruch des Meeres verändert Schleswigs Westküste, verschlingt viel frucht- bares Land; der Seearm zwischen Nordstrand und dem festen Lande wird viel breiter. — 1277 bis 1278 und 1280 bis 1287. Überschwemmungen ver- schlingen den fruchtbaren Kanton Reiderland, zerstören die Stadt Tormn mit 50 Dörfern, Höfen und Klöstern nud bilden den Dollart; der Tiam- und Echefluß, welche diese Gegend bewässerten, verschwinden. — 1282. Seestürme durchbrechen die Landenge zwischen Nordholland und Friesland und bilden den Zuidersee — 1300; 1500; 1649. Neue Stürme nehmen drei Viertheile der Insel Helgoland weg. (?) — 1300. Die Stadt Ciparum in Jstrien wird durch das Meer zerstört. — 1303. Ein Theil von Rügen und mehrere Dörfer der pommerschen Küste werden zerstört. — 1337. Durch eine Überschwem- mung werden 14 Dörfer der Insel Kadzand in Seeland weggeführt. — 1421. Eine Überschwemmung bedeckt den Bergsewald, zerstört 22 Dörfer und bildet den Biesbosch vom Gertrudenberg bis zur Insel Dortrecht. — 1475. Das Meer nimmt ein beträchtliches Stück Land an der Mündung des Humbers weg und vernichtet mehrere Dörfer. — 1510. Das baltische Meer bildet die Oeffnung Frisch-Haff bei Pillan, 1800 Klafter breit und 12 bis 15 Klafter tief. — 1530 bis 32. Das Meer verschlingt die Stadt Kortgene auf der Insel Beveland in Zeeland und nimmt zuletzt den östlichen Theil der Insel Südbeveland mit den Städten Borselen und Roinerswalde und mehreren Dörfern weg. — 1570. Ein Seesturm reißt die Hälfte des Dorfes Schede- uingen im Nordosten vom Haag fort. — 1625. Das Meer isolirt einen Theil der Halbinsel Dars im ehemaligen Schwedisch - Pommeru und bildet daraus die Insel Zingst, nördlich von Barth. — 1634. Ein Einbruch des Meeres bedeckt die ganze Insel Nordstrand, zerstört 1338 Häuser, Kirchen undthürme;

4. Bd. 1, Abth. 1 - S. 25

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
1. Geographie des Meeres. 25 landeinwärts geführt wird. Bei jeder Ebbe wiederholt sich dieses Spiel, bis sich nach und nach lange Reihen von Sandhügeln aufhäufen, die parallel mit der Küste fortlaufend allerdings als natürlicher Damm dieselbe gegen hochansteigende Sturmfluten schützen können, zugleich aber selbst wiederum Tod und Verwüstung über das dahiuterliegende Land breiten. Denn die aus- trocknenden Kämme jener Hügel, der Dünen, wie sie der Küstenbewohner nennt, werden gleichfalls unausgesetzt vom Winde fortgerissen und weiter in's Land hineingetrieben, und so schreitet vom Ufer aus eine furchtbare Sand- wüste langsam und unaufhaltsam in's Land hinein, alle Cultur, alle Vege- tation vernichtend und begrabend. In dieser Weise hat sich der ganze Küsten- strich von Syrien bis Alexandria im Laufe der Jahrhunderte in ein Sandmeer verwandelt. An der südlichen Westküste von Frankreich hat der Arensch durch Anpflanzung von Wald dem Fortschreiten dieser Sandlawinen eine Schranke zu setzen versucht, und gegen denselben Feind wird jetzt der Mensch an der preußischen Ostseeküste in die Schranken gefordert. Daß sich durch die erwähnten Hebungen und Senkungen die Geographie des Meeres, wenn auch erst in Jahrtausenden, doch viel bedeutender ändern muß, als durch die kleinen Angriffe des Meeres auf die Küstenlinie, läßt sich erwarten; wir können daher in Bezug auf die Vertheilung von Land und Meer immer nur von einen: gegenwärtigen Zustande reden und dürfen nicht glauben, daß in diesem Zustande irgend etwas sich ausdrücke, was für die Erde im allgemeinen ihrer Natur nach wesentlich wäre. Bei den Alten ging die Rede von einem schönen Lande „der Atlantis," es habe etwa da gelegen, wo sich jetzt der atlantische Ocean zwischen der iberischen Halbinsel und dem südöstlichen Nordamerika ausbreitet, sei aber seit lange in: Meere versunken. Die geologischen Forschungen haben in der neueren Zeit in der That dazu geführt, eine solche Continentalverbindung zwischen Europa und Amerika nachzuweisen, die zu einer Zeit bestand, in der es dagegen kein Norddeutschland, kein Skandinavien, kein nördliches Rußland und Sibirien, sondern anstatt alles dessen nur ein einziges großes Polarmeer mit großen, Grönland ähnlichen Inseln gab. Und diese Zeit mag vielleicht dem jetzigen Zustande der Erdoberfläche unmittelbar vorhergegangen sein. So, wie wir in unseren: Weltalter die Vertheilung von Land und Wasser auf der Erde finden, zeigt sie uns keine gesetzmäßige Anordnung nach den großen physikalisch bedeutsamen Linien und Punkten, nach Aeqnator, Wende- kreisen, Polarkreisen, Meridianen oder Polen. Wenn wir die Erdkugel durch einen größten Kreis in zwei Hennsphären Heilen, so daß die eine die mög- lichst große Menge Land, die andere das meiste Meer umschließt, so schneidet die Linie den Aequator etwa 90 0 östlich und 270 0 westlich von Greenwich. Die erste dieser Hemisphären umschließt den größten Theil der nördlichen Halb-

5. Bd. 1, Abth. 1 - S. 26

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
26 Zur physischen Geographie. kugel (mit Ausnahme eines Theils des stillen Oceans) und einen Theil der südlichen Halbkugel, nämlich das südliche Afrika und den nördlichen Theil von (Südamerika. Merkwürdiger Weise nimmt das durch seine reiche Küstenent- Wicklung schon so sehr begünstigte Europa die Mitte dieser Landhemisphäre ein, und London bildet nahezu grade den Mittelpunkt und erscheint somit geo- graphisch als die centrale Hauptstadt der Erde. Dabei findet noch eine Eigen- thümlichkeit statt, die wir ebenfalls auf keine naturgesetzliche Notwendigkeit zurückführen können. Wenn wir von irgend einem Punkte des Landes eine Linie durch den Mittelpunkt der Erde ziehen, so trifft dieselbe auf der anderen Seite der Kugel fast immer auf Wasser. Der Fall der Gegeufüßler (Anti- poden), d. h. der Menschen, die genau mit ihren Fußsohlen gegen einander gerichtet sind, kommt wenigstens gegenwärtig auf der Erde nur ausnahmst weise vor. Nach Gardner entspricht überhaupt nur etwa dem 27steu Theile des Landes auf der anderen Seite der Kugel ein antipodisches Gegentand, wahrend übrigens dem Lande auf der andern Seite stets Wasser gegen- über liegt. Man hat natürlich das Bedürfniß gefühlt, das große Gebiet oeeanischer Wasserbedeckung auf unserer Erde einzuteilen und iu kleinere Gebiete abzn grenzen, um sich in demselben geographisch orientiren und die mannigfachen Verschiedenheiten, welche das Meer in verschiedenen Gegenden darbietet, an- schaulich sondern zu können. Das ist aber bei der ebenen, ganz gleich- förmigen Oberfläche des Meeres unendlich schwieriger, als bei dem von Gebirgsketten und Strömen durchschnittenen Lande. Wenn einst eine vollen- dete Untersuchung des Meeresbodens uns genügendere Ausschlüsse gewähren kann, mochte es vielleicht möglich sein, das Meer auch nach den unterseeischen Gebirgszügen und Plateaus, nach Thalrinnen und Veckenbildnngen zu glie- dern und kartographisch zu zeichnen. Zur Zeit aber ist eine solche Darstellung noch eiue unmögliche. Nur für sehr kleine Theile des Meeres haben uns neuere Forschungen eine ungefähre Kenntniß der Bodenbeschaffenheit, der Eon- figuration und Zusammensetzung der festen Grundlage des Oceans gegeben. Die Tiefenmessungen (Lothungen) im Meere sind, sobald die Tiefe irgend- wie bedeutend wird, mit so unendlichen Schwierigkeiten verknüpft; die Mittel und die Instrumente, die Tiefen zu messen nud Theile des Grundes zu wei^ terer Untersuchung ans Licht zu bringen, sind ungeachtet aller in neuerer Zeit getroffenen Verbesserungen im Ganzen noch immer so wenig vollkommen und sicher, daß Maury wohl nicht Unrecht hat, wenn er alle früheren Angaben in dieser Beziehung, die wenigstens angeblich über eine Tiefe von 4 5 eng- lischen Meilen hinausgehen, als zweifelhaft betrachtet. Nachdem man die, mit wenig Ausnahmen, sehr seichten Becken der Ost- und Nordsee schon früher ziemlich genau kennen lernte, hat man in neuerer

6. Bd. 1, Abth. 1 - S. 27

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
1. Geographie des Meeres, 27 Zeit das Mittelmeer und den atlantischen Ocean, letzteren besonders in seiner nördlichen Hälfte, einer genaueren Untersuchung unterworfeil und ist dadurch zu manchen beachtenswerthen Ergebnissen gelangt. Die größte mit Sicherheit bis jetzt bestimmte Tiefe des Meeres befindet sich im nordatlan- tischen Ocean zwischen dem 35° —40° N. Br., unmittelbar südlich von der Neufundlandbank, und beträgt nur ungefähr 25,000 engl. Fuß. Von der Spitze des Chimborasso bis zur tiefsten Stelle des atlantischen Oeeans wäre somit ein Abstand von ungefähr 9 engl. Meilen. Di'. Joung schätzt die Tiefe des stillen Oeeans auf 20,000 Fuß. Nach Roß ist westlich von St. Helena eine Vertiefung von 27,000 Fuß, westlich vom Cap der guten Hoffnung eine solche vou 16,000 Fuß. Beide Angaben bedürfen jedoch sehr der Bestätigung. Oestlich von Gibraltar fand man 3000 Fuß, nordwestlich 1000, südwestlich von Irland 2000. Die größte Tiefe des Kanals zwischen England und Frankreich beträgt 300 Fuß, das adriatische Meer bei Trieft hat 130 und das baltische Meer zwischen Schweden und Deutschland etwa 120 Fuß. Diese wenigen Angaben mögen hier als Beispiele genügen. Eine ausführliche Charakteristik der Consignration des Meeresbodens würde sich theils nur in spröden Zahlen darstellen, theils, wenn man versuchte, dieselben durch eiue plastische Schilderung zu beleben, sich gar zu sehr im Gebiete der Phantasie bewegen müssen. Zu einer wirklichen Geographie des Meeres fehlt sonnt noch gar viel, um nicht zu sagen alles; aber das Bedürfniß hat uns gezwungen, vorläufig nach an sich unwesentlichen und unzulänglichen Gesichtspunkten die große zusammenhängende Wasserfläche in gewisser Weise abzntheilen. Ueberblicken wir irgend eine Erdkarte, so treten uns sogleich ganz ungesucht vier große Hauptbecken des Oeeans entgegen. Die beiden großen Hauptland- massen, die alte und die neue Welt, sind durch zwei große Meeresgebiete, den atlantischen und den stillen Ocean von einander geschieden. Um deu Nordpol haben irnr eine große Meeresausbreitung, die mit dem stillen Meer nur durch die enge Beringsstraße, mit dem atlantischen durch das breitere grönländische Meer und vielleicht durch den Smithsund an der Westküste von Grönland zusammenhängt; dies ist das dritte oceanische Becken, das Polar- ine er. Das vierte endlich, das indische Meer, grenzt sich ebenfalls ganz unverkennbar im Süden von Asien ab, vom atlantischen Ocean durch Afrika, vom stillen Meer durch die Kette der Sundainseln und Australien getrennt, hängt aber zwischen der Südspitze von Afrika und den: südlichen Polarland mit dem atlantischen, zwischen Neuseeland und dem Polarland mit dem stillen Ocean zusammen. Charakterisirt ist das Polarmeer durch seine Kälte und Unwirthlichkeit, der indische Ocean durch seine Hitze und die eigentümliche Erscheinung der

7. Bd. 1, Abth. 1 - S. 4

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
4 Einleitung. oder die Nachtseite (Europa), und in die südliche, die Tagseite (Asien und Libyen). Es waren Vorstellungen einer naiven, dichterisch angeregten Phantasie, die aber ebendeshalb einer reiferen Anschauung nicht länger genügen konnten. Mit der außerordentlichen Ausbreitung der Colonieen und des Verkehrs der Griechen über das gesamte Mittelmeer und alle seine Verzweigungen erweiterten und berichtigten sich gleichmäßig die geographischen Kenntnisse. Erwägt man ferner, daß eine Menge von Griechen als Reisende und Kaufleute, als Aerzte, Söldner und Abenteurer die Länder der orientalischen Völker nach allen Rich^ tnngen durchzogen, so läßt sich nicht anders annehmen, als daß auch hier- durch diese Entwickelung aufs bestimmteste gefördert wurde. Und so stellte man denn in den Städten Joniens schon während des sechsten Jahrhunderts sehr scharfsinnige Speculationen an über die Gestalt der Erde, die in den Kreisen der dortigen Denker wenigstens nicht mehr als Scheibe aufgefaßt wurde; ja zu Anfang des fünften Jahrhunderts v. Chr. sind eben die Jonier bereits in: Besitze der ersten Landkarten (milefische Karten). Die Summe aber des neuen geographischen Wissens liegt in dem großen Werke Herodots (geb. etwa um 484 v. Chr.) vor, des ersten unter den alten Reiseforschern (Periegeten). Ein Weltwanderer mit jugendlich aufgeschlossenen Sinnen, besaß er bereits eine höchst umfassende Kunde; sein Horizont reicht von den Säulen des Hercules bis zum Indus und Jaxartes (Sir), von der thraci- schen Donau und dem Don oder Ural bis zu den Wasserfällen des Nil; seine Beschreibungen geben von den Reichen des Ostens und von den Ländern des Mittelmeeres (das römische Italien und den keltisch-iberischen Westen aus- genommen) sehr lebensvolle und anziehende Bilder; einzelne Punkte, z.b. die Hydrographie von Mittel-Asien, kennt Herodot sogar schon besser, als viele seiner Nachfolger. Zwar sind andererseits Nord- und Westeuropa, Nord- und Ostasien, Afrika südlich vonl rothen Meere und der Sahara von Herodot wesentlich falsch gefaßt. Allein derartige Jrrthümer und Fehlgriffe können sein Verdienst nicht schmälern, und es ist bei alledem völlig zutreffend, wenn Daniel behauptet, daß in den Darstellungen dieses Griechen die ganze Ent- Wickelung der geographischen Wissenchaft keimartig vorgebildet sei. Ein nlächtiger Fortschritt erfolgte aber in der letzten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. Er war eine Frucht der durch Alexander den Großen hervorgerufenen Umgestaltung des griechischen, ja des antiken Cnltur- lebens überhaupt. Ju einer Zeit von zehn Jahren hatte der gewaltige Macedonier eine Welt entdeckt und erobert. Und nicht bloß das: er hatte auch deu Erbhaß der Völker versöhnt und die friedliche« Wege geöffnet, die fortan Morgen - und Abendland mit einander vereinen sollten; „ wie in einem Becher der Liebe" mischten sich, nach dem Ausdrucke eines alten Schriftstellers,

8. Bd. 1, Abth. 1 - S. 29

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
1. Geographie des Meeres. 29 mit dm fast noch gefürchteteren andauernden Windstillen wechseln. Denn auch diese letzteren bieten dem Verkehr durch Segelschiffe große Schwierigkeiten. Die wichtigste Zone der Art ist die schon längst bekannte äquatoriale Kalmenregion, die durch den beständig aufsteigenden Strom der von der Sonne erhitzten Luft hervorgerufen wird. Erst in neuerer Zeit hat man zwei andere Gürtel der Art verzeichnet, von denen aber nur der nördliche zwischen dem 30° und 35° N. B. genauer erforscht ist; man nennt diese Gürtel „die Pferdebreiten." Der seltsame Name stammt daher, daß früher die Schiffe von Neu - England nach Westindien mit einer Deckladung von Pferden bestimmt, in dieser Kalmenregion oft so lange aufgehalten wurden, daß sie aus Mangel an Wasser einen Theil der Pferde über Bord werfen mußten. In diesen Breiten treffen sich die äquatorialen und polaren Luftströme und kreuzen sich, indem sie aus den höheren Regionen der Atmosphäre herabsteigen und dann auf der Ober- fläche des Meeres ihren Weg fortsetzen. Zugleich wird durch eben diesen Kalmengürtel sowohl der atlantische wie der stille Ocean in vier Zonen getheilt, von denen die beiden mittleren die Zonen der Passate, die beiden nach Norden und Süden gelegenen die Zonen der veränderlichen. Winde genannt werden können. Wie das Land, so scheint auch das Meer seine Wüsten zu haben; wenigstens ist eine Region, die man so zu nennen berechtigt ist, von Maury sehr scharf charakterifirt worden. „Zwischen dem Humboldt- oder peruanischen Küsten- ström und der großen Aequatorialströmung ist eine geradezu öde Gegend. Selten erscheint hier eine Walfisch oder Kaschelot. Früher kam fast nie ein Schiff hierher, wenigstens nicht mit Absicht und Willen. Erst die Goldfelder Austra- liens haben zugleich mit den Gnanoinfeln von Peru (das Gold des Kauf- manns, das Gold des Landmanns) diesen Theil des Meeres zu einer belebten Straße gemacht. Alle die neueren Schiffsjournale bezeichnen aber die Gegend als unbelebt, sowohl in der Luft, wie im Wasser. Alle Seevögel folgen wie gewöhnlich den Schiffen, die Australien verlassen, aber sobald sie an diese Gegend kommen, kehren sie um. Selbst das Geschrei des kleinen Sturm- vogels wird hier uicht gehört. Bis jetzt hat man auch nicht einmal eine Vermuthnng darüber, was die Ursache dieser seltsamen Erscheinung sein könnte." Wir dürfen diese kurze Uebersicht der Geographie des Meeres nicht verlassen, ohne noch der großen oeeanischen Wirbelregionen zu gedenken, in denen durch die sich begegnenden Strömungen, gerade wie auf unseren langsamer fließenden Bächen und Flüssen, die ini Wasser schwimmenden Körper zusammengeführt und ohne weiteren Fortschritt im Kreise herumgedreht werden. Diese Regionen nehmen besonders dadurch eine bestimmte andauernde Physiognomie an, daß die oft von fernen Küsten losgerissenen Algen (Meerespflanzen) hier inmitten

9. Bd. 1, Abth. 1 - S. 30

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
30 Zur physischen Geographie. einer verhältnißmäßig wenig bewegten Meeresfläche zusammengedrängt werden und einen schwimmenden, in wunderbarer Fruchtbarkeit fortwachsenden Teppich bilden. Es sind gewissermaßen Prärieen des Meeres, und man hat sie nach dem zuerst schon durch Columbus bekannt gewordenen und lange für das einzige gehaltenen Beispiele die S a r g a s s o m e e r e *) genannt. Es sind aber jetzt im Ganzen fünf solcher Sargassomeere bekannt. *) Diesen Nanien führen sie von dem eben dort in mächtigen Bänken anfgehänften Beerentang (Sargassum baccifemm). Es sind kleine verästelte, mit Blasen wie mit Beeren bedeckte Büschel von bräunlich oder gelblich grüner Farbe. „Man fand schon am frühen Morgen so viele Pflanzen," sagt Columbus in seinem Tagebuche, „daß das Meer fast wie mit einer festen Masse bedeckt schien." Und in der That giebt es vielleicht auf der ganzen Erde keine zweite, so ausgedehnte Anhäufung geselliger Pflanzen ein und derselben Art, als diese Danzwiesen. Man mag sich hierbei wohl der mittelalterlichen Sage vom Leber meer, d. h. von dem geronnenen, gallertartigen Meere, dem wäre eonerewm erinnern. 2. Eßße und Fsut. i. Vorstellungen der Alten. Denn das Meer gleicht den lebenden Geschöpfen, und wie diese beständig ein - und ansathmen, ebenso flutet auch jenes in beständiger Kreisbe- wegung aus sich heraus und wieder in sich zurück. Strabo, Erdbeschreibung I, 3. 8. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß schon in den ältesten Zeiten, sobald nur der Mensch zu geistiger Selbstthätigkeit erwacht war, der Anblick des Oeeans für ihn einer der ersten Gegenstände forschender Betrachtung gewesen. Er sah die flüssige Masse auf- und niederwogen, und obwohl er weder ihre Ausdehnung noch ihre Tiefe zu messen vermochte, mußte er doch bald gewisse regelmäßige, periodische Bewegungen derselben wahrnehmen; er mußte sehen, wie ihre Fluten täglich stiegen und am Strande emporschwollen, um ebenso wieder zu fallen und zurückzuweichen, und konnte sich schließlich der Frage nach den hier wirkenden Ursachen nicht entziehen. Inzwischen sind freilich diese Schwingungen des Oeeans grade in den: jenigen Meere, an dessen Gestade die großen Enltnrvölker des Alterthums langehin gefesselt blieben, nur in geringerem Maße bemerkbar, da die Fluthöhe dort nur selten und nur an einzelnen Punkten zu einigen Fuß ansteigt.

10. Bd. 1, Abth. 1 - S. 7

1874 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
Entwicklungsgang der Geographie. 4. Jahrhunderts v. Chr.), — der mit großem Scharfblicke die damalige Welt zwischen dem Phasis (jetzt Rioni '*) und den Säulen des Hercules nur für einen sehr kleinen Theil der Erde hielt und noch andere Erdtheile als vorhan- den annahm,— folgte muthmaßlich ebenfalls dieser Ansicht; denn da er in der Kugelform die vollkommenste aller Formen erkannte, so mochte er glauben, diese auch der Erde zuschreiben zu müssen: sie bilde sich, sagt er, „durch Umwälzung aus mehreren Würfeln und werde vom kugelförmigen Himmel umschlossen." Es waren großenteils Freunde und Schüler oder doch Zeit- genossen dieses Philosophen, welche sich bestrebten, die Lehre von der Kugel- gestalt der Erde zu sichern und zu allgemeiner Geltung zu bringen; ja Eudoxus von Knidus bekannte sich offen zu derselben und versuchte auch bereits eine Eintheilung der Erde in Zonen, während der Pythagoräer Phi- lolaus in genialer Divination behauptete, daß die Sonne mit allen Planeten ein großes Ceutralfeuer umkreise, welches er poetisch genug als den Heerd des Weltalls, als die Burg des Zeus, als den letzten Zusammenhalt und das Maß der Natur bezeichnete. Dennoch ward die eigentlich wissenschaftliche Entscheidung der Streitfrage erst von Aristoteles (384—321 v. Chr.) gegeben. Denn dieser eindringendste Forscher des Alterthmns, den Dante mit Recht den Meister der Meister nennt, hat die Kugelgestalt der Erde durch die Mondfinsternisse und durch das Gesetz der Schwere zuerst wirklich bewiesen, wenn gleich er darin irrte, daß ihm die Erde als der feststehende Mittelpunkt des Universums galt, um den sich der Himmel mit allen Gestirnen bewege. So drang denn, getragen durch das unantastbare Ansehn des Aristoteles, die neue Lehre in weitere Kreise; sie ward immer mehr ein Glaubenssatz der Gebildeten, zumal seitdem auch die stoischen Philosophen sie mit Eifer vertraten. Nur die Epikuräer kämpften noch längere Zeit für die flache Erdscheibe. Wenn indessen alles Bisherige in einem gewissen Sinne bloß als Vor- arbeit betrachtet werden konnte, so sollte es doch nicht länger an einer wirk- lich wissenschaftlichen Durchdringung und Gestaltung des reichen Stoffes fehlen. Und damit wird der Blick abermals auf den großen neuen Studiensitz der Ptolemäer, auf Alexandria zurück gelenkt. Denn hier schuf zuerst der gelehrte Bibliothekar des Museums, Eratosthenes von Cyrene, (276— 194 v. Chr.), eine systematische Geographie. Als ein ausgezeichneter Mathematiker und Astronom verfaßte er das erste Lehrbuch nach systematischer Anordnung und stellte darin zusammen, was auf diesem Gebiete bisher geleistet worden; das uns verlorengegangene Werk war etwa 220 v. Chr. in *) Der Phasis mündet ins schwarze Meer und galt in ältester Zeit als Grenzfluß Europas.
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