Pelplin, den 8. Mai 1880.
Aas in dem Verlage von H. F. Boenig in Danzig unlängst erschienene
„Lesebuch für katholische Volksschulen nebst einem Anhang: Deutsche
Sprachlehre, Rechtschreibung und Wörterverzeichnis"
ist hier durchgesehen morden, und können mir die Erklärung abgeben, daß
dasselbe nichts enthält, was dem katholischen Glauben und der christlichen
Sitte zuwider wäre.
Bischöfliches General-Vikariat-Amt von Culm.
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TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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177
Da brach bei einer entfernt wohnenden deutschen Völkerschaft
ein Aufstand aus. Ihn rasch zu unterdrücken, schien dem Varus
nicht schwer. Sogleich begab er sich mit seinem zahlreichen, wohl-
gerüsteten Heere aus den Marsch. Den drei römischen Legionen
folgten deutsche Hülfsscharen unter ihren Fürsten. Der Zug ging
durch den Teutoburger Wald (in Westfalen). Auf schlechten
Wegen, durch dichtes Gehölz schleppte er sich mühselig dahin.
Bald vermehrte ein gräßliches Unwetter die Beschwerden des
Marsches. Heftiger Regen rauschte nieder und machte den Boden
schlüpfrig, alle Tritte unsicher. Immer schwieriger wurde den
schwerbewaffneten, erschöpften römischen Kriegern das Vorwärts-
schreiten. Jetzt schien den Deutschen die Stunde gekommen zu
sein, das verhaßte römische Joch abzuschütteln. Von Hermann
zum Kampfe für die Freiheit aufgerufen, stürzten sie unter seiner
Führung mit furchtbarem Schlachtgeschrei auf die entsetzten Römer-
los. Drei Tage lang wurde mit Mut und Ingrimm gestritten.
Da war der Siez der Deutschen entschieden. In Verzweiflung
stürzte sich Varus in sein Schwert; das treffliche Römerheer war
vernichtet. Aber Deutschland war gerettet, das Vaterland war
frei geworden von seinen Drängern. Und Jahrhunderte hindurch
besang das deutsche Volk den Ruhm seines Helden Hermann, und
die dankbare Nachwelt feiert ihn mit Recht als Deutschlands
Befreier. Andrä.
236. Der heil. Bonifazius, der Apostel der Deutschen.
Vom sechsten Jahrhundert an kamen Mönche aus England
und Irland und predigten das Christentum in Deutschland.
Der wichtigste unter ihnen war der Engländer Winfried, welcher
vom Papste den bedeutungsvollen Namen Bonifazius, d. h. Wohl-
thäter, erhielt. Ein Wohlthäter ist er für viele gewesen in geist-
lichen^ und leiblichen Dingen.
Über 30 Jahre hindurch hat Bonifazius in dem Hessen-
lande und in Thüringen als Missionar und Bischof gewirkt.
Bei dem Dorfe Geismar mitten im Hessenlande stand eine uralte,
große Eiche; kein Eichbaum weit und breit kam ihr an Größe
gleich. Bei diesem Baume war das größte Heiligtum im Lande;
da opferte man seit den ältesten Zeiten dem höchsten Götzen,
Wodan. Tausende von Menschen, Pferden, Rindern und Ziegen
waren ihm hier hingeschlachtet worden, und an den Zweigen der
Eiche hingen die Köpfe der Opfer. Es war eine fürchterliche
Schädelstätte. Dieser Baum hatte mehr Macht über die armen
Heiden als die Predigt des Evangeliums; viele ließen Bonifazius
und das Evangelium im Stich, sobald sie an die Wodanseiche
dachten, auch viele Getaufte. Bonifazius sagte ihnen in jeder
Predigt, alle ihre Opfer seien nichts, ihr Wodan sei nichts und die
Lesebuch für katholische Volksschulen. 12
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Extrahierte Personennamen: Varus Hermann Varus Hermann Bonifazius Bonifazius Apostel Winfried Winfried Bonifazius Bonifazius Bonifazius Bonifazius Bonifazius Bonifazius
Extrahierte Ortsnamen: Westfalen Deutschland Deutschlands England Irland Deutschland Hessen- Thüringen Hessenlande
178
Eiche sei nichts, und wenn er einmal hinkäme, so wollte er sie
mit der Axt umhauen. Aber das half alles nichts. „Wenn du
dich an Wodans Eiche vergreifst," sagten die Hessen, „so wird
dich Wodan auf der Stelle mit seinem Blitze totschlagen." Da
beschloß Bonifazius diesem alten Baume des Aberglaubens die
Axt an die Wurzel zu legen. Tausende von Heiden waren ver-
sammelt, als der Missionar mutig zur Eiche herantrat. Alles
still! Und er nahm eine große Axt und hieb in den Baum, daß
es schallte. Wodan regte sich nicht; kein Blitz fuhr hernieder.
Da brauste es in dem mächtigen Gipfel der Eiche von einem
gewaltigen Windstoße, der sich auf den Baum warf, und — im
Nu stürzte dieser mit fürchterlichem Krachen zuboden. Die
Heiden waren starr vor Entsetzen. Beschämt standen sie da und
fragten: „Was sollen wir thun?" — „Wir wollen ein Bethaus
bauen," sagte Bonifazius, „dem lebendigen Gott zu Ehren; sehet,
da ist das Holz dazu!" Und so wurde aus dem Holze der
mächtigen Eiche eine Kapelle erbaut, in der Bonifazius den
Namen des Herrn predigte.
Daß Werk der Bekehrung gewann immer größere Aus-
dehnung. Eine Menge Gehülfen sammelte sich um Bonifazius,
die ihn in seiner Arbeit unterstützten. Vom Papste zum Erz-
bischof von Deutschland erhoben, errichtete er eine Anzahl Bi-
schofssitze und gründete Kirchen und Klöster zur Befestigung des
neuen Glaubens. Seine Lieblingsstiftung war das Kloster Fulda,
wo sich auch sein Grab befindet. Büttner.
237. Karl der Große.
1. Unter allen deutschen Stämmen waren die Franken,
welche ihre Sitze am Rhein und in Frankreich hatten, am mäch-
tigsten geworden. Um das Jahr 800 herrschte über sie Karl
der Große, einer der berühmtesten Männer in der ganzen
Weltgeschichte. Nicht allein als Kriegsheld hat er sich hervor-
gethan und sein Reich durch Eroberungen weit ausgedehnt; er
hat auch die verschiedenen Völker, welche er unterwarf, mit Weis-
heit regiert und seine Unterthanen gleich einem sorgsamen Vater
zu christlicher Frömmigkeit und Bildung erzogen. Bis in ferne
Länder ist sein Ruf gedrungen, und Jahrhunderte hindurch haben
sich die Völker erzählt von dem großen Karl und seinen Ruhm
in Liedern gesungen.
2. Fast während seiner ganzen Regierung hat Karl Krieg
geführt. Sein schwerster Krieg ging gegen die Sachsen. Dreißig
Jahre hat er gedauert. Denn die Sachsen waren ein tapferes
Volk, das seine Freiheit hoch hielt und einem fremden Herrn
nicht dienen mochte. Sie wohnten im nördlichen Deutschland,
von den Grenzen des Frankenreichs in der Nähe des Rheins bis
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Extrahierte Personennamen: Bonifazius Bonifazius Bonifazius Bonifazius Bonifazius Karl Karl
der_Große Karl Karl Karl Karl_Krieg Karl
Extrahierte Ortsnamen: Wodans Hessen Deutschland Fulda Rhein Frankreich Sachsen Sachsen Deutschland Rheins
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
126
niß des Heidenthums. Aber der einst gesagt hatte durch den Pro-
pheten: Die Heiden werden in seinem Lichte wandeln, der erbarmte
sich unseres Volkes, als die Zeit erfüllet war, und sandte manche Boten
des Evangeliums zu ihm, die ihm das Wort vom Kreuze predigen
mußten. Unter diesen Boten nun hat Keiner so Großes und Bleiben-
des gewirkt, als Bonifacius*).
2. Bonifacius' Jugend. Bonifacius, oder wie er ursprünglich
hieß, Winfried, war 680 zu Kyrton in dem angelsächsischen König-
reiche Wessex geboren, aus edlem Geschlechte. Sein Vater hatte ihm
eine glänzende Laufbahn in Reichthum und Ehre dieser Welt auser-
sehen, aber er mußte bald erkennen, daß sein Kind zu anderen Dingen
berufen sei. Denn immer stärker wurde in demselben das Verlangen
nach der Erkenntniß von Gott und göttlichen Dingen und nach den
stillen Klosterräumen, in welchen diese Erkenntniß allein erworben
werden konnte. Der Vater widerstrebte nicht lange mehr und über-
gab seinen Sohn schon im 7. Lebensjahre einem Kloster. Winfried
zeichnete sich hier durch sein demüthiges, stilles Wesen, wie durch seine
Fortschritte im Lernen gleich sehr aus und wurde bald aus einem i
Schüler ein Lehrer der jüngeren Genossen. Als er etwa 80 Jahre
alt war, wurde er zum Priester geweiht und predigte häufig und mit
einer solchen Wärme und Beredsamkeit, daß sich alle darüber verwunderten.
3. Seine Wirksamkeit in Hessen. Schon damals lag es
ihm an, zu den Friesen zu gehen und ihnen das Wort vom Leben
zu verkündigen, aber der erste Versuch (im Jahre 715) gelang nicht, z
Da ging er zu dem Papste Gregor Ii. nach Rom (718), um sich
von ihm Rath und Hülfe zu erbitten. Und wirklich konnte Bonifacius
nun, ausgerüstet mit päpstlichen Vollmachten und Briefen, hier und
da, besonders zu Amöneburg in Hessen, schon einiges ausrichten, j
Da berief ihn der Papst (723) zum zweiten Male nach Rom, weihete
ihn zum Bischof und ließ ihn schwören, daß er aus den heidnischen
Deutschen nicht blos Christen machen wolle, sondern römische Christen,
die in allen Stücken dem römischen Papste und seinen Erzbischöfen und
Bischöfen gehorsam seien. Vom Papste reiste nun Bonifacius zu
dem mächtigen weltlichen Herrscher Karl Martell im Frankenlande,
der ihm durch Schutzbriefe sehr nützlich wurde.
4. Die Donnereiche. So kannte Bonifacius, von allen
Seiten unterstützt, das Heidenthum mit ungetheilter Kraft angreifen, j
Er ging weiter nach Hessen hinein und kam nach Geismar. Daselbst
stand eine alte Eiche, ein Lieblingssitz des Donnergottes, wie die Hessen
glaubten. Unter dieser Eiche hielt Bonifacius den zusammengeströmten
Heiden eine Predigt, davon, daß ihre Götter keine Götter seien, und
daß kein anderer Gott sei, als der einige, der auch diese Eiche und
alle Dinge geschaffen habe. Aber die Hessen hörten ihn kaum an.
Da ergriff Bonifacius eine Axt und führte sie, unterstützt von seinen
Treuen, gegen die heilige Eiche mit großer Kraft. Der Schlag er-- j
*) D. h. Wohlthäter.
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Extrahierte Personennamen: Bonifacius' Winfried Winfried Gott Winfried Winfried Gregor_Ii Gregor Karl_Martell Karl Bonifacius Bonifacius
Extrahierte Ortsnamen: Hessen Rom Hessen Rom Frankenlande Hessen Hessen Hessen
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
144
(T
hat er den hungrigen Seelen das damals so seltene Brot des lauteren
Gotteswortes nicht vorenthalten wollen. Scharf und freimüthig sprach
er über den Aberglauben des Volkes und über die Sünden der Geist-
lichen. Und wer den Mann sah auf seiner Kanzel, den Mann mit
dem bleichen, ernsten Gesicht, und wer sein Leben kannte, rein und
streng, wie es war, — der wußte, daß es ihm Ernst sei. Es steht
aber geschrieben: „Des Herrn Wort ist schärfer, denn ein zweischneidig
Schwert." Wiederum auch: „Die Menschen wollen sich meinen Geist
nicht mehr strafen lasien, spricht der Herr; denn sie sind Fleisch."
2. Huß aus dem Concil. Also geschah es, daß viele ergrimmten
im Geiste gegen den, der da bekannte und scheute sich nicht. Und als
er laut die Schäden der Kirche besprach, den Ablaß auch, und wie
das Gotteswort wieder herrschen solle im Lande, — da brachten sie
seine Sache vor den Papst in Rom. — In Consta nz am Bodensee
soll sich Huß vertheidigen; dort kommt eine große Kirchenversammlung
zusammen, Kaiser und Könige, die hohen Priester der Kirche dazu.
Dahin begiebt sich also Johann Huß. Es war im Jahre 1415.
Versprochen ist ihm sichere Reise hin und zurück, und das schriftlich.
Kaum ist er angekommen, so wird von ihm Widerruf dessen gefordert,
was er gepredigt. „Gott ist mein Zeuge, daß ich gerne weichen und
widerrufen will, wenn ich etwas Unrechtes gelehrt oder geschrieben habe.
Ich begehre nichts mehr, als daß ich aus göttlicher Schrift gründlicher
und eines Besseren möge unterwiesen werden. Wenn sie das thun,
bin ich bereit, alsobald zu widerrufen." Das ist Hustens Antwort.
So führt man ihn denn am 6. Juli in die Domkirche, allwo
das ganze Concilium Versammlung hält. Der Kaiser erscheint mit den
Reichsfürsten und der ganzen Ritterschaft und setzt sich auf seinen Stuhl
unter einer goldenen Krone. An der einen Seite steht der Kurfürst
von der Pfalz mit dem Reichsapfel, Burggraf Friedrich von Nürnberg
mit dem Schwert an der andern. Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe,
Prälaten und Mönche sind anwesend, auch eine unzählige Menge Volks
hat sich versammelt. Aller Augen aber sehen nach dem Prediger aus
Prag. Man hat ihn etwas erhaben gestellt; so kann er von allen
gesehen werden. — Als nun ein Bischof die Kanzel besteigt, die Pre-
digt hält und den Kaiser ermahnt, die Ketzereien zu tilgen, den hier
stehenden verstockten Ketzer zumal, so wirft sich Huß auf seine Kniee
und befiehlt sich Gott zum Sterben. Darauf muß er solche Sätze aus
seinen Büchern hören, die er sich zu Tode geschrieben hat. Und nach
dieser Vorlesung, da es ihm nicht vergönnt ist, zu reden, wird fort-
gefahren im Urtheil. Dieses lautet also:
„Hustens Schriften sollen verbrannt, er, als ein öffentlicher,
schändlicher Ketzer und böser, halsstarriger Mensch, soll seines priester-
lichen Standes schmählich entsetzt und dem weltlichen Arm der Gerech-
tigkeit übergeben werden." — Als er das gehört, betete er zu Gott:
„Ich bitte Dich um Deiner Barmherzigkeit willen, verzeihe all' meinen
Feinden!"
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TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Ernst Johann_Huß Johann Friedrich_von_Nürnberg Friedrich
1877 -
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Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
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sein Brot auf den Straßen ersingen. Wie er nun ein gar schönes,
frommes Gemüth hatte, so ward er auch stets durch den Gesang zur
tiefsten Andacht gestimmt. Das bemerkte die Frau eines Mannes,
Namens Conrad Cotta. Sie fühlte sich dadurch so sehr zu dem
Knaben hingezogen, daß sie ihn zu sich nahm und ihm Wohnung und
Unterhalt gab. Jetzt war der kleine Luther aus aller Noth. . Freudig
überließ er sich nun dem Lernen und machte solche Fortschritte, daß
er schon nach 4 Jahren die hohe Schule zu Erfurt besuchen konnte.
Hier fand er einst in der Büchersammlung der Schule eine vollständige
lateinische Bibel. Er hatte noch keine gesehen. Mit hoher Freude
nahm er sie in die Hand, und je länger er darin las, desto höher
stieg seine Ehrfurcht vor dem heiligen Buche. Kaum konnte er sich
davon trennen, und so oft es seine Zeit erlaubte, kehrte er zurück und
las in seiner Bibel. Wie gern hätte er sein ganzes Leben der Er-
forschung dieses Schatzes gewidmet! aber sein Vater wünschte, daß er
ein Rechtsgelehrter werden solle, und er gehorchte. Da geschah es,
daß er einst mit seinem Freunde Alexius spazieren ging. Ein schweres
Gewitter zog herauf; ein Blitzstrahl zuckte herab, und Alexius lag er-
schlagen am Boden. Das machte auf Luther einen solchen Eindruck,
daß er auf seine Kniee sank und gelobte, ein Mönch zu werden. Er
hielt sein Gelübde und trat in das Augustinerkloster zu Erfurt. Da
hatte er einen schweren Stand. Gleich anderen Neueingetretenen mußte
er mit einem Sack auf dem Rücken umhergehen und für das Kloster
betteln. Sein frommer Sinn ließ ihn auch das überstehen. Nachdem
er die Priesterweihe empfangen und sich durch Beten und Fasten und
eifriges Lernen schon ganz siech gemacht hatte, erhielt er endlich vom
Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen einen Ruf nach 4
Wittenberg, um an der dortigen Universität zu lehren. Hier er-
warb er sich die Würde eines Doctors der heiligen Schrift und machte
durch seine Lehren und Predigten, bei denen er immer von der Bibel
ausging, ein solches Aufsehen, daß die Jünglinge von nah und fern
herbeieilten, um den außerordentlichen Mann zu hören.
2. Seine Reise nach Rom. Auf einer Reise, die er in
einer Angelegenheit seines Ordens nach Rom machte, hatte er Gelegen-
heit, die Gebrechen der Kirche an ihren Dienern kennen zu lernen.
Wie erstaunte er über die unglaubliche Unwissenheit der Priester und
Mönche! Selten fand er einen, der die heilige Schrift auch nur dem
Namen nach kannte. Und was für ein sittenloses Leben führten sie!
Und wie sah es in den Kirchen aus! Da war keine Spur von einer
Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit. Die öffentlichen
lateinischen Gebete verstand kaum der Priester; man begnügte sich daher,
den Rosenkranz herzuplappern, und überließ das Uebrige den Heiligen
und dem Ablaß. Viele kamen in die Kirche, um sich zu unterhalten;
ja es schien oft so recht darauf abgesehen zu sein, den Anwesenden
eine Belustigung zu bereiten. So erschien z. B. am Aschermittwoch
gewöhnlich ein schlechter Kerl barfuß und zerlumpt in der Kirche, und
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Extrahierte Personennamen: Conrad_Cotta Alexius Alexius Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Erfurt Sachsen Wittenberg Rom Rom Gottes
1877 -
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: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
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Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
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dröhnte durch den weiten Wald und durch die Gemüther der Menge»
Aber vergebens erwarteten sie, daß der Donnergott die Frevler er-
schlagen werde, welche fortfuhren, den heiligen Baum zu verletzen.
Der Baum fiel, und damit eine große Stütze des Heidenthums.
Neberzeugt von der Ohnmacht ihres Donnerers, bekehrten sich viele
Hesien zu dem Gotte des Bonifacius und bauten aus dem Holze ihrer
Eiche eine Kapelle zu Ehren des heiligen Apostels Petrus und setzten
ein Kreuz oben drauf.
5. Bonifacius, oberster Bischof in Deutschland. Nun-
mehr wandte sich Bonifacius nach Thüringen und gründete in der Nähe
von Würzburg das Kloster-O h r d r u f. Dieses Kloster wurde durch
den ruhigen, geduldigen Eifer des frommen Mannes bald ein Mittel-
punkt, von wo ein neues geistliches Leben in die umwohnenden Völker-
schaften ausging. Alle christlichen Gemeinden aber, welche er aus den
bekehrten Deutschen sammelte, knüpfte er seinem Eide gemäß fest an
Nom. Der Papst—es saß nunmehr Gregor Iii. auf dem römischen
Stuhl — freute sich über Bonifacius und machte ihn zum Erzbischof
(732) mit der Vollmacht, daß er selbst andere Bischöfe in Deutschland
ernennen dürfe. Aber anstatt nun den andern Bischöfen (von Salz-
burg, Freisingen, Regensburg, Passau, Würzburg, Erfurt u. a.) sein
Werk zu überlassen, wurde Bonifacius nur desto eifriger in seinem
Berufe. Bald suchte er die schon gegründeten Gemeinden zu belehren
und zu stärken, setzte unwürdige Prediger ab, hielt Synoden und ver-
bot den Geistlichen, auf die Jagd zu gehen und in den Krieg zu
ziehen, bald suchte er wieder neue Siege über das Heidenthum draußen
zu gewinnen. Nur ungern gehorchte er, als ihm der Papst befahl,
die Stadt Mainz zu seinem Wohnort und zum Sitze seines Erz-
bisthums zu machen. Und als ihm der Papst die Freude gemacht
hatte, seinen Schüler Lullus als seinen einstigen Nachfolger im Erz-
bisthum zu bezeichnen (754), da erbat er sich vom Papste auch noch
das Weitere, daß er wieder, dem Drange seiner Jugend folgend, hinaus-
ziehen dürfe zum Missionswerke. Der Papst erlaubte es ihm.
6. Sein Märtyrertod. Bonifacius wollte nun seine letzte
Arbeit im Weinberge des Herrn thun und dann seine Tage in dem Lieb-
lingskloster Fulda in Frieden beschließen. Aber eine Ahnung sagte
ihm, daß er in diesem Leben die erwünschte Ruhe und Stille nicht
finden solle. Er legte daher, als er die Reise antrat, zu seinen Büchern
auch sein Sterbekleid und zog nach Friesland. Niemals hat er
mit solchem Ernste und mit so großem Erfolge das Evangelium den
Heiden gepredigt, als jetzt, da er zum letzten Male predigen durfte.
Als er so eines Morgens — es war der 5. Juni 755 — in der
Gegend von Dokkum ein Häuflein bekehrter Heiden erwartete, die
er durch Handauflegung weihen wollte, kamen statt der erwarteten
Freunde eine Schaar der wüthendsten Heiden, welche mit ihren Schwer-
tern die alten Götter rächen wollten. Die Diener des frommen Man-
nes stürzten herbei, um ihren Meister mit ihren Waffen zu beschützen.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr]]
Extrahierte Personennamen: Apostels Petrus Bonifacius Gregor_Iii Gregor Bonifacius Bonifacius
Extrahierte Ortsnamen: Bonifacius Deutschland Würzburg Deutschland Regensburg Würzburg Erfurt Mainz Fulda Friesland Dokkum
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Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Geschlecht (WdK): koedukativ
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Jung und Alt war nun bemüht, ihn zu foppen, zu knuffen, zu stoßen
und ihn endlich unter lautem Gelächter zum Tempel hinauszujagen.
Man nannte das, „den alten Adam austreiben". — Am Abend desselben
Tages und auch an den beiden folgenden Abenden gab es noch andere
Belustigungen. Nach und nach wurden alle Lichter in der Kirche aus-
gelöscht, und nun begann eine gräuliche Katzenmusik durch Schreien,
Pfeifen, Toben und Lärmen. Das war die Rumpelmette.
3. Der Ablaßkrämer Tetzel. Im Jahre 1517 zog ein
Mönch, Johann Tetzel, aus Leipzig gebürtig, ein liederlicher, schlauer
und frecher Mensch, im Aufträge des Kurfürsten Albrecht von Mainz
durch Deutschland und verkaufte den Leuten römischen Ablaß für Geld,
das größtentheils in den päpstlichen Säckel wanderte und für den Bau
der prächtigen Peterskirche in Rom verwandt wurde. Ueberall, wohin
er kam, hielt er einen feierlichen Einzug. Auf einem Kissen von Sammet
wurde die päpstliche Bulle *) vorangetragen. Die Geistlichen, der
Magistrat, die Schulen, Jungfrauen in weißen Kleidern und viel Volks
zogen mit Kerzen und Fahnen ihm entgegen; alle Glocken läuteten.
Nun ging es in die Kirche, wo er ein rothes Kreuz mit dem Wappen
des Papstes aufsteckte. Dann bestieg er die Kanzel und pries den
Leuten den Ablaß an. Das rothe Kreuz, behauptete er frech, vermöge
so viel, als das Kreuz Christi; er möchte nicht mit dem Apostel Petrus
tauschen, denn er habe durch den Ablaß mehr Seelen erlöset, als
Petrus; die Ablaßgnade wäre eben die Gnade, durch welche der Mensch
versöhnt würde; man könne ohne Reue und Buße durch den bloßen
Ablaßbrief vollkommene Sündenvergebung erlangen. Nach der Predigt
begann der Handel. Er hatte Ablaßbriefe für alle Vergehen, für
* Diebstahl, Mord, Meineid, Gewaltthat, die nach einer förmlichen Sünden-
taxe zu lösen waren. Für einen Mord zahlte man 8, für Kirchenraub
und Meineid 9 Dukaten, doch konnte man auch schon für einen Groschen
Ablaß erhalten. Selbst für Sünden, die man noch thun wollte, wurden
Ablaßbriefe verkauft. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele
aus dem Fegfeuer springt/ war die Inschrift seines Ablaßkastens.
Dieser schamlose Mensch hatte auch in Jüterbogk, nicht weit von
Wittenberg, sein Unwesen getrieben.
4. Ansang der Reformation. Tiefes Leid im Herzen
über den grenzenlosen Verfall der Kirche und über die himmelschreiende
Unwissenheit und Verwahrlosigkeit des armen Volkes, hatte Luther einst
einige Leute in der Beichte zur Buße ermahnt. Wie erstaunte er
aber, als sie ihm erklärten, sie brauchten nicht Buße zu thun, denn
sie hätten ja Ablaßbriefe von Tetzel. Nun vermochte er nicht länger,
zurückzuhalten. Er setzte sich hin und schrieb 95 Sätze auf, in denen
er bewies, daß der Ablaßhandel ganz gegen die heilige Schrift und
gegen alle Vernunft und sogar eine Gotteslästerung sei, daß niemand
das Recht, noch die Macht habe, Sünden zu vergeben, außer Gott,
und daß allein wahrhafte Besserung durch wirkliche Reue und Buße
*) Eine Bulle ist eine Verordnung beä Papstes.
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Extrahierte Personennamen: Johann_Tetzel Johann Albrecht_von_Mainz Albrecht Apostel Petrus
Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Deutschland Rom Christi Jüterbogk Wittenberg
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
153
bctftn führen könne u. s. w. 1. Satz: „Unser Herr und Meister Jesus
Christus spricht: Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei-
gekommen." 29. Satz: „Die werden sammt ihren Meistern zum Teufel
fahren, die da meinen durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein."
36. Satz: „Ein jeder Christ, so wahre Reue und Leid hat über seine
Sünden, der hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, die ihm
auch ohne Ablaßbriefe gehört." Diese Sätze schlug er den 31. Ok-
tober 1517 in Gegenwart vieler Studenten und anderer Leute an
die Schloßkirche zu Wittenberg an. Das war der Anfang der Re-
formation^), der Grundstein, auf welchem Luther nach und nach
die evangelische Kirche gebaut hat, die Kirche, welche alle
Satzungen des Papstes verwarf und allein auf die heilige Schrift sich
gründete. Die Sätze machten unerhörtes Aufsehen. Als wären die
Engel selbst die Botenläufer gewesen, so waren sie in 14 Tagen durch
ganz Deutschland, in 4 Wochen durch ganz Europa verbreitet. Man
staunte und bewunderte den Muth des Mannes, der es wagte, die
Macht des Papstes anzugreifen, eine Macht, vor welcher man die
mächtigsten Fürsten hatte zittern sehen.
5. Luthers Lossagung vom Papste. Bald genug er-
schien denn auch der Bannfluch *) **) des Papstes gegen Luther. Dieser
aber inzwischen und dadurch zu größerem Widerstände gereizt, ließ ein
Feuer anzünden und übergab in Gegenwart der staunenden Menge die
Bannbulle mit kühner Hand den Flammen. Dadurch hatte er sich nun
gänzlich vom Papste losgesagt; man zitterte für sein Leben, und viele
hielten ihn für verloren. Er aber kannte keine Furcht. Auch hatte
er schon mächtige Freunde, die sich seiner annahmen. Da war vor
allem der edle Kurfürst Friedrich der Weise, welcher entschlosien
war, ihn zu schützen. Ulrich von Hutten, ein rechter, deutscher
Mann, kühn und scharf mit dem Schwerte und mit der Feder. Wie
er einst vier Franzosen zu gleicher Zeit zum Zweikampf forderte und
sie alle besiegte, weil sie vom Kaiser unehrerbietig gesprochen hatten,
so war er auch mächtig mit dem Worte. Mit Begeisterung ergriff er
Luthers Sache und hätte gern das Schwert für sie gezogen. Franz
von Sickingen, ein tapferer Ritter in Franken, und mit so außer-
ordentlichen Eigenschaften begabt, daß man ihn der Kaiserkrone für
würdig hielt. Er bot Luthern einen sichern Aufenthalt in seiner Burg
Landstuhl in der Pfalz. Wie mächtig er war, zeigte er in einer
Fehde gegen den Erzbischof Richard von Trier, den er mit 12,000
Mann überfiel.
Zu Luthers eifrigsten Gegnern gehörte unter den Fürsten der
Kurfürst Albrecht von Mainz und sein Bruder Joachim I. von
Brandenburg; vor allem auch Kaiser Karl V., welcher gelobte, „alle
seine Macht daran zu setzen, um dies gottlose Unternehmen zu ver-
hindern."
*) (Kirchen-) Verbesserung.
") Bann — Ausschließung aus der kirchlichen Gemeinschaft.
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Extrahierte Personennamen: Jesus
Christus Friedrich Friedrich Ulrich_von_Hutten Franz
von_Sickingen Franz Richard_von_Trier Albrecht_von_Mainz Albrecht Joachim_I._von
Brandenburg Karl_V. Karl_V.
Extrahierte Ortsnamen: Wittenberg Deutschland Europa Schwerte Burg
Landstuhl Pfalz
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
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6. Luthers Reise nach Worms. Im Jahre 1521 rsar
Luther vor den Reichstag zu Worms 'gefordert. Dort sollte seine
Sache gerichtet werden. Obgleich Friedrich der Weise ihm sicheres
Geleit vom Kaiser erwirkte, so baten ihn doch seine Freunde, nicht
nach Worms zu gehen. Er aber sagte: „Und wenn sie ein Feuer
machten, das von Worms bis Wittenberg reichte, so wollte ich dennoch
mich nicht fürchten." Von seinem geliebten Freunde Melanchthon
nahm er mit den Worten Abschied: „Komme ich nicht wieder und
morden sie mich, so beschwöre ich dich, lieber Bruder, laß nicht ab,
zu lehren und bei der Wahrheit des göttlichen Wortes zu beharren;
du kannst es noch bester als ich, und darum ist's auch nicht viel
Schade um mich." — Mit Thränen sahen die Wittenberger ihn scheiden
und sandten ihm die heißesten Segenswünsche nach. — Neben ihm im
Wagen saß der kaiserliche Herold, welcher ihn sicher geleiten sollte.
Wie nöthig das war, ersah man aus den vielen päpstlichen Verhafts-
befehlen, die man an allen Ecken in den Städten angeschlagen erblickte.
Es glich aber die Reise fast dem Zuge eines Kaisers. In Schaaren
strömte ihm das Volk entgegen, um den kühnen und geliebten Mann
noch einmal zu sehen!
„Lieber Bruder Martin," hieß es da oft, „gehe nicht hin! denke
an Huß!" — Welch' ein unerschütterlicher Muth und welch' ein freu-
diges Gottvertrauen ihn aber beseelte, das hat er ausgesprochen in dem
Liede: „Ein' feste Burg ist unser Gott," das er auf dieser Reise
dichtete *). Und als ihn noch kurz vor Worms einer seiner Freunde
zum Umkehren bewegen wollte, da sagte er: „Und wenn so viel Teufel
in Worms wären, wie Ziegel aus den Dächern, so wollte ich dennoch
* kommen." Am 16. April fuhr er zur Stadt hinein nach dem deutschen
Hofe, wo der Kurfürst von Sachsen wohnte. Von allen Seiten strömte
das Volk zu Tausenden herbei, und kaum konnte der Wagen sich langsam
durch die Menge dahin bewegen.
7. Luther vor Kaiser und Reich. Gleich am folgenden
Tage wurde er vor die Versammlung geladen. Wegen der außeror-
dentlichen Volksmenge, die sogar die Dächer besetzt hatte, um ihn zu
sehen, führte man ihn durch Gärten und verborgene Gänge nach dem
Bischofshof, wo der Reichstag gehalten wurde. Als Luther eben ein-
treten sollte, trat ein grauer Kriegsheld, Georg von Frundsberg,
an ihn heran, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Mönchlein,
Mönchlein, du thust jetzt einen Gang, dergleichen ich und mancher.
Oberster auch in unserer ernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben.
Bist du auf rechter Meinung, so sei getrost, Gott wird dich nicht ver-
lasten!" — Jetzt rauschten die Flügelthüren auf. Festen Schrittes trat
Luther in den Saal und stand dem deutschen Reiche gegenüber. Da
saß der Kaiser Karl V. und sein Bruder, der Erzherzog Ferdinand;
da waren 6 Kurfürsten, 24 Herzöge, 8 Markgrafen, 30 Bischöfe und
Prälaten und viele andere. Aller Augen richteten sich auf den kühnen
*) Nach Andern soll er es ans der Beste Koburg gedichtet haben.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]
TM Hauptwörter (200): [T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Melanchthon Martin Georg_von_Frundsberg Karl_V. Karl_V. Ferdinand Ferdinand