Walkenried. Später leitete man von allen Tälern Wege in das Gebirge,
und jetzt führen von allen Seiten Eisenbahnen in den Harz. (Suche
die Harzbahnen nach der Karte auf).
Wie fehr dem Bergmann oben in der eigentlichen Harzlandschast
die Herrschaft gehört hat, beweist die Geschichte der größeren Ansied-
hingen im Harze. Alle Städte des Oberharzes sind entstanden _ und
aufgeblüht durch den Bergbau; es sind ihrer 7, die man die sieben
Bergstädte nennt. Sie heißen: Klansthal, Zellerfeld, St. Andreasberg,
Lantenthal, Altenau, Wildemann und Grund.
Klausthal (8600 Einw.) ist die Hauptstadt des Harzes; sie hat eine Berg-
akademie und ist Sitz des Königlichen Oberbergamtes. Durch den Zellbach von
Klausthal getrennt liegt Zellerfeld (4400 Einw.). St. Andreasberg (4000 Einw.)
hat neben dem Bergbau große Vogelzucht und ist Luftkurort; Grund und Altenau
siud heute vorwiegend Bäder, und Lautenthal und Wildemann beginnen es zu
werden. Auch die beideu bedeutendsten Städte am Fuße des Oberharzes, Osterode
und Goslar, standen in inniger Beziehung zum Bergbau.
In Osterode liegt das alte Harzer Kornhaus; aus diesem Kornmagazine be-
ziehen noch heute die Bergleute deu größten Teil ihres Brotkorns. Osterode
(7300 Einw.) blüht auf durch lebhafte Industrien (Lederfabriken, Wollwaren-
fabriken, Gipsmühleu und Holzfägewerke). Goslar ist der Ausgangspunkt des
Harzer Bergbaues, ja überhaupt der Besiedelung des Harzes; seine Bedeutung
für das Harzgebirge läßt sich kaum völlig erschöpfen. „Unter Kaiser Otto wird
Goslar (Lager am Gießbache) zuerst in einer auf uns gekommenen Schrift er-
wähnt. Die villa Goslar am Fuße des Rammelsberges lag inmitten des großen
Königsgutes, zu dem der gesamte Oberharz und auch das breite Vorland am
Nordfuße des Gebirges gehörte. Die Pfalz Werla, vou wo aus sich schon
Heinrich I. der audriugeuden Ungarn erwehrte, lag an der Nordgrenze des großen
Reichs- und Königsbesitzes bei dem heutigen Orte Burgdorf an der Oker. Als
sich die Wälder in der Ebene lichteten, war dies Königshaus für die Jagden im
Harzer Bannwalde etwas abseits gelegen. Dem Bedürfnis, einen näheren am
Gebirge gelegenen Ausgangspunkt für die Jagden zu haben, mag Goslar seine
Entstehung verdanken. Der erste der Kaiser, der oft und länger in Goslar weilte,
ist Heinrich Ii.; ihm dankt auch der Ort die Erweiterung zur Stadt. Dieser
Sachsenkaiser und die folgenden aus dem Stamme der Franken schufen den kleinen
Ort zu einer herrlichen Residenzstadt um. Heinrich Iii. ließ in seinem geliebten
Goslar durch den klugeu Mönch Beno den stolzen Dom, von dem nur noch die
eigentümliche Vorhalle zu sehen ist, und das berühmte Kaiserhaus, deu ältesten
uns erhalteueu Palast Deutschlands, erbauen. Von dem Kaiserhause siud die
Nebenbauten verschwunden; der noch vorhandene Teil ist derjenige, in welchem die
Reichsversammlungen abgehalten wurden. Vou dem Flügel, der die Wohn-
gemacher euthielt, sind nur noch die Grundmauern zu sehen. Dieses Kaiserhaus
liegt auf der Höhe des Kaiferbleeks. Heinrich der Schwarze konnte von hier aus
die Stadt und seine Bauten überschauen. Es sollen hier elf deutsche Kaiser kürzere
oder längere Zeit gewohnt haben und nicht weniger als 23 stolze Reichstage
abgehalten sein. Der stolze Bau ist in seiner Geschichte ein Abbild des Deutschen
Reiches; er ist wie dieses dem Verfalle und der Verachtung preisgegeben worden,
und uoch im Anfang des vergangenen Jahrhunderts hat er als Getreidespeicher
gedient. Als der Gedanke der Reichseinheit um die Mitte jenes Jahrhunderts im .
deutschen Volke wieder auflebte, da gedachte man auch dieses alten Wahrzeichens
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Bergmann Andreasberg Wildemann Wildemann Otto Heinrich_I. Heinrich_Ii Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Heinrich_der_Schwarze Heinrich
— 10 —
deutscher Kaiserherrlichkeit und begann das Bauwerk auszubessern und wiederherzu-
stellen. Das mächtige Aufersteheu des geeinten Reiches 1870 brachte dann die
Möglichkeit zur würdigen äußeren und inneren Vollendung des Kaiserhauses. Kaiser
Wilhelm I. stellte reiche Mittel zum Ausbau zur Verfügung, der von Sachkennern
ganz so ausgeführt ist, wie die Entstehuugszeit des Baues es verlangte. Nur die
farbenprächtigen Wandgemälde, die das neuerstandene Reich und die Kaisermacht
der alten Herrscher feiern, stören trotz ihrer großen Schönheit doch etwas den Eindruck
Kaiserhaus.
ehrwürdigen Alters in diesem fast neunhundertjährigen Baue. In der Reform
mationszeit sank die Stadt von ihrer Höhe. 1552 mußte sie dem Herzog von
Brannschweig alle ihre Bergwerks- und Waldrechte abtreten und wurde ihm unter-
tänig. Mit der Abtretung ihrer reichen Silbergruben am Rammelsberge wurde
die Quelle alles Reichtums verstopft; erst in unser Jahrhundert fällt das Wieder-
aufblühen der Stadt, die hente 17 890 Einwohner zählt."
(Benermann, Provinz Hannover.)
Ii. Das Berg- und Hügelland.
Gliederung und Aussehen. Ein buntes Gewirr von Hügelig
Bergrücken und kleineren Hochslächeu umgibt uach Sw., W. und Nw.
die ruhige Masse des stolz aufrageudeu Harzes und setzt sich weit nach
W. bis au Hollands Greuze sort. Dieses gesamte Hügel- und Berg-
land der Provinz Hannover läßt sich in drei Teile scheiden. Das-
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Heinrich der Lwe.
17
Heinrichs Streben. Schon frhzeitig wuchs in ihm der heie Wunsch, den Glanz und die Macht seines Hauses zu mehren. Diesem Wunsche hat er sein ganzes Leben geweiht. Auf jede mgliche Art suchte er seine eigenen Besitzungen zu ver-grern, mit Gewalt, List ober auch durch Umtausch. Da er in den Kmpfen in Italien die aufstrebende Macht der Städte kennen gelernt hatte, so suchte er in seinen eigenen Lndern das Brgertum auf jede Weise zu frdern, um sich die reichlich flieenden Geldquellen zu ffnen, die Handel und Verkehr bieten. Lneburg begnstigte er wegen seiner ergiebigen Salzquellen, und als in Oldesloe in Holstein auch Quellen entdeckt wurden, lie er diese gewaltsam zuschtten, um en Handel Lneburgs nicht zu beeintrchtigen. Den Grafen von Holstein zwang er, ihm das aufstrebende Lbeck abzutreten, das er nun auf jede Weise zu frdern suchte. Dadurch erlitt seine Stadt Bardowick allerdings groe (Einbue, was die Bardowieker ihm nicht vergessen konnten. Aber Heinrich hatte eingesehen, da die Stellung Bardowieks sich nicht halten lie, und deshalb opferte er die Stadt, wenn auch schweren Herzens, dem aufblhenden Lbeck.
Heinrichs Sorge fr Bramtschroeig. Hm meisten tat Heinrich fr seine Hauptstadt Braunschweig. Er vergrerte die Stadt und zog namentlich ge-tverbfleiige Niederlnder herbei, welche die Braunschweiger Wollweberei bald zu hoher Blte brachten, so da Braunschweiger Idant" bald weit und breit bekannt wurde. Die neuangelegten Stadtteile lie er stark befestigen, errichtete eine Anzahl schner Kirchen und baute die alte Burg Dankwarderode prchtig aus. Daneben lie er einen prchtigen Neubau erstehen, den Dom, den er zur Grabsttte fr sich und seine $amilie bestimmte.
lvie matt der Heinrich urteilte. So wurde Heinrich immer mchtiger. Ein Geschichtsschreiber seiner Zeit sagt von ihm: Nun wuchs die Macht des Herzogs der diejenige aller seiner Heinde weit hinaus, und er wurde der Krst der Zrsten des Landes. Cr beugte den Nacken der Nebellen und zerbrach ihre Burgen. Die Ruber vertilgte er und machte Frieden im Lande. Die strksten Kesten erstanden durch ihn, und in seiner Hand hufte sich ein bergroer Besitz von (Eigentum zusammen."
Heinrichs Heinde regen sich. Seine groe Macht aber und vor allem seine Rcksichtslosigkeit gegen andere schufen ihm viele $einbe, die sich heimlich gegen ihn verbndeten. Heinrich frchtete sich jedoch nicht; er setzte seine Burgen in guten Zustand und lie vor seinem Schlosse einen ehernen Lwen errichten, der seinen aufgesperrten Hachen nach Osten wandte, von wo der hauptangriff drohte. Nach vielen Kmpfen gelang es ihm auch, den Aufstand vllig niederzuwerfen, so da seine Macht grer war als zuvor.
Die Kolonisation Holsteins. Den grten Segen hat Heinrich der Lwe durch seine Bekmpfung des H) en entums gestiftet. Er sah bald ein, da die ewigen, verwstenben Kriegszge nicht ausreichten, sonbern die Wenben nur immer mehr verbitterten, ba nur eine grnbliche Kolonisation den ha berainben und den Trotz brechen tonnte. Sein Vorgnger und treuester Helfer in biesem Bestreben war der Graf Abolf von Holstein. Der rief aus
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs_Heinde Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
20
Hannover.
zum Schutze seines Landes zurck, von allen Seiten strmten die frheren lvaffen-gefhrten ihm zu. Die Stadt Bardowiek wurde mit Sturm genommen (Sage vom Bardowieker Bullen), weil die Bewohner ihm frher hhnisch die Tore verschlossen hatten, als er in die Verbannung ging. Aus Rache zerstrte Heinrich die Stadt von Grund aus, nur der schne Dom blieb verschont. der der (Eingangstr steht noch heute ein kleiner, aus Stein gehauener Lwe mit der Unterschrift Vestigium leonis" (die Spur des Lwen). Die Stadt hat sich von ihrem Sturze nicht wieder erholt, sie ist heute zu einem Dorfe herabgesunken. Immer weiter drang der Idelfenherzog vor, bis ihm schlielich Barbarossas Sohn, Heinrich Vi., entgegentrat und ihn zum Zrieden zwang. Eine vllige Ausshnung kam zustande.
Heinrichs Ende. Noch der ein Jahr lebte der alte Lwe in seiner Hauptstadt. von den Dingen dieser telt hinweg wandte er den Sinn zu den himmlischen Gtern. In stillerzurckgezogenheit, fern von dem Treiben der groen tdelt, deren Lust und Leid er in so reichem Tltafee erfahren hatte, ist ihm dieses letzte Iahr seines Lebens dahingeschwunden. Eifrig war er bemht, den Dom zu vollenden und mit kostbarem Kirchengut aufs glnzendste auszustatten." Als wenige Tage vor seinem Tode sich ein starkes Gewitter der Braunschweig entlud und der Blitz das Dach des Domes anzndete, blieb in der allgemeinen Verwirrung der Herzog allein auf seinem Krankenlager gefat und ruhig." Wenige Tage spter hauchte er mit den Worten Gott sei mir Snder gndig!" seine Seele aus. Im Dom ist er an der Seite seiner treuen Gemahlin bestattet worden.
Grndung des Herzogtums Braunschweig-Lneburg". Heinrich des Lwen zweiter Sohn ist spter unter dem Namen Otto Iv. deutscher Kaiser gewesen. (Er sowohl wie sein lterer Bruder hinterlieen keine mnnlichen Erben. Der einzige Erbe war der Sohn eines dritten Sohnes, der aber schon verstorben war. Dieser Grosohn des Lwen wird gewhnlich G 11 o das Kind genannt. Ihm wurden im Iahre 1235 die Erblande seines Hauses als besonderes Herzogtum zu Lehen bergeben. Das neue Herzogtum erhielt den Namen Braunschweig-Lneburg".
7. Die Reformation.
bersicht der das Land. Die herzge von Braunschweig-Lneburg hatten ihr Land immer unter ihre. Shne geteilt; dadurch war allmhlich eine ganze Anzahl kleinerer Teile entstanden, fluch die brigen Lnder des frheren Herzogtums Sachsen waren vielfach geteilt und zersplittert, so da die Land-karte sehr bunt geworden war. Zu Beginn des Zeitalters der Reformation zerfiel das heutige Hannover ungefhr in folgende grere Teile:
I. Geistliche Besitzungen:
a) das $rstentumsnabrck (der stliche Teil des Regierungsbezirks Osnabrck),
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Barbarossas Barbarossas Heinrich_Vi Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Otto
34
9. Die sächsischen Fürsten im Kampfe mit der Kaisermacht.
gegangen, und von dem großen Domaninm, das noch die Ottonen besessen, waren nur kümmerliche Reste vorhanden. Nur die altberühmten Königspfalzen und die Bannforsten und Jagdgründe des Harzes gingen in die Hände der salischen Kaiser über; so die Pfalz Werla, die Heinrich Ii. mit ihrem reichen Zubehör nach Goslar verlegt hatte, wo seit Otto I. die Schätze des Rammelsberges zu Tage gefördert wurden. Die Kaiser fränkischen Geschlechts wollten diese Reste des Reichsgutes festhalten und von hier aus die verloren gegangenen Besitzungen und Rechte zurückfordern. Das mußte hauptsächlich die großen Adelsgeschlechter treffen, und da diese nicht gewillt waren, ihre erlangten Vorrechte aufzugeben, so war der Streit unvermeidlich.
2. Heinrich Iii. macht Goslar zum Mittelpunkte des Reichs.
Die Aufgaben der salischen Kaiser in Sachsen erkannte zuerst in voller Klarheit Heinrich Iii. Er machte daher Goslar zum Mittelpunkte seiner Herrschaft. Hier hat er während seiner Regierung fast jahrein, jahraus geweilt und eine Reihe glänzender Reichstage abgehalten, hier ist ihm die Mutter gestorben, und hier ist sein Sohn Heinrich Iv. geboren worden. Neben dem Kaiserpal aste, der noch heute als eine Zierde Goslars vorhanden ist, gründete Heinrich einen prachtvollen Dom, den er mit kaiserlicher Freigebigkeit ausstattete, und seine Gemahlin gründete auf dem Petersberge vor der Stadt ein Kollegiatstift.^) Auch die Anfänge der Befestigung Goslars werden auf Heinrich Hi. zurückgeführt. Diese Anstalten des Kaisers sahen die Sachsen mit Besorgnis und Unmut. Außerdem stand der Kaiser in einem vertrauten Verhältnisse zu dem Erzbischöfe Adalbert von Bremen, der gegen das billungische Herzogshaus eine ähnliche Politik verfolgte wie der Kaiser gegen alle sächsischen Großen. Kaiser und Erzbischof waren also natürliche Bundesgenossen, und der Erzbischof förderte unausgesetzt die Pläne des Kaisers. Heinrich Iii. starb in der Blüte seiner Jahre, ohne die kaiserlichen Aufgaben in Sachsen gelöst zu habeil Sein Leib sollte nach seinem Wunsche in der Ahnengruft zu Speier beigesetzt, sein Herz2) aber im Dome zu Goslar aufbewahrt werden.
3. Adalbert von Bremen und die Billnnger. Zu den glänzendsten und großartigsten Gestalten unter den deutschen Bischöfen gehört Adalbert von Bremen. Er entstammte dem Hause der sächsischen Pfalzgrafen von Goseck, deren Burg an der Mündung
*) Ein Stift, das keinen Abt, sondern drei Geistliche (also ein Kollegium) an seiner Spitze hat.
2) Dies Kaiserherz, in einer goldenen Kapsel verschlossen, wurde 1820, nachdem der Goslarer Dom völlig in Trümmer gesunken, nach Hannover ins Weifenmuseum gebracht, auf Veranlassung Kaiser Wilhelms I. aber aus dieser profanen Umgebung entfernt und in der St. Ulrichskapelle des wiederhergestellten Kaiserhauses zu Goslar beigesetzt.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Ii Heinrich Otto_I. Otto_I. Heinrich_Iii Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Heinrich_Iv Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich_Hi Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Wilhelms_I.
66
So kommt es, daß das Mittelschiff mit seinen beiden nächsten Lang-
schiffen romanische Rundbogen aufweist, die äußersten Nebenschiffe da-
gegen im gotischen Style durchgeführt siud.
Gegenüber dem imposanten Doppelturme der Marktkirche mit
Rundbogenportal und einfach-schöner romanischer Rosette liegt ein
merkwürdiges Haus, das sogen. Brusttuch. Der Sage uach an-
sänglich Eigentum des Johanniter-Ordens ist dieses im letzten Jahr-
hunderte gänzlich zerfallene Gebäude mit dem ungewöhnlich steilen
und schiefen (S-förmigen) Dache im Jahre 1870 fast ganz in seiner
ursprünglichen Gestalt wieder hergestellt. Willst du den derben naiven
Humor unserer Vorfahren kennen lernen, so betrachte dir die wunder-
licheu Holzschnitzereien an den Ständern und Friesen des oberen
Stockes; die Weisen aus dem Morgenlande und reitende Hexen aus
der Walpurgisnacht, tändelnde Affen und musizierende Füchse, ernst
dreinschauende Männer und freche Gesichter, die dir die Zunge entgegen-
strecken und andere oft nicht zu enträtselnde Figureil bilden eiu wildes
Durcheinander. Treten wir ein in dies Haus, worin sich eine
empfehlenswerte Restauration befindet! Hübsche Wandgemälde des
großen Saales erinnern uns an die Glanzperiode der Stadl; sie
zeigen uns Goslar als die weithin berühmte vieltürmige freie Reichs-
stadt, den leider nicht mehr vorhandenen Dom und die bärtigen streng
dreinschauenden Kaiser, die sich Goslar als Lieblingssitz erkoren hatten.
Durch ein mit wunderlichen Fresken verziertes Nebenkabinet gelangen
wir wiederum ins Freie und, die Marktkirche entlang gehend, auf den
Marktplatz.
Das erste, was uns hier in die Augen fällt, ist das mitten auf
dem Platze stehende Marktbecken, ein Springbrunnen, der ein
schönes, krystallhelles Trinkwasser vom Rammelsberge her zu Tage
fördert. Ein vergoldeter uralter Adler krönt die beiden übereinander
liegenden, auf zwei Granitstufen ruhenden Metallgefäße. Die Chronik
meldet nichts über den Ursprung dieses Kleinods; wohl aber berichtet
der Volksmnnd, daß der Teufel eiust iu der Walpurgisnacht bei seinem
Fluge zum Brocken es hierhergesetzt, und derjenige ihm auf ewig au-
gehöre, der dreimal um Mitternacht mit kräftiger Hand dagegen schlage
und dreimal des sprudelnden Quelles trinke.
Westlich vom Brunnen erblicken wir das niedrige massige Rat-
haus gotischen Styles, ans mächtigen achteckigen Pfeilern ruhend,
welche oben sich vereinigend, prächtige Spitzbogen bilden. Durch eine
Freitreppe gelangen wir nach oben auf deu Vorsaal, der mit vier
herrlichen Kronleuchtern geschmückt ist.
„O Goslar, du bist togedan
den Hilgen rohmeken rike
sunder middel unde wan
nich macstu darvan wike,"
so lesen wir an einem derselben, dessen Schmuck aus einer geschnitzlen
Kaisergestalt und einem darüber prangenden mächtigen Hirschgeweihe
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TM Hauptwörter (100): [T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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71
verwundete den Kaiser am rechten Fuße und schmolz die Spitze seines
Schwertes und den Gürtel seines Schildes. Heinrich gründete n. a.
die jetzt s. g. Frankenberger Kirche, die wir auf unserer Wanderung
auch noch in Augenschein nehmen müssen.
Noch einmal gelangte nach den Franken ein Sachse ans den
Thron. Es war Lothar von Sachsen, der 1125 seinen pomphaften
Einzug in die Stadt hielt und bald darauf einen Reichstag ausschrieb.
Zwar legte 1136 eine Feuersbrunst den dritten Teil der Stadt in
Schutt und Asche, doch Lothar sorgte väterlich für das Wiederaufblühen
derselben; er gründete n. a. die St. Stephanskirche und das Rathaus.
Das sächsische und fränkische Kaiserhaus war erloschen, und das
Geschlecht der edlen Hohenstaufen gelangte auf den Throu. War
Goslar auch nicht ihr Lieblingssitz, wie dies bei den Saliern der
Fall gewesen, so wirkten sie doch für Goslars Macht und Ansehn
in bedeutendem Maße. Schon K o n r a d Iii. entfaltete hier, ähnlich
wie Heinrich Iv., bei der Feier der Feste kaiserlichen Prunk und
Pomp. Viel ereignisvoller, auch für die alte Kaiserstadt, war aber die
Regierung Friedrich I., des Rotbarts. Der mächtigste Fürst
Deutschlands nächst dem Kaiser, Heinrich d e r L ö w e, war anfangs
dem Rotbart ein treuer Freuud und Waffengeuosse. Auf dem
Reichstage zu Goslar 1154 gab Friedrich ihm das Herzogtum Baiern
zurück, und auf dem ersten Römerzuge des Kaisers zeichnete sich
Heinrich dermaßen aus, daß Barbarossa 1157 wiederum in Goslar
erschien und hier dem tapfern Welsen die Forsten des Harzes und
mehrere Schlösser und Güter verlieh. Solche Gunst und Guade
erregte den Neid der übrigen Fürsten; auch das mächtige, selbständige
Goslar schloß sich dem Bunde gegen Heinrich an. Das erbitterte den
Löwen. Nachdem er schon vorher sein geliebtes Braunschweig gegen diese
feindliche Stadt befestigt, brach er 1167 zur Belagerung derselben ans;
aber die festen Türme und Mauern trotzten ihm dermaßen, daß er
nnverrichteter Sache wieder abziehen mußte. Bald darauf aber sollte
,der Kaiser selbst sein grimmigster Feind werden. Als Barbarossa
seinen fünften Zug gegen das aufrührerische Italien unternehmen
wollte, und den stolzen Welsen bat, mitzuziehen, erwiderte dieser:
„Gieb mir Goslar und seine Bergwerke*)!" Und als der Kaiser
die ihm wiederholt abgeschlagene Bitte wiederum ablehnen mußte,
da hals fein Flehen, kein Fußfall: Heinrich blieb unerbittlich. —-
Der blutige Tag von Lignano entschied gegen den Kaiser; er sah
sich gezwungen, einen unrühmlichen Frieden zu schließen und mußte
es über sich gewinnen, seinem bittersten Feinde, dem Papste Alexander
die Füße zu küssen.
*) Nach einer ungedruckten Chronik von Goslar. — Ranke bemerkt
mit Recht, daß es Goslar war, welches in den italienischen, und somit in
den allgemeinen Verhältnissen der abendländischen Christenheit entschied. (D.
Gesch. im Zeitalter der Ref. I. pag. 28.)
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Frankenberger Lothar_von_Sachsen Lothar Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Friedrich_I. Friedrich_I. Heinrich_d Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Barbarossa Barbarossa Heinrich Heinrich Barbarossa Barbarossa Heinrich Heinrich Lignano Alexander Alexander
73
an durfte kein Bürger anders, als auf den Reichspalast vor Gericht
geladen werden. Im dreißigjährigen Kriege als Jesuitenkolleg benutzt,
verfiel es in beit beiden letzten Jahrhunderten, als man es zu einem
Holzschuppen und Kornmagazin entweihte, so gänzlich, und man verbaute
es dermaßen, daß niemand mehr die ursprüngliche Bedeutung des-
selben erkannte, bis vor 20—30 Jahren durch hervorragende Kunst-
und Altertumskenner (Geh. R.-Rat B l n m e n b a ch nud Baurat
Mithof) unzweifelhaft festgestellt ist, daß dieser Bau die berühmte
Pfalz der alten deutschen Kaiser sei. Und noch einmal wiederhole
ich es: Es ist ein erfreuliches Zeichen des erwachten Nationalgefühles,
daß dieser älteste Profanbau Deutschlands, das an großen historischen
Erinnerungen reichste Gebände Deutschlands, in seiner ursprünglichen
einfachen Erhabenheit wieder hergestellt ist!
Verlassen wir das Kaiserbeet, wo wir schon zu lange verweilten,
und gehen wir die Kaserne und den Gasthof zum Kaiserhause entlang,
so fällt uns gleich darauf ein mächtiger Turm auf, der dicke
Zwinger. Leider ist auch ihm gleich dem Paulsturm das kegel-
förmige Dach abgenommen und dieses durch einen modernen Aufbau
ersetzt; trotzdem imponiert der trotzige Bau mit seinen 7 m dicken
Mauern gewaltig. Im Jahre 1517 vollendet, war der Turm dazu
bestimmt, 1000 Krieger in sich aufzunehmen; gegenwärtig dient er
nur zur Aufnahme fröhlicher Touristen und lustiger Zecher. Drei
übereinander liegende Säle, frühere Batterien, sind dnrch die erweiterten
Öffnungen der vormaligen Schießscharten erhellt und geräumig genug,
zahlreiche Gesellschaften zu umfassen. Im oberen Stocke sieht man
noch mehrere Geschützkanonen und eiserne Ringe, die zum Heben und
Seukeu der Geschütze dieuteu. „Gott segne den Bildner, der aus dem
ungeschlachten Kannibalen einen liebenswürdigen Menschenfreund fchnf,
in dessen Gesellschaft man gern eine frohe Stunde genießt" *).
Jetzt auf nach dem breiten Thore, dem einzigen noch voll-
ständig in seinem ursprünglichen Gepräge erhaltenen Stadteingange!
Wir passiereu vom Zwinger ab anfänglich den M i t t e l w a l l, eine
mit knorrigen Eichen und Ulmen bepflanzte herrliche Promenade, die
mit der St. Annenhöhe endigt. Hier haben wir noch ein Bild
der alten Befestigung Goslars vor Augeu. Zunächst der Stadt lag
die innere 10 m hohe Stadtmauer, dahinter der innere 20 m breite
Stadtgraben; dann kam der 10 m hohe Hauptwall, darauf der bis
34 m breite Außengraben und endlich die äußerste, die Feldmauer.
Fürwahr ein gewaltiges Bollwerk zum Schutze der Bürger!
Vom Annenwalle uns wiederum in die Stadt wendend, stoßen
wir aus ein mittelalterliches Gebäude, das St. Annenhaus, ein
1494 erbautes Hospital, mit eiuer sehenswerten Kapelle; treffen,
die Glockengießerstraße entlang gehend, den Trollmönch,
den Sitz des Johanniterordens im 16. und 17. Jahrhundert; den
Quedenfeld, Bruchstücke Iv. S. 22.
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132
der sich um Erweiterung und Befestigung der Stadt die größten
Verdienste erwarb und mit Recht ihr zweiter Gründer genannt wird.
In achtmaliger Windung schlingen sich Bilder um die Säule, welche
Wunder und Thaten aus dein Leben Jesn darstellen, während die
Gruppen an den ehernen Domthürflügeln anch Begebenheiten aus
dem alten Testamente vorführen.
Von der kunstfertigen Hand des im Jahre 1192 heilig ge-
sprochenen Bernward bewahren hildesheimsche Kirchenschätze noch
manches Kleinod; er war gleich ausgezeichnet in der Malerei und
Schnitzkunst wie im Erzguß und leistete darin für seine Zeit Be-
deutendes. Seiner Anregung verdankt Hildesheim den regen Kunst-
sinn iu alleu Zweigen der bildenden und zeichnenden Künste, den
wir bis ins sechszehnte Jahrhundert verfolgen können und der die
Stadt mit fo manchem, schön verzierten Baudenkmal schmückte.
Zahlreiche Schüler Bernwards unterhielten diesen Kunstsinn und
verpflanzten ihn auf ihre Nachfolger, so daß er allgemach bildend
auf die ganze Bürgerschaft einwirkte; daher die Vorliebe für verzierte
und mit Bildern geschmückte Häuser, welche sich bis auf die Zeit
des dreißigjährigen Kriegs allseitig kundgab.
Trotzdem, daß mancher alte Bau während der letzten fünfzig
Jahre wegen Bansälligkeit oder auch wegen Ungeschmacks der Besitzer
nichtssagenden Neubauten weichen mußte, ist doch die Zahl der alten
Holzbauten noch immer eine so bedeutende, daß sie der Stadt, be-
sonders dein sehr ausgedehnten nordöstlichen Teile, ein Mittelalter-
liches Gepräge giebt. In neuester Zeit ist der Sinn für die Er-
Haltung und Wiederherstellung derselben in erfreulicher Weise wieder
rege geworden.
Den gedachten bürgerlichen Holzbauten aus dem späteren
Mittelalter begegnen wir namentlich in dem bürgerlich-indnstriellen
Stadtteil. Je weiter uns unsere Wanderung iu den nordöstlichen
Stadtteil hineinführt, desto häufiger werden an den Hänsern die
Inschriften in lateinischer, plattdeutscher und hochdeutscher Sprache;
die meisten geben Bibelsprüche wieder, viele drücken ein festes Gott-
vertrauen aus, manche zielen auf Mißgunst und Neid; es mochte
ebeu iu diesem betriebsamen, gewerblichen Stadtteil zur Blütezeit des
Zunftzwanges sich der Brotueid noch weit unangenehmer und häufiger
fühlbar machen als jetzt.
Unter den alten Giebelhäusern mit ihren stattlichen Sattel-
dächern nimmt ganz besonders als ein vollendetes Muster mittel-
alterlichen Holzbaus das am Altstadtmarkte, dem Rathanse gegenüber
belegene, ehemalige Schlachter-Amthans unsre Aufmerksamkeit
in Anspruch. Einen gleichen Prachtbau, an welchem sich Malerei,
Schnitzkunst und Ziegelwerk so sinnig zum Schmucke vereinigen, möchte
man nicht zum zweiteu Male in Deutschland finden. Das Haus,
das vou stattlicher Höhe und mächtiger Tiefe ist, wurde, laut der
noch vorhandenen Inschrift über dem bogensörnngen Haupteingange,
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sehen, der um das Jahr 1233 gestorben ist, nachdem er 22 Jahre
hindurch in einer Klause uebeu dem großen Turme gelebt.
Wie schon bemerkt, ist der Dom überaus reich an Kunst-
schätzen. In erster Linie ist ein vortrefflich gearbeitetes Kreuz iu
getriebener Arbeit bemerkenswert, das durch Steine und Perlen sehr
reich verziert ist. Ein anderes großes Kreuz, das in der Tauskapelle
häugt, ist aus Holz gearbeitet und soll ans dem 13. Jahrhundert
stammen. Außer diesen beiden Kreuzen befinden sich noch mehrere
sehr wert- und kunstvolle Krncifixe, Reliquienschreine n. a. im Dome,
die Zum teil eiuzig in ihrer Art sind und dem Altertnmssreunde
das regste Juteresse abgewinnen. Der Dom beherbergt ferner Deck-
steine alter Bischossgräber, Grabdenkmäler, Statuetten, wertvolle
Kelche ?c. ?c. — Was das Gebäude selbst betrifft, so machen das
schöne Hauptportal mit der Rose darüber, das erst in neuerer Zeit
aufgeführt worden ist, der achteckige Turm über dem Chor, das im
romanischen Stile aufgebaute Langhaus und das Innere der Kirche
einen sehr schönen Eindruck.
In der Nähe des Domes steht aus der großen Domsfreiheit
das Staudbild Justus Mosers, des berühmten Sohnes Osnabrücks.
Als Staatsmann von großem Geiste, als Schriftsteller und Geschichts-
forscher wird sein Name für alle Zeiten fortleben. Am 14. Dezember
1720 wnrde er zu Osnabrück geboren und schon im Alter von 27
Jahren gelangte er zur Würde eines aävoeatus patriae, d. h. eines
Sachwalters des Staates in allen Streitsragen mit fremden Mächten.
Zwanzig Jahre hindurch war Justus Möser während der Minder-
jährigkeit des damaligeu Regenten, Herzog von Jork, der allwaltende
Staatsmann, der an der Veredlung der Bevölkerung, an der Er-
Weiterung persönlicher Freiheiten mit Ausdauer und Uneigennützigst
wirkte. Er starb am 8. Januar 1794. Justus Möser liegt in der
Marienkirche, von der sogleich die Rede sein wird, begraben, ein
einfacher Stein deckt die Grabstätte, der die von Möser gewählte In-
schrist trägt:
Patri — filia unica — cum marito suo posuit.
An Stelle der Striche sind Titel, bezw. Namen angegeben. Das
bronzene Standbild ist vom Bildhauer Drake in Berlin sehr schön
ausgeführt und im Jahre 1836 aufgestellt wordeu.
Die schönste Kirche Osnabrücks ist die St. Marienkirche,
früher anch Marktkirche oder „Unserer lieben Frauen Kirche" genannt.
Schon der alte Chronist Erdwin Erdmann sagt von ihr, sie sei „ein
ausbündig kunstreiches Gebaw, desgleichen man nicht in den benach-
Karten Städten des westfälischen Kreises, sondern auch uicht zu Ham-
bürg, Lübeck und Rostogk findet"; und in der That zeigt sich der
gotische Stil, in dem die Kirche bis auf einige der älteren im Beginn
des 13. Jahrhunderts niedergerissene Reste erbaut ist, in herrlicher
Entfaltung. Der Turm ist noch im byzantinischen Stil erbant, er
ist deshalb • als der älteste Teil der Kirche anzusehen. Im reinen
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