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Wer ist es denn, der in uns sieht, hört u. s. w., wenn wir sagen: Ich
sehe, ich höre, ich rieche, ich schmecke, ich fühle — wer ist dieses Ich?
— Dieses Ich ist unser Geist ödere unsere Seele. Wir können die
Seele zwar nicht, wie unsern Körper, sehen; denn sie ist unsichtbar.
Aber wir erkennen sie aus dem, was sie in uns thut oder wirkt. Sie
bewirkt, daß wir unseren Körper bewegen können; sie macht, daß
unser Körper lebt; sie belebt ihn — ohne sie ist der Körper todt.
2. Wenn wir die Tafel oder einen andern Körper aufheben, so
müsien wir dabei die Hand gebrauchen und eine Kraft anwenden;
denn zu Allem, was wir thun, ist Kraft nöthig. Die Kraft, welche
wir dazu verwenden, wirkt durch unsern Körper; unser Körper ist
dabei thätig: durch ihn zeigt oder äußert sich die Kraft: und man
nennt sie darum Körperkraft. Wenn wir jetzt darüber nachdenken, was
wir heute gelernt haben, so wenden wir dazu auch eine Kraft an. Aber
bei diesem Nachdenken gebrauchen wir keine Hand, kein Glied des Körpers.
Unser Körper bleibt dabei ganz ruhig, unthätig — wir können mit
verschlossenen Augen nachdenken. Die Kraft, durch welche wir nachdenken
können, ist aber auch keine Körperkraft; sondern sie ist eine Kraft
unserer Seele, und diese Kraft kann etwas thun, ohne daß der Körper
dabei thätig ist. Alle Kräfte in uns, welche etwas zu thun ver-
mögen, ohne daß der Körper dabei thätig ist, nennt man die Geistes-
oder Seelen-Kräfte, die Geistes- oder Seelen-Vermögen.
3. Sobald wir des Morgens Leim Erwachen die Augen öffnen,
fällt das Licht'in unsere Augen — in den Augen spiegeln sich dann
die Dinge ab, welche vor ihnen stehen und in demselben Augenblicke
weiß es unsere Seele, daß cs hell ist — daß die Dinge da
sind. Sobald wir in ein warmes Zimmer treten, fühlen wir die
Wärme der Stubenluft an unserm ganzen Körper und zugleich wird
unsere Seele sich bewußt, daß cs warm ist. Der Schall der Glocke
dringt durch die zitternde Luftbewegung in unsere Ohren, und augen-
blicklich hat unsere Seele das Bewußtsein, daß es läutet. Die
angenehmen Düfte der Blumen sind kaum in unsere Nase gedrungen,
so wird die Seele auch schon gewahr, daß diese Düfte da sind.
Berühren wir mit einem Stücke Zucker unsere Zunge, so empfindet
die Seele sogleich, daß der Zucker süß ist. Durch die fünf Sinne
nimmt unsere Seele nach und nach viele Dinge außer uns wahr:
sie erhält von diesen Dingen, von ihren Eigenschaften und Thätigkeiten
Wahrnehmungen oder Anschauungen. Die Kraft der Seele, vermöge
welcher sie zu Anschauungen gelangt, heißt das Anschauungsvermögen.
4. Ihr Alle habt schon öfter ein Pferd und einen Hund gesehen.
Jetzt seht ihr das Pferd und den Hund nicht — und doch könnt ihr
euch jetzt recht gut denken, wie das Pferd und der Hund beschaffen
sind, worin sie sich ähnlich, und worin sie sich unähnlich sind. Es
hat sich von dem Pferde und dem Hunde ein Bild eurer Seele ein-
gedrückt oder eingeprägt, und dieses Bild sitzt und bleibt oder
haftet in der Seele; ihr tragt es mit euch umher. Bei dem Worte
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sannt ober wahrgenommen. Man kann also auch Dinge wahrnehmen,
ohne daß man sieht oder hört; wie? Faßt alles bisher Besprochene
zusammen: Man kann Dinge erkennen durch das Gesicht, das Gehör und
den Geruch.
Mit welchem Teile unseres Körpers können wir aber riechen?
Die Nase ist das Werkzeug des Geruches, das Geruchs Werkzeug.
Die Fähigkeit, mit der Nase riechen zu können, heißt der Sinn des
Geruchs. Wie viele Sinne haben wir überhaupt kennen gelernt? Wie
heißen sie? — Die Nase ist ein Teil unseres Gesichtes. Sie sitzt unter
der Stirn, über dem Munde und zwischen den Augen. Sie besteht
aus der Nasenwurzel, dem Nasenrücken, der Nasenspitze, den Nasenflügeln,
den Nasenlöchern und der Nasenscheidewand. — Von der Rose, dem
Veilchen und anderen Dingen gehen viele ganz feine, unsichtbare Düfte
aus; diese steigen in unsere Nase, und wir riechen sie, — sie sind riechbar.
Andere Beispiele! Ganz reines Wasser dagegen hat keinen Geruch, — es
ist geruchlos; andere Beispiele! Die Rose riecht angenehm, faules
Fleisch riecht unangenehm. Wer nicht gut riechen kann, der hat einen
schlechten Geruch; wer sehr gut riechen kann, der hat einen feinen
oder scharfen Geruch. Manche Tiere haben einen scharfen Geruch;
Beispiele!
Wollen wir leben, so bedürfen wir der Luft. Wir atmen diese
durch den Mund und die Nase ein. Die Nase dient also auch zum Atmen.
Zusammenfassung: Die Nase dient zum Riechen und Atmen. Wieder-
holungsfragen: Durch welchen Sinn erkennst du den Klang der
Glocken, den Duft des Veilchens, die Farbe des Himmels, das Rauschen
des Wassers? u. s. w.
4. Der Geschmack.
Ein Knabe mußte einmal seine Augen zuhalten und sagen, was ihm
in den Mund gesteckt wurde. Errief: „Das ist Zucker!" Woher wußte
er das? Wie kann man also auch noch Dinge wahrnehmen, ohne daß
man sie sieht, hört oder riecht? Wir schmecken mit der Zunge; sie ist das
Werkzeug des Geschmacks, das Geschmacks Werkzeug. Das Ver-
mögen, mit der Zunge schmecken zu können, heißt der Sinn des Ge-
schmacks. Die Zunge ist fleischig und sehr beweglich. Bringen wir
manche Dinge auf die Zunge, so schmecken sie sehr angenehm, — sie sind
wohlschmeckend; Beispiele! Andere dagegen schmecken unangenehm; Bei-
spiele! Nennt Dinge, die süß, sauer, bitter, salzig schmecken! Das Öl hat
einen öligen, der Thran einen thranigen Geschmack. Das Wasser hat
gar keinen Geschmack, — es ist geschmacklos. Wenn eure Mutter
manche Speise kocht, so thut sie wohlschmeckende Sachen oder Gewürze
hinzu, sie würzt die Speisen. Das Salz, der Zimmet, der Pfeffer sind
Gewürze. Wiederholungsfragen: Wie nimmst du wahr die Stimme
des Vaters, den Berg in der Ferne, das Knallen der Peitsche, den Geruch
der Nelke? u. s. w.
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2. Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
„Was lockst du meine Brut
mit Menschenwitz und Menschenlist
hinauf in Todesglut?
Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist
so wohlig auf dem Grund,
du stiegst herunter, wie du bist,
und würdest erst gesund.
3. Labt sich die liebe Sonne nicht,
der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
das feuchtverklärte Blau?
lockt dich dein eigen Angesicht
nicht her in ewgen Tan?"
4. Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
netzt' ihm den nackten Fuß;
sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
da war's um ihn geschehn:
halb zog sie ihn, halb sank er hin
und ward nicht mehr gesehn.
29. Zeus und das Pferd.
Gotthold Ephraim Lessing.
Werke. Erste illustrierte Ausgabe. Berlin 1880. I. Band. 8. 227.
„Vater der Tiere und Menschen", so sprach das Pferd und
nahte sich dem Throne des Zeus, „man will, ich sei eines der
schönsten Geschöpfe, womit du die Welt gezieret, und meine
Eigenliebe heißt mich es glauben. Aber sollte gleichwohl nicht
noch verschiedenes an mir zu bessern sein?"
„Und was meinst du denn, das an dir zu bessern sei? Rede,
ich nehme Lehre an", sprach der gute Gott und lächelte.
„Vielleicht", sprach das Pferd weiter, „würde ich flüchtiger
sein, wenn meine Beine höher und schmächtiger wären; ein
langer Schwanenhals würde mich nicht verstellen; eine breitere
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des träumenden Vogels fällt in die horchend ausgespannte Öffnung;
nichts entgeht ihm. Und nun die Nase! Wieviel Bosheit und Anmut,
wieviel Geist liegt in dieser feinen, langgestreckten und geschmeidigen
Spitze! Scheint es nicht, als gingen tausend unsichtbare Fühlfäden von
dort aus! Aber das interessanteste Gesicht ist nichts ohne die Augen.
Schön darf man freilich das Fuchsauge nicht nennen. Man erkennt
daran sogleich das nächtliche Raubtier; es spielt aus Grau in Grün,
liegt schief, halb in der Höhle versteckt, am Tage zur senkrechten
Spalte verengert, und hat weder die „Waldfrische“, die uns aus dem
Auge des Rehs so munter anspricht, noch auch das rollende Funkeln,
das dem Katzenblick eigen ist; aber dennoch liegt unendlich mehr
Bedeutung darin. Jetzt senkt es sich in demütiger Ergebung, oder es
blickt unschuldig und harmlos umher; jetzt spielt ein spöttisches
Lächeln um seine Lider, und jetzt wieder zuckt ein Blick daraus her-
vor, spitz und giftig, als treffe uns plötzlich der Stich einer Viper.
Alle übrigen Teile des Gesichts wie des ganzen Körpers stimmen
zu diesem Bilde. Der Mund spaltet sich weit, denn der Fuchs ist ein
Räuber; ein sparsamer Bart stellt sich in langen, zurückstrebenden
Spitzen wie ebenso viele Widerhaken um die Oberlippe; diese Lippen
sind feingeschnitten und geschlossen, deuten auf Entschlossenheit und
Selbstbeherrschung. Öffnen sie sich aber, dann blicken scharf und
grimm die Zacken des Gebisses, oder es knistert halb höhnend und
halb zornknirschend ein heiseres, hustenartiges Bellen hervor. Den
schlanken, hangenden Leib tragen schnelle Füße fast spurlos über den
Boden, und stattlich schmückt ihn die buschige Schleppe. Ein fein-
weißes Chemisett hat er auf der Brust, sein Pelz ist rot und goldig;
daher ist er vuhs geheißen, d. i. der Feuerfarbene.
So schleicht und streicht der Schlaue dahin, er schmiegt und biegt
sich, ist vorsichtig, geduldig, ausdauernd, behend, allezeit entschlossen,
ein Meister über hundert Künste. Den Abend scheint der Fuchs in
süßem Nichtstun verträumen zu wollen. Inzwischen kommen ein paar
junge Füchslein neben ihm zum Vorschein. Klug forschend äugeln sie
umher, legen sich in die Sonne und beginnen allerhand Kurzweil. Das
jüngste Söhnchen ist noch etwas täppisch. Es fängt Grashüpfer und
Käfer, zerzaust ihnen die Flügel, läßt sie zappeln, schnäufelt daran
umher, wirft sie weg, schlägt dann und wann einen linkischen Purzel-
baum. Der Alte sieht eben nicht auf ihn. Dessen Blicke sind auf
die beiden andern hoffnungsvollen Buben gerichtet, in denen das
väterliche Talent sich mit sichtbarem Wohlgefallen wiedererkennt. Sie
haben das leise horchende Mäuslein erspäht und im Wettsprung das
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ist kein Trugbild seiner Phantasie, es ist derselbe Duft, dasselbe
Fleisch und Bein. Reineke steht still, Überraschung und Argwohn in
den Zügen. Wer war, wer ist der unbekannte Spender? Kehren die
Tage der Märchen zurück? Er umschleicht auf scheuen Sohlen die
Stelle, steht wieder still, legt sich, horcht, wirft die Augen spähend
umher, springt wieder auf, um wieder niederzukauern. Nirgends ein
Laut, nur die alten Föhren knarren; nirgends eine Spur als die flüch-
tigen Zeichen, die des Windes Finger in den Schnee geschrieben. Er
betrachtet den Bissen noch einmal: „Wär es eine Falle? — Die
Menschenkinder sind voll Args. Schon mancher Edle fiel durch ihre
List. Aber nein, hinweg mit solchen Gespenstern!“ — und im Nu
ist auch der zweite Brocken hinab!
0 Reineke! Reineke! Du bist verloren, denn — dort liegt noch
ein dritter Bissen. In vollen Zügen schlürft der Hungergepeinigte den
berauschenden Duft, starrt verglasten Blickes auf die Lockung. Doch
der innere Warner erhebt seine Stimme noch einmal. • Und wieder um-
kreist der Fuchs das leckere Mahl, wieder duckt er sich, legt das Gehör
vorwärts, rückwärts, spitzt es, „sichert“ allenthalben. Und wieder ist
alles stumm, nur die Föhren knarren noch immer verdrossen. Es ist,
als stocke der Atem der Natur. Der Fuchs fängt an zu klügeln; aber
je länger er hinschaut auf das verhängnisvolle Gericht, desto wirrer
werden seine Gedanken, desto wirrer sein Blick. Es flimmert ihm vor
den Augen, der Duft betäubt ihn, er kann nicht los, er muß, und
gält es sein Leben, er muß hinzu. In einem wilden Satze springt
er darauf los — da krach! schlägt das Eisen die zerschmetternden
Zähne zusammen.
So war der Schlaue doch nicht schlau genug! Er heult vor Wut;
aber es ist nicht Zeit zu ohnmächtiger Klage, denn Gefahr droht im
Verzüge. Es gilt eine kühne Tat; er beißt sich selbst den Fuß ab.
Einmal gefangen, denkt er, und nimmer wieder! Er jagt davon,
leicht und frei, als hätte er eben nur den Stiefel ausgezogen.
131. Am Dachsbau.
Franz Herber.
Handschriftlich von dem Verfasser.
Eine Dachsburg bietet äußerlich nichts Besonderes. Mehrere Öff-
nungen im Boden des Waldes, die in einem Umkreis von 10—20 in
verstreut liegen, zeigen dem Kundigen an, daß sich hier ein Dachs- oder
Fuchsbau befindet. Von jeder Öffnung führen Röhren, die der Dachs
gräbt, zum Kessel des Baues. Aber nur einige von ihnen werden
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Extrahierte Personennamen: Reineke Franz_Herber Franz