23
strafe belegt. Artikel 27. Auch im Beurlaubteustande muß der
Soldat den ihm obliegenden besonderen Pflichten pünktlich nachkommen
und macht sich bei Zuwiderhandlungen strafbar.
Ii.
Von den Waffengattungen dev Avnree.
j. vergleich der drei Lauptwaffen.
i.
Die Infanterie war und ist die wichtigste der drei Hauptwaffen —
sie wird es voraussichtlich stets bleiben. Die Gründe, daß dem so ist,
sind äußerst mannigfach und doch höchst einfacher Natur. Einmal ist die
Infanterie die einzige Waffengattung, welche unter allen Umständen ver-
wendbar bleibt, kein noch so schwieriges Gelände hindert sie bei zweck-
mäßiger Gliederung, sie führt einen Kampf ebensowohl bei dunkler Nacht,
wie im hellen Sonnenschein des Tages durch; sie ist gleich nützlich im
Angriff wie in der Verteidigung. Dann aber wird sie stets die Masse
der Heere bilden müssen, weil sie verhältnismäßig am leichtesten aus-
zuheben und zu ergänzen, auszubilden und auszurüsten, weil sie am
billigsten zu erhalten ist. Es war ein unnatürlicher Zustand, als im
Mittelalter vorübergehend die Reiterei künstlich zur Hauptmasse der Heere
herausgeschraubt worden war, und der Rückschlag blieb nicht aus: die fest-
gefügten Fähnlein der Landsknechte kamen schnell genug zu ihrem Rechte,
und vor ihren Spießen zerstoben die Reitermassen wie Spreu im Winde.
Gerade das heutige Gefecht weist der Infanterie aber in besonders
hohem Grade die entscheidende Rolle zu. Unsere Schlachten spielen sich
selten auf einem Kampffeld ab, das mit Vorbedacht für alle Waffen-
gattungen ausgesucht werden konnte, die Vortruppen platzen aufeinander,
die Massen stehen sich gegenüber, es gilt das Gelände auszunutzen, wie
es sich eben bietet. Hat die Artillerie dann ein weites, übersichtliches
Schußfeld, so ist das eine hochwillkommene Beigabe — findet der Reiter-
führer ein geeignetes, undurchschnittenes Attackenfeld, desto besser. Meist
wird das eine wie das andere jedoch nur teilweise vorhanden sein, der
Hauptkampf wird sich in einem wechselvollen, durch Straßen, Wälder
und Örtlichkeiten zerschnittenen, hindernisreichen Gelände abspielen müssen,
und hier kann schließlich nur die Infanterie die Entscheidung herbei-
führen. Andererseits wirken Ursache und Folge wechselseitig: Die
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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geringer, in den entscheidendsten Augenblicken kann derselbe fast nur noch
durch sein persönliches Beispiel wirken. Aus einer derartigen Um-
gestaltung der taktischen Formen aber erwuchsen naturgemäß gesteigerte
Ansprüche an die Ausbildung des einzelnen Mannes einmal, andererseits
erhöhte Anforderungen an seine eigene moralische Kraft. Verkennen wir
nun nicht, daß diese moralische Kraft im Brennpunkt des Kampfes
harten Proben ausgesetzt wird! Es wäre ein schwerer Irrtum, auf die
persönliche Tapferkeit der Massen, auf eine angeborene Kampfeslust
unserer Braven allein zu vertrauen. So mancher, der sich selbst stark
fühlt, wird nur allzuschnell schwach, wenn der nervenzerrüttende Lärm
des Schlachtengetümmels auf ihn wirkt, die ersten Kugeln in die Reihen
schlagen, die Verluste sich mehren — das Pflichtgefühl und die Disziplin
müssen dann die starken Stützen sein, die auch den Schwachen aufrecht
erhalten! Unsere junge waffenfähige Mannschaft aber bedarf, soll solches
ehernes Pflichtgefühl, solch feste Disziplin ihr in Fleisch und Blut
übergehen, der Gewöhnung im Frieden, bedarf einer steten andauernden
Erziehung — für diese, wie für die rein taktische Ausbildung muß
deshalb eine nicht zu knapp bemessene Dienstzeit bei der Fahne als ein
unbedingtes Erfordernis angesehen werden.
Ii.
Die Kavallerie ist die kostspieligste aller Waffen, sie ist am schwersten
auszurüsten, am schwersten zu unterhalten. Reiterformationen sind im Kriege,
wenn Neuaufstellungen notwendig werden, am schwersten zu schaffen, da
die Ausbildung von Mann und Pferd bedeutende Zeit erfordert. Es
ist charakteristisch für die Eigenart der Waffe, daß ihre Verbände bei
allen Armeen schon im Frieden fast vollzählig erhalten werden müssen.
In weit, weit höherem Grade als die Infanterie, ist die Reiterei
vom Gelände abhängig — ein durchschnittenes Terrain beschränkt ihre
Tätigkeit ungemein, steile Höhen und Wälder schließen sie fast ganz aus.
Das Wesen ihres Kampfes ist ein ganz anderes als wir es beim Fuß-
volk sahen: sie kennt nicht das lange hin- und herwogende Gefecht, kennt
nicht die Verteidigung, kennt nicht den Fernkampf mit dem Feuergewehr
— sie sucht die Entscheidung ausschließlich im Angriff, in der Attacke,
bei welcher die Wucht ihrer Masse und vor allem die Schnelligkeit ihrer
Bewegung so recht zur Geltung kommt.
Indessen sind die Zeiten, in denen Reitermassen die Schlachten ent-
schieden, im allgemeinen wohl vorüber, die Verluste, welche die heutigen
schnellfeuernden Waffen der Infanterie und Artillerie einem heranjagenden
Reitergeschwader bereiten, sind so gewaltige, daß die Wucht des Stoßes
zerschellt, die Schwadronen sich auflösen, ehe sie noch zum Einhauen
kommen. Nur ausnahmsweise werden sich noch Situationen finden, in
denen man Kavalleriemassen zum Angriffe gegen Infanterie ansetzt, sei
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30
Schlacht. Nur langsam und allmählich hat sie sich diese Stellung er-
rungen; Napoleon war auch in dieser Richtung bahnbrechend, er ver-
einigte zuerst große Artilleriemassen zur Vorbereitung seiner Angriffe.
Mit der steten Vervollkommnung des Materials, durch welche nicht nur
die Wirkung der Geschütze, sondern vor allem auch ihre Beweglichkeit
erhöht wurde, stieg seit den napoleonischen Kriegen die Bedeutung der
Artillerie stetig, bis sie im Feldzug 1870/71 ihren Höhepunkt erreichte.
Charakteristisch ist übrigens, wie sich gleichzeitig auch die zahlenmäßige
Stärke der Artillerie im Verhältnis zur Infanterie steigerte, sie hat sich
nämlich nahezu verdreifacht.
Wir unterscheiden heute zwischen Feld- und Fußartillerie. Während
letztere bei der Verteidigung und dem Angriff von Befestigungen ver-
wendet werden soll und für uns infolge der Sorgfalt, mit der unsere
Nachbarn ihre Grenze umgürten, eine besonders erhöhte Bedeutung ge-
wonnen hat, erfüllt die Feldartillerie ihre Ausgabe im Gefecht, vor allem
in der Vorbereitung und Unterstützung des Angriffs der Infanterie oder
Schulter an Schulter mit dieser bei der Verteidigung. Die zerstörende
Kraft ihrer Geschosse, verbunden mit der Wirkung in die Ferne und
nicht zuletzt auch der moralische, nervenerschütternde Eindruck des
Geschützfeners begründet die Bedeutung der Artillerie. Unsere heutigen
Feldgeschütze können bereits auf 7500 m Entfernung ihr wirksames
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32
r. Die Lusaren rücken heran.
¿tpjlord], die Trompeten blasen,
die Husaren rücken heran!
Sie ziehen durch unsre Straßen,
ach, wär' ich ein Neitersmann!
P. Hoffmann.
3. Schätzung der Pioniertruppe.
„Ich bin gekommen, um die Pionierwaffe zu ehren. Denn wenn
auch ein Pionier-Bataillon nicht mit wehenden Fahnen und dem Schlage
der Trommeln in das Herz des Feindes eindringt, sondern mehr durch
unsichtbare Arbeit in die Brustwehr des Feindes für das Eindringen
der Jnfanteriemasse Bresche legt, so steht es Meinem Herzen doch ebenso
nahe wie die anderen Waffen.
Schon der Name der Waffe gibt dafür Gewähr, daß diese Waffe
eine Waffe des Fortschritts sein muß; denn man spricht von Pionieren
der Kultur, von Pionieren der Wissenschaft und von Pionieren der
Arbeit, immer aber in dem Sinne, daß das Wort Pionier den Fort-
schritt bezeichnet.
Die neuen Waffen verlangen eine neue Festungsbautechnik. Es
ist deshalb Aufgabe, den Blick unbefangen, frei und fest auf das Ziel
zu richten. Ich zweifle nicht, daß wenn jemals wieder an das Bataillon
Anforderungen herantreten, wie bei Schweidnitz, Düppel, Alfen, daß
dann das Bataillon wieder neue Lorbeeren in den Ruhmeskranz der
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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durch Zuweisung von Vieh und Land erleichtert. Die Bekleidung be-
steht aus einem Drillanzuge für die Sommermonate und aus einem
Sammetanzuge mit Mantel für den Winter. Die Truppe — r. 600 Köpfe
stark — hat in dem Feldzuge gegen Hendrik Wittboy ihre Tüchtigkeit
gezeigt und ist jetzt auf eine große Anzahl von Stationen verteilt.
K. v. Zepelin, Die Heere und Flotten der Gegenwart.
Iii.
Feste Städte und j-lätze.
j. Unsere Festungen.
1. Von den dreiundzwanzig Festungen, welche im Laufe des letzten
französischen Krieges in die Gewalt der Deutschen fielen, haben im
Grunde nur zwei, Paris und Belfort, den französischen Waffen wesent-
lichen Vorschub geleistet. Die Mehrzahl der übrigen hat nach verhältnis-
mäßig schwachem Widerstande eine große Menge Gefangene, Waffen und
Vorräte in die Hände des Siegers geliefert, und sie haben damit einen
geradezu nachteiligen Einfluß auf die Kriegführung ausgeübt.
Drei Ursachen lagen vor allem dieser auffallenden Erscheinung zu-
grunde, die um so überraschender wirken mußte, als andere größere Be-
lagerungen unter ähnlichen Bedingungen nicht vorhergegangen waren:
die modernen Präzisionswaffen, die gesteigerten Verkehrsmittel und die
allgemeine Wehrpflicht. Die letztere führt früher nie geahnte Massen
von Soldaten in das Feld und gestattet im Gegensatz zu älteren
Kriegen, ohne erhebliche Schwächung der Operationsarmee, auch noch
die nötigen Truppen zu gleichzeitiger Belagerung einer größeren Zahl
von festen Plätzen aufzustellen.
2. Der Durchschlagskraft der gezogenen Hinterlader gegenüber
haben die fast durchweg erst in unserem Jahrhundert mit großen Kosten
aufgeführten Festungsbauten mit ehedem für undurchdringlich erachteten
Mauerstürken ihren Wert verloren. Die enormen Steinkolosse, welche unter
den verschiedenen technischen Bezeichnungen als Turmreduits, Blockhäuser,
Defensionskasernen, Traditors oder Grabenkaponieren oft drei und vier
Etagen von Schießscharten übereinander zeigten, erweisen sich heutzutage
nicht nur als unnütz, sondern wirken sogar schädlich. Denn die in ihre
Mauern einschlagenden feindlichen Geschosse schleudern die Steintrümmer
weit umher und machen damit den Aufenthalt im Gebäude selbst und
in dem umliegenden Terrain geradezu unmöglich.
Die modernen Verkehrsmittel, Eisenbahnen und Telegraphen, ge-
statten die Heranführung eines zahlreichen Belagerungsparkes und einen
gegen früher unbegrenzt zu nennenden Munitionsanfwand. Das Tag
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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und Nacht ohne Zwischenpausen andauernde mörderische Feuer der
heutigen Artillerie muß einen entmutigenden Einfluß auch auf die beste
Garnison ausüben, wenn das Innere der Festung nicht außerhalb der
wirksamen Artillerieschußweite liegt und dadurch der Besatzung die
Möglichkeit gegeben wird, nach dem anstrengenden Dienste zeitweise der
Ruhe zu pflegen, ohne in unmittelbarer Lebensgefahr zu schweben. In
der Tat hat bei der überwiegenden Mehrzahl der französischen Festungen
die Einschüchterung durch das Bombardement mit seinen ununterbrochenen
Schrecken, der fortwährenden Gefährdung des Lebens, dem Angreifer
die Tore geöffnet, der noch lange nicht imstande gewesen wäre, sich den
Eingang zu erzwingen. Und wenn man auch zugeben kann, daß die
Besatzung in jenen Plätzen nicht aus den besten und zuverlässigsten
Truppen bestand, so bleibt die Erfahrung in ihrer Gesamtheit doch be-
stehen. Die bisherigen Festungen haben ihren Wert verloren und
mußten den erhöhten Kriegsmitteln der Neuzeit angepaßt werden.
3. Wo man nicht vorzieht, die gewaltigen Steinbauten einzureihen,
werden sie mit einem Erdmantel umgeben und sind dann wenigstens
als gesicherte Unterknnfts- und Magazinräume zu verwenden. Ihre
aktive Widerstandskraft ist dahin. Bei Neuanlage solcher gegen die
Geschoßwirkung geschützten Räume wählt man die sogenannten Hangards,
Wohnkasematten unter dem Walle, die nur nach innen geöffnet sind.
Um aber die eigentliche Festung dem Schußbereiche des Gegners zu
entziehen, umgibt man sie mit einem Kranze von detachierten Forts,
kleineren Einzelfestungen, denen die hauptsächliche Verteidigung zufällt.
Die wirksame Schußweite der heutigen Geschütze reicht auf 6000—9000 m,
und in den meisten Fällen luirb sich der Angreifer mit seinen Kanonen
den nächsten Festungswerken auf 1500 — 2000 rn nähern können. Die
Forts müssen deshalb ans etwa 9000 na vorgeschoben werden und
dürfen, um sich gegenseitig wirksam unterstiitzen zu können und um den:
Angreifer zu verbieten, zwischen zwei derselben gegen die im Zentrum
gelegene Stadtfestung vorzugehen, in den meisten Füllen nicht über
ca. 500—4000 m voneinander entfernt liegen. Wollte man aber alle
vorhandenen Festungen in der angedeuteten Weise umbauen, so würde
selbst die bis in die ältesten Jahrgänge angespannte allgemeine Wehr-
pflicht nicht hinreichen, ihnen die erforderliche Besatzung zu gewähren,
ganz abgesehen von den dazu notwendigen, beinahe unerschwinglichen
Mitteln. Man hat sich deshalb in Deutschland dazu entschlossen, die
Zahl der Festungen zu beschränken und die beibehaltenen zeitgemäß
auszubauen. Selbst dazu bleiben noch bedeutende Summen erforderlich.
Der Reichstag bewilligte 1873 zum Umbau und zur Ausrüstung von
Festungen 216 Millionen Mark und zwei Jahre später für die Ver-
stärkung der in den Reichslanden gelegenen Plätze 128942850 Mark.
Dazu traten die Einnahmen für den Grundwert geschleifter Festungs-
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46
werke, wie Zuschüsse von Eisenbahnverwaltungen und städtischen Kom-
munen, so daß die Heeresverwaltung über mindestens 400 Millionen
Mark verfügen konnte. Über die Auswahl der beizubehaltenden Festungen,
oder betreffendenfalls über den Platz von Neuanlagen mußten in erster
Linie strategische Rücksichten entscheiden. Im wesentlichen wirv man
feste Plätze ans den mutmaßlichen Anmarschlinien des Gegners erbauen.
Die wichtigsten Verkehrsadern auch für den Krieg bilden die Eisen-
bahnen. An den hauptsächlichsten Bahnlinien sind deshalb auch die
großen Festungen zu suchen.
Die befestigten Waffenplätze, welche aus der Kernfestung und den
detachierten Forts bestehen, bilden feste Lager, zu deren bloßer Beob-
achtung der Feind ihrer bedeutenden Besatzung wegen erhebliche Kräfte
abzweigen muß, wenn er nicht gezwungen ist, sie zu nehmen, um den
Eisenbahnknotenpunkt in seine Gewalt zu bekommen. Außerdem geben
sie willkommene Stutzpunkte ab für die Organisation und Disziplinierung
der weniger ausgebildeten Reserveformationen des eigenen Heeres. Neben
diesen hauptsächlichsten Plätzen unterscheidet man noch geschlossene oder
Sperrfestungen, die mit keinem Fortsgürtel umgeben sind, und einzelne
selbständige Forts, die namentlich in Frankreich einen wesentlichen Be-
standteil der Grenzbefestigung bilden, im Deutschen Reiche aber nur eine
untergeordnete Rolle spielen, weil sie kaum eine fremde Armee auf-
zuhalten vermögen. Denn die natürlich nur sehr geringe Besatzung
dieser Sperrforts wird durch kleine davor zurückgelassene Truppenkörper
in Schach gehalten, und die Armee marschiert, gedeckt durch das Feuer
einiger schnell aufgefahrener Batterien, welche die Artillerie des Sperr-
forts beschäftigen, daran vorbei. Das haben wir aufs deutlichste 1870
bei der kleinen Bergfestnng Bitsch erlebt.
4. Die Stadtumwallung der Kernsestnng ist im wesentlichen seit
der Zeit, in der sie noch den alleinigen Schutz der Festung ausmachte,
unverändert geblieben. Die Erweiterung zahlreicher größerer Festungen
geschieht vornehmlich im Interesse der Stadt, nicht aus militärischen
Beweggründen. Wenn frühere Kriegsbaumeister einen großen Wert ans
eine sinnreiche Zusammenstellung von Linien und Winkeln legten, so
kommt unsere Zeit davon mehr und mehr zurück. Der Grundriß der
Festung ist für ihre Verteidigung ziemlich gleichgültig, solange er beit
Truppen einen freien Verkehr im Innern gestattet. Alan sucht sich so
viel als möglich der geraden Linie zu nähern, welche die stärkste Feuer-
wirkung in gerader Front ermöglicht.
Die Forts umgeben den Kern in einem ziemlich regelmäßigen
Kreise, sofern nicht Geländeschwierigkeiten eine Abweichung erforderlich
machen, wenn beispielsweise ein beherrschender Punkt mit einem Fort
oder einem Panzerdrehturm, wie sie namentlich in Metz, Straßburg,
Wilhelmshaven und Kiel, neuerdings auch in Posen und Königsberg
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Extrahierte Personennamen: Bitsch Alan
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Straßburg Wilhelmshaven Kiel Posen
49
lands in den 70 er Jahren dnrch Anlage zweier detachierter Forts auf
dem linken Donanufer bezw. dem linken Ufer der Iller verstärkt
worden. Mainz und das durch die Natur ungemein begünstigte Koblenz
mit seiner überragenden, auf dem rechten Rheinufer gelegenen Feste
Ehrenbreitstein decken den Norden unseres Vaterlands. Beide Festungen
sind durch Ausbau vorhandener Position und Anlage neuer Verschan-
zungen erheblich erweitert und verteidigungsfähiger geworden.
8. Die eigentliche Grenze gegen Frankreich kann somit als sehr stark
und auf dem Hauptwege sogar als undurchdringlich gelten. Weniger ist
das bei der indirekten Grenze gegen Holland und Belgien der Fall.
Der Weg von Lille und Valenciennes ist gänzlich frei, da Belgien seine
Verteidigungskraft in und um Antwerpen konzentriert hat. Hier galt es
zunächst, den großen Zentralpunkt Köln, der durch die alte Stadt-
umwallung in empfindlichster Weise eingeengt und beschränkt ward, im
Sinne einer neueren Lagerfestung auszubauen. Das ist mit dem Auf-
wande erheblicher Mittel geschehen. Die Stadt ist bis in den Umkreis
des früheren Fortsgürtels erweitert, und zwölf Forts wie vierzehn
Zwischenbatterien verschiedener Größe sind so weit hinausgeschoben
worden, daß die Metropole des Rheinlands vor einem Bombardement
völlig sicher gestellt ist.
Zum Schutze feiner Grenze gegen Österreich, welche vom Bodensee
bis nach Schlesien völlig offen ist, hat das Deutsche Reich nichts
getan, als für den Umbau der Forts von Neiße, welche dem heutigen
Standpunkte der Befestigungskunst nicht mehr entsprechen, eine verhält-
nismäßig geringe Summe anzuweisen. Ja man hat sogar die Dresdener
Schanzen, ein wichtiges Defilee, das den Weg von Böhmen nach Berlin
versperrte, wieder eingehen lassen. Ebenso hat Österreich-Ungarn seine
Nordgrenze im alten Zustande belassen. Mag diese Tatsache auf still-
schweigender Übereinkunft beruhen, oder einer ausdrücklichen Abmachung
entspringen, so läßt sie nur erfreuliche Schlüsse auf das zwischen beiden
Staaten herrschende ungetrübte Einvernehmen und gegenseitige Ver-
trauen zu.
Für den Kriegshafen Wilhelmshaven, für die Befestigungen an
der unteren Elbe und Weser, für Friedrichsort, für Swinemünde und
die Küstenbefestigung überhaupt sind erhebliche Mittel aufgewendet
worden.
Ähnliche Anstrengungen wie für den Schutz der langgestreckten
deutschen Küste sind an der Ostgrenze des Reichs gemacht worden.
Königsberg und Posen haben jedes elf neue Forts verschiedener Größe
erhalten, Thorn deren sieben, während Danzig, das erst in zweiter
Linie bedroht erscheint, und Glogau, welches gleichzeitig gegen Süden
gerichtet ist, nur unbedeutend erweitert werden. Dagegen hat Küstrin
zum Ersatz für das eingegangene Stettin als Brückenkopf an der Oder
Wohlrabe, Deutschland von heute. Ii. 4
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Mainz Ehrenbreitstein Frankreich Holland Belgien Lille Valenciennes Belgien Antwerpen Rheinlands Berlin Königsberg Thorn Danzig Glogau Stettin Deutschland
50
eine erhöhte Wichtigkeit erlangt. Der bisher ziemlich unbedeutende
Platz erhält sechs neue Forts und wird beziehungsweise auch im übrigen
vollständig neu ausgebaut. Besonders stark ist in letzter Zeit die Mün-
dung der Weichsel sowie die Danziger Bucht überhaupt befestigt. Neben
der Festung Weichselmünde ziehen sich an der Küste sehr stark befestigte
Strandbatterien hin, die bis zur Halbinsel Hela die Bucht mit ihren
Geschützen beherrschen. In den letzten Jahren ist auch der Brückenkopf
der Weichsel, Marienburg mehr und mehr, selbst durch Forts, sowie
Kulm verstärkt.
Von den übrigen Festungen des Reiches ist das erst seit 1869 und
1870 völlig umgebaute Magdeburg, sind ferner Rastatt, Saarlouis, Ger-
mersheim, Wesel, die Feste Boyen, Glatz, Diedenhofen, Bitsch und Neu-
Breisach im wesentlichen unverändert geblieben, ja es ist wohl noch
eine offene Frage, ob eine oder die andere derselben gleichwie Minden,
Landau, Wittenberg, Erfurt, Stettin, Kolberg, Stralsund und andere
nicht noch eingezogen und ihres Festungscharakters entkleidet werden.
Für die Vergrößerung von Spandau dagegen, der militärischen Werk-
statt Preußens und gewissermaßen der Zitadelle Berlins, sind seinerzeit
mehr als dreizehn Millionen Mark ausgesetzt, um die Oranienburger
Vorstadt mit in die Stadtumwallung hineinzuziehen, und um vier große
Forts zum Schutze der zahlreichen Militäretablissements zu erbauen.
Zn diesem letzteren Zwecke wären noch weitere Befestigungen nach
Berlin zu erforderlich. Man hat von deren Anlage aber abgesehen,
der großen Lasten und der Schädigung Berliner Interessen wegen.
Im Süden bildet Ingolstadt das Spandau Münchens. Die schon
1250 erbaute Festung hat zahlreiche Schicksale erlebt, wurde 1800 geschleift
und erst dreißig Jahre später durch den König Ludwig I. von Bayern nach
dem System Montalembert wieder aufgebaut. Nach 1870 ist auch Ingol-
stadt mit zwölf Millionen Mark zu einem modernen Waffenplatz erweitert.
9. Seiner geographischen Lage wegen muß das Deutsche Reich
gerüstet sein, nach allen Seiten Front zu machen. Mit dem erforder-
lichen Nachdruck sind deshalb auch die Befestigungsarbeiten gefördert
worden, aber in weiser Beschränkung ist man nicht über das Maß des
Notwendigen hinausgegangen. Den 36 deutschen Festungen gegenüber
besaß Frankreich trotz seiner unendlich vorteilhafteren Grenze gegen nur
eine wirkliche Großmacht deren im Jahre 1871 bereits 137 und hat
ihre Zahl seitdem noch vermehrt. Dabei ist der Fortsgürtel von Paris,
der in den alten Befestigungen schon über fünfundfünfzig Kilometer
maß, über das Doppelte hinausgerückt, und die Hauptstadt damit zu
einer solchen Riesenfestung erweitert, daß sie wohl nur von der chinesi-
schen Mauer an Ausdehnung übertroffen wird.
10. Trotz ihrer hohen Wichtigkeit für die Kriegführung besitzen
sämtliche Festungen eine große Schattenseite. Die zu ihrer Besatzung
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
51
notwendigen Truppen werden der Verwendung im freien Felde ent-
zogen, und das in um so höherem Maße, je ausgedehnter die Werke des
einzelnen Platzes sind, und je größer die Zahl der letzteren ist. Es ist
leicht, die Trappen in die Festung hineinzuführen, sagt ein geflügeltes
militärisches Wort mit vollem Recht, aber schwer, sie wieder hervorzu-
holen. Scheinen deshalb auch die deutschen Festungen, namentlich im
Innern des Reiches, nur spärlich gesät, so sind doch alle Vorbereitungen
getroffen, um gegebenenfalls einen offenen Ort rasch in eine Festung
verwandeln zu können. Der Geist rücksichtsloser Initiative aber, welcher
das deutsche Heer vom Feldherrn bis zum letzten Troßbuben hinab
beseelt, wird dasselbe hoffentlich vor dem Schicksal bewahren, hinter den
Litauern einer Festung Schutz und Rettung suchen zu müssen.
H. Vogt. Das Buch vom deutschen Heere. Bielefeld u. Leipzig 1886
(revidiert von Leutnant K.).
r. Im Iuliusturm.
1. Es gibt in Deutschland einen Ort, der einen Schatz birgt, wie
ihn der Volksgeist, der die Sagen spinnt, nicht glänzender erdichten könnte.
Da liegt das rote Gold in gemünzten Stücken von zehn und
zwanzig Mark, zusammen 120 Millionen. Wenige haben die Schätze
geschaut; denn nur einmal im Jahre öffnet sich die Pforte, die zu ihnen
führt. Doch es ist kein Zauberberg, sondern ein fester Turm — der
Juliusturm von Spandau — und es bedarf keines Ringes und keiner
Wunderblume, um ihn zu erschließen, sondern sechs kräftiger Schlüssel,
die ein Kurator und ein Rendant zur Stelle bringen. Der Öffnung
wohnt ein Mitglied der Reichsschuldenkommission bei, und als solches
konnte diesmal — Mitte Oktober dieses Jahres — ich den Turm
betreten.
Die erste eiserne Tür geht auf. Ein Stillleben aus dem Tierreich
bietet sich dem überraschten Auge. Ganze Schwärme von Marien-
würmchen nisten dort in einer Spalte und fahren, plötzlich durch das
grelle Tageslicht aufgestört, wirr auseinander, um sich einen neuen
schützenden Winkel zu suchen. Jetzt dreht sich die zweite Tür in ihren
Angeln. Sie besteht nicht aus Eiseuplatten, sondern aus Eisenstäbeu,
welche, während sich das Geschäft der Revision vollzieht, dem Lichte
und der Luft Zutritt lassen. Endlich knarrt die dritte Tür, und wir
sind im Innern des Turms.
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TM Hauptwörter (100): [T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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Extrahierte Personennamen: H._Vogt
Extrahierte Ortsnamen: Bielefeld Leipzig Iuliusturm Deutschland Spandau