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zeit riesige Eisabschmelzungsgewässer, ein mächtiges Gletschertor, dessen
Gewässer dies Tal gruben und die ganze Höhe tief durchsägten. Damals
waren alle fünf Seen ein einziger e>ee, wie auch das weite Waldwiesental
am „Klappergraben". Der siebente ist der heute fast zugewachsene, neben
Klaushagen gelegene Pröfsiufee (139 m). Dies war das erste große Klär-
decken der zu Tale eilenden Drage, die die weiteren Sinkstoffe im Sareben-
und Dratzigfee ablagert und damit den Oberlauf beendet. Sie hat gleich-
zeitig die pommersche Seenspalte erreicht, die im Kreise Neustettin am
schärfsten ausgeprägt ist; sie liegt 12 bis 15 km vom großen Steinzuge
der Landrückenhöhe entfernt. Der Pielburger-, Rackower-, Lubower-,
Kämmerer-, Zicker-, Sareben- und Dratzigfee liegen in diesem tiefen Tal-
znge; ihre Wasserspiegel bildeten zur Eiszeit einen einzigen, zusammeu-
hängenden, etwa 50 km langen See.
Es ist eine Freude, an den Ufern dieser Seen zu wandern, deren tiefe
Regenschluchten zu durchstreifen und die reiche Tier- und Pflanzenwelt zu
beobachten. Da wechseln die Bilder in rascher Folge.
Wenn man von einem hohen Pnnkte die Nordwest- und Nordabdachung
der Pommerschen Schweiz überblickt, fällt sofort die eigenartige Kolonie-
landfchaft hier auf. Hier gibts keine zusammenhängende Dörfer; jeder
wohnt auf seinem Grund und Boden. Jedes Gehöft liegt einzeln im Grün
versteckt. Vom früher hier sich befiudeudeu Walde hat der Kolonist vor-
sichtigerweise einen Teil bei seiner Hoflage zum Schutze und eigenen Nutzen
stehen lassen. Dieser Park schützt ihn vor den rauhen Nordwest- und Nord-
stürmen, während an der Südseite sich die Obstgärten besinden. Aus diesem
freundlichen Grün lugen die neuen roten Ziegel- und Zementziegeldächer
der Koloniedörfer Alt- und Neu Liepeufier, Bramftädt, Alt- und Neu Hütten,
Alt- und Neu Sanskow, Vorbrnch, Seeligsfelde, Klockow und Gauerkow,
die sämtlich auf diesem fruchtbaren, aber rauhen Hochplateall von 207 bis
180 m Meereshöhe liegen, hervor. Das nahe, tiefgelegene Polzin (84 m)
wird durch den hier beginnenden Polziner Stadtwald verdeckt und versteckt.
Carl Fr. Kohlhoff-Bärwalde.
Viii. Danzig.
(„Stätten der Kultur." Eine Sammlung künstlerisch ausgestatteter Städte-
Monographien [25 Bände in einer Prachtausgabe vereinigt 100 Mark, Einzelpreis geh.
3 Mark, geb. 4 Mar!]. Herausgegeben von Dr. Georg Biermann. Band 6 „Dan-
zig" von August Grisebach, mit Zeichnungen von Paul Renner. Verlag von Klink-
Hardt & Biermann, Leipzig. 89 Seiten und Bilderanhang. S. 1—5, 8—9, 26—29, 44—45.)
(1. Stadtbild.) Die tiefe Ebene, in der Danzig liegt, begrenzt im
Westen ein Höhenzug, der in fausten Hängen sich nach Norden erstreckt, in
den Wäldern von Oliva untertaucht, an die Küste herantritt und im Nord-
osten die See umzieht. Gegenüber diesem anmutig bewegten Zuge, dessen
Täler freundlich sind wie in Thüringen, dehnt sich im Südosten weithin
die Niederung, der Danziger Werder, so flach, als habe das Wasser erst
eben die Wiesenpläne verlassen und könne jeden Augenblick sie.wieder besitzen.
Magere, vom Wind zerzauste Bäume bezeichnen die Straßen, stattliche Gehöfte
mit roten Dächern leuchten herüber, die Wohnsitze jener reichen Bauern, die
sich noch im 18. Jahrhundert von ihren Dienstleuten mit „hochgeehrt"
anreden ließen. Besonders zahlreich sind die Siedlungen an dem breiten
Strom der Weichsel, der von Osten her durch die Niederung herankommt.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee]]
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Extrahierte Personennamen: Carl_Fr Georg_Biermann August Grisebach Paul_Renner
Frühling, Duft und Sonnenschein; aber man übereile sich nicht. Dieser
Name hat mit dem Lenz nichts gemein; er ist einfach eine Verstümmelung
des altpreußischen Lansania. So ist es in nnserm Preußeulaude mit
vielen alten Namen gegangen. Braunsberg hängt weder mit braun noch
mit dem Namen des Bischofs Brun zusammen; denn es ist ans Brüse-
bergun entstanden. Heiligenbeil bedeutet heiliger Berg (pile, peil — Berg,
Burg). Mehlsack gar hat weder etwas mit Mehl noch mit einem Sack zu
tun und ist aus Malsekuce korrumpiert. — Steigt man von dieser Höhe gerade
herunter, so gelangt man durch die „heiligen Hallen", ein mit Buchen dicht
bewachsenes Tal, nach Panklau. Von hier ist es nach Cadinen nickt weit,
und vielleicht kehrt man dorthin zurück, um die gewaltige Eiche zu sehen,
welche im Innern hohl ist und viele Personen aufnimmt, auch durch eine
hölzerne Tür verschlossen werden kann. Vielleicht geht man auch gleich
weiter, und dann kommt man über Sukase, das wegen seines Obstes be-
rühmt ist, durch Täler und über Hügel ohne Ende nach Reimannsfelde.
Ich war recht müde, als ich mit Sonnenuntergang dort anlangte.
Wir hatten den ganzen Tag über eine fürchterliche Hitze (26° R) bei einem
glühenden Südwinde gehabt, und da wollte mir nicht weit von Reimanns-
felde die Geduld fast ausgehen. Da siel mir noch beizeiten ein, daß ich
vor zwei Jahren, als ich den Vesuv bestiegen, mir vorgenommen hatte, ich
wollte, wenn mir einmal etwas recht schwer würde, an diese schwerere Arbeit
denken. Das gab mir neuen Mut. Am folgenden Morgen waren ohnehin
alle Beschwerden vergessen.
X. Die Kurische Mehrung.
(„Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde", im Auftrag der
Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland herausgegeben von
Dr. A. Kirchhoff, Professor der Erdkunde an der Universität zu Halle. Dritter Band.
Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn, 1889. Heft 4 „Die Kurische Nehrung und
ihre Bewohner" von Dr. Adalbert Bezzenberger, Professor an der Universität zu
Königsberg i. Pr. Mit einer Karte und acht Textillustrationen. 476 Seiten, Iii. Band
= 21,60 Mark, Heft 4 = 7,50 Mark. S. 171—172, 231, 238-240, 279-282.)
(1. Aufbau.) Flach wie die Knrische Nehrung anfangs ist, bleibt sie
dies bis etwa eine Meile jenseits Sarkau. Alsdann aber beginnen — etwa
da, wo die Sarkauer Plantage aufhört — hohe Dünen und erstrecken sich,
anhebend mit den „weißen Bergen", in fast ununterbrochener Kette bis nicht
ganz 112 Meile vor dem nördlichen Ende der Nehruug. Sie sind selten
uuter 100, vielfach beinahe 200 Fuß hoch und steigen von der See her im
allgemeinen allmählich (unter 5—10° Steigung) auf, während ^sie nach
Osten zu oft überraschend steil abstürzen (vgl. Berendt, Geol. Tas. Iv,
Abteilung 3)*). Von der See überall durch einen mehr oder weniger breiten,
flachen, mit zahlreichen Sandhügeln**) — den Resten verwehter Dünen —
teils besäten, teils besäumten Landstreifen und durch eine vor diesem befind-
liche künstliche Vor- oder Schutzdüne, strichweise auch durch eine Plantage***)
*) Die steil abfallenden Dünen heißen „Sturzdünen".
**) Man pflegt dieselben „Knpsen" (richtiger „Kupsteu", lit. küpstas, „kleine Er-
höhung auf Wiesen") zu nennen. Die lettischen Bewohner der Kurischen Nehrung nennen
sie kauguri.
***) „Plantagen" heißen in der Dünenbaukuust die hinter der Vordüne angelegten
Anpflanzungen.
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jenem Streifen verbundene Vorsprünge („Humpel") von derselben Farbe
gewahrt. Was da erscheint, ist alter Waldboden, der aus der wandernden
Düne hervortritt, nachdem diese den Wald selbst erstickt und begraben hat.
(2. Wandern der Dünen.) Vom Winde bald horizontal, bald in der
Diagonale (Krause a. a. O. S.15s.) getroffen, aufgerührt und getrieben, fegt der
Sand des Strandes und der Dünen die Lehnen der Berge hinauf, der schwerere
langsamer, der leichtere rascher, und während dieser oft weit in das Haff fliegt,
rieselt jener von den Bergkämmen, die er eben erreicht hat, ostwärts hin-
unter. Vom Haff aus gesehen, erinnert dieser Vorgang an das Dampfen
der Wälder, jedoch ist hier das dem Dampfe vergleichbare stets scharf, wenn
auch nicht in jedem Augenblicke gleich scharf begrenzt, und die Konturen der
Berge fiud, wenn auch verwifcht, doch iu voller Ausdehnung sichtbar. Geht
man über eine im Wandern begriffene Düne — nichts Leichtes; denn man
muß sich dabei gegen die volle Gewalt des Stnrmes halten, und der fliegende
Sand trifft Gesicht und Hände des ihm zugewandten wie mit tausend Nadel-
stichen — so sieht man die Bodenoberfläche unter sich in deutlicher Be-
weguug: der feine Sand schwirrt, der grobe rollt gleichsam bergaufwärts,
und die trägere Bewegung des letzteren erfolgt in langgestreckten Wellen-
linien, weil die feineren Mengen aus ihm heransgeweht sind. Kauert man
sich dauu, um etwas zu Atem zu kommen, hinter eine Knppe oder hinter
die um ein trigonometrisches Signal angehäufte Sandwehe, so merkt man
bald, daß man versandet, und ist überrascht von der Schnelligkeit und Voll-
ständigkeit, womit dies vor sich geht.
(3. Festlegen der Wanderdünen.) Da die Ursachen der Versandung
der Kurischen Nehrnng doppelter Art sind, insofern dieselbe durch deu Flug
1. des vou der See ueu abgesetzten, 2. des bereits in den Düuen enthaltenen
älteren Sandes bewirkt wird, so folgte, daß ihrem Fortschreiten vollkommen
nur dadurch vorgebeugt werden könnte, daß 1. der srisch ausgespülte See-
saud an seiner Stelle festgehalten, 2. das Weiterwandern der Binnendüne
verhindert würde. Zur Erreichung des ersten Zweckes war die Anlegung
einer haltbaren Vordüne, zu der des zweiten die Festlegung sämtlicher
Wanderdünen erforderlich. Die Lösung beider Aufgaben erschien technisch
wohl möglich, die letztere jedoch aus finanziellen Gründen undurchführbar,
und so beschränkte sich denn die Regierung*) mit Bezng auf sie zunächst auf
die Befestigung derjenigen hohen Dünen, von welchen für größere Nieder--
laffungen unmittelbare Gefahr drohte. Demgemäß wurdeu, und zwar seit
1830, nach und nach die Bruchberge und der Walgnmberg bei Rossitten,
der Urba-Kalns bei Nidden und das Dünenterrain zwischen dem Schwarz-
orter Walde und der See mit Strandhafer und -roggeu (Elymus arenarius,
Arundo arenaria; über beide Pflanzen vgl. Krause a. a. O. S. 42, Berendt,
Geol. S. 15, Passarge, Aus baltischen Landen S. 271s.) angebaut, weiter-
hin — da Sandgräser ohne Übersandung absterben — aufgeforstet und
tatsächlich zum Steheu gebracht (vgl. Schumann, Wanderungen S. 14,
79 Aum.). Ferner hat man aber auch — dies im Interesse der Schiff-
fahrt — die Festlegung des ganzen Dünenznges nördlich von Schwarzort
*) Da die Kurische Nehrung fiskalisch ist, so ist der Düneubau hier ausschließlich
Sache des Staates. Früher war dies nur insofern und nur so lange anders, als die
Nehrungsspitze der mit der Verwaltung des Memeler Hafens betrauten Memeler Kauf-
Mannschaft unterstellt war.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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— 398 —
kurzem vollständig versandete, und indem die so entstandenen Dünen demnächst
mit Strandgräsern bepflanzt wurden, welche einerseits durch ihr Einwurzeln
und ihre Verbreitung jene widerstandsfähig machten, andererseits den neu
antreibenden Sand einfingen und sie dadurch erhöhten. Es zeigte sich, daß
solche künstliche Vordünen bereits bei einer Höhe von 8—10 Fuß ein Über-
treiben des frischen Flugsandes verhinderten. Da sie indessen, weil nahe
am Strande liegend, vielfach von den Wellen zerstört wurden, so ergab sich
die Notwendigkeit, sie wenigstens an den Stellen, an welchen — infolge der
Uferströmung — sich das Nagen der See besonders bemerklich macht, land-
einwärts zu verlegen. Stellenweise — so zwischen Cranz und Sarkau -
ist man noch einen Schritt weiter gegangen, indem man durch Pfahlreihen,
welche vom Strande aus in die See geführt wurden, die Kraft der Wogen
zu brechen versucht hat (10. Versammlung d. prenß. Forstvereins S. 101 ff.).—
Im großen und ganzen ist der Bau der Vordüuen — oder vielmehr, da
sie sich in ununterbrochener Kette von Cranz bis Süderspitze erstrecken, der
Vordüne — heute abgeschlossen, doch bedürfen sie steten Schutzes und steter
Nachbesserung. Sie sind im allgemeinen älter als die Binnendünenkulturen
und waren von Cranz bis etwa 1 Meile hinter Sarkau schon im Jahre
1829 fertiggestellt (Bereudt, Geol. S. 93, vgl. Wutzke S. 448ff.).
Die Bildung der Vordüne und die Festlegung der wichtigsten Binnen-
dünen sind nun aber keineswegs alles, was von der Dünenverwaltung zur
Sicherung und wirtschaftlichen Hebung der Kurischen Nehrung geschehen ist.
Sie hat vielmehr auch hinter der Vordüne bei Sarkau, Rossitten, Nidden
und Preil Holzanpflanzungen, die sogenannten Plantagen, angelegt, welche
sich in nicht allzu langer Zeit zu einem fortlaufenden Waldstrich vereinigt
haben dürften, da die Entfernung zwischen der Sarkauer und der Rossittener
Plantage*) einerseits und zwischen dieser und der Niddeuer andererseits zur-
zeit nur noch je 1 Meile beträgt, und da die letzterwähnte (welche sich an
den alten Wald von Nidden anschließt) von der Preiler nicht weit absteht.
Diese Anlagen geben dem Boden zwischen Vordüne und Binnendünen festen
Halt und gewähren dadurch und weil sie im allgemeinen — bei ihrem
feuchten Boden und geschützten Stande — gut gedeihen, den letzteren guten
Schutz. Über ihre Geschichte vgl. Jachmann S. 202, 312ff., Wutzke S. 449.
Sie bestehen zum größeren Teil aus Kiefern, zum kleineren ans Laubholz
(Birken, Erlen, Espen, Weiden) und sind in mäßigem Grade bereits durch-
forstbar.
(4. Die Kuren.) Was die Tracht der „Kuren" betrifft, so stimmt
sie im allgemeinen mit der der Litauer in der Kintener Gegend überein.
Die Männer — sast durchweg bartlos und mit kurzgeschnittenem Haar —
tragen in der Regel von blaner und weißer Wolle gestrickte, enganschließende
Jacken, oder Jacketts von dunkler Farbe, zu diesen passende Beinkleider oder
Drillichhosen und eine Mütze oder einen Südwester. Bei kälterem Wetter
ziehen sie für den Aufenthalt auf dem Wasser Kleider von grauem Fries
und hohe Stiefeln an. In der Regel geht die ganze Bevölkerung in so-
genannten Klotzschlorren (Holzsohlen mit übergenageltem Leder) oder barfuß.
Die Frauen und Mädchen unterscheiden sich äußerlich nur dadurch vonein-
ander, daß die ersteren stets, die letzteren dagegen nur auf Ausgängen ein
*) Die Anlage der letzteren ist im Jahre 1843 begonnen.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
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luxuriöser Badeort vornehmsten Stils, eine Art Baden-Baden für Mecklen-
bürg mit einer Spielbank und berühmten Pferderennen, regelmäßig besucht
vom Großherzoglichen Hose, der sich hier ein Sommerpalais mit prächtigem
Park erbaute, sowie der gesamten reichen Aristokratie Mecklenburgs. Diesen
Charakter hat es seit Aufhebung der Spielbank verloren und ist jetzt eine
kleine stille Landstadt geworden, wenngleich die Unzerstörbarkeit seiner schönen
Lage und eine aus dem Untergrund der eisenhaltigen Wiesenmoore in der
Umgebung empordringende Stahlquelle immerhin noch eine, jetzt von be-
scheideneren, aber weiteren Kreisen besuchte Sommerfrische und Heilstätte
schaffen. Seine Lage als Ausflugsort für Rostock wird gern mit der von
Potsdam für Berlin verglichen. Alljährlich einmal, Ende Juli, kehrt Doberans
Glanz auf wenige Tage zurück, wenn die noch immer stattfindenden Dobe-
raner Pferderennen von neuem den Hof und den Adel Mecklenburgs hierher-
führen. Am letzten Tage derselben findet ein „Bauernrennen" statt, an das
sich ein originelles Volksfest mit Illumination, Jahrmarkt und Tanz an-
knüpft. Zu stillerer Zeit ist es etwas anderes, was den sinnigen Beobachter
nach Doberan führen kann. Es ist die altehrwürdige Kirche des Zisterzienser-
klosters Doberan, 1230 gegründet. Von ihren älteren, in romanischem Stil
erbauten Anlagen zeugt ein noch gut erhalteues epheuumranktes Stück eines
Kreuzgauges. Sie wurde dauu als ein gotisches Gebäude in Kreuzform
umgebaut und gilt gegenwärtig als eine der edelsten Kirchenbauten des
Landes.
(6. Rügen.) Der Doppelort Gößnitz-Crampas ist heut das erste und
vornehmste der rügenfchen Bäder, namentlich feit die Eisenbahn von Bergen
bis hierher geführt und durch Bau eines Schutzhafens und Einrichtung des
Schnellverkehrs zwischen Berlin und Stockholm über Saßnitz-Trelleborg hier
ein Verkehrspnnkt ersten Ranges geschaffen wurde. Saßnitz baut sich mit
hübschen, in Gärten gebetteten Villen malerisch an der steilen, waldgekrönten
Uferlehne auf oder liegt in der grünerfüllten Schlucht des Steiubachs. Das
benachbarte Crampas liegt offener und hat einen bescheideneren, weniger
eleganten Charakter als dies Sorrent oder Amalsi der Ostsee.
Südwestlich von Crampas gelangt man zu dem Hansemannschen Schlosse
Dwasieden mit seinem schönen, auch bereits auf hohem Steilufer gelegenen
Park. Nordöstlich von Saßnitz, längs des Strandes, zieht sich derjenige
Spaziergang hin, der wohl ohne Frage den Gipfelpunkt landschaftlicher
Schönheit an der ganzen Ostseeküste ausmacht. Mit Hilfe von Aufschüttun-
gen ist unmittelbar zwischen See und Felswand ein schmaler Pfad geschaffen,
der sich mehrere Kilometer weit bis zu den „Wissower Klinken" erstreckt.
Mehrfach überwölbt ihn zunächst dichtwucherndes Baumgezweig, so daß man
fast wie im Tunnel geht. Dann wird der Weg freier und zugleich die
Felswand zur Linken höher und kühner. Tiefe Runfen haben die Rinn-
wäffer in die Kalkfelsen geschnitten, phantastische Zacken ragen zwischen ihnen
empor, am kühnsten die Pyramidenfelsen der „Wissower Klinken". Knrz
vor ihnen erklimmt der Weg die Höhe und führt nun auf ihr im Schatten
der „Stubnitz", des schönsten Buchenwaldes dahin, der sich denken läßt.
Bald taucht er auf Zickzackwegen hinab in tiefe Waldschluchten, die von den
zum Meere eilenden Bächen hineingeschnitten sind, und steigt an der anderen
wieder empor, bald führt er uns ins Innere, in tiefgrüne Baumhallen, deren
Decke von den Buchenstämmen wie von silbernen Säulen getragen wird,
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Extrahierte Ortsnamen: Mecklenburgs Rostock Potsdam Berlin Mecklenburgs Doberan Doberan Berlin Stockholm Saßnitz-Trelleborg Hansemannschen_Schlosse
Dwasieden
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Vii. Pommern.
(„Pommern in Wort und Bild." Im Auftrage des Pestalozzivereins der
Provinz Pommern herausgegeben von F. Uecker-Stettin. 1. bis 5. Tausend. Selbst-
Verlag des Pestalozzivereins der Provinz Pommern. Druck von Herrcke & Lebeling in
Stettin, 1904. 404 Seiten, 3 Mark. S. 68—77, 349—351.)
(1. Der Stettiner Vulkan: a. Entwickelung.) Im Jahre 1851
gründeten die beiden Ingenieure Fürchtenicht und Brock in Bredow eine
Werkstatt und Werft, um neben Maschinen auch eiserne Dampfschiffe zu
bauen, und fchon 1852 lief der sicherlich manchem Leser noch bekannte
Dampfer Dievenow hier vom Stapel. Da aber die Mittel der beiden
Gründer sich bald erschöpften, wurde die ganze Fabrikanlage an eine Anzahl
Stettiner Handelsherren verkauft, welche 1856 zu der „Stettiner Maschinen-
ban-Aktien-Gesellschaft Vulkan" zusammentraten, die in den ersten Jahren
hauptsächlich sich dem Lokomotivbau zuwandte. Als aber die Gründung
des Norddeutschen Bundes erfolgt und der Ausbau der Marine in Aussicht
genommen war, wurde der „Vulkan" mehr für den Schiffbau eingerichtet,
und bald nach dem böhmischen Kriege wurde ihm der Bau kleinerer Schiffe
für die Marine überwiesen. Eine größere Arbeit erhielt er aber erst 1869,
als er mit dem Bau der Maschinen für die Panzerfregatte „Hansa", die
der Danziger Werft übergeben war, betraut wurde. 1871 erfolgte der Bau
der ersten Panzerfregatte „Preußen". Die gedeckten Korvetten Prinz
Adalbert, Leipzig, Stofch, Stein, die Panzerkorvetten Sachsen, Württemberg
und die Glattdeckskorvetten Carola und Olga folgten. Daneben wurde
eifrig der Bau von Handelsschiffen betrieben, und schon 1881 konnte mit
dem Bau eines chinesischen Panzerschiffes das erste Hundert gelieferter
Schiffe abgeschlossen werden. Das war sicherlich ein glänzender Erfolg, der
noch höher bewertet werden muß, wenn man bedenkt, daß es galt, England
zu überholen, England, das bisher für die ganze Welt Schiffe geliefert
hatte. Die einmal errungene Stellung hat der Vulkan zu behaupten gewußt.
Sein rastloses Streben nach Vervollkommnung der Werke und Lieferungen
ist von Erfolg gekrönt gewesen, hat seinen Ruhm und Ruf gehoben und
vermehrt. Haben doch die Zeitungen oft genug berichtet von den glänzenden
Resultaten der Schnelldampfer Deutschland, Fürst Bismarck, Kaiser Wilhelm
der Große u. a. Die Sicherheit, Eleganz und Schnelligkeit dieser Schiffe
hat den Engländern „das blaue Band des Meeres" entrissen und an die
deutsche Flagge geheftet, ein Sieg, auf den der Norddeutsche Lloyd und mit
ihm ganz Deutschland, vor allem aber der Erbauer, der Stettiner Vulkan, mit
Recht stolz sein darf. Sein Ruhm ist unbestritten, und jeder Besucher
Stettins macht seinetwegen eine kurze Dampferfahrt oderabwärts. Sobald
dann Bredow in Sicht kommt, drängen die Fahrgäste nach der linken Seile
des Schiffes, und ein lebhaftes Fragen und Antworten, Zeigen und Er-
klären beginnt.
Da liegt das 20 ha umfassende Riesenetablissement, dessen höchste
Arbeiterzahl im Jahre 1902 mit 6717, die niedrigste mit 5668 festge-
schrieben wurde, das im selben Zeitraum 71 Lokomotiven, 11 größere
Dampfpumpen, 1 Verbund-Dampfmaschine und 17 größere Kessel lieferte,
das den Doppelfchranben-Kabeldampfer Stephan für die Norddeutschen
Seekabelwerke, den geschützten Kreuzer Bogatyr für die Kaiserlich Russische
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
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Extrahierte Personennamen: Brock Carola Olga Wilhelm Bredow Stephan
Extrahierte Ortsnamen: Pommern Pommern Stettin Bredow Leipzig Sachsen Württemberg England England Deutschland Norddeutsche_Lloyd Deutschland
— 389 —
(3. Bürgerhäuser.) Die Danziger Häuser, die ohne jeden Erker und
Auslug steif und aufrecht nebeneinander stehen gleich würdigen Senatoren,
sie besitzen in den „Beischlägen" einen Ausdruck freundlicher Zugänglich-
feit, eine liebenswürdige Vermittlung zwischen dem Innern des Hauses und
der Außenwelt. Der Beischlag war allerdings zunächst nicht aus repräsentativen
Rücksichten zu einer Terrasse ausgebildet worden, sondern aus dem einfachen
Bedürfnis, in der engen Stadt am geschlossenen Hause einen Platz sein
eigen zu nennen, der an schönen Tagen Veranda und Garten einigermaßen
ersetzen könne. Die schlanken Häuser strecken ihn wie einen Fuß vor, gleich-
sam um sich von einem breiteren Sockel zu erheben. Da, wo man ihn
heute beseitigt hat, weil er angeblich den modernen Verkehr hindere, der doch
zum großen Teil nur in der Phantasie eifriger Lokalpatrioten besteht, hat
man zugleich die Proportionen des Erdgeschosses, die er bedingte, und die
gesamte Fassade geschädigt. Einzelne ähnliche Vorplätze gibt es in anderen
Städten gleicher Zone auch, von Königsberg bis Holland; aber so ansge-
bildet und ein so notwendiger Bestandteil des Wohnhauses wie in Danzig
war der Beischlag nirgends. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die den
Vorplatz gegen die Straße begrenzende Mauer aus Füllungen mit figür-
lichen und ornamentalen Reliefs zusammengesetzt. Der Geschlossenheit des
Platzes zuliebe vermeidet man starke Durchbrechungen. Eine Balustrade
findet sich nirgends. Als Treppengeländer erschien neben den Eisenstangen,
die von Steinpfosten oder den späterhin häufiger werdenden großen Granit-
kugeln am Treppenansatz hinaufführten, verschlungenes Schmiedewerk, oft in
Verbindung mit Messing. Feuerpfannen, am Eingang zur Terrasse, dienten
der Beleuchtung. Das vom Dach über die Seitenmauern geleitete Wasser
ergoß sich aus Delphin- und Drachenköpfen über die vordere Brüstung.
Ix. Wanderung von Frauendnrg nach Glding.
(„Aus Baltischen Landen." Studien und Bilder von Louis Passarge.
Glogan, Verlag von Carl Flemming, 1878. 551 Seiten, 7 Mark, S. 77—79, 83—85,
89—93.)
(1. Der Dom zu Frauenburg.) Der folgende Morgen wurde vor-
zugsweise der Besichtigung des Domes gewidmet. Er steht auf einem etwa
achtzig Fuß hohen Berge, einer alten Meeresdüne, und bildet mit seinen
Umfassungsmauern und Türmen ein befestigtes Kloster nach Art der Marien-
bürg. Als der Deutsche Orden Preußen eroberte und seine Burgen mitten
in einer feindlichen Bevölkerung errichtete, da war Sicherung das Haupt-
augenmerk der Erbauer. Daher zeigen die erhaltenen Burgen gewaltige
Mauern, mächtige Türme und feste Außenwerke. Selbst die darin befind-
lichen Schloß- und Kirchenbauten erinnern mit ihren Zinnen und Wand-
flächen mehr an eine Festung denn an Wohn- und dem Gottesdienst ge-
weihte Räume, und nach dem Bilde diefer Ordensbauten wurden später
selbst die reiuen Kirchenbauten errichtet. Es liegt etwas Wunderliches in
den aus Granitblöcken erbauten Dorfkirchen des alten Preußenlandes. Roh
aneinandergefügt treten diese Steine aus der unebenen Mauer heraus, und
die schmalen Fenster erinnern mehr an Schießscharten als an Lichtöffnungen.
Die großen Dome von Marienwerder und Frauenburg sind zwar nicht aus
Feldsteinen erbaut, ihre Anlage offenbart aber nicht weniger den kriegerischen
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(2. In den Trnnzer Bergen.) Doch hinaus aus Mauernenge und
Todesgedanken zum Rande der Höhe, darauf der Dom steht! Welch wunder-
volles Bild! Die Stadt zu unfern Füßen mit der neuen evangelischen Kirche
und dem Koperuikusturm; das Haff in der Beleuchtung des Morgens, klar
und duftig; links die blauen Höhen, die uns an ein Gebirge erinnern (nach
so langem Entbehren!); am Horizonte das weiße Band der Nehrung. Die
Bienen summen in den Linden des nächstliegenden Domherrn-Gärtchens,
die Steinhauer klopfen mit ihren Hämmern unten bei ihrer Arbeit; auf
dem Vorlande des Haffs ernten sie den zweiten Grasschnitt und muntern
die Pferde an, welche die Decke des fast erst in der Bildung begriffenen
Landes oft durchbrechen und einsinken; ein paar Angelkähne mit hohen
viereckigen Segeln kehren vom Fischfange zurück. Wohl sind ihre Segel
sonnenbeschienen, weiß; aber die Nehrung da drüben ist weißer, mit ihren
welligen Bergformen an ein Schneegebirge erinnernd. Und wer dieses für
übertrieben halten möchte, dem gebe ich zu bedenken, daß ich die Autorität
Leopolds von Buch für mich habe.
Als ich hinabging, bemerkte ich, daß man die neue, noch im Bau be-
griffeue evangelische Kirche gegen den ihr im Rücken herabsließenden Sand
dnrch eine steinerne Mauer hat schützen müssen. Das erinnerte mich recht
an die Schutzmauern in den fchleswigfchen Dünen. Auch habe ich einmal
in der Nähe des Chamonixtales eine Kirche gesehen, die sich ganz hinter
einen gegen Die Lawinen errichteten Schutzwall verkroch. Hier in Frauen-
bürg ist zwar keine eigentliche Gefahr vorhanden; wir werden aber doch
daran erinnert, daß der Domberg nichts ist als eine alte Düne.
Federleicht war mein Gepäck, etwa so leicht als mein Sinn, als ich
nun die Wanderung in „die Berge" antrat. — Wer am Harz lebt oder
am Riesengebirge, wer die waldigen Höhen des Thüringerlandes oder Frankens
täglich vor sich hat, der weiß nicht, wie es uns hier zumute wird, wenn
wir einmal etwas sehen, was uns an jene schönen Berggegenden erinnert.
Dieser Bergzug zwischen Frauenburg und Elbing, vier Meilen lang und
etwa halb so breit, ist kaum sechshundert Fuß hoch und reicht obengenannten
Bergen nur bis zum Knie; aber es ist doch eine Höhe! Man sieht sie
meilenweit sich duftig und blau aus der Ebene erheben, in schön ge-
schwuugenen Kuppenlinien, und sich allmählich abdachend zum Haff und
zur Elbinger Niederung oder in den Höhen des malerischen Oberlandes
(Hockerlandes) fortsetzend. Aber was jene Gegenden nicht haben, und was
diesen Bergzug so wunderbar macht: an seinem Fuße, da lebt es und webt
es, da rauschen die Wellen des Haffs, das sich küstenlos nach Norden hin-
dehnt, und von drüben weht uns die schars-salzige Luft des Meeres ent-
gegen und lockt unfern Blick über die weißglänzende Nehrnng hinüber anf
die Wellen des tiefblauen Meeres, das von einem, auch mehreren Segeln,
vielleicht einem Dampfboote belebt wird. Tiefeingeschnittene Waldtäler und
Schluchten gliedern den Bergzug; an muntern Flüßchen klappern die Mühlen,
und Buchenwälder, so schön wie in dem schönen Holstein, tränken ihre
Wurzeln noch in dem Wasser des Haffs.
Es war ein erquickender Morgengang! — Der Weg läuft immer genau
auf der Grenze des alten Seeufers und dem neugebildeten Wiesenvorlande
des Haffs. So erfreute von linksher die schattige Kühle des steilen Ufers,
von rechts aber der Duft des frisch gemähten Heues. Später wird der
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Weg sonniger; bald aber gelangen wir in das eigentliche „Gebirge", blicken
in dunkle Waldschluchten und weit über die blane Wasserfläche. In Luisen-
tat empfing mich lautes Kindergeschrei, Ein Mann, in einem Kasel (ein
langer Rock von dicker Leinwand mit einer Kapuze, vor dem Gesicht ein
Haarsieb), hatte eben den Bienen ihren Honig genommen (man nennt das
hier: die Bienen brechen) und kehrte reich beladen in das Hans zurück. In
der eiueu Hand hielt er die Honigwaben, in der anderen einen Feuerbrand,
um die Bienen zu vertreiben. Die Kinder umschwärmten ihn in respekt-
voller Entfernung; eine Frau erwartete sie au der Haustüre mit einem
Korbe voll Semmeln. Ich stand einen Augenblick hinter einem Baume
verborgen und erfreute mich an der lieblichen Szene; dann zog ich weiter...
Soll ich nuu uoch etwas über das Frische Haff erzählen, so bemerke
ich betreffs seines Namens, daß derselbe wohl in der Tat ein frisches Wasser
bedeutet und weder mit dem Flusse Frischiug noch mit der altpreußischen
Sprache etwas zu tun hat. Im Sommer freilich, namentlich im Juli und
August, verdient es diese Bezeichnung selten. Es entsteht dann nämlich im
Wasser eine eigene Art von Pflänzchen von fast mikroskopischer Kleinheit,
welche dem Haff eine grüne Farbe geben und, am Ufer ausgeworfen und
getrocknet, dasselbe wie mit Vitriol überziehen. Zugleich verbreitet sich ein
äußerst widerwärtiges Miasma, welches tief ins Land dringt und den
Menschen Kopfweh verursacht. Tote Fische werden in großer Zahl ausge-
worseu; Enten aber, die von diesen auf das Ufer gespülten Pflänzchen
treffen, sollen gar davon sterben. — Wenn sich das Haff in diesem Zu-
stände befindet, so sagt man: es blüht. Sonderbar ist es, daß auch die
Theiß in Ungarn im Sommer sich mit mikroskopischen Tierchen bedeckt, und
daß es dann gleichfalls von ihr heißt, sie blühe.
Nachdem dieses alles am Haff gesehen und bedacht worden, begab ich
mich in einem Taleinschnitt durch den noch juugeu Wald wieder auf die
Straße zurück. Bald verläßt man denselben und kommt durch ein sonder-
bares Hügel-(Höcker-)Land nach dem Städtchen Tolkemit. Vorher sieht
man noch am Haffufer Menschen, welche kleine Steine auflesen und in ein
Boot schütten. Es sind dieses Kalksteine, die kurz vor Tolkemit gebraunt
und demnächst verschifft werden.
Tolkemit gehört zu jenen Städtchen, welche das Schicksal haben, wegen
ihrer Kleinheit als Zielscheibe des Spottes der Reisenden zu dienen. So
erzählt ein jeder gern die Sage von einem Aal, der einst gedroht habe, die
Stadt zu verschlingen, und nur mit Mühe und Not an eine Kette gelegt
worden sei, „allwo er noch jetzt zu sehen". Andere wundern sich über die
Menge von Scherben, die an ein Scherbengericht erinnern. Und in der
Tat, Tolkemit ist ein wahres xtqa/ueixov (so hieß die Töpfervorstadt von
Athen): denn überall stehen die Töpferwaren vor den Türen auf dem so-
geuaunteu Bürgersteige, um zu trockueu und demnächst gebrannt zu werden.
Man kann keinen Jahrmarkt tief im Lande besuchen, ohne die Tolkemiter
Töpfer anzutreffen, deren Waren sich durch Sauberkeit und Dauer aus-
zeichnen. Überhaupt sind diese verschrieenen Tolkemiter fleißige Leute, die
sich sogar bis zur Höhe der Selbstironie erheben können; denn von einem
dortigen Bürger hörte ich folgendes anmutige Verslein:
O Tolkemit, du schöne Stadt,
du bist fürwahr ein Wunder,
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lvenn einer dich gesehen hat,
so ist Paris ein Plunder.
Im höchst einfachen Gasthause lag eine Elbinger und eine Berliner-
Zeitung aus, und an der Wand hing ein schöner, großer Kupferstich, die
Geburt Christi darstellend. Bedenke ich nun noch, daß Tolkemit die Vater-
stadt des Mönches Simon Grünau ist, eines berüchtigten Chronisten, dessen
phantasievolle Erfindungen in der preußischen Geschichte eine so heillose
Verwirrung angerichtet haben, so wüßte ich nicht, was ich sonst noch von
Tolkemit berichten sollte.
(3. Cadinen bei Elbing.) Wir machen uns also auf und kommen
in einer Stunde nach Cadinen, dem schönsten Punkte dieses ganzen Höhen-
znges, wo sich Berg und Ebene, Höhe und Tiefe, Wald und Feld mitein-
ander verbinden, wo uns die Natur mit ihrem Zauber umfängt und die
Kunst eine Stätte gefunden hat. Läge dieses Cadinen an der großen Heer-
straße, es lebte in dem Munde der Reisenden gleichwie der samländische
Ostseestrand oder die wundervolle Umgebung Danzigs. Auch so suchen es
Freunde einer schönen Natur von nah und sern auf und erquicken sich in
dem geschmackvoll angelegten Garten, darinnen die Springbrunnen rauschen
und die Orangen blühen, oder in dem Buchenwalde, der die ganzen Höhen
gleich hinter dem Garten bedeckt, und daraus das nun verlassene Bern-
hardiner-Kloster blickt, oder endlich auf der letzten Waldhöhe, zu der man
höher und höher steigt, von wo aus das Haff vor der Größe des Meeres
zurücktritt. Denn wunderbar ist es, wie die kleine Fläche des Meeresspiegels
so unendlich größer erscheint als die weite Wasserfläche des Haffs. So
wirkt auch die ferne winzige Spitze des Montblanc erdrückend auf alle die
Vorberge, welche ihn verdecken.
So schön ist es hier, daß ich nicht einmal das Kloster kritisieren mag,
das den wüsten Eindruck des Verlassenseins macht, ohne bereits zu der
Schönheit der Ruine zerfallen zu sein. Ein ähnliches verlassenes Kloster
sah ich einst auf der Höhe über Sorreut und empfand ganz denselben Ein-
druck der Nichtbesriediguug. Ohnehin war die Bauart dieses Klosters so
häßlich wie die des uusrigen. Aber die Aussicht ist bei beiden entzückend.
Hier erblicken wir drüben namentlich Kahlberg in seinem Kiefernwalde und
ahnen seine überraschende Schönheit.
Das Kloster scheint erst gestern verlassen zu sein. Auch ist es in der
Tat nicht so lange her. Am Anfange des vorigen Jahrhunderts wurde' es
aufgehoben, und im Jahre 1829 fand der letzte der Mönche, Raphael Bock,
seinen Tod in den Fluten des Pregels. Jetzt wohnt ein Schullehrer darin.
— Hunderte von Namen bedecken die Wände, so weit sie der Menschen-
Hand erreichbar finb; selbst ein großes Ölbild, halb verlöscht, haben die
Mitglieder einer Königsberger Studentenverbindung mit ihren Namen be-
schrieben. Weshalb die Meuschen dieses nur tun? Wollen sie einem nach-
folgenden Reisenden zurufen: Auch ich war hier! Oder ist es ein Ausdruck
jenes im Menschen liegenden Dranges, die Erinnerung an seine schnell ver-
gessene Existenz wachzuhalten, etwas für seine Ewigkeit zu tun? Sonderbar
ist es wenigstens, daß man solches Schreiben „sich verewigen" nennt.
Geht man von dem Kloster höher hinauf, so gelangt man zur letzten
Höhe bei dem Dorfe Lenzen, von wo man den erwähnten weiten Blick auf
die See hat. Bei dem Namen Lenzen denkt natürlich ein jeder sogleich an
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Extrahierte Personennamen: Christi Simon_Grünau Kahlberg Raphael_Bock