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89. Kaiser Wilhelm I. hilft eine Kirche bauen.
(Gekürzt.)
I. Die Not der evangelischen Gemeinde in Gaishorn.
1. In Steiermark, das vor Jahrhunderten zum größten Teil evange-
lisch war, bestehen heute zerstreute evangelische Gemeinden, die mitten unter
katholischer Bevölkerung treu an ihrem Glaubensbekenntnis festhalten. Eine
solche treue Gemeinde ist auch die in Gaishorn bei Wald. Bis zum
Jahre 1873 mußten sie aus beschwerlichen Wegen des Sonntags nach Wald
wandern, wenn sie ihr Verlangen nach einem erbaulichen Gottesdienste stillen
wollten. Da erwachte in allen Herzen die Sehnsucht nach einem eignen
Kirchlein; aber die Gemeinde war mittellos. Eines Tages langte aus
Stuttgart ein Taler für den Kirchbau in Gaishorn an. Im Vertrauen
auf den Herrn und die Liebe der evangelischen Glaubensgenossen im
Deutschen Reiche gingen die Gaishorner an die Ausführung ihres sehn-
lichsten Wunsches. Sie kauften um ein Billiges einen Bauplatz, eine Witwe
schenkte das Bauholz, andre gaben den Kalk, andre fuhren Steine, und
das Rührendste war, arme Dienstboten gaben von ihrem spärlichen Ver-
dienste schöne Gaben. Im Jahre 1873 war das Mauerwerk bis zum Dach
aufgeführt, im Jahre 1874 bis 1875 wurde das Dach samt dem Türmchen
fertig. Aber da war's am Ende. Trotz der Liebesgaben, die auch von
fern kamen, stockte der Bau, auf dem bereits 5000 Gulden Schulden
lasteten. Das Kirchlein stand da ohne Türen, ohne Fenster, drinnen kein
Altar, weder Kirchstuhl noch Kanzel. Das waren schwere Jahre.
2. Eben da, wie die Not aufs höchste gekommen, liest am Abend
eines Augusttages des Jahres 1878 der Simon Pilz, der Kurator der
Gemeinde Gaishorn (so ein Vorstand des Gemeindekirchenrats) in der
Zeitung, daß Kaiser Wilhelm nach Gastein gekommen, um dort völlige
Genesung nach seiner Verwundung zu suchen. Da läßt er sein Wägelein
anspannen und fährt nach Wald zum Herrn Senior — so eine Art Super-
intendent — um ihm das zu sagen. Der sagte vorläufig nichts und dachte:
Du willst das einmal im Kämmerlein mit deinem Gott überlegen. Es
war am Freitag. Am Sonntag war Predigt in Gaishorn; man merkte
es der Predigt wohl an, daß des Seniors Herz übervoll war. Am
Dienstag kam der Senior zu Simon Pilz, schaute ihm fest ins Auge und
sagte: „Morgen reisest du im Namen des Herrn nach Eastein zum deutschen
Kaiser!" Da erschrak aber der sonst so feste und zuversichtliche Mann,
aber er sah doch, daß an dem Senior nichts zu ändern war. „Aber,"
sagte dieser zu ihm, „der Herr hat seine Jünger allewege je zween gesandt,
und du sollst nicht allein gehen, ich werde dir einen Reisegesellen holen."
Am Abend ging der Senior aufs Feld und suchte draußen den zweiten
Mann. Das war der Andreas Maierhofer, der arbeitete draußen, daß
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Simon_Pilz Wilhelm Simon_Pilz Andreas_Maierhofer
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in die Winkel. Schwer wurde es auch dem Preußenkönige, diesem Volke
zu nützen. 9hir die Kartoffeln verbreiteten sich schnell; aber noch lange
wurden die befohlenen Obstpflanzungen von dem Volke zerstört, und alle
andern Kulturversuche fanden Widerstand. Ebenso dürftig und verfallen
waren die Grenzstriche mit polnischer Bevölkerung.
4. Es war in der Tat ein verlassenes Land, ohne Zucht, ohne Gesetz,
ohne Herrn. Es war eine Einöde, auf 600 Quadratmeilen wohnten
500 000 Menschen, nicht 850 auf die Quadratmeile. Der König begann
in seiner großartigen Weise die Kultur des Landes, und Westpreußen wurde,
wie bis dahin Schlesien, fortan sein Lieblingskind, das er mit unendlicher
Sorge wie eine treue Mutter wusch und bürstete, neu kleidete, zur Schule
und Ordnung zwang und immer im Auge behielt. Eine Schar seiner
besten Beamten warf er in die Wildnis, die Landschaften wurden in kleine
Kreise geteilt, die gesamte Bodenfläche in kürzester Zeit abgeschätzt und
gleichmäßig besteuert, jeder Kreis mit einem Landrat, einem Gericht, mit
Post und Sanitätspolizei versehen. Neue Kirchengemeinden wurden wie
durch einen Zauber ins Leben gerufen, eine Schar von 187 Schullehrern
wurde in das Land geführt. Haufen von deutschen Handwerkern wurden
geworben, vom Maschinenbauer bis zum Ziegelstreicher herab. Überall
begann ein Graben, Hämmern, Bauen. Die Städte wurden neu mit
Menschen besetzt, Straße auf Straße erhob sich aus den Trümmerhaufen;
neue Kolonistendörfer wurden ausgesteckt, neue Ackerkulturen befohlen. Im
ersten Jahre nach der Besitznahme wurde der große Kanal gegraben, welcher
in einem Laufe von drei Meilen die Weichsel durch die Netze mit der
Oder und Elbe verbindet. Ein Jahr, nachdem der König den Befehl
erteilt, sah er selbst beladene Oderkähne von 120 Fuß Länge nach dem
Osten zur Weichsel einfahren. Durch die neue Wasserader wurden weite
Strecken Land entsumpft und sofort durch deutsche Kolonisten beseht. Un-
ablässig trieb der König, er lobte und schall; wie groß der Eifer seiner
Beamten war, sie vermochten selten ihm genug zu tun. Dadurch geschah
es, daß in wenig Jahrzehnten das wilde, slawische Unkraut, welches dort
auch über deutschen Ackerfurchen aufgeschossen war, gebändigt wurde, daß
auch die polnischen Landstriche sich an die Ordnung des neuen Lebens
gewöhnten, und daß Westpreußen in den Kriegen seit 1806 sich fast eben-
so preußisch bewährte als die alten Provinzen. Gustav Frcytag.
62. Lessing an seine Schwester.
Meißen, den 30. Dezbr. 1743.
Geliebte Schwester!
Ich habe zwar an Dich geschrieben, allein Du hast nicht geantwortet.
Ich muß also denken, entweder Du kannst nicht schreiben, oder Du willst
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Frcytag Gustav Lessing