21. Die deutsche Industrie. 103
und eine Reihe bekannter Heilmittel wie Salicylsäure, Antipyrin
und Phenazetin sind Erzeugnisse aus Steinkohlenteer, die von
einer großen Industrie hergestellt werden. Für diese Erzeugnisse
kommen in der Hauptsache die Fabriken in Höchst, Ludwigs-
Hafen und Leverkusen bei Mühlheim a. Rh.^ in Betracht. In
ätherischen Ölen sind Leipzig und Verlin berühmt.
Industrien, die wiederum ganz auf heimatliche Roherzeug-
nisse angewiesen sind und dabei einen Weltruf erlangt haben,
sino die deutsche Zuckerfabrikation und die deutsche Vier-
brauerei. Uber 70 Mill. hl Vier werden das Jahr über
gebraut. Davon werden 110000 Tonnen für reichlich 20 Mill.
M. nach den Nachbarländern, den Vereinigten Staaten, Indien
und Afrika ausgeführt, dagegen etwa 60 000 Tonnen für 7 Mill.
M. in der Hauptsache aus Böhmen eingeführt. Deutschlands
Viere, besonders die aus Bayern, werden auf dem ganzen Erden-
rund gern getrunken. Deutschland ist das erste Zucker land
der Erde und übertrifft in der Erzeugung selbst die wichtigsten
tropischen Rohrzuckerländer; denn es liefert annähernd ein Drittel
(gegen 2 Mill. Tonnen) des gesamten Rübenzuckers der Erde
(6v2 Mill. Tonnen). Von den rund 400 deutschen Zuckerfabriken
entfallen über 100 allein auf die Provinz Sachsen. Der Zucker-
pol befindet sich in Magdeburg. Jährlich werden für reich-
lich 200 Mill. M. Zucker ausgeführt, besonders nach Großbritan-
nien, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark, Ar-
gentinien und Chile. Das mag die große Bedeutung unserer
Zuckerindustrie ermessen, deren Blüte auch für die Landwirtschaft
von hoher Wichtigkeit ist. Der Zuckerverbrauch ist über-
dies ein zuverlässiger Gradmesser für den Wohlstand des Volkes,
dessen Entwicklung in der Tatsache zum Ausdruck gelangt, daß
der Zuckerverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung sich seit fünf-
zig Jahren annähernd verdreifacht hat. Selbst wenn man in
Erwägung zieht, daß dieses Ergebnis zum Teil auf die Ver-
billigung des Zuckers zurückzuführen ist, ist doch nicht zu bestreiten,
daß eine große Zunahme des Verbrauchs in den minderbemittel-
ten Klassen auf eine hocherfreuliche Zunahme des allgemeinen
Wohlstandes schließen läßt.
An dieser Erscheinung hat unsere Industrie einen nicht
zu unterschätzenden Anteil. Sie kann mit begründetem Stolze
auf ihre technischen Leistungen blicken, sie kann dies umsomehr,
als die fortgesetzte Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter-
schaft eine glänzende Widerlegung der Irrlehre bildet, daß bei
uns die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer würden,
und daß die Vlüte unserer Industrie der Ausbeutung der Arbeiter-
schaft beizumessen sei. Hohe Anerkennung verdient die Arbeit
unserer führenden industriellen Kreise, besonders auch aus dem
Grunde, weil sie die für jedermann sichtbaren Erfolge erzielt hat,
obwohl die deutsche Industrie neben der Last steigender Löhne Opfer
für die gesetzliche Sozialpolitik zu tragen hat, wie sie in keinem
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Extrahierte Ortsnamen: Ludwigs- Leverkusen Mühlheim Indien Afrika Deutschlands Bayern Deutschland Sachsen Magdeburg Norwegen Niederlanden Schweiz Dänemark Chile
122 in. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
Bringt man die deutschen Ein- und Ausfuhrwaren in große
Gruppen, so erkennt man, daß bei vielen Warengruppen die
Ausfuhr stets höher als die Einfuhr steht und umgekehrt. Ein
großes Mehr kommt bei der Einfuhr auf die Rohstoffe für
Industriezweige und Nahrungs- und Genußmittel, bei der Aus-
fuhr auf die Fabrikate; unbedeutend ist auch die Ausfuhr an
Vieh gegenüber der Einfuhr (vgl. stat. Anh. Xxviii und
Xxixa und b).
Rohbaumwolle holt Deutschland zu fast drei Vierteln
des Wertes aus den Vereinigten Staaten von Amerika, sodann aus
Britisch-Jndien, Ägypten, China, Niederländisch-Jndien und der
Asiatischen Türkei, Wolle in der Hauptsache aus Australien,
Argentinien, Vritisch-Südafrika. Uruguay und Osterreich-Ungarn.
Unter den tierischen Rohstoffen haben die Pelztierfelle für
Deutschland eine große Bedeutung; sie beziehen roir in der
Hauptsache aus Rußland und den Vereinigten Staaten von
Amerika. Unter den tierischen Häuten sind für uns am wichtigsten
die Rindshäute, aus Argentinien, Britisch-Jndien, Brasilien,
Frankreich, Uruguay, der Schweiz, China und Madagaskar.
Für unfern Rohseiden bedarf kommt vor allem Italien in Frage,
weiterhin Frankreich, die Schweiz, Japan, China und Osterreich-
Ungarn. Unsern riesigen Bedarf an Eiern decken in der
Hauptsache Rußland und Osterreich-Ungarn; ihnen reihen sich in
großem Abstände erst Holland, Italien, Bulgarien, Rumänien, sodann
Serbien und die europäische Türkei an. Der größte Weizen-
lieferant für Deutschland ist das europäische Rußland; es folgen
Argentinien, die Vereinigten Staaten, Rumänien und Australien.
Als Mais lieferant für Deutschland (jährlich für 60—90 Mill. M.)
hat Argentinien schon seit Jahren die Vereinigten Staaten von
Amerika überflügelt. Fast die gesamte G e r st e einfuhr in das
deutsche Reichsgebiet erfolgt vom europäischen Rußland aus.
(Zu vorhergehenden und nachfolgenden Ausführungen vgl. stat.
Anh. Xxixa und b.)
Die Tropen sind die großen Produzenten des Kautschuks;
den meisten sendet uns immer noch Brasilien, alsdann Kamerun,
der Kongostaat, Mexiko, Niederländisch-Jndien, Britisch-Malakka
und andere Tropenländer. Diese versorgen uns auch mit Palm-
kernen und Palmöl, wie Britisch- und Französisch- West-
afrika, Kamerun und Togo, und Kopra, in der Hauptsache
Niederländisch-Jndien, fernerhin Britisch-Jndien mit Ceylon,
Deutsch-Neuguinea und die Samoainseln.^ Auch Kaffee ist ein
Tropengewächs, das uns zum größten Teil von Brasilien gesandt
wird, sodann aus Guatemala und den andern mittelamerikanischen
Republiken,ausniederländisch-undbritisch-Jndien. Kakaobohnen
(jährlich für nahezu 50 Mill. M.) holen wir uns aus Portugiesisch-
uno Britisch-Westafrika, Brasilien, Ecuador, Venezuela, der Do-
minikanischen Republik und Kamerun, in neuester Heit auch aus
Samoa und Togo. Aus den Tropen beziehen wir ferner die
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Extrahierte Personennamen: M.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Amerika China Niederländisch-Jndien Australien Argentinien Vritisch-Südafrika Uruguay Deutschland Rußland Amerika Argentinien Britisch-Jndien Brasilien Frankreich Uruguay China Madagaskar Italien Frankreich Japan China Osterreich-
Ungarn Holland Italien Bulgarien Serbien Deutschland Argentinien Australien Deutschland Argentinien Amerika Brasilien Kamerun Mexiko Niederländisch-Jndien Britisch-Malakka Kamerun Togo Niederländisch-Jndien Ceylon Brasilien Guatemala Portugiesisch- Brasilien Ecuador Venezuela Kamerun Samoa Togo
38. Die wirtschaftliche und ethische Erschließung unserer Kolonien. 227
Neben der Landwirtschaft hat bereits die Forstwirtschaft
berechtigte Kulturaufgaben uns gestellt. Am größten ist der natür-
liche Waldbestand in Kamerun, wo er eine einzige von Kulturland
wenig unterbrochene Masse, einen etwa 150 km breiten Küstensaum
bildet und im Süden beträchtlich weit ins Innere vordringt.
Kaiser Wilhelmsland und die benachbarten hohen Inseln des
Vismarckarchipels sind noch reicher an Wald. Von hier aus wie
von Kamerun werden verschiedene nutzbare Hölzer in den Handel
gebracht. Das sog. Kamerun-Mahagoni gilt viel bei unsern
Kunst- und Möbeltischlern. Die Mangrovebestände Kameruns
werden auf Gerbsäure ausgebeutet. In Togo finden sich bloß
noch die Reste eines früher reichen Waldes. Hier find größere
Aufforstungen im Gange. Zu ähnlichen Zwecken wie in Kamerun
werden im größern Umfange bereits in Ostafrika die Mangrove-
wälder ausgenutzt. Holzindustrielle Unternehmungen sind in Ost-
afrika bereits emporgeblüht; von einem dieser Unternehmen wird
ein Teil des Schumawaldes in Usambara ausgebeutet. Die
Regierung hat zurzeit in Ostafrika mehr für den Schutz, die
Verbesserung und Vermehrung der Wälder zu sorgen als für
deren Ausbeutung. Nutzwälder von wertvollen Hölzern (Kaut-
schukbäume, Tiekholz usw.) werden angelegt. Reservate von großem
Umfang sind in Ostafrika wie in Kamerun zur Schonung und
künstigen fiskalischen Nutzung auserkoren.
Die Kultivation tropischer Kolonien würde uns nicht gelingen,
wenn wir daselbst nicht eingeborene Völker hätten. Sie sind
eigentlich der wertvollste Schatz in unsern Kolonien.
Wir gebrauchen sie als Arbeiter, wozu sie aber größtenteils
erst herangezogen werden müssen. In der Erziehung zur Arbeit
liegt der erste Hebel, der ein tiefstehendes Volk aus seinem schwan-
kenden Niveau auf eine feste Stufe der Kultur emporzuheben
vermag. In unsern jungen Kolonien macht sich schon hier und
da ein Arbeitermangel empfindlich bemerkbar. Der Eisenbahnbau
zieht viele arbeitende Kräfte an, die in der Hauptsache dem Plan-
tagenbetrieb verlustig gehen. Nicht mit Unrecht bezeichnen die
amtlichen Jahresberichte, die das Reichs-Kolonialamt herausgibt,
die Frage eines günstigen und dauernd ausreichenden Arbeiter-
Marktes als eins der wichtigsten Probleme für die allgemeine
wirtschaftliche Entwicklung unserer Schutzgebiete, in Afrika sowohl
wie in der Südsee. Gerade in letzterm Gebiet sind die Ve-
dingungen für die ausreichende Beschaffung chinesischer Arbeiter
(für die Kakaoplantagen auf Samoa, die Phosphatwerke auf
der Marshallinsel Nauru 2c.) außerordentlich schwierig. In Süd-
westafrika müssen für den Farm- und Bergbaubetrieb viele aus-
ländische Arbeiter, _ meistens sog. „Kapjungen", herbeigezogen
werden. In Ostafrika ist trotz der Eisenbahnbauten ein allge-
meiner Arbeitermangel noch nicht zu verzeichnen, desgleichen in
Kamerun und Togo. An den Küstenplätzen der beiden west-
afrikanischen Kolonien sind auch tüchtige Arbeiter vom tropischen
15*
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39. Die deutschen Kolonien als Rohstofflieferer. 233
besitzen. Auch die Nordgebiete von Südwestafrika sind für Vaum-
wollkultur geeignet. Der Baumwollbau der Eingeborenen, der
durch Hackbau betrieben wird, kann keine beträchtlichem Mengen
für die Ausfuhr liefern. Maschinelle Einrichtungen müssen die
Vaumwollgebiete erschließen. Um für die Kultur dieser Faser-
pflanze stets die genügende Wassermenge zur rechten Zeit zur
Verfügung zu haben, werden in Ostafrika große künstliche Ve-
wässerungsanlagen geschaffen (s. S. 226). Auch Engländer, Franzosen
und Russen denken fleißig daran, Vaumwollgebiete innerhalb
ihrer eigenen Kolonien in größerm Maße zu gewinnen, damit
sie von den Vereinigten Staaten immer unabhängiger werden.
Wir blicken erst auf ein Jahrzehnt unserer Baumwollanbau-
versuche zurück. 1903 brachten die Kolonien Ostafrika und Togo
für 5000 M. Baumwolle zur Ausfuhr, 1910 für reichlich 1 Mill. M.
Ist das wohl ein Anfang, so bedeutet er doch außerordentlich
wenig gegenüber unserm Bedarf. Wenn alle Anzeichen nicht
trügen, werden unsere Kolonien zu Baumwollenländern werden,
die den Hauptteil unsers Bedarfs dieses Rohstoffes decken.
In den Steppen Deutsch-Ostafrikas wächst auch der Vaum-
wollbaum, der Kapok, dessen Faser bisher nur als Kissen-
stopfmaterial diente. Die Errungenschaft, daß diese Faser jetzt
auch gesponnen werden kann, ist für Ostafrika und Togo, vielleicht
auch für die niedriger gelegenen Teile des Ovambolandes in
Südwestafrika, von weittragendster Bedeutung, da steppenartiges
Land für Kapok-Anpflanzungen gut verwendbar ist.
Unter den Nahrungs- und Genußmitteln, die uns die Kolonien
liefern, steht in der Bedeutung der Kakao obenan. Der
Kakao verspricht bei uns ein Volksgetränk im besten Sinne
des Wortes zu werden. Wurden 1880 im ganzen 2250 Tonnen
Kakaobohnen im Werte von 3 Mill. M. nach Deutschland ein-
geführt, so dreißig Jahre später (1910) 44 000 Tonnen im Werte
zu reichlich 45 Mill. M. Die Einfuhr hat sich sonach innerhalb eines
Menschenalters der Menge nach verzwanzigfacht. Unter allen
Ländern steht Deutschland mit seinem Kakaoverbrauch an zweiter
Stelle, nur wenig hinter den Vereinigten Staaten von Amerika;
in weitem Abstand erst folgen Frankreich und England. Deutsch-
land hat darum ein besonderes Interesse an einer Kakaoer-
zeugung innerhalb seines eigenen Wirtschaftsgebietes. Die Ent-
wicklung, die der Kakaobau in den deutschen Schutzgebieten bis-
her genommen hat, berechtigt zu der Annahme, daß der Ver-
wirklichung des Zieles, den Kakaobedarf hauptsächlich aus unsern
Kolonien zu decken, allmählich näher zu kommen sein wird. Wenn
die Ernten gut sind, können wir jetzt bereits 1/10 des deutschen
Bedarfs an Kakao aus unsern Kolonien decken. Kamerun ist
der größte Produzent mit seinen Plantagen, die am Fuße des
Kamerungebirges nach der See zu gelegen sind (Bibundi. Debundja,
Victoria usw.). Der Ausfuhrwert des Kakaos ist von 1906 bis
1910 von reichlich 1 Mill. M. auf 3 Mill. M. gestiegen. Samoa
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Extrahierte Personennamen: Südwestafrika Debundja
Extrahierte Ortsnamen: Ostafrika Ostafrika Togo Ostafrika Togo Südwestafrika Deutschland Deutschland Amerika Frankreich England Victoria
244 Vi. Deutschland als Kolonialmacht.
werden. Für die Schiffsfeuerung auf Kriegs- und Handels-
schiffen ist die Poschankohle vorzüglich geeignet.
Zu der Ausfuhr des Landes steuern jetzt selbst die Chinesen
des engern Pachtgebietes bei. Hauptsächlich werden Birnen und
Apfel in größern Mengen ausgeführt. Die Chinesen bauen außer
verschiedenen Obstsorten Kartoffeln, Hirse, Weizen, Gerste, Gemüse,
Bohnen und Erdnüsse. Die Salzgewinnung in sog. Salzgärten
ist auf der Halbinsel Dintau, im Hintergrund der Kiautschou-
bucht gelegen, in den letzten Jahren in starkem Steigen begriffen.
Der Außenhandel Kiautschous wächst beträchtlich von
Jahr zu Jahr. Gegenwärtig hat der Handelsverkehr von Tsingtau
sogar den von Tschifu überflügelt. Die Gesamteinfuhr nach
Kiautschou hatte 1910/11 einen Wert von reichlich 74 Mill. M. und
die Gesamtausfuhr von 65 Mill. M. (vgl. stat. Anh. Xxxviii d).
Vor allem ist an dem Handelsverkehr China beteiligt, sodann
England, Japan und andere Länder. Deutschlands Anteil ist
zwar noch gering, doch ist er in den letzten Jahren merklicher
als in den Jahren nach der Besitzergreifung gewachsen, be-
sonders seitdem die deutsche Schantunabahn ihren regelmäßigen
Betrieb eröffnet hat.
Deutschland holt von Kiautschou (im ganzen für etwa
V2 Mill. M.) Seide und Seidenwaren, Strohgeflechte. Rindshäute
Baumwolle, Erdnüsse und führt nach Kiautschou aus
(im Jahre 1910/11 für 19 Mill. M.) Eisenröhren, Geschosse,
Kanonenrohre, Schießpulver und Sprengmittel, Zigarren und
Zigaretten, Eisenbahnbaumaterialien. Lokomotiven, Eisenwaren,
Nähnadeln, Romanzement, Schaumwein, Vier, vor allem jedoch
Anilinfarben und künstlichen Indigo (f. 10 Mill. M). (Über
wichtige Ausfuhrwaren Tsingtaus vgl. stat. Anh. Xxxx.)
Wir können von Kiautschou nicht scheiden, ohne noch des
geistigen Einflusses der Kolonie auf China gedacht zu
haben. Die deutschen Lehrer, Arzte und Forstbeamten haben
sich bereits weit über die Grenzen des Schutzgebietes Anerkennung
errungen. Die Chinesen bemühen sich, die Tätigkeit unserer
Kulturträger nachzuahmen. Die Aussicht für Tsingtau, ein
deutsches Kulturzentrum im asiatischen Osten zu werden, wird
durch die deutschen Schuleinrichtungen wesentlich gefördert. Es
gibt Schulen für Knaben wie für Mädchen, weiterhin Forst- und
Handwerkerschulen. Das Realgymnasium hat die Berechtigung,
das Reifezeugnis zum einjährig-freiwilligen Dienst zu erteilen.
Eins der bedeutungsvollsten Ereignisse in dem Schutzgebiet war
die Eröffnung der deutsch-chinesischen Hochschule am
25. Okt. 1909 (s. S. 179). Sie wird mit Mitteln des Deutschen
Reichs unterhalten, von der chinesischen Regierung unterstützt und
ist von letzterer mit den Rechten einer kaiserlich chinesischen Hoch-
schule ausgestattet worden. Die Schule besteht aus zwei Stufen;
die untere entspricht einer Realschule, die obere mehr einer Hoch-
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Tsingtau China England Japan Deutschlands Deutschland China Tsingtau
90 Iii. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
gefähr in südnördlicher Richtung verläuft. Neben der 480 m
langen und 20 m breiten Auktionshalle befinden sich Eisschuppen,
Marinierhäuser, Räuchereien, Klippfisch-, Fischmehl- und Leber-
tranfabriken, Unterkunftsräume für die Fischer und ein besonderer
Bahnhof. 1892 wurden in Geestemünde 16,4 Mill. Pfund Fische
für 1,8 Mill. M. verauktioniert, 1910 hingegen 68 Mill. Pfund
im Werte von 7,6 Mill. M.
Die Hochseefischerei hat uns immer mehr zum Bewußtsein
geführt, daß die Ozeane mit ihren Nebenmeeren, die früher als
„Wüsten" verschrieen waren, durch ihre Erzeugnisse ausschlug-
gebende Faktoren der Weltwirtschaft sind. Nicht bloß darin, daß
sie direkt Nahrungsmittel liefern, besteht ihre wirtschaftliche Be-
deutung, sondern auch in der Schaffung von Grundlagen zu
großen Industrien. Auf deutschem Boden sind hauptsächlich in
Geestemünde, wie oben schon erwähnt, verschiedene Fischin-
dustrien emporgeblüht. Die Klippfischfabrik ist die neueste
dieser Unternehmungen; ihre Erzeugnisse sind weit gesucht, in-
sonderheit werden sie von dem lateinischen Amerika den nor-
we^ischen Klippfischen vorgezogen. In Geestemünde, auch an
einigen Ostseeplätzen, besonders aber in Kiel und in dessen Nähe
ieckernförde) befinden sich große Fischräuchereien und Marinier-
anstalten. Gegen 25 Mill. M. beträgt der Wert der jährlich in
Deutschland zu Räucherwaren und Marinaden verarbeiteten Fische.
K-"*- 20. Die natürlichen Schatzkammern und die Werkstätten
7 des deutschen Bergbaues.
Schätze des Bodens sind ein wichtiger Nationalreichtum.
Kein Land verfügt über alle mineralischen Schätze, die _ durch
die menschliche Wirtschaft ausgenutzt werden. Das Mineral-
reichste Land, das wir bis jetzt kennen, sind die Vereinigten
Staaten von Amerika. Doch ist zu bedenken, daß dieses Land
eine siebzehnmal größere Fläche als das Deutsche Reich einnimmt;
und im Hinblick auf seine Flächenausdehnung kann Deutschland
mit seinen Bodenschätzen sehr zufrieden sein und steht da-
mit unter den Staaten Europas an erster Stelle. Die Boden-
schätze haben großen Einfluß auf unsere geistige und sinnliche
^materielle) Kulturentwicklung ausgeübt, und unser^ Vormarsch in
der industriellen Leistung andern europäischen Ländern gegen-
über ist wesentlich ein Ergebnis dieses Einflusses. Viele geistige
Kräfte, die nach Betätigung drängen, werden durch den Bergbau
beschäftigt. Gewaltige Aufgaben sind dem modernen Bergbau erwach-
sen und zu ihrer Lösung bedarf es einer großen Summe geistiger
Arbeit. Die Kräfte, die den modernen Bergbau und das moderne
Hüttenwesen leiten, werden in den Hochschulen zu Clausthal,
Freiberg i. Sa., Berlin, Aachen und Breslau ausgebildet.
Die Erde läßt sich ihre Schätze nicht kampflos entringen, und
frischer Wagemut und Unternehmungsgeist, seltene Ausdauer und
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr]]
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Geestemünde Kiel Deutschland Amerika Deutschland Europas Clausthal Freiberg Berlin Aachen Breslau
112 Iii. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
Va Milliarde Tonnen Güter befördert (vgl. stat. Anh. Xxiii).
Der Überschuß der Betriebseinnahmen über die -ausgaben betrug
in den letzten Jahren stets über 800 Millionen M., d. h. 5%
und darüber vom verwendeten Anlagekapital. Dieser Prozent-
satz ist bis jetzt von keinem Staate der Erde erreicht worden.
Die zurückgelegten Personenkilometer betragen des Jahres
weit über 30 Milliarden und die Tonnenkilometer über
50 Milliarden.
Unter den beförderten Gütern nehmen die Steinkohlen
einschließlich des Steinkohlenkoks die größte Tonnenmenge ein,
des Jahres über 100 Millionen Tonnen; alsdann folgen die
Bruch- und Bausteine, die verschiedenen Erden und Sande, die
rohen Braunkohlen und die Braunkohlenbriketts (vgl. stat. Anh.
Xxiv). Andere wichtige Güter, die verfrachtet werden, sind
Eisen und Eisenerz, Nutz- und Brennholz, Düngemittel, Kartoffeln,
Getreide, Kalk, Eisen- und Stahlwaren, Zement, Mehl und
Mühlenfabrikate. Auch Pferde, Rinder, Schafe, Schweine, Geflügel
und sonstiges Vieh werden jährlich in einem Gesamtgewicht von
5 Millionen Tonnen durch die Eisenbahn befördert.
Neben den Eisenbahnen spielen im Verkehr von Ort zu
Ort die L a n d st r a ß e n noch eine große Rolle. Gewiß hat die
Entwicklung der Eisenbahnen die großen Kunststraßenzüge in den
Hintergrund gedrängt, aber als Saugadern des Eisenbahn-
Verkehrs behaupten sie immer noch eine hervorragende Stelle;
ja in neuerer Zeit ist ihre Bedeutung durch den Automobil-
verkehr beträchtlich wieder in die Höhe gerückt worden. Im
Deutschen Reiche dienen gegen 55000 Kraftfahrzeuge vorzugsweise
der Personenbeförderung und 5000 Kraftfahrzeuge finden Haupt-
sächlich zur Lastbeförderung Verwendung.
Die Anfänge eines geregelten Straßenbaues gehen in Deutsch-
land bis auf das 13. Jahrhundert zurück. Die großartigen
Brückenbauten aus jener Zeit sind Zeuge von der Kunst des
damaligen Straßenbaues. Die Hauptstraßen, die Deutschland
durchzogen, hatten ihre wichtigsten Knotenpunkte in Nürnberg,
Frankfurt a. M. und Leipzig. Frühzeitig wurden auch die
deutschen Mittelgebirge mit Wegen durchbahnt. Der Thüringer
Wald ist das wegsamste unserer Mittelgebirge geworden. _ Die
erste kunstgemäße Straße wurde 1753 in Schwaben, zwischen
Nördlingen und Öttingen, erbaut. Viel Einfluß gewann der
französische Kunststraßenbau (deshalb auch die Bezeichnung
„Chaussee") und späterhin der englische. Mit der Entwicklung
des Jngenieurwesens hat sich der Straßenbau zu immer größerer
Vollkommenheit ausgebildet. Die deutschen Landstraßen sind
wegen ihrer guten Bauart und wegen ihrer ausgezeichneten
Pflege berühmt und geschätzt. Immer wird für einen Staat
der gute Zustand und die Dichte des Wegenetzes ein
Kulturmaß st ab erstenranges sein. Nicht ohne Grund ist
das Wegenetz auf den staatlichen Kartenwerken, also auf den
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Nürnberg Frankfurt Leipzig Schwaben
118 . Hi. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
100 _ Tage und die Heimreise über 100 Tage. Der deutsche
„Reisfahrer" holt von den hinterindischen Küsten Reis, die zweit-
wichtigste Segelschiffahrtware. Die bedeutendsten Reishäfen,
die von deutschen Seglern angelaufen werden, sind Rangun im
Jrawadidelta, der erste Reiseexportplatz, Saigon im Mekong-
delta, Bangkok, Vassein am Jrawadi, Akyab im nördlichsten
Zipfel der Bengalischen Bucht und Moulmein im Golf von
Martaban. Andere wichtige Segelschiffahrtwaren sind Kohlen,
die gern von Cardiff mitgenommen werden, ferner Petroleum,
Getreide, Hanf, Kopra, Holz, Steine, Eisenwaren, Zucker, Kaffee,
Kakao, Rohbaumwolle, auch Erzeugnisse der Schweinezucht.
Die Dampfer beherrschen den gesamten Personenverkehr
und zum überwiegenden Teile den Frachtverkehr zur See. Für
ihre Bevorzugung im Weltverkehr spricht die außerordentliche
jährliche Steigerung der Dampfertonnenräume (vgl. stat. Anh. Vii).
Da die Dampfer weniger von Wind und Wetter abhängig sind
als die Segelschiffe, so befahren sie auf Aus- und Heimreise die
gleichen Routen, während die Segler verschiedene Wege einschlagen,
je nach den vorherrschenden Winden. Der Segler gebraucht z. B.
auf der Ausreise nach Neuyork 48 Tage, auf der Heimreise, wo
ihm die Westwinde zustatten kommen, nur 31 Tage. Der
Frachtdampfer hat für Hin- und Rückreise je 14 bis 16 und
mehr Tage nötig, der deutsche Personenschnelldampfer nur 6 bis
8 Tage. Der Vorteil der Dampfer gegenüber den Seglern
besteht nicht bloß in der Bewältigung größerer Transportmengen,
sondern auch in dem schnellern und'pünktlichern Verkehr (S. 19).
Zeitersparnis ist zuletzt auch das Ziel der Schiffs- und Seewirtschaft.
Von dem europäischen Westen gehen diemeistendampfer-
linien aus. Die Hochbahnen der deutschen Dampfer durch-
ziehen alle Meere, soweit diese dem menschlichen Verkehr keine
natürlichen Schranken entgegensetzen. Die wichtigsten deutschen
Dampferlinien verknüpfen Deutschland mit Amerika,
zunächst mit Nord- und Mittelamerika. Die Fahrt von
Hamburg oder Bremerhaven aus dauert bis nach Neuyork, wie
bereits bemerkt, 6 bis 8 Tage, nach Neuorleans 19 Tage und
Galveston 21 Tage. Die mexikanischen und mittelamerikanischen
Häfen werden in 30 Tagen erreicht. Die Fahrtdauer von
Hamburg nach den westindischen Küstenplätzen beansprucht, je
nachdem verschiedene Zwischenplätze angelegt werden, 18 bis
32 Tage. Die „Prinzendampfer" fahren bis Havana 17 Tage.
Unter den Dampferlinien, die Südamerika mit Deutsch-
land verknüpfen, nehmen die Verbindungen mit Brasilien und
Argentinien die erste Stelle ein. Die Dampferfahrt nach Nord-
brasilien bis Manaos am Amazonenstrom dauert 26 Tage, nach
Mittelbrasilien 19 bis 20 Tage, nach Südbrasilien und den Laplata-
staaten 21 bis 31 Tage. Der südlichste Hafen des amerikanischen
Festlandes, Punta Arenas, wird in 40 bis 42 Tagen erreicht,
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39. Die deutschen Kolonien als Rohstofflieferer. 231
hervor, so z. B. die Herstellung von Maschinen und Transport-
Mitteln für die tropische Landwirtschaft. Durch den Uberseever-
kehr nach eigenen Kolonien und der daselbst betriebenen Kultivation
geben wir der deutschen Arbeitskraft neue Impulse, lohnendere Be-
schäftigung. Wir zählen jetzt 65 Millionen Seelen im Mutterland,
mit jedem Jahre vermehrt sich unsere Bevölkerung fastum eine weitere
Million. Wir wollen keinen Überschuß an fremde Staaten abgeben,
denn die Menge schaffender Hände macht den Reichtum eines Volkes
aus. Daher galt es für unsere bestehende Bevölkerung den Lebens-
unterhalt, d. h. Arbeit zu schaffen und für das kommende Geschlecht die
gleiche Möglichkeit zu sichern in einem Umfang, der dem Stande
europäischer Zivilisation und der Kulturaufgabe des Deutschtums
entspricht.
Die deutschen Kolonien haben sich während der kurzen Zeit
ihres Bestehens zu bedeutenden Rohproduzenten wichtiger
tropischer Erzeugnisse, die zum größten Teil nur der deutschen
Industrie zugute kommen, entwickelt. Tierische, pflanzliche
und mineralische Erzeugnisse bringen uns die Kolonien.
(Über den Ausfuhrwert verschiedener Erzeugnisse vgl. stat. Anh.
Xxxix a-f.) *)
Die Pflanzenwelt liefert bis jetzt die wichtigsten Erzeug-
nisse. Unter ihnen steht der Kautschuk obenan. Kamerun
bringt den meisten Kautschuk. Er hatte im Jahre 1910 einen
Ausfuhrwert von 11 Millionen M, wovon für 10 Millionen
allein nach Deutschland ging. Vis jetzt hat noch kein Jahr eine
ähnlich hohe Ernte ergeben. Als Kautschuklieferanten kommen
noch Togo und seit 1906 Neuguinea in Betracht. Der Wert und
der Weltverbrauch des Kautschuks und der ihm verwandten
Guttapercha sind seit einigen Jahrzehnten außerordentlich gestiegen,
und zwar im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der elek-
trischen Industrie und dem Aufblühen der Fahrrad- und Automobil-
Industrie. Die deutsche Industrie bedarf jetzt (1910) für etwa
250 Mill. M. Kautschuk, wovon unsere Kolonien x/io liefern, 1901 war
es nur V26 bei einem Gesamtbedarf von kaum 50 Mill. M.
Nächst wichtige tropische Rohprodukte liefert die Ölpalme in
Kamerun und Togo. Die Ausfuhr von Palmkernen ist fast
ganz nach Deutschland gerichtet und die von Palmöl etwa zur
Hälfte. Die Nachfrage nach kolonialen Olstoffen suchen auch
Kopra, Sesam, Erdnüsse u. a. zu befriedigen. Als Lieferant für
Sesam und Erdnüsse kommt Ostafrika in Frage. Kopra, die
zerstückelte und getrocknete Kokosnuß, wird uns von Ostafrika,
Togo, vor allem jedoch von Neuguinea mit dem Jnselgebiet und
*) Hierbei sei nochmals auf die ausführlichen kartographischen und
figürlichen Darstellungen in meinem„Wirtschastsatlas der deutschen Kolonien"
(Verlag von Dietrich Reimer in Berlin) hingewiesen, desgleichen auf die
Wirtschaftskarten der deutsch en Kolonien in dem hier mehrfach
zitierten „Kleinen Atlas der Wirtschafts- und Verkehrsgeographie" (Verlag
von Hermann Schroedel in Halle a. S.).
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232 Vi. Deutschland als Kolonialmacht.
von Samoa gesandt. Auf den Marianen. Karolinen und Palau
sind die Kokospalmen die ausschließliche Grundlage des Wirtschaft-
lichen Lebens. Ein- und Ausfuhr der Südseegebiete hängt, wenn
von den neuern Phosphatfunden abgesehen wird, ganz von dem
Gedeihen der Kokospalme ab. Sie bedarf hier wie überall einer
gewissen Pflege, auch von feiten der Eingeborenen, wenn sie gute
Früchte zeitigen soll.
Von den Faserpflanzen hat die Sisalagave schnellen Ein-
gang in Ostafrika gefunden. Auch in den andern Kolonien be-
ginnt man langsam mit deren Kultur. Während 1899 Ostafrika
für 15000 M. Sisalfasern ausführte, so 1910 bereits für reichlich
3 Mill. M., die fast ganz für die deutsche Industrie bestimmt sind.
Ostafrika besitzt zudem selbst eine einheimische vortreffliche Faser-
pflanze, die Sanseviera, die auf den Hochsteppen des Landes
gedeiht. War die Gewinnung der Sansevierenfaser früher sehr
schwierig und besonders bei den Eingeborenen sehr verhaßt, so
ist jetzt das Problem der maschinellen Aufbereitung der Faser
gelöst und die Sansevieren kommen bereits unserer Nachfrage
nach Hanffasern entgegen. Bei den Sisal- und andern Hanffasern
kann leicht Überproduktion eintreten, weniger indes bei einer andern
der meist gebrauchten Faser, der Baumwolle. Baumwollbau
wird wohl von den Eingeborenen in Togo, in Kamerun und
Ostafrika schon seit altersher betrieben, aber mehr für den eigenen
Gebrauch als für die Ausfuhr. Regierung, Reichstag, Presse,
Handel und Industrie in Deutschland sind nie einiger gewesen
als in der Frage, wie nötig es sei, das wichtigste Rohprodukt
unserer Textilindustrie, die Baumwolle, in eigenen Kolonien zu
pflanzen. Deutschlands Verbrauch an Baumwolle hat sich während
eines Menschenalters (zu dreißig Jahren gerechnet) dem Wert nach ver-
dreifacht. Im Jahre 1882 hatte die Einfuhr einen Wert von nicht ganz
180 Mill. M., 1910 hingegen von 561 Mill. M. Und dieser
riesige Verbrauch muß bisher fast ausschließlich aus fremden
Wirtschaftsgebieten befriedigt werden, in erster Linie aus den
Vereinigten Staaten, sodann aus Ägypten, Indien und andern
Kolonialländern. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, eine so un-
geheure Summe von über 1j2 Milliarde M., die doch in der
Hauptsache von deutschen Verbrauchern aufgebracht werden muß,
mindestens zu einem erheblichen Teil im Lande zu lassen, _ tritt
in ihrer Bedeutung fast hinter der politischen Notwendigkeit
zurück, die deutsche Textilindustrie, einer der Haupteinnahmequellen
der steuerzahlenden Bevölkerung, vor der Gefahr zeitweisen Ver-
lustes ihres Rohstoffes infolge politischer Verwicklungen zu schützen.
Es ist klar, was es für ein Volk von 65 Millionen Menschen
bedeutet, wenn eine Einnahmequelle wie die Textilindustrie,
über Nacht versiegt, weil die Arbeit aus Mangel an Rohstoff
aufhört.
Genauere Untersuchungen haben erwiesen, daß wir ausge-
zeichnete Baumwolländereien in Togo, Kamerun und Ostafrika
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Extrahierte Personennamen: M. Milliarde_M.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Samoa Ostafrika Ostafrika Ostafrika Togo Kamerun Ostafrika Deutschland Deutschlands Indien Togo Kamerun