Deutsches Reich — Geschichtlicher U eberblick. 791
natürlich die Angelegenheiten des Bundes ganz anders betrachten, als der
österreichische Kaiser. Beide Mächte hatten verschiedene Ziele im Auge und
übten deshalb oft entgegengesetzten Einfluß auf die anderen Bundesglieder. Der
Bundestag vermochte nichts dagegen. Ohne Oberhaupt, unterhielt er auch
keine Gesandtschaften bei fremden Mächten; das war nur Sache der Groß-
staaten Preußen und Oesterreich, neben deren Botschaftern man an fremden
Höfen auch Gesandte von unsern Mittelstaaten sah, die sich häufig und
nachtheilig genug von außerdeutschen Mächten beeinflussen ließen. Der
Bundestag galt deshalb im Auslande wenig, der Zollverein war sogar
wichtiger, und niemand konnte sichs verhehlen, daß mit dem lockern Staaten-
bunde von 1815 nichts zustande gekommen, was politisch besser gewesen
wäre als der vorherige Reichsverband.
So wenig demnach dieser Staatenbund befriedigen konnte, so hatte doch
mindestens die Zusage ständischer Verfassungen, womit auch bald einige
Staaten rühmlich vorangingen, etwas Erfreuliches. Fürs erste athmete
Deutschland wenigstens wieder von fremdem Joche frei, und genoß des
lange entbehrten Friedens, und der Friede war dauernd und in
vieler Beziehung beglückend, wie der, welcher den Thaten Friedrichs des
Großen gefolgt war. Der deutsche Fleiß schaffte die Ruinen fort, die an
den Krieg erinnerten; der Landbau verbesserte sich, die Gewerbe blühten
wieder aus, die Zahl brauchbarer Heerstraßen wuchs, und bald fuhren
Dampfschiffe auf den Strömen, denen eifrigst die Anlage von Eisenbahnen
folgte. Der Verkehr im Innern belebte sich, wie der in den Häfen des
Nordens, wo namentlich Hamburg und Bremen zu Welthandelsplätzen ersten
Ranges heranwuchsen, von den innern Zollschranken fiel eine nach der an-
dern, und der Staatshaushalt der meisten Länder ward geregelt wie selten
zuvor, sowohl in Preußen, wo der Könige Einfachheit und Sparsamkeit
wirkte, als auch da, wo das Institut der neuen ständischen Kammern zu-
nächst in finanzieller Hinsicht seine Notwendigkeit bewährte und den Bauern-
stand in der Ablösung von allerlei mittelalterlichen Lasten, Zehnten z. B.
und Druck der Jagdrechte, zu erleichtern suchte. So hob sich das Selbst-
gefühl der Bürger und Bauern. Da und dort wurden auch neue Gefetz-
bücher berathen und eingeführt; wie denn überhaupt im geistigen Gebiete
nicht mindere Regsamkeit herrschte, als im materiellen. Am Schul-
Wesen wurde hin- und hergeändert, oft fogar gebessert, außer daß man in
Betreff der Volksschulen zu sehr sparte, und für den höhern Unterricht häufig
zu ausgedehnte Lehrpläne und Examina vorschrieb. — Das Studium der
mathematischen und der Naturwissenschaften verbreitete sich in
dieser Friedenszeit ganz besonders, sowohl wegen des eignen innern Werthes,
als auch wegen des industriellen Nutzens; wer hat nicht die Namen: Fraun-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Oesterreich Deutschland Nordens Hamburg
Deutscher Bund — Geschichte.
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Ereignissen, wo sie auch zu Tage kamen, zollte er deshalb seinen Beifall, kühlte
aber grade dadurch bei besitzenden und nachdenkenden Bürgern die feurige Theil-
nahme ab, womit sie die Erstrebung nationaler Einheit anfangs begrüßt hatten.
Und als das Parlament über die Reichsverfassnng berathschlagte, war er es, der
eine so starke Beimischung demokratischer Elemente und schließlich, als conditio
sine qua nun seiner Zustimmung, ein alle Rücksicht auf bürgerliche Zustände,
und ans künftige Dauer der Verfassung, so wenig beachtendes Reichswahlgesetz
veranlaßte, daß schon dadurch der glückliche Ansgang der Sache gefährdet schien.
Daß man auf solchen Compromiß mit der Linken einging, ist übrigens viel-
fach bedauert worden. Im Grunde war es ein Act der Verzweiflung, da sich
zwei monarchische Partheien gegenüber standen, deren eine die Herstellung des
deutschen Kaiserthums nur für möglich hielt, wenn es als besonderes Großreich
neben Oestreich-Ungarn dastehe, die andre dagegen ans Erhaltung Oestreichs im
deutschen Reichsbund beharrte. Die Linke konnte den Ausschlag geben, man ge-
wann sie also durch Zugeständnisse, und so kam folgender Beschluß zu Stande:
der deutsche Bund, mit Ausnahme Oestreichs 33 Millionen umfassend, solle
einen Erbkaiser, nebst einem besondern verantwortlichen Reichs-
ministerium, an der Spitze haben, die gesetzgebende Gewalt aber
auf dem Fürsten ko llegin m und einem Rep rä sent a n te n-H ause be-
ruhen. Eine möglichst dauerhafte Freundschaft mit dem von Deutschland ge-
trennten östreichischen Kaiserstaate, meinte man, werde später nicht ausbleiben,
und die Verbündung beider selbständiger Reiche auch für Europa von höchstem
Werthe sein.
Hieraus, am 28. März 1849, fünf Tage nach dem Siege Radezky's bei
Novara in Piemont, ward der König von Preußen zum Erbkaiser erwählt.
Aber — Männer der Linken hatten durch ihre Zustimmung den Beschluß möglich
gemacht, und keck genug ihren Beweggrund nicht verhehlt, nämlich die Hoffnung,
später mit Hülfe des nltrademokratischen Wahlgesetzes den Erbkaiser so leichtlich
stürzen zu können, wie die Pariser den Orleans. Dies wirkte eben nicht er-
munternd; und da schon vorher das östreichische Kabinet protestirt, auch einige
andre Mitfürsten die Gültigkeit einer nur vom Parlament entworfenen, nicht zu-
gleich von den Bundesgliedern sanctionirteu, Reichsverfassuug verneint hatten,
folglich auch die Wahl des Kaisers für einen die Befngniß des Parlaments über-
schreitenden Akt erklärten: so lehnte der König die Annahme der Krone
ab, mit der Bemerkung, erst mit den Fürsten Rücksprache nehmen zu wollen.
Eine verhänguißvollere Antwort ist vielleicht nie gegeben. Sie schlug verwirrend
in die Hoffnungen vieler, sowohl Einheiksfreunde, als demokratisch Gesinnter.
Vergeblich bestand die Majorität des Parlaments auf ihren Beschlüssen, die schon
die Billigung mehrerer kleinen Fürsten und Freistädte sich erworben. Vergeblich
erhob mau, um die Reichsverfassung zu verfechten, theils auch in republikanischem
Tinn, zu Dresden, in Baden und der Pfalz, die Fahne des Aufruhrs. Oestreich
ries seine Landsleute aus der Paulskirche ab, und Preußen folgte am 14. März
seinem Beispiel. Die Frage: Klein - oder Großdeutschland? riß die Ge-
müther, die nirgend eine machtvolle Charallergröße als Leitstertl sahen, nach ver-
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Extrahierte Personennamen: Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Oestreichs Deutschland Europa Dresden Baden
Deutscher Bunv — Geschichte.
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souveräner Mitglieder des Bundes gebildet, also auch solcher Fürsten, die ihre
Hauptthrone im Ausland hatten. Den mächtigeren verlieh man mehr Stimmen
als den schwachen; über wichtige Gegenstände nämlich, wo es Grundgesetze des
Bundes beträfe, sollten 70 Stimmen, sonst nur 17 abzugeben, und zur ent-
schiednen Mehrheit zwei Drittel derselben erforderlich sein. Für gemeinschaftliche
Kriege setzte man die Zahl der Bundestruppen fest, nämlich ein Procent der Be-
völkerung, und ferner die Verpflichtung, daß kein Bnndesglied für sich allein mit
dem Feinde unterhandeln dürfe. Auch wurden sofort die Festungswerke von Mainz,
Luxemburg. Landau, Rastadt und Ulm, dem Bunde zur Verfügung gestellt. Alle
Souveränitäten blieben dabei dem Auslande gegenüber durchaus selbständig, mit
eignen Gesandten und Verträgen. Was schließlich die Wünsche des deutschen
Volkes betraf, so versprach die Bundesakte (§. 13) land ständische Verfas-
sungen, jedoch ohne nähere Bestimmungen über das Wann und Wie. was
den Regierungen überlassen blieb.
So wenig der Slaatenbnnd an sich befriedigte, so hatte doch die Zusage
ständischer Verfassungen, womit auch bald einige Staaten rühmlichst vorangingen,
etwas Erfreuliches; und da vom Bundestage möglicherweise viel Gutes ausgehen
konnte, so mußte man sich vorläufig dabei beruhigen. Fürs Erste athmete Deutsch-
land wieder von fremdem Joche frei, und genoß des lange entbehrten
Friedens, und der Friede war dauernd und in vieler Beziehung beglückend,
wie der, welcher den Thaten Friedrichs des Großen gefolgt war. Der deutsche
Fleiß schaffte die Ruinen fort, die an den Krieg erinnerten; der Landbau verbesserte
sich, die Gewerbe blühten wieder auf, die Zahl brauchbarer Heerstraßen wuchs,
und bald fuhren Dampfschiffe auf den Strömen, denen zuletzt eifrigst die Anlage
von Eisenbahnen folgte. Der Verkehr im Innern belebte sich, wie der in den
Häfen des Nordens und des adriatischen Meers. Selbst von den innern Zoll-
schranken fiel eine nach der andern, hauptsächlich durch den preußischen Zoll-
verein; und der Staatshaushalt der nieisten Länder ward geregelt wie selten
zuvor, sowohl in Preußen, wo des vorigen Königs Einfachheit und Sparsamkeit
wirkte, als auch da, wo das Institut der neuen ständischen Kammern zunächst in
finanzieller Hinsicht seine Nothwendigkeit bewährte und den Banerstand in der
Ablösung von allerlei mittelaltrigen Lasten, Zehnten z. B. und
Druck der Jagdrechte, zu erleichtern suchte. So hob sich das Selbstgefühl der
Bürger und Bauern. Hie und da wurden auch neue Gesetzbücher berathen
und eingeführt; wie denn überhaupt im geistigen Gebiete nicht mindere Reg-
samkeit herrschte, als im materiellen. Am Schulwesen wurde hin und her
geändert, oft sogar gebessert, außer daß man in Betreff der Volksschulen noch
zu sehr sparte, und für den höhern Unterricht zu ausgedehnte Lehrpläne und
Examina vorschrieb, als gälte es, die Jugend mit Wissen zu überfüllen und
blaffe frühzeitige Gelehrsamkeit über gesunde Bildung zu stellen.
Das Studium der Naturwissenschaften und der Mechanik verbreitete
sich in dieser Friedenszeit ganz besonders, sowohl wegen seines eignen innern
Werthes, als auch wegen seines industriellen Nutzens; wer hat nicht die Namen
Gerstner, Rose, Liebig, Befiel, Humboldt re. gehört! In der Geschichte ver-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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