216 Das Königreich Italien.
In der Nähe von Girgenti (an der 8-Küste der Insel) befinden sich die
großartigsten Tempelruinen des Alterthums; aber der ehemalige Glanz der Stadt
ist längst dahin und nur die reichen Schwefelminen der Umgebung gewähren den
Anwohnern kärglichen Verdienst.
Nördlich von der sicilischcn Küste sind die Liparischen Inseln zu er-
wähnen, deren nördlichste, Stromboli, einen ununterbrochen thätigen Vulkan besitzt.
Die Insel Sardinien ist besonders im östlichen Theile durchweg gebirgig
und vielfach von großen Waldungen bedeckt. Die Niederungen an den Küsten
sind ungesund, aber fruchtbar, doch liegt der Ackerbau sehr darnieder. Die Insel
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214 Das Königreich Italien.
Palatin, das Colosseum, das zur Kirche umgewandelte Pantheon, Triumph-
bögen, vas Capitol und Forum Nomanum, auf dem heute Viehherden verweilen.
Der ehemalige päpstliche Palast, Quirinal, ist gegenwärtig Residenz des Königs von
Italien. Am südöstlichen Ende Roms liegt „aller Kirchen der Stadt und des Erd-
kreises Mutter und Haupt": San Giovanni in Laterano, daneben der Lateran-
Palast, die frühere Residenz der Päpste. Auf der rechten Seite des Tiber erhebt sich
die feste Engelsburg, ursprünglich Mausoleum des Kaisers Hadrian; auf dem
Petersplatze die ungeheure St. Pcterskirche, deren gewaltige, stundenweit sichtbare
Kuppel dem Wanderer in der Campagna zuerst die Nähe Noms ankündigt. Der be-
nachbarte Vatican, die Residenz des souveränen Papstes, ist der größte Palast Europas.
Er enthält die sixtinische Kapelle mit den großartigen Fresken Michel Angelo's,
die Säle (Stanze) mit Raphael's unerreichten Malereien, sowie in der Antikensammlung
die herrlichsten Kunstschätze des klassischen Alterthums.
Südöstlich von Rom erhebt sich die mit schattigen Wäldern bedeckte vulkanische Gruppe
der Albaner Berge, noch jetzt wie vor Jahrtausenden der beliebte Sommeraufenthalt
vornehmer Römer. Gegen das Meer hin dehnt sich die öde Campagna aus, an die
südlich die Pontinischen Sümpfe anschließen, eine im herrlichsten Grün prangende,
von Herden halbwilder Büffel belebte Gegend, deren Luft indeß dem Menschen ge-
fährlich ist.
Während in Rom Alles an eine großartige Vergangenheit erinnert, ist
Neapel (450 000 Einwohner) vorzugsweise die Stadt der heileren Gegenwart.
Am mittleren dreier herrlicher Golfe, in der fruchtbaren Campagna felice, mit
einer Umgebung, die alle Schönheiten und Schauer der Natur vereinigt, ist die
Lage Neapels — besonders vom Meere gesehen — unvergleichlich. Im Inneren
bietet die Stadt, welche zahlreiche krumme und schmale Straßen hat, wenig Her-
vorragendes; merkwürdig ist dagegen das vom heiteren Himmel begünstigte, ja
hervorgerufene Leben und Treiben der Bevölkerung auf den Straßen.
Längs der Ostküste des Golfs von Neapel erhebt sichln paradiesischer Umgebung
eine fast ununterbrochene Reihe von Ortschaften, überragt von dem flachen Kegel des
Vesuv (1290m), den die Felsmasse der Somma halbkreisförmig wie ein Mantel um-
gibt. Die Somma ist der Nest eines früheren, ungleich größeren Kraters, der haupt-
Fig. 86.
sächlich die ungeheuren Lava- und Aschenmassen auswarf, welche den Boden der Campagna
bilden. Aber auch die Ausbrüche des Vesuv selbst haben im Laufe der Zeiten beträcht-
liche Veränderungen der umgebenden Oberfläche hervorgerufen und unter anderen die
römischen Städte Hcrculanum, Pompeji und Stabiä (im Jahre 79 v. Chr.)
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Extrahierte Personennamen: Giovanni Hadrian Michel_Angelo's
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Roms Laterano Europas Rom Rom Neapel Neapels Neapel Pompeji
258
Abessinien und die Ostspitze Afrikas.
In Oberägypten ist das Nilthal schmal und stellenweise tritt die Wüste fast un-
mittelbar an den Strom. Zahlreiche Trümmer uralter Riesenbauten (Tempel und
Paläste) ziehen sich längs der Ufer hin. Am großartigsten zeigen sich diese Ueberreste
.in dem Ruinenfelde der altägyptischen Königsstndt Theben. Sie dehnt sich zu beiden
Seiten des Nil aus und ihre Bewohner ruhen als Mumien in den katakombenartigen
Felsgräbern der benachbarten libyschen Bergkette. In Stut zweigt sich die Karawanenstraße
nach Dar-For ab. Auch Mittelägypten ist reich an uralten Denkmälern. Am Aus-
gange des Nilthales, oberhalb der Hauptstadt Kairo, liegen dieruinen von Niemphis
und gegenüber erheben sich auf einem niedrigen Plateau die Pyramiden. Die
Hauptgruppe dieser ungeheuren, Zeiten und Böller überdauernden Grabmäler, ist die
von Gizeh. In der Nähe steht die berühmte, riesenhafte Sphinx, halb im Sande be-
graben. Unterägypten, das Deltaland des Nil, ist der Kern des Reiches. Dort
liegt auf sandiger Landzunge, mit dem Nil durch den Mamudiehkanal verbunden,
Alexandria (220 000 Einwohner), im Alterthume eine der Haupthandelsstädte der
Erde, später verfallen. Gegenwärtig ist die Stadt der Hauptstapelplatz für die Aus-
fuhr der ägyptischen Landesprodukte wie für die Einfuhr europäischer Fabrikate. Port
Said, an der Mündung des Sues-Kanals ins Mittelmeer, eine neue, durchaus europäische
Stadt, ist durch ihre Lage zu großer Blüthe bestimmt.
Der (1869 eröffnete) Sues-Kanal ist 22 Meilen lang, 60 bis 100 in breit und
8 in tief. Von Port Said aus durchkreuzt er zuerst zwischen meilenlangen Dämmen
die Mens alehseen, dann den Tim sa Hs ee, wo die prächtige Stadt Jsmailia angelegt
wurde, trifft weiterhin auf das große Bassin der Bitterseen und führt von hier aus
nach Sues. Ein Seitenkanal, der mit einem alten Nilarme in Verbindung steht, ver-
sorgt Jsmailia und Sues mit Trinkwasser. Die große Bedeutung des Sucs-H'anals
besteht darin, daß er den Weg von Europa nach Indien um 1300 Meilen abkürzt.
I). Nubien, das mittlere Stufenland des Nil, der sich hier in gewaltigem
Bogen und unter zahlreichen Katarakten Bahn bricht, ist größtentheils gluthauchende
Wüste. Nur das Thal des Nil ist fruchtbar und mit großartigen Tempelruinen
bedeckt. Die geringe Bevölkerung besteht aus langhaarigen, braunen Nubiern und
nomadisircnden Arabern. Der Hauptort ist Chart um am Vereinigungspunkte des
Weißen und Blauen Nil. Die Stadt bildet das Centrum der Karawanenstraßen, den
Hauptplatz für den Elfenbeinexport und den Ausgangspunkt fast aller Expeditionen
in die oberen Nilläudcr.
c. Der ägyptische Sudan (im engeren Sinne) umfaßt das Gebiet südlich und
westlich von Chartum. Längs des Blauen Nil breiten sich hier große fruchtbare Flächen
aus, die südwärts in Grassteppen und Wälder übergehen. Die Umgebung des Weißen
Nil bildet eine einförmige Steppenflächc, sowie in n. Br. ansgedehnte höchst un-
gesunde Sumpfdistricte, in welchen nur die Eingeborenen mit ihren Rindviehherden
sich dauernd aufzuhalten vermögen. Die Niederlassung G ondo loro am Oberlaufe
des Nil ist gegenwärtig in Folge ihrer ungesunden Lage verlassen. Kordofan ist
ein welliges Grasland das, wasserarm und nur unregelmäßig von den periodischen Regen-
güssen befeuchtet, keine allgemeinere Bodencnltur gestattet. Ebenso ist das benachbarte
Dar-For nur in einzelnen Theilen fruchtbar.
8- 76.
Abessinien und die Ostspitze Afrikas.
Das waldumsäumte, wasserreiche Alpenland Abessinien, in welchem auf
kleinem Raume alle Klimate der Erde, von der heißen Zone in den Niederungen
bis zu dem ewigen Schnee der Hochgipfcl, angetroffen werden, ist reich an den
verschiedensten Naturprodukten und wie geschaffen zur Entwickelung einer
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§. 47* Aegypten. J33
überstehenden Hauser die Hand reichen können; einige Straßen sind oben
mit Matten überzogen, um die Sonnenstrahlen abzuhalten. Auf einer
alten vcrfallncn Burg ist der sogenannte Josefsbrunnen, 275 Fuß tief
im Felsen ausgehauen, dessen Wasser durch Ochsen herauf gezogen wird.
Kähira soll 3oo Mosteen und i5 Chrisil. Kirchen haben. Die größte
Mostee ist die des Sultan Hassim, von deren Einkünften 4ooo Blinde
unterhalten werden, denn Blindheit ist eine wahre Landplage Aegyp-
tens, die wahrscheinlich von dem feinen salzigen Staube, den der Wind
aus den Ebenen mit sich führt, der aber auch durch das große Gewühl
in den Straßen entsteht, verursacht wird. Cs sind hier auch katholische
Klöster und Jüdische Synagogen. Daschnr, Gize (Dschiße) und Sak,
kara, Flecken, die durch die in ihrer Nahe befindlichen Alterthümer
merkwürdig sind. Hier stehen nämlich die berühmten Pyramiden, d. h.
viereckige Gebäude, die oben in eine Spitze zusammenlaufen und die
aus großen Steinblöcken zu einer so gewaltigen Breite und Höhe erbauet
sind, daß Tausende von Menschen Jahre lang daran gearbeitet haben
müssen. Die größte Pyramide ist 700 F. breit und 45o F. hoch, also
höher, als der höchste Thurm Europas. Mehr als 200 sehr hohe Stu-
fen führen hinauf, so daß man sie ganz ersteigen kann. Im Innern
sind einige schmale Gänge und Kammern entdeckt, in deren einer ein
steinerner Sarg steht. Wahrscheinlich waren diese Ricsengebaude, die
schon i5oo Jahr vor Christus erbauet wurden, zu Grabgewölben und
Denkmählern aller Aegyptischen Könige bestimmt. Sic stehen alle an
der W. Seite des Nils, in der Wüste. Der nördlichste Theil Aegyp-
tens , der da anfängt, wo sich der Nil in zwei Arme theilt, heißt Un-
ter Aegypten oder das Delta, ganz verschieden von den südlicheren
Theilen. Hier ist kein enges Nilthal, keine Bergkette, sondern eine nie,
drige Ebene, an beiden Seiten der Nilarme dürre Sandwüste, inner-
halb derselben fruchtbarer Boden von vielen Kanälen durchschnitten und
in unzählige Inseln getheilt, am Meere voll stehender Gewässer, Süm-
pfe und Sandflächen. Hauptstädte und wichtige Handelshäfen sind Ale-
xandrien und Rosette, letztere am W. Arme des Nils, erstere weiter
westlich am Meere. Alexandrien, von dem berühmten Macedonischen
König, Alexander dem Großen, erbauet, war vor 2000 Jahren eine
große und glanzende Stadt, jetzt eigentlich nur ein großer Haufen von
Trümmer, die zum Theil 6 bis 8 Ellen hoch mit Sand überschüttet
sind, von einer anderthalb Stunden langen Mauer umgeben, mit
Schutt und Steinhaufen angefüllt. Jetzt leben hier etwa i5,ooo E-,
unter denen viele Christen sind, die hier einer größeren Freiheit genie-
ßen, als in einer anderen Aegyptischen Stadt. In der Nähe sind noch
mehre Obelisken (Spitzsäulen) und Säulen, auch wcitläuftige unterirdi-
sche Grabgewölbe (Rarakomben). Der jetzige Pascha hat mit großen
Kosten einen alten Kanal zwischen hier und Kairo, zur Beförderung des
Handels wieder fahrbar machen lassen. Abukiv, ein Dorf am Meere,
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Extrahierte Personennamen: Hauser Kähira Chrisil Christus Macedonischen
König Alexander_dem_Großen Alexander
428
zurückgegeben. Jetzt entdeckt man kaum von dem etwas höher liegenden
Narbonne aus dem flachen, versandeten Etang eine Fischerbarke, während
der große, alte Hafen Marseiiles die Menge der Schiffe lange nicht mehr
faßt, bereits schon lange ein zweiter, jetzt ein dritter Hafen außen vor
mit ungeheuren Molen angelegt wird. Da, in der römischen Kaiserzeit,
ifl es, wo Massalia das, was den Griechen nach dem Verluste ihrer
Freiheit immer noch blieb, ihre Bildung, ihre Wissenschaft, ihre Kunst
zum Ziele des Ehrgeizes macht; wo es als ein westliches Athen in seinen
Mauern die gallische Jugend und nicht diese allein, auch die Söhne Roms
versammelte; wo von hier aus griechische Aerzte, wie in alle Theile Gal-
liens, so nach Rom gerufen wurden; von wo der griechische Stock der
gelehrten Bildung der Anstalten zu Lyon, Autun, Toulouse, Bordeaux
entnommen wurde.
Dort, uns gegenüber, wo auf langer, spitz zulaufender Halbinsel die
engen Straßen sich drängen, wo alle altern öffentlichen Gebäude sich zu-
sammenfinden, erhob sich die Phokäerstadt, von drei Seiten vom Wasser
umspült, und bis 80, ja 100 Fuß hoch ummauert und nach dem Festlande
zu auf einer damals bedeutend schmälern Landenge durch starke Thürme
das einzige Eingangsthor schützend. Einfach und bürgerlich waren nach
Vitruvs Zeugniß die Privathäuser im Gegensatz zu den stattlichen Ge-
bäuden des Cultus, Staates und Handels. Auf einem felsigen, jetzt viel-
fach ausgeglichenen Plateau an der Landseite ragte die Akropolis mit den
Tempeln des Stammgottes der Ionier, des D e l p h i s ch e n A p o l l o und
der großen Göttin von Ephesus. Diese als umfassende, allgebende
dunkle Mutter der Erde von den Asiaten verehrt, ward im griechischen
Glauben zur pfeilfrohen, Gebirge durchschweifenden Schwester Apollo's,
Artemis, aber ihr blieben charakteristische Züge der fremden Heimath genug.
Der Stier, der Löwe sind ihr heilig; anspringend oder zur Vertheidigung
die Tatze erhoben, begleitet sie dieser, jener die Hörner zum Angriff ge-
richtet. Reichen Schmuck trägt sie als Ohrgehänge und Halsband, die
Olive, das Gewächs, welches dem Boden der Provence, mit dem steinigen
von Attika, Reichthum und Wohlstand entlockte, schlingt sich um ihr Haar.
Sie ist die Schützerin des Hafens, wie dort am Strande von Ephesus; in
ihrem Tempel hängen die Siegestrophäen mancher ruhmvollen Seeschlacht;
der Dreizack und der Delphin schließen sich als weitere Symbole ihrer
Darstellung an. Sichtlich haben sich im Dienste jener Rotredame de la
Garde Spuren ihrer Verehrung erhalten. Jährlich wird, so ward mir
wenigstens aus glaubwürdigem Munde berichtet, im Sommeranfang das
heilige Bild der Mutter Gottes vom Felsen geholt und durch die Straßen
getragen. Ein bekränzter Stier mit einem kleinen Mädchen auf dem Rücken
folgt mit in der Procession; als eine zweite Europa scheint dieses dem
Hafen, der Meeresfluth sich zu nahen, bis zu dem die Proceffion sich er-
streckt, um Meer und Schifffahrt unter göttlichen Schutz zu stellen. An
die Tempel der Artemis und des ebenfalls zur Meerfahrt in Beziehung
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Extrahierte Personennamen: Massalia
Extrahierte Ortsnamen: Roms Rom Lyon Toulouse Ephesus Attika Ephesus Europa
Achter Abschnitt.
1. Physiognomie des heutigen Rom. — 2. Die römische Campagna. — 3. Der
römische Carneval. — 4. Die heilige Charwoche in Rom.
1. Physiognomie des heutigen Rom.*)
Das heutige Nom streckt sich in Gestalt eines Fächers, dessen Griff die
Porta del Popolo mit der vorstadtartigen Verlängerung nach Ponte Molle
hin bildet, etwa bis in die Hälfte des von den Umfangsmauern einge-
schlossenen Raumes hinein. Drei Hauptstraßen, die Via del Babuino, die
Ripetta und zwischen beiden der Corso, bilden gleichsam die Gitterstübe
dieses Fächers, als deren Endpunkt von Porto del Popolo aus die Kirche
S. Maria Maggiore, das Capitol und das Judenghetto angesehen werden,
können. Von diesen drei Punkten abwärts in südlicher Richtung beginnt
die Trümmerstadt, das alte Rom, dessen Ueberbleibsel, sämmtlich der Kaiser-
zeit angehörig, aus den unabsehbaren Gemüsefeldern, Gärten und Wein-
pflanzungen hervorragen, welche jetzt wohl über zwei Drittheile des von
den heutigen Umsangsmauern eingeschlossenen Areals bedecken.
In diesem Reu-Rom geht keine Straße in der Richtung irgend einer
des alten Rom. Keine Phantasie reicht hin, sich die Vorstellung eines
Platzes, wie etwa das alte Marsseld war, aus dem wüsten Häusergewirr,
welches jetzt seine Stelle einnimmt, zu erneuern. Es hat geradezu etwas
Gespensterhaftes, wenn z. B. in der Nähe des schmutzig-engen Juden-
viertels oder unter den jämmerlichen Häusern am ehemaligen Forum des
Nerva plötzlich die Reste eines alten Porticus oder ein halbversunkenes
Säulenpaar vor uns aufsteigen.
Keine Stadt hat solche Erschütterungen, Verwüstungen, Umwandlungen
erfahren, wie Rom. Neben dem Charakter einer uralten Residenz des
geistlichen Oberhirten der Christenheit mit seinen zahllosen Kirchen — deren
mehr als 300 vorhanden — und den Hofburgen und Schlössern seiner
geistlichen und weltlichen Fürsten bietet es nun in seinen fashionablen Stadt-
*) Nach Ad. Stahr, Ein Jahr in Italien (Oldenburg, 1853).
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Extrahierte Personennamen: Porto_del_Popolo Maria_Maggiore Maria Stahr
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Rom Rom Nerva Rom Italien Oldenburg
*473
und größten Tempel des Alterthums. *) Wohl erfüllen uns diese hochauf-
strebenden Säulen und die Gesimse des Daches und der Decke durch ihre
schönen Formen und Verhältnisse mit Bewunderung und Entzücken; aber auf
den ersten Anblick vermag die Phantasie nicht, aus der gräßlichen Ver-
stümmelung, der auch dieser Bau unterlegen ist, sich lebendig das Ganze
in seiner vollen Herrlichkeit wieder herzustellen. Die Säulen, jetzt des
Daches, der Deckenbalken und zum Theil der Kapitäle beraubt, ragen
klagend in die blaue Luft hinein und ringsherum liegen auf dem Boden
des inneren Tempelraumes die schönsten Baustücke wüst durch einander.
Mit bewegten! Gemüth geht man hinüber zu dem wunderbar zierlichen
Erechtheion, dem Doppeltempel der Athene Polias und des Poseidon
(Erechtheus). Die ionischen Säulen dieses einst so prachtvollen Tempels
sind höchst anmuthig und leicht, das Ganze ist so schlank und zierlich, in
allen Einzelnheiten so durchgebildet und feingegliedert! Aber fragt man,
wie die einzelnen Theile dieser zwei Zellen mit ihren doppelten Seiten-
flügeln unter sich zusammenhingen, so wird die Antwort schwer. Man muß
öfter diese Trümmer betrachten und das Nachforschen und Studium der
Alten in lebendige Verbindung setzen: dann werden allmählig auch diese
Ruinen vor dem inneren Seelenauge zum schönen Ganzen, zu lebendigen
Bildern der untergegangenen Herrlichkeit! Sie sind das Einzige, was
wirklichen Genuß bietet; mittelalterliche Kunst und Bildung ist in Griechen-
land nicht zu finden und die Gegenwart ist auch nicht viel mehr, als der
Anblick einer Ruine.
*) Dieser Tempel der Athene war 150 Ellen lang und 100 Ellen breit, darin
stand die berühmte Bildsäule der Göttin. Die Türken machten eine Moschee daraus,
welche 1677 durch die Bomben der Venetianer zerstört wurde.
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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233
reinlich und enthält außer dem Tempel noch ein kleines, hübsches Gebäude,
in welchem die heiligen Bücher der Siamesen niedergelegt sind. .Bei jedem
Hauptthore des Tempels stehen gigantische irdene Bilder von grotesker
Form mit Keulen in den Händen, und an jeder Ecke eherne Figuren, die
ein phantastisches Thier vorstellen. Außerdem sah man noch andere Figu-
ren von Thon, die aber nur dem Geschmack der Siamesen, deren Götter-
lehre noch nicht recht ergründet ist, Zusagen können. Der Tempel hat eine
pyramidalische Form und ist hoch hinaus mit kleinen Figuren in chinesi-
schem Styl bedeckt. Der Charakter dieser Zierrathen ist gerade wie bei
den Gemälden der chinesischen Dschunken; sie sind nämlich zwar sehr müh-
sam gearbeitet, aber grotesk und geschmacklos; jedoch war der allgemeine
Eindruck, den sie hier auf das Auge machten, nicht unangenehm, wenn
man nämlich aus einer gewissen Entfernung nur das Ganze betrachtete,
ohne das Einzelne zu berücksichtigen. Ich machte die Bemerkung, daß die
Siamesen anstatt der Kuppel, welche bei den Buddhisten von Ceylon die
einzige Form ihrer Grabmüler ist, die Pyramide als charakteristisches Zei-
chen ihrer dem religiösen Cultus gewidmeten Gebäude angenommen haben.
Die Ursache dieser Verschiedenheit in einer so eng mit ihrer Religion zu-
sammenhängenden Sache liegt wahrscheinlich in dem verschiedenen Charakter
beider Rationen. Derselbe Grund gilt auch bei dem Unterschiede, den man
an ihren beiderseitigen Buddhabildern bemerkt. Der Siamese scheint sich
ein Ideal der Schönheit gebilder zu haben, welches von dem der Europäer
ganz verschieden ist.
Der bürgerliche Zustand von Siam ist ein sehr betrübender; es
giebt nur zwei Elasten von Menschen, Sclaven des Königs, die nur für
ihn arbeiten, und sogenannte freie Leute, die aber auch sechs Monate für
das Staatsoberhaupt arbeiten müssen. Der härteste Despotismus drückt
Alles nieder. Der König kann sich vermählen, mit wem er will, selbst
mit seinen Schwestern und Töchtern. Die bürgerlichen Gesetze sind streng
und grausam.
Bankok, an der Mündung des Menamflusses, ist die bedeutendste
Stadt von Siam geworden, vorher war dieser Ort von wenigem Belang
und nur durch, die Trefflichkeit seiner Früchte berühmt, die in großer
Menge in die ehemalige Hauptstadt Juthia geschickt wurden. Der Palast
des jetzigen Königs liegt am linken Ufer des Flusses und ist mit einer
ziemlich hohen Mauer umgeben. Nicht nur der König, sondern auch
einige von seinen Ministern wohnen in diesem Raume. Ganz in der
Nähe des Palastes haust in Hütten aus Palmblättern die zahlreiche Hof-
dienerschaft.
Die Stadt hängt mit dem Schlosse oder Palafte zusammen und er-
streckt sich weit hin auf beiden Ufern des Flusses; am bedeutendsten ist sie
auf den: linken Ufer, und der volkreichste und wohlhabendste Theil der-
selben liegt gerade dem Hause des siamesischen Staatskanzlers (Praklang)
gegenüber, aber etwas niedriger. Alle Schiffe, die nach Bankok kommen,
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
TM Hauptwörter (200): [T20: [Indus Stadt Ganges Gang Hauptstadt Land Siam Indien Fluß Strom], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T115: [Tempel Stadt Rom Zeit Athen Pyramide Bau Ruine Denkmal Säule], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Neunzehnter Abschnitt
1. Ein Blick auf die Baudenkmale Aegyptens. — 2. Die Pyramiden und ihre Um-
gebung. — 3. Aegypten und der Nil. — 4. Alexandrien und Kairo. — 5. Der Kanal
von Suez. — 6. Abyssinien. — 7. Samuel Baker's Entdeckungsreisen in den Quell-
gebieten des Nils bis zum großen Nil-See. — 8. Di-. Georg Schweinfurth's Forschungs-
reise im obern Nil-Gebiet.
1. Ein Blick aus die Baudenkmale Aegyptens.*)
Aegypten ist ein Land der Wunder; sein Himmelsstrich, seine Fruchtbar-
keit, seine zahllose Menge von alten Denkmälern und seine mancherlei
Naturerscheinungen erregen Bewunderung und Erstaunen; Denkmäler, an
denen viertausend und vielleicht noch mehr Jahre vorübergegangen sind,
haben in ihrem Innern noch Gemälde aufzuweisen, die so neu scheinen,
als ob sie erst vor Kurzem verfertigt worden wären; die Ungeheuern Massen,
welche die Aegypter auf einander gehäuft haben, und die zahlreichen Grab-
gewölbe in den Bergen verrathen eben so viel Kunstgeschicklichkeit, als
Sinn für das Große und Uebersinnliche.
Aegypten ist von Aethiopien her bevölkert worden; eine Colonie aus
diesem Lande ist dem Laufe des Nils gefolgt und ließ sich in dem süd-
lichsten Theile des Landes, Aegypten, nieder. Seine mittäglichen Gegenden
sind zuerst bevölkert worden, und je näher die Monumente am
Wendekreise liegen, desto älter sind sie. Es bildet sich gleich-
sam eine Generation von Denkmälern, und das Alter eines jeden beträgt
dreimal mehr, als das Alter der ältesten Staaten von Europa.
Alle Tempel und Paläste sind von Sandsteinen erbaut; bloß zwei
bis drei sind von Kalkstein, und nimmt man die Obelisken und Kolossal-
bildsäulen aus, so findet man allein unter den Trümmern von Alexandrien
und in seinen Moscheen mehr Granit verarbeitet, als man von Kahira
aus bis zu den Wasserfällen antrifft. Erst dann hat man die Denkmäler
*) Nach dem „Narrative of a journey in Egypt and the country beyond
the Cataracts. By Thomas Legh, Esq.“ Bergt.: „Malerische Reisen in Aegypten
und Syrien re." Leipzig, bei Gerhard Fleischer, 1820.
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Samuel Georg_Schweinfurth's Kahira Thomas_Legh Gerhard_Fleischer
Extrahierte Ortsnamen: Kairo Suez Nil-See Europa Syrien
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Lebhaftigkeit haben. Die Figuren, welche man nicht colorirte, sind gleich
der schönsten Gypsarbeit polirt.
Die alten Aegypter hatten den Glauben, sie würden nach einer ge-
wissen Reihe von Jahrhunderten wieder in's Leben zurückkehren, wenn
ihre Körper keine Veränderung in den Gräbern erlitten hätten ;
daher rührte das Einbalsamiren, und deshalb suchte man auch die Mu-
mien gegen die Ueberschwemmungen des Flusses zu sichern. Diese Hoff-
nung auf Wiederbelebung war auch die Ursache, warum man Pyra-
miden zur Aufbewahrung der Königsleichname baute. Die Pyrami-
den versahen vielleicht die Stelle der Berge und wurden in der flachen
Sandwüste Mittelägyptens errichtet, in dem mehr bergigen Oberägyp
ten fehlen sie fast ganz.
Ueberall in Oberägypten, wo man die Stelle und Ruinen einer
alten Stadt antrifft, kann man mit Sicherheit im Schoße der benachbar
len Berge die Gräber ihrer Einwohner finden. Auch kann man in jedem
dieser Gräber die Geschichte des Aegypters finden, der darin begraben
liegt. Sie ist an den Wänden und Mauern dargestellt.
Die Liebe zu dem Ungeheuern, welche den Morgenländern
eigen ist, war die Schöpferin der gewaltigen Denkmäler in Oberägypten
und bei Memphis, der Koloffalstatuen und der Tempel und Pyramiden.
Alle diese Werke konnten nur aus dem religiösen Geiste der Menschen
entspringen und unter einer Priesterherrschafr zur Vollendung kommen.
Die erstaunenswürdigsten Ueberreste von Baudenkmälern findet man
zu Theben, in Mittelägypten, aus beiden Seiten des Nils gelegen,
der hier breiter ist als irgendwo. Man benennt die noch vorhandenen
Ruinen nach den Dörfern, welche sich auf der Ebene zu beiden Seiten be-
finden. Auf der Westseite stehen die Dörfer Medinat-Abu und
Kurnu, und auf der Ostseite Luxor und Karnak, wozu noch am
Nordostende das Thal M ed-Amuth kommt. Die meisten geben den
Monumenten aus der Ostseite den Vorrang.
Wenn der Reisende den Palast von Luxor besucht, so fallen ihm zu-
nächst zwei aus einem einzigen Granitblocke gearbeitete Obelisken in die
Augen, die der Eingangsmauer gegenüber in einer Entfernung von 14
Schritten von einander stehen. Zwischen ihnen und der Mauer sind zwei
Koloffalstatuen von schwarzem Granit, 38 Fuß hoch und einen sitzenden
Mann darstellend, dessen beide Hände auf seinen Schenkeln ruhen. Diese
Statuen sind von der Mauer 3 und von den Obelisken 8 Schritte ent-
fernt. So findet man also schon in einem Raume von 11 Schritten un-
geheure Denkmäler, wovon schon jedes, wenn es allein stände, durch
seine Größe auffallen würde.
Links, wenn man durch den Thorweg kommt, sieht man eine Säulen-
reihe, die jetzt einen Theil arabischer Häuser bildet. Die Flügel des Ge-
bäudes, welche hinter der Eingangsmauer sein sollten, sind gänzlich zer-
stört. Sie führten zu einer zweiten Colonnade, die noch vorhanden ist,
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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