Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Niederlassungen der Engländer und Holländer. 19
in Virginien aus Schwierigkeiten stießen, so untersuchte er die Umgebungen
der Chesapeakebai und fand solche zur Gründung einer Niederlassung günstig
genug. Doch erst des Lords Sohn Cecil empfing am 20. Juni 1632 den
erbetenen königlichen Freibrief. Die Besiedelung des Landes, zu Ehren
der Königin Henriette Marie Maryland genannt, unternahm mit etwa
200 Katholiken im folgenden Jahre Leonard Calvert, des Grundherrn
Bruder, und dank der milden und einsichtsvollen Leitung des Genannten
nahm der Wohlstand stetig zu und hielt gleichen Schritt mit dem Gedeihen
der Niederlassungen von Virginia, deren Bewohnerzahl sich um die
Mitte des 17. Jahrhunderts bereits auf 20 000 Seelen belief. Die
Stadt Baltimore ward jedoch erst hundert Jahre später von einem Nach-
kommen des Lords George angelegt und bestand 1760 nur erst aus etwa
50 Häusern.
Die Neuenglandstaaten gediehen allen Widerwärtigkeiten zum Trotz,
und selbst der tyrannische Wille eines Karl I. vermochte den Zug seines
Volkes nicht zu bannen, welcher alle thatkräftigen europamüden Naturen
nach Westen übers Meer hinüberdrängte.
König Karl I., aus Verdruß darüber, daß sich alljährlich Tausende
politischer und religiöser Starrköpfe seiner Gewalt entzogen, verbot ge-
radezu die Auswanderung nach den transatlantischen Wildnissen; dennoch
ward dort gegen seinen Willen der Grund zu freiem und glücklicherem Ge-
meinwesen gelegt. So wandten 1633 mehr als 3000 Puritaner ihrem
Vaterlande den Rücken und gründeten am Connecticutflusse eine Nieder-
lassung, welche sie anfangs Newhaven nannten, woraus indessen mit der
Zeit der Distrikt oder die Grafschaft entstand, die zu Ehren eines der ersten
Ansiedler, der früher Gouverneur in Portsmouth in Hampshire gewesen
war, New Hampshire genannt wurde.
Während der Zeit der Republik stockte allerdings die Einwanderung
in den nördlichen Provinzen, dagegen wandten sich jetzt wiederum die aus
ihrem Vaterlande vertriebenen Freunde des gestürzten Königtums den
südlichen Kolonien Virginia, Maryland und Carolina zu. In dieser
Periode der Entwickelung des englischen Nordamerikas stellten sich die Gegen-
sätze zwischen dem puritanischen Norden und dem aristokratischen Süden
immer entschiedener heraus. Dort war eine rasch sich mehrende, auf ihre
Freiheiten erpichte Bevölkerung, glaubenseifrig, ja unduldsam, aber arbeit-
sam und an ihrem obersten Recht, dem der Selbstregierung, unverbrüch-
lich festhaltend, zu finden; — im Süden- aber eine viel gemischtere Gesell-
schast: Verehrer des Königtums, auf verliehene oder ererbte Vorrechte
fußend, geneigt, weniger selbst zu arbeiten, als andre für sich arbeiten zu
lassen. Die letztgedachten Kolonisten blieben meist der englischen Hochkirche
getreu, ließen sich mit ihrem Grund und Boden von der Krone Englands
förmlich belehnen und beachteten als Gronvasallen die Satzungen des eng-
tischen Herkommens.
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San]]
TM Hauptwörter (200): [T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land]]
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104 Die Engländer in Ostindien.
schirmlose Hindostan. Den steigenden Verfall benutzten die Omras, Sn-
bahs oder Subahdars, Nabobs, Iemindars, Radschahs, und wie die zahl-
reichen Würdenträger, Statthalter und Zinspflichtigen des Großmoguls alle
geheißen haben mögen, dazu, sich unabhängig und ihre Herrschaft erblich
zu machen. So entstanden südöstlich von Delhi das Vizekönigtum von
Bengalen, mit den Dependenzen von Orissa, Behar, sowie die Herrschaft
des Radschah von Bcnares; westwärts das Reich des Nabob-Wesier von
Audh, welcher gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts anfing, lüsterne
Blicke bald nach Allahabad, bald nach Rohilkund zu werfen, jenen auf-
strebenden Staaten, wo kräftige Afghanenhäuptlinge nach und nach zur
Herrschaft gelangt waren.
Von Westen nach Osten und Süden hatten sich die kriegerischen Mali-
ratten von Meer zu Meer ausgebreitet, die unaufhörlich den Kaisersitz von
Delhi bedrohten und das reiche Vizekönigtum Dekan — die Staaten des
Nizams — ausplünderten. Die entfernteren Afghanen-Fürstentümer, die
Staaten der Sikhs, eine Sekte Religionseiferer, die kriegerischen Radsch-
putanen, achteten ebensowenig den Willen des Großherrn, als im Süden
die Nabobs von Karnatik und Bedschapur, Vasallen des Nizams, wiewohl
alle die Autorität des Großmoguls nominell anerkannten. Gegen das
Jahr 1730 hatte sich durch den Abfall dieser Unterfürsten das Reich des
Großmoguls tatsächlich schon aufgelöst.
Die größte Demütigung widerfuhr dem Großmogul Mohammed Schah,
als Nadir, der kriegerische Köuig von Persien, herbeigerufen von dem durch
kaiserliche Günstlinge verletzten Nizam ul Mulk, dem Statthalter des De-
kans, in das altersschwache indische Reich 1738 verwüstend einfiel, die
kaiserliche Residenz Delhi infolge eines Aufstandes der Hindubevölkerung
plündern und Hunderttausende ihrer Bewohner niedermetzeln ließ. Erst
nach Abtretung aller Länder jenseit des Indus verließ der persische Er-
oberer die zerstörte kaiserliche Residenz und verheerte Hindostan, ungeheure
Beute mit sich fortschleppend, darunter den mächtigen Pfauenthron, von
welchem die herrlichsten Juwelen Golkondas niederstrahlten, und dessen
Herstellung 61/2 Millionen Pfd. Sterl. (130 Millionen Mark) gekostet
haben soll, fowie den unschätzbaren Diamanten Koh-i-noor, den „Berg des
Lichtes", der das Auge eines indischen Götzen bildete, und welcher sich
heute unter den Kronjuweleu im Tower zu London befindet.
Seit dem Einfall der Perser betrachtete sich der Nizam als erblicher
Souverän von Dekan, und auch in Bengalen gelangten Usurpatoren zu
tatsächlicher Unabhängigkeit. Dazwischen hinein brachen von Zeit zu Zeit
in Hindostan sowie in die Staaten des Nizams Mahrattenhäuptlinge ein, die
man, um sie abzuhalten, auf Schah Nadirs Seite zu treten, hinsichtlich des
zugesagten Tributs an den Lehnsträger des Dekans gewiesen. Jahrzehnte-
lang beunruhigten diese gefürchteten Horden den Kaisersitz und die Staaten
zwischen dem Indus und Ganges, ehe sie dauernd in demselben sich festsetzten.
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Extrahierte Personennamen: Delhi Mohammed_Schah Mohammed Golkondas Nadirs
Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Bengalen Orissa Allahabad Persien London Bengalen Nizams_Mahrattenhäuptlinge
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18 Die Kolonisation der Staaten der Nordamerikanischen Union.
Jahre auf dringendes Bitten in sein Vaterland zurückgeschickt worden war.
Er wurde Dolmetscher und treuer Freund der Pilger; die vielen guten Rat-
schlage, die er erteilte, waren diesen von unschätzbarem Werte. Durch
Squautous Vermittelung wurde eiu Verkehr mit Massasoit, dem obersten
Häuptlinge des Stammes, angeknüpft und bis an den Tod desselben im
Jahre 1661 unterhalten. Massasoit ersuchte den Gouverneur der unter-
dessen bedeutend angewachsenen Kolonie, seinen beiden Söhnen englische
Namen zu geben, woraus diese die Namen Alexander und Philipp erhielten.
Doch bald stellten sich auch hier — erzeugt durch vielfach gehegtes Miß-
trauen — Zerwürfnisse ein, die mit blutigen Kämpfen endeten, bei welchen
Philipp, der seinem Bruder nach dessen Tode in der Würde eines Hänpt-
lings gefolgt war, endlich von einem Indianer getötet wurde. Der Krieg
dauerte bis zum Jahre 1676. Er war in diesen 18 Monaten mit solcher
Erbitterung geführt worden, daß ein tiefes Rachegefühl in den Herzen der
englischen Kolonisten sowie der Indianer zurückblieb, welches bei guter Ge-
legenheit sich Bahn zu brechen suchte.
Es ist durchaus irrig, in den verfolgten und ausgewanderten Purita-
nern Freunde der religiösen Freiheit zu vermuten. Im Gegenteil brachte
ihre Unduldsamkeit, ihr geistlicher Hochmut und ihre Verfolgungssucht
manche Drangsal über die Kolonie. Dennoch nahm sie infolge der nnbe-
friedigenden Zustände im Mutterlande stetigen Aufschwung; politisch Un-
zufriedene strömten in Menge herbei, und das Aussterben der benachbarten
Indianer infolge der Verbreitung der Pocken begünstigte die Ausbreitung
der Kolonisten. — Boston mit seinem trefflichen Hafen kam als Hauptort
der Niederlassung rasch zur Blüte, viele schnell emporstrebende Ortschaften
entstanden, und Massachusetts, wie die Kolonie benannt wurde, gelangte
zu solchem Ansehen, daß sich dorthin der Hauptstrom der Auswanderer
ergoß.
Als im März 1638 die Schwärmerin Hutchinson mit ihrem An-
hange aus Massachusetts vertrieben wurde, erwarb sie für einige Brillen
von den roten Bodeneigentümern ein Eiland und gründete an dieser verlocken-
den Stelle das Staatswesen, welches heute Rhode-Jslaud genannt wird,
und dessen Mittelpunkt die Stadt Providence bildet.
Bald waren damals in Europa die Protestanten die Bedrückten, welche
der Unduldsamkeit ihrer katholischen Mitbürger sich zu entziehen strebten,
bald die Katholiken die Verfolgten, bald wiederum gerieten die protestan-
tischen Sekten — in England die Puritaner und Bekenner der anglikanischen
Kirche — einander in die Haare. Wer der Wirren in der Heimat müde ward,
der raffte zusammen, was er besaß, und schiffte gen Westen, wo er hoffte,
unbehelligt seinem Glauben gemäß leben zu können.
Im Jahre 1629 faßte der zum Katholizismus übergetretene Lord
George Calvert Baltimore den Entschluß, seinen bedrängten Glaubens-
genossen in der Neuen Welt eine Zufluchtsstätte zu eröffnen. Da seine Absichten
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Philipp Philipp Philipp Philipp Hutchinson
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Lord Robert Clive. 105
Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war es keinem Gouver-
neur der englischen Handelskompanie in den Sinn gekommen, seine Macht
weiter auszudehnen, als auf die vorhandenen Forts und Faktoreien; außer
diesen besaß mau keinen Fuß Landes auf der ganzen Halbinsel. Doch
bald sollte diese geringe Machtstellung eine ganz andre werden; den ersten
Anstoß dazu gab ein Krieg, der, in Europa zwischen England und Frank-
reich ausgebrochen, auch nach Indien verpflanzt wurde. Der außerordent-
lichen Gewandtheit und Energie des französischen Gouverneurs Dupleix zu
Pondichery war es gelungen, von allen Europäern auf die einheimischen
Fürsten den größten Einfluß zu gewinnen. Als der französische Admiral
Labourdounais eine Expedition gegen Madras unternahm und im Jahre 1746
die Stadt zur Kapitulation zwang, sowie die Warenvorräte der englischen
Kompanie als Kriegsbeute mit sich fortführte, ließ Dupleix die Festungs-
werke schleifen und mehrere der vornehmsten Mitglieder der Niederlassung
in Gewahrsam bringen. Zwar machte der 1748 zu Aachen erfolgte Frie-
den dem Kriege zwischen den Engländern und Franzosen ein Ende, und
alle von diesen gemachten Eroberungen wurden jenen zurückgegeben; doch
blieb in dem Herzen der ersteren infolge der früher angethanen Schmach
ein unauslöschlicher Haß gegen die letzteren zurück, der sehr bald wieder
neue Nahrung finden sollte.
Die Thronstreitigkeiten, welche beim Ableben des mächtigen indischen
Vasallensürsten, des Nizams von Dekan, entstanden, gaben beiden Nationen,
den Engländern und den Franzosen, Gelegenheit zum Einmischen in die
inneren Angelegenheiten der Inder. Mit Hilse der Franzosen war der
Prätendent Moznffer-Dschnug auf den Thron gekommen und stellte sich
nun aus Dankbarkeit ganz uuter den Einfluß des Dupleix, der dadurch fast
absolute Gewalt in Dekan erlangte. Die Engländer stellten sich begreif-
licherweise auf feiten des Mohammed Ali, des Nabobs von Karnatik, der
auch Anspruch auf einen Teil des dekanischen Reiches machte, doch vor
dem neuen König und seinen französischen Hilfstruppen fliehen mußte.
Aber der geringen Macht der englischen Kompanie fehlte es, seitdem der
energische Major Lawrence nach Europa zurückgekehrt war, an einer geeig-
neten Oberleitung; sie hatte sich in die Festung Tritschinopoly zurückziehen
müssen. Niemand schien der Ausgabe gewachsen zu sein, die Streitkräfte
der Kompanie vereinigen und zur äußersten Anstrengung antreiben zu können.
In diesem Augenblicke höchster Gefahr war es der Mut und das Ge-
uie eines bis dahin noch unbekannten jungen Mannes, der den Ereignissen
einen andern Lauf vorzeichnete, des Robert Clive. Er war schon in
seinem zwanzigsten Lebensjahre nach Madras gekommen, hatte dort wäh-
rend des Krieges mit den Franzosen seinen Platz am Schreibtisch der Kom-
panie mit einer Fähnrichsstelle in der Armee vertauscht und befand sich jetzt,
25 ^ahre alt, als Kriegskommissar in Tritschinopoly. Er war überzeugt,
daß der Untergang des Mohammed Ali die Franzosen zu Herren der
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Robert_Clive Gouverneurs_Dupleix Admiral
Labourdounais Mohammed Lawrence Robert_Clive Mohammed
Extrahierte Ortsnamen: Europa England Frank- Indien Madras Aachen Europa Madras
60 Al'schn. 1. Physiologische Mñtlnigfaltigkeir und Einheit des Menschen.
und bleibende, unveränderliche und dnrch keinerlei Einfluß
umzugestaltende Verschiedenheit, welche die Abartung be-
stimmt, wird aber dadurch keincsweges erklärt, wenn man
nicht, ohne doch den Beweis fuhren zu können, zugleich an-
nehmen will, daß jene Ursache in einer unbekannten Vorzeit
anders, intensiver und nachhaltiger gewirkt habe, als heute.
Denn soll die körperliche Abartung aus geistiger Entartung
entstanden seyn, so muß auch die Zurückartung des Leibes
durch geistige Förderung möglich seyn. Aber die Erfah-
rung hat uns bis jetzt über einen solchen Vorgang nichts
Ausreichendes mitzutheilen; wir sehen im Gegentheil, daß der
geistige Hebel wohl über die Veredlung des Körpers inner
den Grenzen Einer Varietät etwas vermag, aber über diese
hinaus reicht seine Wirksamkeit nicht.
Man mag daher wohl mit Glück die Verschiedenheit
der geistigen Entwickelung aus der größeren oder geringeren
Isolirung, — die physiognomische und körperliche Übereinstim-
mlmg und Ähnlichkeit der Familien, Stämme und Völker
Einer Race aus den vorherrschenden, durch die größere oder
geringere Abschließung bald einseitiger, bald mannigfaltiger
entwickelten Geistesrichtungen erklären: allein die körperlichen
Abartungcn bleiben so räthsclhaft, als zuvor. —
Dieser ganze Erklärungsversuch hat daher im Wesentli-
chen nichts anderes zu Tage gefördert, als die Vermuthung
einer einst vielleicht intensiver und energischer stattgehabten
Einwirkungsweise des Psychischen auf das Physische: eine Ver-
muthung, die höchstens durch die Beobachtung der jedem indivi-
duellen Organismus, in der Periode der Jugend, beiwohnenden
größeren Abartungsfähigkeit eine unsichere Stütze erhält.
Auch kann man noch anführen, daß unsere Erfahrung weder
tu historischer noch in geographischer Beziehung ausgebreitet
genug sey, um aus ihr die Unmöglichkeit der Einwirkung
des Psychischen auf die Umänderung der Varietät ableiten zu
können. Es verhilft jedoch, hier wie überall, die Unznläng-
lichkeit eines Gegenbeweises, noch keincsweges zum Beweise,
und daher vermag sie auch ebenso wenig eine Vernruthung
zur Gewißheit zu erheben. —
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316 Abschtl. 3. Von den auf b. Entivickel. d. Menschh. einwirk. inneren Urs.
den gelähmt, diese letztere daher für das Ganze nachtheilig
werde: da sind nun republikanische und monarchische Staats-
formen auf mannigfaltige Weise so nüt einander verschmol-
zen worden, daß man es äußerlich unentschieden läßt, welche
die eigentlich gestaltgebeude sey. Dies ist z. B. der Fall, wenn
in einer Republik der Gebrauch herrscht, aus der Mitte der
Staatsbürger Einen auszuwählen, und ihn mit dem Fürsten-
mantel zu bekleiden, damit er, — je nach dem Grund-Cha-
rakter des Staates, — der Heerführer oder der hohe Prie-
ster oder der Oberrichter des Staates sey. Diese Ausprä-
guugsweise der Republik hat man bekanntlich Wahl-Mo-
narchie genannt, wiewohl häufig sehr unbezeichnender Weise,
z. B. wenn die Macht des Wahlkönigs durch die ungeschmä-
lerte Macht der Staatsbürger auf ein Minimum gesetzt oder,
was richtiger ist, wenn der Wahlkönig nur als der bevoll-
mächtigte Diener der Polyarchen angesehen wird, dem jede
freie Regieruugsthätigkeit durch die Mitherrschaft jener un-
möglich gemacht ist, so daß der Begriff der Monarchie eigent-
lich ganz außer dem Charakter eines solchen Staates liegt. —
§♦ 28. Charakteristik der verschiedenen Staatsformen —
' die konstitutionelle Monarchie.
Fast Dasselbe ist von der sogenannten konsiitutionel-
len Monarchie zu sagen, auch wenn ihr die Form des
Wahlreichs fremd geblieben ist. Denn ihr Grund-Charakter
ist ebenfalls wesentlich republikanisch. Auch sind die Pro-
totypen dieser Staatsform gradczu von einer republikani-
schen Grundgesialtung ausgegangen, indem dieser die geeig-
net scheinenden monarchischen Elemente meist nur mecha-
nisch zugefügt worden sind. Eine organische Durchdringung
beider Elementar-Formen mag daher auch nur in den selte-
neren Fällen, nur auf historischem Wege gelingen, während sich
beim Beginne eines solchen Staatslebens alle Mängel eines
unausgebildeten Mechanismus, eines gemachten, künstlichen
Zustandes zu zeigen pflegen. Wo übrigens bei der Bildung
dieser Staatsform die ihr nothwendige republikanische Grund-
lage auch noch nicht faktisch ausgebildet seyn mag, da muß
sie doch mindestens im Prinzip bereits tiefe Wurzeln ge-
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TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
390
Abschii. 4. Verbreitungs - Sphären.
nach ihrer Losreißung versuchten Anschluß au die seit dem
4. Jahrhundert in Habesch gegründete, aber seitdem fast ver-
gessene und völlig versunkene abyssiuische Kirche, deren im
17. Jahrhundert beabsichtigte Regeneration und Wiederverei-
nigung mit der abendländischen völlig fehlgeschlagen ist. —
Die unter dem Namen der Jakobiten bekannten syrischen
Christen sind weit und breit über das Morgenland versprengt,
und werden häufig mit den Nestorianern verwechselt. *) —
Die National-Kirche der Armenier hat sich, unter allen diesen
Sekten, am lebendigsten und freiesten erhalten. Außer ihren zahl-
reichen, wegen ihres Fleißes, ihrer Wohlhabenheit und Friedens-
liebe selbst von den muhamcdanischcn Unterdrückern geschon-
ten, Anhängern im Vatcrlande, trifft man solche, in einzelnen
Gemeinden oder als reisende Handelsleute, auch in den mei-
sten übrigen muhamedanischen und in vielen christlichen Län-
dern, namentlich den ost-europäischen, doch auch iu Indien,
selbst in Amerika. — In neuester Zeit **) hat sich die arme-
nische Kirche der griechisch-russischen genähert, während be-
reits früher eine Parthei der Armenier in eine gewisse kirch-
liche Gemeinschaft mit den abendländischen Katholiken getre-
ten ist; — die Brüder des armenischen Klosters der Me-
chitaristen zu S. Lazaro in den Lagunen von Venedig ha-
den seit lange einen gelehrten Verkehr ihres Vaterlandes mit
der occidentalischen Christenheit unterhalten. —
Nach der Absonderung dieser ketzerischen National-Kir-
chen der Perser (Nestorianer), Syrier, Armenier und Ägyp-
ter, — nach der Zertrümmerung dieser so wie der orthodoxen
afrikanischen Kirche, durch den siegenden Islam, — nach
der, durch verschiedene politische und persönliche Ursachen,
aber unter dogmatischen Vorwänden, immer weiter und wei-
*) Von geringerer Bedeutung sind die Maroniten, die sich einst,
unter einem eigenen Patriarchen, in ein Kloster des Libanons eingeschlos-
sen, spater einen streitbaren Volksstannn um sich versammelt, und sich
endlich, wiewohl unter eigenen Bedingungen, der abendländischen Kirche
wieder unterworfen haben.
**) Seitdem das Kloster Etschmiadzin, der Sitz ihres Oberhaup-
tes (Kathvlikus), i. I. 1628 an Rußland gekommen.
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Extrahierte Personennamen: Lazaro
Extrahierte Ortsnamen: Indien Amerika Venedig Libanons
392
Abschll. 4. Verbreittuigs-Sphären.
bekanntlich, durch lange blutige Kämpfe, ausgerottet oder
mit der herrschenden Kirche wieder verschmolzen, oder nur noch
in der unbedeutenden Sekte der böhmischen und mähri-
schen Brüder geduldet worden, und die abendländische Chri-
stenheit, ein Jahrhundert später, in die beiden großen Par-
theien der Katholiken und Protestanten zerfallen, dauert
nun dieser letztere Gegensatz bis auf den heutigen Tag fort. —
Zugleich hat der Protestantismus, der römischen Kirche
gegenüber, verschiedene Gestalten gewonnen. Seit seinem Ent-
stehen unterscheidet man Lutheraner, Calvinisien und
Zwinglianer, und bezeichnet die letzteren beiden ausschließ-
lich als Reformirte, wiewohl dieser Name, dem Sinne
und den Absichten des Protestantismus gemäß, alle seine ver-
schiedenen Partheien umfaßt. Man unterscheidet ferner die an-
glikanische oder bischöfliche (Hoch-) Kirche, welcher sich
zugleich die calvinistische Parthci der die schottische Kirche
bildenden Presbyterianer oder Puritaner (in ihrer schärf-
sten Ausprägung Independenten genannt) eben so schroff ge-
genübergestellt, als beide dein Katholizismus. Aus dem wohl-
gemeinten Versuche, Lutheraner und Reformirte, und somit
die Mehrzahl der Protestanten zu vereinigen, ist endlich, weil
er nicht allgemein gelungen, noch eine zahlreiche protestan-
tische Relkgions-Parthci mehr entstanden, nämlich die unirte
evangelische Kirche.
Aber außer diesen Haupt-Part Heien des Protestan-
tismus sind noch zahlreiche Sekten (Dissidenten, Dissenters)
zu nennen, welche sich von ihnen bald feindlicher, bald freund-
licher losgesagt haben, — nämlich von der reformirten
(calvinistischen) Kirche die anfänglich (1535) fast ausgerot-
teten, gleich darauf als Mennoniten und später (feit 1630)
als Baptisten auftretenden Wiedertäufer, die Unitarier
(seit 1553) und Socinianer (feit 1562), diearminia-
ner oder Remonstranten (feit 1610) u. m. a.; von der
lutherischen die Gichtelianer oder E»lgelbrüder (seit
1700), die Brüder oder Herrnhuter (feit 1722) u. e. a.;
von der englischen Kirche die Freunde oder Quäker (seit
1619) und die Methodisten oder Wesleyaner (feit
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T149: [Stadt Rom Meer Tiber Italien Land Ort Arno Fluß See], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
298 Abschli. 3. Von den aufd. Entwickel. d. Menschh. einwirk. inneren Urs.
Dies ist der Fall, wenn der Ackerbau - Staat sich, unter
dem Einflüsse historischer und geographischer, solche Umwan-
delung begünstigender Verhältnisse, allmählig in einen reinen
Handels- oder Industrie-Staat verkehrt, in welchem
nicht Heerden- oder Grundbesitz, sondern der Repräsentant
alles Besitzes (also ein eingebildeter) — der Geldbesitz —
die Grundlage des Gesammtlebens bildet. — Dasselbe ist fer-
ner der Fall, wenn die natürliche Entwickelung des patriar-
chalischen Staates auf andere, gewaltsamere Weise ge-
hemmt, und an die Stelle des natürlichen Lebensprinzips ir-
gend eine Macht gesetzt wird, welche dem Gesammtleben an-
dere zwar, aber ebenfalls einseitige, die freie, allseitige Ent-
faltung des Daseyns verhindernde Bahnen anweifet. Solche
Macht beruht entweder auf dem Einflüsse des Schwertes und
kriegerischer Siege, und dann entsteht ein Krieg er-Staai,
eine Soldatenherrschaft, — oder auf dem einseitig vor-
waltenden Einflüsse sieghafter religiöser Tendenzen, und dann
bildet sich eine sogenannte Theokratie, richtiger ein Prie-
sterstaat, — oder endlich auf der Herrschaft gewisser politischer
Prinzipien, theoretischer Ansichten und abstrakter Ideen, bereit
konsequente Ausbildung zuletzt den Prinzipien-Staat, die
sogenannte Jdeokratie bildet, die sich übrigens in den äuße-
ren Formen bald so, bald anders gestalten mag.
In allen diesen Fällen sind die unorganisch, also mecha-
nisch gebildeten Zustände nur als krankhafte Krisen des ge-
sellschaftlichen Lebensprozesses anzusehen. Die Einseitigkeit der
in diesen Staatsbildungen liegenden Lebensrichtungen übt da-
her nothwendig einen nachtheiligen Einfluß auf die Ent-
wickelung der Gesellschaft aus, welchen? — das soll weiter
unten angedeutet werden; — auch hat der Erfolg gelehrt,
daß jedes Staatsleben demselben entweder erliegt, oder sich
ihm entzieht, indem es entweder verfällt oder, durch fort-
gesetzten Kampf, zu einer organischen Gestaltung zurückkehrt,
und durch diese zu einer höheren systematischen Ausbildung
übergeht, sich entwickelt. —
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
Kap. 4. Von der Verbreitung der Haupt-Religionen. 391
ter auseinander gehenden Trennung der morgeuläudischen oder
griechischen und der abendländischen oder römischen (la-
teinischen) Kirche, ist endlich (seit 1054), ungeachtet mehrfal-
tiger späterer Wiedervereinigungsversuche, eine unheilbare Spal-
tung daraus geworden, welche um so bedeutender ist, als sie
die große Masse, nicht, wie die vorgenannten Sekten, bloße
Splitter der Christenheit betrifft. —
Die größere östliche Hälfte des christlichen (europäi-
schen) Erdtheils ist, nach dieser Spaltung, der griechischen,
die kleinere, aber bewohntere westliche Hälfte der abendlän-
dischen Kirche geblieben; eine von der Insel Korfu zur Kron-
siädter Bucht gezogene Linie konnte als ungefähre Grenze be-
trachtet werden. Nachdem die letztere, durch die im 17. und
18. Jahrhundert, unter Beibehaltung griechischer Kirchen-
bräuche, geschehene Vereinigung der darum sogenannten unir-
ten Griechen mit der römisch katholischen Kirche, einiger-
maaßen verrückt worden ist, scheint es, als würde jene Par-
thei in unseren Tagen, wenigstens großentheils, der griechi-
schen Kirche wiederum einverleibt werden. —
Bekanntlich ist es nun nicht bei jenem ersten großen
Zwiespalt der Kirche geblieben. — Zwar hat die, von ihren
Anhängern, gleich der römischen, auch die katholische, lie-
der noch die orthodoxe genannte, griechische Kirche, in
dogmatischer Hinsicht nur geringe Bewegungen erfahren, aber
die politischen Verhältnisse haben ihren, mindestens äußerli-
chen, Zerfall herbeigeführt. — Der unter dem Einflüsse des
türkischen Großherrn erwählte und fungirende Patriarch zu
Konstantinopel durfte auf die Geistlichkeit christlicher Län-
der keinen Einfluß üben. Daher hat sich (seit 1589) die
russische und, seit Errichtung des griechischen Königthums,
auch die griechische Ratio nal-Kirche von der allgemei-
nen äußerlich abgesondert. —
Viel bedeutender aber sind die Spaltungen, welche in
der abendländischen Kirche stattgefunden. —■* Nachdem
die (feit 1160 entstandenen) Waldenser unterdrückt und in
wenige abgelegene Gebirgsthäler zurückgedrängt, — die Hus-
siten (Taboriten und Calixtiner oder Utraquisten) seit 1420
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T160: [Insel Hafen Meer Küste Stadt Halbinsel Neapel Straße Einw. Hauptstadt], T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich]]