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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 77

1890 - Gotha : Behrend
Die süd russischen Steppen. 77 noch durch in der Eile gezogene Furchen, löschen beständig die hinüber- fliegenden Feuerbrände, und meistens, wenn sie ihre Stellung gut zu wählen wußten, gelingt es ihnen dann auch, das Flammenunqetüm zu ersticken. Jedoch zuweilen sind die Wege selbst mit Gras bewachsen und erleichtern den Übergang. Hier und da fangen die Brandraketen Feuer, ziehen ihre ganze wilde Brüderschaft nach und leuchten nun in den dürren Fruchtfeldern mit neuer Freude hoch empor. Alles geht wieder beflügelten Schrittes vorwärts, Millionen glühende Körner sprühen und verpuffen. — Solch ein Steppenbrand bewegt sich oft sechs bis zehn Tage in einer Gegend hin und her. Entdecken die Leute noch bei Zeiten den Brand, so umziehen sie schnell ihre Wohnungen und Kornhaufen mit einigen Furchen und vernichten das Gras rund umher, nm dem Brande so Grenzen zu stecken. — Durch solche Steppen- brände werden die zahlreichen Herden der Steppen oft nicht wenig in Aufruhr und Schrecken gesetzt. Sie werden, da die Flammen mitunter wunderbare Streifzüge machen und von drei und vier Seiten zu gleicher Zeit heranrücken, von ihnen völlig eingeengt, so daß Hirten und Tieren oft nichts übrig bleibt, als mitten durch das Feuer hindurchzusetzen. Das geht dann nicht ohne manche unangenehme Vorfälle ab, und unter Umständen wird nicht nur manches Haar, sondern manches Leben da- bei versengt. Auch die Schilfwaldungen werden mitunter angezündet. Die Gründe zum Abbrennen des Schilfs sind hauptsächlich zweierlei: erstlich das Vertreiben der Wölfe, die sich äußerst zahlreich in den Schilf- Waldungen versammeln, und dann zweitens, um dem juugeu aus- sprossendem Schilfe Luft zu geben. Da das Schilf, welches 4 in hoch ist, gewöhnlich eine mehrere Klafter hoch auflodernde Flamme giebt, und da die Schilfrohre gewöhnlich an vielen Stellen zugleich in Brand gesteckt werden und die Flammen sich weit und breit in den Fluß- Plawnas verbreiten, so giebt dies ein Feuer, dessen glühenden Schimmer man in einer Entfernung von vielen Kilometern erblickt, besonders bei solchen Flußthäleru, die, wie der Dnjestr, über 3 km breit mit Schilf erfüllt sind. — Dies ist eine üble Zeit für das arme Tierleben in den Schilfen. Die Enten und Gänsescharen und die Pelikane sammeln sich auf den See- und Flußarmen zwischen dem Schilfe und schreien und schnattern, als wollten sie sich gegen den Flammenstrom zur Wehre setzen. Die Habichte, Adler, Geier und die kaum aus fremdeu Landen angekommenen Silberreiher fliegen auf und kreischen, unruhige Kreise ziehend, in dem wallenden Dampf. Die Wölfe, die das Fener vor allem nicht dulden können, stürzen sich truppenweise ins Wasser und retten sich flüchtigen Fußes. Aber auch viel nützliches Geflügel ver- brennt sich dabei das Gefieder: Enten, die ihre Eier nicht verlassen wollen und auf ihrer Brut das Leben verhauchen, Reiher und Trappen, die dumm um das Feuer kreisen und wohl gar mitten in die Flamme hineinschießen. — Trotz aller Verbote und Bestrafungen wiederholen sich diese Schilfbrände des Dnjestr und Dnjepr alljährlich so pünktlich wie der Frühling und das Ergrünen der Bäume.

2. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 78

1890 - Gotha : Behrend
78 Bilder aus Ost-Europa. 4. Von allen Insekten der südrussischen Steppe erscheint keines in so nngehenern Massen, und keines tritt deshalb und wegen seiner ungemein großen Freßgier mit dem Menschen in so gefährliche Berührung, wie die Heuschrecke. Die Heuschrecken sind keineswegs eine alljährliche Plage der süd- russischen Steppe. Es giebt Jahre, wo sie ganz ausbleiben oder wenigstens sich nicht zu jenen verheerenden Wanderungen zusammen- finden. Ja, es giebt sogar ganze Perioden von Jahren, in denen sie nicht erscheinen, und dann eben solche Perioden, in denen sie jedes Jahr in größeren oder geringeren Massen zum Vorschein kommen. Wenn jemand in einer deutscheu Kolonie auf deren Gebiete oder in ihrer Nachbarschaft ein nahendes Heuschreckenheer entdeckt, so ist er verbunden, dies so schnell als möglich dem Schulzen der Kolonie auzu- zeigen. Dieser entbietet alsdann flugs die ganze Gemeinde, und als- bald bewaffnet sich alles mit Glocken, Kesseln, Flinten, Pistolen, Peitschen, Trommeln und andern Dingen, die knallen und schallen und vor deren starken Tönen die Heuschrecken fliehen. Als die Kaiserin von Ruß- land 1828 auf dem Landgute des Herrn Raynaud am Schwarzen Meere bei Odessa wohnte, wurden die Heuschrecken mit Trommeln aus den Gärten verscheucht. Wenn die Heuschrecken schon niedergefallen und nicht gar zu matt sind, so werden sie von den Tönen aufgescheucht; wenn sie aber noch fliegen, vom Niederlassen abgehalten und zum Höherfliegen gezwungen. Außer diesen klangreichen Dingen schleppen die Leute auch Stroh und alles, was brennend einen starken Rauch macht, mit sich. Denn den Rauch vertragen die Heuschrecken noch weniger als den Lärm; insbesondere fliehen sie den von Weinrebenzweigen. So ausgerüstet rücken die Kolonisten ins Feld und ergreifen nun verschiedene Maßregeln, je nach der verschiedenen Lage und Stellung, in welcher sie den Schwärm sinden. Hat er sich bereits auf dem Gebiete der Nachbarn niedergelassen und schreitet er nun beständig grasend gegen das Gebiet, das sie schützen wollen, vor, so machen sie schnell an den Grenzen herum kleine Feuer, die von besonderer Wirkung sind, wenn der Wind den Heuschrecken Rauch entgegenführt. Es gelingt ihnen dadurch oft, den betreffenden Wanderern eine andere Richtung zu geben oder sie wenig- stens zum Halten zu bringen. Können sie aber nicht schnell und scharf genug feuern, oder ist der Heuschreckenschwarm zu mächtig — sie liegen oft bis 10 Centimeter hoch — so geschieht es wohl, daß, wenn auch die vordersten halten, doch die Hinteren nachflattern, zu Taufenden ins Feuer fallen, das sie mit ihren Leichnamen auslöschen und dem Reste zum Weiterschreiten Bahn schaffen Finden die Leute den Schwärm schon auf ihren eigenen Feldern niedergelassen, so umzingeln sie ihn sogleich und machen rund herum ebenfalls kleine Feuer, um ihn zuvörderst in diefer Feuerkette zu fesseln und zum Anhalten zu bringen. Alsdann zünden sie kleine Stroh- bündel und andere Feuerbrände an und Wersen sie in den einge-

3. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 79

1890 - Gotha : Behrend
Die südrussischen Steppen. 79 schlossenen Haufen hinein, schießen und scheuchen darin umher, um ihn so, da er weder vorwärts schreiten noch sitzen bleiben kann, zum Auf- fliegen zu zwingen. Glückt ihnen dies, oder fanden sie ihn gleich beim ersten Anzüge noch in der Lust, so beginnen sie nun ein Lärmen wie die Jagd des wilden Jägers. Einige haben große Tücher an Stangen gebunden, andere tragen brennende Strohwische an langen Fackelstäben in die Höhe. Sie wedeln, flaggen, schießen, jauchzen, trommeln, klingeln und bringen die ganze Atmosphäre m Aufruhr. Die erschreckten Heuschrecken, die vielleicht schon im Fallen begriffen waren, steigen dann wieder etwas höher, und indem die Leute, im lärmenden Tumulte über Thal und Hügel springend, ihnen beständig folgen, gelingt es ihnen nicht selten, den Schwärm über ihre Äcker und ihr Dorf schwebend hinwegzuführen. Haben sie das Meer oder einen Liman (Mündungsbusen) in der Nähe», so suchen sie ihn allmählich auf die Seite ins Wasser zu treiben. Führt ein starker Wind die Heuschrecken ins Meer hinaus, so ist es merk- würdig, daß sie, darin niederfallend, sich nicht in einer breiten Schicht darauf hinlegen, fondern sich pyramidenweise anhäufen, so daß, wo einige Millionen niederfielen, sich eben dahin auch die andern setzen, wie auf eilte, gleichsam durch die Leiber der audern gebildete, trockene Insel. Indem sich dann alle auf solchen einzelnen Inseln anhäufen, bilden sie so verschiedene, im Meere schwimmende, gegen 1/2 m hohe Berge, die durch all die sich anklammernden Beinchen und Gebisse fest zusammen- hangen und mehrere Centimeter tief ins Waffer gehen. Ist ihnen der vom Lande wehende Wind stark entgegen, so werden diese Heuschrecken immer weiter ins Meer hinausgetrieben und kommen so allmählich um. Doch muß der Wind stark sein; denn können die Tiere ihm nur einigermaßen entgegenarbeiten, so kehren sie wieder um. Die, welche oben auf dem Trockenen der Insel sind, fliegen wieder auf und kommen gegen den Wind ans Land zurück. Die, deren Flügel genäßt find, suchen sich schwimmend ans Ufer zu arbeiten; und kommen sie dazu, — die Heuschrecken haben, so wenig sie das Wasser lieben, doch ein zähes Leben und ertrinken nicht leicht, — so sitzen sie dann zu Milli- ouen auf dem Sande des Ufers, schlagen mit den Flügeln, trocknen sie schnell und schließen sich dem Zuge der übrigen an. Die ertrunkenen werden ebenfalls allmählich ans Ufer getrieben, färben hier den Schaum der Brandung fchwarz und bedecken den Rand des Waffers in langen Dämmen wie ausgeworfener Seedünger. ^ Gelingt es nicht, auf die angegebene Weise den im Felde liegenden schwärm in die Höhe zu bringen, was z. B. bei Regen oder auch nur bei feuchter Luft durchaus unmöglich ist, weil dann die Heuschrecke matt am Boden liegt und kaum dem sie zertretenden Fuße ausweicht, so bleibt dann nichts anders übrig, als die bereits bedeckten Äcker preiszugeben und so viele als möglich zu verderben, um wenigstens das Übel zu mindern. In den Gärten zertritt und zerschlägt man sie auf alle mög- liche Weise. Es ist kein Fuß und keine Hand in der ganzen Steppen- gegend, die nicht schon viele Tausende dieser Unholde gemordet hätte.

4. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 237

1890 - Gotha : Behrend
Ein^spanisches Stiergefecht. 287 eine wohl vier Fuß lange, vierschneidige Toledotlinge. Diese muß dem Tier auf einer genau bestimmten Stelle in den Nacken gestoßen werden, um es zu töteu. lim aber den rechten Punkt zu treffen, handelt es sich um zwei, höchstens drei Zoll Entfernung, in welcher das Tier an dein Menschen vorbei stoßen muß. Alles ist darauf berechnet, daß der Stier eher nach dem roten Tuch als nach dem Träger ausholt, und daß er den Stoß blindlings gerade ausführt. Es kommen aber Ausnahmen vor, und dann ist der Matador verloren. Bedächtig und kaltblütig schreitet der Caballero auf seinen schwarzen Gegner zu und hält ihm das Tuch hin. Zweimal läßt er ihn unter seinem Arm durchpassieren. Das dritte Mal steckt die Klinge dem Tier bis ans Hest im Nacken. Noch wütet dieses wohl eine Minute herum, dann aber fängt es an, aus dem Munde zu bluten, schwankt und stürzt zusammen. Eine Art Henkersknecht schleicht dann von hinten heran und stößt ihm ein Stilet in den Nacken, worauf dann auch der Stier sogleich tot ist. Jetzt treten fünf Maultiere mit bunten Bändern und Schellen in die Bahn und schleifen die gefallenen Pferde und zu- letzt den Stier im Galopp hinaus. Es wird etwas Sand auf die Blutspur gestreut, und ein neuer Kämpfer kommt an die Reihe. So wurden acht Stiere nach einander zu Tode gehetzt. Zwanzig Pferde blieben tot auf dem Platze, manche wnrden mit schrecklicher Verwundung hinausgeführt. Ein einziger Stier tötete acht Pferde. Menschen kamen nicht zu Schaden. Es ist wahr, die Pferde sind derart, daß, wenn der Stier sie heute nicht tötet, sie morgen zum Schinder geschickt würden. Gute Pferde würden teils sehr kostbar, teils nicht dazu zu bringen sein, selbst mit verbundenen Augen dem Anrennen des Stiers standzuhalten, ohne zu scheuen oder ohne sich zu wehren. Je mehr Pferde der Stier tötet und je gefährlicher er den Menschen ist, um so lauter wird ihm applaudiert. Ein Stier wollte überhaupt nicht angreifen. Unter wütendem Schimpfen und Verwünschungen lief er verzagt in der Bahn nmher. Da rief alles, los perros, die Hunde. Ju die Bahn gebracht, waren diese kaum noch zu halten und stürzten wütend auf den Stier, welcher sogleich einen spießte und hoch in die Luft warf. Die übrigen faßten ihn aber; einer unter auderm biß sich in seine Zuuge sest und ließ sich hoch auf und nieder fchlendern. Man hätte ihn zerreißen können, ehe er losgelassen. Vier Hunde hielten zuletzt das große Tier so fest, daß es sich nicht inehr befreien konnte und daß der Matador ihn niederstieß. Mitten in dieser Schlächterei trat die junge Königin mit ihrem Gemahl und ihrer auch ebeu verheirateten Schwester ein, wurde vom Matador ebenso wie ihre Mutter, vom Publikum mit großem Beifall begrüßt. Als der achte Stier gerade geendet, fing es bereits an zu dunkeln, das ganze Publikum rief aber uach einen neuem Stier, und so wnrde der neunte fast im Finstern gehetzt, was für den Matador äußerst gefähr- lich wird. Den Schluß des Stiergefechtes bildet gewöhnlich eine Scene, in welcher das Publikum die Hauptrolle übernimmt. Alles steigt und klettert in die Arena herab. Nach und nach werden sechs Stück Jung-

5. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 72

1890 - Gotha : Behrend
72 Bilder aus Ost-Europa. lebhaft ist's im Schilfwalde geworden, wo mit Schilf ein großer Handel getrieben wird, weil es als Hausdach und Hauswand dient, als Gartenzaun und Brennmaterial benutzt wird. Ganze Regimenter sendet die Krone zum Schilfschneiden, ganze Städte und Dörfer wandern aus; da werden Wege durch Sumpf und Fluß mittelst der Schilfbündel gebaut, da rauscht es von Sensenhieben, vom Jubel der Arbeiter, da schwirrt es von aufgescheuchten Enten, Gänsen und Pelikanen, da giebt es mit- unter ein Wolftreiben oder einen Jagdfang, bis nach wenigen Wochen der Erntejubel auf der Steppe und am Fluß verstummt, die Menschen verschwinden, um den Herden wie dem Wild freien Raum zu gewähren. Schweigend liegt die Steppe in der Sonnenglut; aus den Regen- schluchten steigt ein glühendheißer Luftstrom, weite Risse klaffen auf am steinharten Boden, das Gras verdorrt, Teiche und Brunnen verdunsten, das Vieh magert ab und erträgt mit Ungeduld Hitze und Durst in schattenloser Steppe. Unaufhaltsam trabt die sonst so langsame Herde dem Tränkplatz zu und tritt regelmäßige geradlinige Pfade aus; am Brunnen des Dorfes steht sogar eine Schutzwache. Schwarzer Staub steigt bei jedem Schritte empor und mehrt die Qualen der Hitze; das Gras zerfällt mürbe in Asche, die Luftspiegelung zeigt ihre trügerischen Wasser- und Baumlandschaften, träge liegen die Herden den Tag über in der Sonne, verlieren den Appetit und die Lebenslust. Erst mit Ansang des Septembers kühlt sich die Luft ab, Nachttau und mit- uuter ein Regen erquicken die Pflanzen, die von neuem grünen, die Herden werden mnnterer, der Übermut der Steppenwildheit erwacht wieder in ihnen, und bald tönt die Steppe wieder vom Hufschlag flüchtiger Roßherden, vom Brüllen und Blöken der Rinder und Merinos, vom Kläffen der Hunde, vom langgezogenen eintönigen Zuruf der Hirten, mit welchem sie sich und die Herde leiten, von Vogelgeschrei, Tierkämpfen und Jagdlärm der Kosaken. Doch die Tage werden kürzer, die kalten Nächte länger, und das sreie Steppenleben geht zur Neige. Langsam treibt der Roßhirt seine schwer zu bändigende Herde nach der Dreschtenne oder dem Roßmarkt, der Rinder- und Schafhirt die seinige nach dem Schlachthause. Sieh, dort der Dreschplatz von Leinen, Pfählen und Planken eingefaßt, sein Boden mit tausend Garben bedeckt. Der Hirt hält die Herde beisammen, die scheuen Tiere drängen und stoßen einander, steigen empor, kreischen und schlagen aufeinander. Aber alle Gegenwehr ist vergeblich, die Hälfte der Herde muß in die Tenne. Wild stürzt sie hinein, daß die Garben hoch auffliegen, und die ausgetretenen Körner knisternd umher- fliegen. Dadurch werden die Tiere noch scheuer, springen in tollen Sätzen die Tenne auf und nieder, indem sie einen Ausweg suchen, bis sie von Schweiß triefend herausgelassen werden, und die andere Hälfte der Herde die Arbeit des Austretens vollenden muß. Ähnlich ergeht es den Rosien auf dem Markte, in dessen Umzäunung sie sich drängen und tummeln, während der Hirt mit der Schlinge dieses und jenes sängt, es durch einen Ruck zu Boden wirft und dem Käufer überliefert, der es zähmt. Viel eruster wird der Herbstschluß für die fetten Rinder

6. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 73

1890 - Gotha : Behrend
Die südrussischen Steppen. 73 und Schafe. Sobald diese in die Nähe der weiten Schlachthöfe ge- kommen sind, aus denen ihnen der faule Blutgeruch entgegen weht, sträuben sie sich, wollen nicht weiter, brüllen und stöhnen und können nur durch List und Gewalt abteilungsweise in den Hof gebracht werden. Hier befällt sie Zagen und Zittern, sie verschmähen das dargebotene Futter, hängen den Kopf in banger Todesangst und müssen mit Ge- walt in den Schlachtsaal getrieben werden, wo ihnen die rohen Schlacht- knechte mit schwerer Axt das Rückgrat zerschmettern, daß die Tiere mit unsäglichen Schmerzen verenden. Bis an die Knöchel waten die Schlächter mit den Stulpstiefeln in Blut, auf dem Hofe sammeln sich Blutlachen, schleppen Huude, Geier, Nabeu, Seemöwen sich mit Ein- geweiden und Fleischresten umher und raucht es in den Talgsiedereien Tag und Nacht. Ahnliche Schrecknisse erlebt das Wild in der Steppe, denn der Herbst bringt die Steppenbrände, die absichtlich und unabsichtlich an- gelegt werden. Meilenweit ist die Steppe ein Fenermeer, welches den nächtlichen Himmel rötet. Knisternd und fußhoch züngelnd schreitet der Brand vor, hier schnell über dichtes Gras laufend, dort langsamer am holzigen Gestrüpp zehrend oder von einer Schlucht oder von einem Wege aufgehalten. Funken fliegen empor, dort knistert die dünne Königs- kerze wie eine Rakete, hier zischt das feine Büschel des Seidenkrantes, und ein schwüler Gluthauch weht von der Flamme herüber. Da fliehen Wolf und Hund, Vogel und Amphibie, da stürzen wilde Herden in wildem Jagen davon und müssen sich oft durch einen kühnen Lauf durchs Feuer retteu. Noch grauenhafter wird der Brand, wenn ein Schilfwald brennt, und ein Feuerstrom knisternd und prasselnd das Thal herabzieht. Wie schwirren da die Bogelscharen schreiend empor, kommen Wölse aus dem Dickicht geschossen und stürzt mancher fliegende Pelikan oder Hänfling in das Feuer! Nach dem Brande erscheinen endlich die Winterstürme und fegen die Steppe rein. Sie brechen das dürre Schilf, knicken der Windhexe den Kopf ab und treiben ihn hüpfend wie einen Federball über die Steppe, bis er in ganzen Wolken ins Meer fällt. Bald sinkt auch Schnee nieder und deckt die Steppe zu, so daß sich die Herden ihr karges Futter unter dem Schnee hervor- scharren müssen. Jetzt treibt sie der Hirt in die Umzäunung des Winterschuppens, der nur zum kleinsten Teil bedeckt ist. Frierend und hungernd drängen sich die Tiere aneinander, um sich zu erwärmen, doch manches erliegt dem Klima und dem Mangel. Auf der Steppe aber treiben die rafenden Schneestürme ihr Spiel, welches denen Ver- derben bringt, die von ihnen überfallen werden. Bei heiteren Himmel bricht der Schneesturm heulend herein und rast gewöhnlich drei Tage. Er hebt den lockern Schnee vom Boden aus, wirbelt ihn durcheinander und sendet dann zugleich aus schweren Wolken ein furchtbares Schneewetter herab, daß Erde und Himmel in wirbelnde Schneewogen aufgelöst scheinen. Da kann man °kein Auge öffnen, keine Richtung finden, sondern wird vom Sturm willenlos fort- getrieben. Werden Herden von ihm auf der Steppe überfallen, so sind

7. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 233

1890 - Gotha : Behrend
Madrid. 238 bereit jedoch nur wenige sich blicken lassen, und diese sehen allerdings zurückstoßend genug aus, in braune Mäntel gehüllt, die Montera oder den breitrandigen Hut iu die Stirn gedrückt. — Lebendiger wird die Landstraße selbst, je" mehr man sich der Hauptstadt nähert. Lange Züge oou hochbepackten Maultieren kreuzen sich, dereu Führer in ihrer Tracht sogleich die Provinz erraten lassen, deren Produkte sie uach der Haupt- stadt bringen — kürzere Züge von Karren und sogenannten Galeeren (vierräderige Fuhrmanuswagen) mit Maultieren bespannt, bewegen sich langsam einher — dann erhebt sich plötzlich eine Staubwolke, die rasselud und klingend sich nähert und eiue coche de colleras mehr erraten als erblicken läßt — ein kolossales, ungeschlachtes Gebäude, welches das Hans Österreich noch auf dem spanischen Thron gesehen zu haben scheint, — von sieben raschen, reichgeschmückten Manltieren gezogen, von einigen bewaffneten Reitern umgeben, rollt in tollem Galopp weiter, auf einige Minuten alles in eine Staubwolke hüllend. — Aus dieser entwickeln sich bald auch andere einzelne Reisende. Weltgeistliche und Ordensgeistliche auf stattlichen Maultieren — auch wohl ein Franziskaner auf einem Eselein, behaglich zwischen den frommen Spenden sitzend, die er seinem Kloster zuführt — gauze Banernfamilien, auf einem Tiere reitend —- oder ist es ein Esel, so sitzt die Mutter mit den Kindern darauf, und der Vater schreitet rüstig nebenher — doch muß es dem fremden Reisenden bald auffallen, daß er öfters zwei als eiueu Reiter auf einem Pferde oder Maultiere sieht, ja uicht selten wird die Zahl der Haimonskinder fast voll. Schon erblicken uufere Reifenden die puerta de Alcala vor sich, die mit dreifachen maurischen Triumphbogen, Trophäen, Pilastern, In- schristen u. s. w. einen sonderbaren Abstich gegen die Wüste bildet, die bis an die Mauern der Stadt reicht. Eine zahlreiche Herde Ziegen und einige Stiere, die, für das nächste Stiergefecht bestimmt, soeben vom Gebirge heruntergetrieben worden waren und mit Mühe von den Treibern gebändigt wurden, hatten sich mit einer Herde von Eseln, die ledig aus der Stadt uach den benachbarten Windmühlen zogen, im Thore gekreuzt, und die daraus eutsteheude Verwirruug zwang den Post- wagen, etwa hundert Schritt vom Thore zu halten, und trennte ihn von seiner Eskorte, die schon voran und zum Thore hineingeritten war. Eine Staubwolke umgab und bedeckte diese ganze verworrene Masse von Menschen und Vieh. Das Brüllen der Stiere, das Schreien der Esel, das Schelten und Rufen der Treiber zwang die Reifenden bald, alle Hoffnung aufzugeben, sich hier Gehör oder gar freien Durch- gang zu verschaffen, und sie waren entschlossen, ruhig die Entwirrung dieses Knäuels abzuwarten, als sie sehr unerwartet aus dieser Rolle philosophischer Zuschauer gerissen wurdeu. Um den Postwagen drängten sich plötzlich einige bewaffnete Reiter, von denen einer blitzschnell die Stränge der Maultiere abschnitt, während zwei andere den Majoral und Zagal*) und zwei die Reisenden unter Vorhaltung sehr eindring- *) Kutscher und Kondukteur.
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