149
12. Der Verstand ist im^Menschen zu Haus,
wie der Funken im Stein;
er schlägt nicht von sich selbst heraus,
er will herausgeschlagen sein. Rückert.
208. Drei Rätsel.
i.
1. Auf einer großen Weide gehen
viel tausend Schafe silberweiß;
wie wir sie heute wandeln sehen,
sah sie der allerältste Greis.
2. Sie altern nie und trinken Leben
ans einem unerschöpften Born;
ein Hirt ist ihnen zugegeben
mit schön gebognem Silberhorn.
3. Er treibt sic aus zu goldnen Thoren,
er überzählt sie jede Nacht,
und hat der Lämmer keins verloren,
so oft er auch den Weg vollbracht.
4. Ein treuer Hund hilft sie ihm leiten,
ein muntrer Widder geht voran.
Die Herde, kannst du sie mir deuten,
und auch den Hirten zeig mir an!
Ii.
1. Bon Perlen baut sich eine Brücke
hoch über einen grauen See;
sie baut sich auf im Augenblicke,
und schwindelnd steigt sie in die Höh.
2. Der höchsten Schiffe höchste Masten
ziehn unter ihrem Bogen hin,
sie selber trug noch keine Lasten
und scheint, wie du ihr nahst, zu fliehn
3. Sie wird erst mit dem Strom und schwindet,
sowie des Wassers Flut versiegt.
So sprich, wo sich die Brücke findet,
und wer sie künstlich hat gefügt?
Iii.
Ich wohn' in einem steinernen Haus,
da lieg' ich verborgen und schlafe;
doch ich trete hervor, ich eile heraus,
gefordert mit eiserner Waffe.
Erst bin ich unscheinbar und schwach und klein,
mich kann dein Athen: bezwingen,
ein Regentropfen schon saugt mich ein;
doch mir wachsen im Siege die Schwingen;
wenn die mächtige Schwester sich zu mir gesellt,
erwachs' ich zum furchtbar':: Gebieter der Welt.
Schiller.
200. Adventslied.
'ein König kommt in niedere Hüllen,
ihn trägt der kostbar':: Es'lin Füllen,
empfang' ihn froh, Jerusalem!
Trag' ihm entgegen Friedenspalmen,
bestreu' den Pfad mit grünen Halmen!
so ist's dem Herren angenehm.
3.
Dein Reich ist nicht von dieser Erden,
doch aller Erde Reiche werden
dem, das du gründest, Unterthan.
Bewaffnet mit des Glaubens Worten
zieht deine Schaar nach den vier Orten
der Welt hinaus und macht dir Bahn.
2.
O mächt'ger Herrscher ohne Heere,
gewalt'ger Kämpfer ohne Speere,
o Friedensfürst von großer Macht!
Es wollen dir der Erde Herren
den Weg zu deinem Throne sperren,
doch du gewinnst ihn ohne Schlacht.
4.
Und wo du kommest hergezogen,
da ebnen sich des Meeres Wogen,
es schweigt der Sturm, von dir bedroht.
Du kommst, auf den empörten Triften
des Lebens neuen Bund zu stiften
und schlägst in Fessel Sünd' und Tod.
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351
9. Roland das Schwert zur Seite band,
Herrn Milans starkes Waffen,
die Lanze nahm er in die Hand
und that den Schild aufraffen.
Herrn Milans Roß bestieg er dann
und ritt ganz sachte durch den Tann,
den Vater nicht zu wecken.
10. Und als er kam zur Felsenwand,
da sprach der Ries mit Lachen:
„Was will doch dieser kleine Fant
auf solchem Rosse machen?
Sein Schwert ist zwier so lang als er,
vom Rosse zieht ihn schier der Speer,
der Schild will ihn erdrücken."
11. Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit!
dich reuet noch dein Necken.
Hab' ich die Tartsche lang und breit,
kann sie mich besser decken;
ein kleiner Mann, ein großes Pferd,
ein kurzer Arm, ein langes Schwert,
muß eins dem andern helfen."
12. Der Riese mit der Stange schlug
anslangend in die Weite;
jung Roland schwenkte schnell genug
sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz' er auf den Riesen schwang,
doch von dem Wunderschilde sprang
auf Roland sie zurücke.
13. Jung Roland nahm in großer Hast
das Schwert in beide Hände;
der Riese nach dem seinen faßt;
er war zu unbeheude:
mit flinkem Hiebe schlug Roland
ihm unterm Schild die linke Hand,
daß Hand und Schild entrollten.
14. Dem Riesen schwand der Mut dahin,
wie ihm der Schild entrissen;
das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Roland in das Knie ihn stach,
daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter;
ein großer Strom von Blute lief
ins tiefe Thal hinunter.
Und aus des Todten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
und freute sich am Glanze.
16. Daun barg er's unterm Kleide gut
und ging zu einer Quelle;
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung' Roland
dahin, wo er den Vater fand,
noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt' sich an des Vaters Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
„Wach'auf, wach' auf,mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur
Hand,
daß wir den Riesen suchen!"
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
zu schweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Statt',
wo Roland jüngst gestritten hätt';
der Riese lag im Blute.
19. Roland kaum seinen Augen glaubt',
als nicht mehr war zu schauen
die linke Hand, dazu das Haupt,
so er ihm abgehauen,
nicht mehr des Riesen Schwert und Speer,
auch nicht sein Schild und Harnisch mehr,
nur Rumpf und blut'ge Glieder.
20. Milon besah den großen Rumpf:
„Was ist das für 'ne Leiche!
Man sieht noch am zerhauuen Stumpf,
wie mächtig war die Eiche.
Das ist der Riese; frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr';
drum muß ich ewig trauern." —
21. Zu Aachen vor dem Schlosse stund
der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl gesund?
sie weilen allzu lange.
Doch seh' ich recht, auf Köuigswort!
so reitet Herzog Haimou dort,
des Riesen Haupt am Speere."
22. Herr Haimon ritt in trübem Mut,
und mit gesenktem Spieße
legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag,
und fünfzig Schritte weiter lag
des Riesen Rumpf am Boden."
23. Bald auch der Erzbischof Tnrpiu
den Riesendhandschuh brachte,
die ungefüge Hand noch drin;
er zog sie aus und lachte:
„Das ist ein schön Reliquienstllck,
ich bring' es aus dem Wald zurück,
fand es schon zugehauen."
24. Der Herzog Naims von Baierland
kam mit des Riesen Stange:
„Schaut an, was ich im Walde fand!
ein Waffen, stark und lange.
Wohl schwitz' ich von dem schweren
Druck;
hei! bairisch Bier, ein guter Schluck,
sollt' mir gar köstlich munden!"
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Extrahierte Personennamen: Roland Milans_Roß Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Karl Karl Haimou Haimon Tnrpiu Naims_von_Baierland
144
er Bären lebendig erjagte und zun^ Spott an die Bäume hing. Doch
auch er fand trotz seines rastlosen Snchens nirgends die geraubte Jung-
frau.^ .Da verfolgte einmal sein treuester Hund eine seltsame Spur, und
Siegfried jagte ihm eifrig nach, ohne an Schlaf oder Trank und Speise
zu denken, bis er endlich am vierten Tage in einen wilden, unwegsamen
Wald geriet und sich völlig verirrte. Hier wäre er wohl verloren gewesen
trotz aller seiner Stärke; aber als er laut über sein Mißgeschick klagte,
kam der Zwergkönig Engel ans kohlschwarzem Rosse daher. Sein Kleid
war von weißer Seide und mit Gold durchwirkt; auf dem Haupte trug
er eine prachtvolle Krone mit so glänzenden Edelsteinen, daß der dunkle
Wald davon erleuchtet ward. Er begrüßte Siegfried freundlich, als ob er
ihn lange gekannt hätte, dann aber gebot er ihm schnell zu fliehen, weil
ganz in der Nähe ein Drache hause, der eine schöne Jungfrau gefangen
halte; „wenn dieser dich erblickt," sagte er, „so mußt du dein junges Leben
in diesem Walde verlieren." Da freute sich Siegfried, der gefangenen
Kriemhild so nahe zu sein, und er erklärte dem Zwerge, daß er gerade ge-
kommen sei, um sie zu befreien, aber erschrocken rief Engel: „Du willst
dich solches Dinges unterfangen? Hättest du auch den halben Erdkreis be-
zwungen, so würde dir das doch nichts helfen; die Jungfrau müßtest du
hier auf dem Felsen lassen. Denn den Schlüssel zu demselben bewahrt
der Riese Knperan, und ehe du auf die Höhe gelangtest, müßtest du mit
ihm einen Kamps bestehen, wie er auf Erden noch nicht gekämpft worden
ist." Gerade dies aber lockte den kühnen Siegfried, und was auch der
gute Engel sagte, um ihn zu warnen, so blieb er doch fest entschlossen, die
geraubte Kriemhild aus allen Gefahren zu erretten.
3. Wie Siegfried den Riesen besiegte.
Nun führte der Zwerg den Helden an die Seite des Felsens, wo des
Riesen Behausung war. Siegfried rief laut in die Höhle hinein. Sofort
trat Kuperan hervor, bewaffnet mit einer weit über die Bäume hinaus
ragenden Stange von Stahl, deren vier Kanten messerscharf waren und
die einen Klang gab wie eine Kirchenglocke. „Was willst du, junger Bursch,
in diesem Walde?" sprach der Riese. „Ich will die Jungfrau erlösen,"
antwortete Siegfried, „welche auf diesem Felsen gefangen sitzt." „Hoho!"
sagte jener, „du kleiner Wicht, da müßtest du erst noch einige Ellen wachsen."
Jetzt holte der Riese mit seiner Stange aus, um Siegfried niederzu-
schlagen; aber dieser sprang schnell und gewandt fünf Klafter weit zurück,
und sausend fuhr die Stange tief in die Erde hinein. Ehe Kuperan sie
aber wieder herausgezogen hatte, sprang Siegfried hinzu und schlug ihm
mit seinem scharfen Schwerte fürchterliche Wunden. Von Schmerz über-
wältigt, ließ der Riese seine Stange fahren und floh in die Höhle zurück.
Aber bald trat er schrecklich bewaffnet wieder hervor. Ein goldener
Harnisch deckte seine Brust; an der Seite trug er ein riesiges', scharfes
Schwert, in der Linken aber einen Schild so groß wie ein Thor und einen
Schuh dick, und auf dem Haupte hatte er einen Helm von hartem Stahl,
der leuchtete wie der Glanz der Sonne aus den Meereswellen. Und nun
begann wieder der harte Kampf zwischen den beiden. Laut hallten die
Schläge durch den dunklen Wald, und die Funken stoben aus den Helmen,
daß die Finsternis davon erhellt ward. Aber Siegfried unterlief das lange
Schwert des Riesen und hieb ihm den Panzer in Stücke und brachte dem
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Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
216. Der hörnene Siegfried.
147
Von hartem Stahl, der leuchtete wie der Glanz der Sonne auf den
Meereswellen. Und nun begann wieder der harte Kampf zwischen den
beiden. Laut hallten die Schläge durch den dunklen Wald, und die
Funken stoben aus den Helmen, dass die Finsternis davon erhellt
ward. Aber Siegfried unterlief das lange Schwert des Riesen und hieb
ihm den Panzer in Stücke und brachte dem Unhold sechzehn tiefe
Wunden bei, so dass ihm das Blut vom Leibe troff. Da flehte Kuperan
um sein Leben, und Siegfried sagte: „Gern will ich es dir schenken,
wenn du mir schwörst, mir die Jungfrau gewinnen zu helfen.“ Das
schwur der Riese, und so war zwischen beiden Friede gemacht; Sieg-
fried riss sich selbst sein Untergewand vom Leibe und verband mit-
leidig seines Feindes Wunden damit.
4. Wie der Riese wegen seiner Treulosigkeit getötet ward.
Als der siegreiche Held auf den Felsen hinaufeilte, um Kriemhild
zu suchen, nahm der tückische Riese, der hinter ihm herging, die
günstige Gelegenheit wahr und schlug ihn unversehens mit einem Faust-
schlage zu Boden. Da lag der edle Siegfried betäubt unter seinem
Schilde; rotes Blut quoll ihm aus Mund und Hase, und er schien tot
zu sein. Ehe sein Feind ihn aber vollends mordete, sprang schnell
der Zwerg Engel, der immer in der Nähe geblieben war, herbei und
deckte über Siegfried eine Tarnkappe, die die wunderbare Eigenschaft
hatte, jeden, den sie umhüllte, unsichtbar zu machen. Kuperan tobte
vor Wut, dass sein Gegner verschwunden war, aber wie er auch von
Baum zu Baum suchte, er vermochte ihn nicht wiederzufinden.
Inzwischen suchte der gute Zwerg den bewusstlosen Helden wie-
derzubeleben. Als er die Augen endlich wieder aufschlug und seinen
Retter neben sich sah, sprach er: „Lohne dir Gott, du kleiner Mann,
was du an mir gethan hast.“ — „Ja“, erwiderte der Zwerg, „da
hätte es dir schlimm ergehen können. Aber nun folge auch meinem
Rat und gieb es auf, die Jungfrau zu befreien.“ — Da sagte Siegfried:
„Nimmermehr! Und wenn ich tausend Leben hätte, so wollte ich sie
alle um die Jungfrau wagen.“
Sobald er sich einigermassen erholt hatte, warf er die Tarn-
kappe fort und stürmte von neuem auf den Riesen ein. Wieder schlug
er ihm acht tiefe Wunden, bis er um Gnade flehte. Wohl hätte der
Treulose sie nicht verdient, aber Siegfried bedachte, dass er ohne ihn
nicht an den Drachenstein gelangen könnte, und so schenkte er ihm
abermals das Leben, jetzt aber war er vorsichtiger und liess ihn
vorangehen.
So gelangten sie endlich an den Drachenstein. Ein unterirdischer
Gang führte zu der Thür desselben; der Riese schloss sie auf, und
Siegfried steckte den Schlüssel zu sich. Bald waren sie oben auf dem
Felsen. Der Drache war zum Glück ausgeflogen, (Re Jungfrau aber
erkannte den Helden und fing vor Freuden an zu weinen und sprach:
10*
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Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
216. Der hornene Siegfried.
149
immer gieriger züngelten rote und blaue Flammen ihm entgegen. End-
lich musste er fliehen, doch vergase er nicht Kriemhildens; schnell zog
er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen
nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von
Gold und Edelgestein; es war der Hort des unterirdischen Zwergen-
volkes, der Nibelungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängst-
lich geflohen waren; Siegfried aber meinte, dass es der Schatz des
Drachen sei.
Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein
Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen
und roten Flammen, die das Untier gegen ihn spie, brachte ihn wieder
in grosse Not; er musste auf die Seite springen, aber nun versuchte
das Ungeheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringeln, und nur mit
genauer Not entging er diesen Umarmungen. Von den wiederholten
Schlägen aber und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die
Hornhaut des Drachen weich zu werden; als Siegfried das merkte,
nahm er alle seine Kraft zusammen und führte einen so gewaltigen
Hieb auf das Tier, dass er es von oben bis unten mitten hindurch
spaltete und die eine Hälfte vom Rande des Felsens in die Tiefe sank.
6. Wie Siegfried und Kriemhild heimkehrten.
So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier
zu. Aber der war von der ungeheuren Anstrengung bis zum Tode
erschöpft; ohnmächtig sank er zusammen, und lange lag er bewusstlos
da. Darüber erschrak Kriemhild so, dass auch ihr die Sinne vergingen
und sie wie eine Tote neben dem Helden lag. Endlich nach langer
Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie tot
neben sich sah, brach er in laute Klagen aus und rief: „0 weh mir,
dass ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder
heimführen wollte, die muss ich nun tot ihm bringen? Des werd’ ich
ewig klagen müssen.“
Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille
auf dem Felsen geworden war, wieder hervorgewagt hatte. Schnell
kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein
Kraut eingeben, dass sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und
alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem
Retter Siegfried um den Hase und küsste ihn auf den Mund. Engel
aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir
dienen mussten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir
helfen, wo wir können.“ Danach führte er Siegfried und Kriemhild
in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen Speisen
und Getränken vollends von den überstandenen Mühen und Ängsten.
Dann nahmen sie Abschied von dem guten Zwerg, um gen Worms
zu reiten; denn sein treues Rose fand Siegfried noch unten am Fusse
des Berges.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
206
Zi. Roland Schildträger.
14. Dem Riesen schwand der Mut dahin,
wie ihm der Schild entrissen;
das Kleinod, das ihm Kraft verliehn,
mußt' er mit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Roland iu das Knie ihn stach,
daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter;
ein großer Strom von Blute lief
ins tiefe Thal hinunter.
Und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach
und freute sich am Glanze.
16. Dann barg er's unterm Kleide gut
und ging zu einem Quelle;
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zuriicke ritt der jung' Roland,
dahin, wo er den Vater fand,
noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt' sich an des Vaters Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
„Wach' auf, wach' auf, mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand,
daß wir den Riesen suchen!"
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
zu schweifen in der Wilde;
Roland ritt hinterm Vater her
mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Statt',
wo Roland jüngst gestritten hatt';
der Riese lag im Blute.
19. Roland kaum seinen Augen glaubt',
als nicht mehr war zu schauen
die linke Hand, dazu das Haupt,
so er ihm abgehauen,
nicht mehr des Riesen Schwert und Speer,
auch nicht sein Schild und Harnisch mehr,
nur Rumpf und blut'ge Glieder.
20. Milon besah den großen Rumpf:
„Was ist das für 'ue Leiche!
Man sieht noch am zerhaunen Stumpf,
wie mächtig war die Eiche.
Das ist der Riese; frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr',
drum muß ich ewig trauern." —
21. Zu Aachen vor dem Schlöffe stund
der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl gesund?
sie weilen allzulange.
Doch seh' ich recht, auf Königswort!
so reitet Herzog Haimon dort,
des Riesen Haupt am Speere."
22. Herr Haimon ritt iu trübem Mut,
und mit gesenktem Spieße
legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag, -
und fünfzig Schritte weiter lag
des Riesen Rumpf am Boden."
23. Bald auch der Erzbischof Turpiu
den Riesenhaudschuh brachte,
die ungefüge Hand noch drin;
er zog sie aus und lachte:
„Das ist ein schön Reliquienstück,
ich bring' es aus dem Wald zurück,
fand es schon zugehauen."
24. Der Herzog Naims von Bayerlaud
kam mit des Riesen Stange:
„Schaut au, was ich im Walde fand!
ein Waffen, stark und lange.
Wohl schwitz' ich von dem schweren Druck;
hei! bayrisch Bier, ein guter Schluck,
sollt' mir gar köstlich munden!"
25. Graf Richard kam zu Fuß daher,
ging neben seinem Pferde;
das trug des Riesen schwere Wehr,
den Harnisch samt dem Schwerte:
„Wer suchen will im wilden Tann,
manch Waffeustück noch finden kann;
ist mir zu viel gewesen."
26. Der Graf Garin that ferne schon
den Schild des Riesen schwingen.
„Der hat den Schild, des ist die Krön',
der wird das Kleinod bringen!"
„Den Schild hab' ich, ihr lieben Herrn,
das Kleinod hätt' ich gar zu gern,
doch das ist ausgebrochen."
27. Zuletzt thät man Herrn Milon sehn,
der nach dem Schlosse lenkte;
er ließ das Rößlein langsam gehn,
das Haupt er traurig senkte.
Roland ritt hinterm Vater her
und trug ihm seinen starken Speer
zusamt dem festen Schilde.
28. Doch wie sie kamen vor das Schloß
und zu den Herr'n geritten,
macht' er von Vaters Schilde los
den Zierat in der Mitten;
das Riesenkleinod setzt' er ein, ■
das gab so wunderklaren Schein,
als wie die liebe Sonne.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Roland_Schildträger Roland Roland Roland Roland Roland Roland Roland Karl Karl Haimon Haimon Naims_von_Bayerlaud Roland
Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
104
163. Drei Rätsel.
und unterwegs zu verkaufen, wenn sie Geld bedürftig wären oder einem ein
Unglück widerführe.
Den Abschied will ich weiter nicht beschreiben. Keiner, der dabei war,
vermag es; sie schieden unter tausend Segenswünschen des Dankes und der
Liebe, und der Schneider gestand, daß dieses für ihn der schmerzlichste Tag
seines Lebens sei. Die Reisenden aber sprachen unterwegs noch immer von
ihrem Vater in Pensa, und als sie in Bialystock in Polen wohlbehalten ankamen
und Geld antrafen, schickten sie ihm dankbar das vorgeschossene Reisegeld zurück.
Franz Anton Egetmeier, Schneidermeister in Asien — das war das
Gotteskind. Hebel.
168. Drei Rätsel.
1. H)ie heißt das Ding, das wen'ge
schätzen,
doch ziert's des größten Kaisers Hand;
es ist gemacht, um zu oerletzen,
am nächsten ist's dem Schwert verwandt.
2. Kein Blut vergießl's und macht doch
lausend Wunden,
niemaird beraubt's und macht doch reich;
es hat den Erdkreis iiberwunden,
es macht das Leben sanft und gleich.
3. Die größten Reiche hat's gegründet,
die ält'sten Städte hat's erbaut;
doch niemals hat es Krieg entzündet,
und Heil dem Volk, das ihm vertraut!
^lch drehe mich auf einer Scheibe,
ich wandle ohne Rast und Ruh'.
Klein ist das Feld, das ich umschreibe,
du deckst es mit zwei Händen zu —
Ii.
doch brauch' ich viele Tausend Meilen,
bis ich das kleine Feld durchzogen,
flieg' ich gleich fort mit Sturmes Eilen
und schneller als der Pfeil vom Bogen.
Ein Vogel ist es, und an Schnelle
buhlt es mit eines Adlers Flug;
ein Fisch ist's und zerteilt die Welle,
die noch kein größres Untier trug;
ein Elefant ist's, welcher Türme
auf seinem schweren Rücken trägt;
der Spinnen kriechendem Gewürme
gleicht es, wenn es die Füße regt;
und hat es fest sich eingebissen
mit seinem spitz'gen Eisenzahn,
so steht's gleichwie auf festen Füßen
und trotzt dem wütenden Orkan.
Schiller.
164. Kim ul der Grosse.
Jvanut war ein grosser König und Beherrscher von England und
Dänemark, und seine Schiffe fuhren auf den nördlichen Meeren hin
und her. Es begab sich aber eines Tages, dass er lustwandelte am
Ufer des Meeres und seine Hofleute mit ihm. Da thaten Schmeichler
ihren Mund auf und priesen ihn als den König der Könige und als
den Herrn des Meeres wie des Landes. Aber der König ergrimmte
in seinem Herzen ob dieser Worte; denn er fürchtete den Herrn, und
es war solches ein Greuel in seinen Augen. Und er schwieg. Über
ein Kleines breitete er seinen Mantel hart an das Ufer aus, setzte sich
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Extrahierte Personennamen: Schneider Franz_Anton_Egetmeier Franz Schiller
Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
38. Der brave Mann,
195
38. Der brave Mann.
1. Iboch klingt das Lied vom braven Mann,
wie Orgelton und Glockenklang.
Wer hohes Muts sich rühmen kann,
den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob! daß ich singen und preisen kann,
zu singen und preisen den braven Mann.
2. Der Tauwind kam vom Mittagsmeer
und schnob durch Welschland trüb und feucht.
Die Wolken flogen vor ihm her,
wie wann der Wolf die Herde scheucht.
Er fegte die Felder, zerbrach den Forst;
auf See'n und Strömen das Grundeis borst.
3. Am Hochgebirge schmolz der Schnee;
der Sturz von tausend Wassern scholl;
das Wiesenthal begrub ein See;
des Landes Heerstrom wuchs und schivoll.
Hoch rollten die Wogen, entlang ihr Gleis,
und rollten gewaltige Felsen Eis.
4. Auf Pfeilern und auf Bogen schwer,
aus Quaderstein von unten auf,
lag eine Brücke drüber her,
und mitten stand ein Häuschen drauf.
Hier wohnte der Zöllner mit Weib und Kind.
„Ozöllner, ozöllner, entfleuch geschwind!"
5. Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran;
laut heulten Sturm uüd Wog' ums Haus;
der Zöllner sprang zum Dach hinan
und blickt' in den Tumult hinaus.
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!
Verloren! Verloren! Wer rettet mich?"
6. Die Schollen rollten, Schuß auf Schuß,
von beiden Ufern, hier und dort;
von beiden Ufern riß der Fluß
die Pfeiler samt den Bogen fort.
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind —
er heulte noch lauter, als Strom und Wind.
7. Die Schollen rollten, Stoß auf Stoß,
au beiden Enden, hier und dort;
zerborsten und zertrümmert schoß
ein Pfeiler nach dem andern fort.
Bald nahte der Mitte der Umsturz sich.
„Barmherziger Himmel, erbarme dich!"
8. Hoch auf dem fernen Ufer stand
ein Schwarm von Gaffern, groß und klein,
ein jeder schrie und rang die Hand;
doch mochte niemand Retter sein.
Der bebende Zöllner mit Weib und Kind
durchheulte nach Rettung den Strom und
Wind.
9. Wann klingst du, Lied vom braven Mann,
wie Orgelton und Glockenklang?
Wohlan, so nenn' ihn, neun' ihn daun!
Wann nennst du ihn, mein schönster Sang?
Bald nahet der Mitte der Umsturz sich:
o braver Mann, braver Mann, zeige dich!
10. Rasch galoppiert ein Graf hervor,
auf hohem Roß ein edler Graf.
Was hielt des Grafen Hand empor?
Ein Beutel war es, voll und straff.
„Zweihundert Pistolen sind zugesagt
dem, welcher die Rettung der Armen wagt!"
11. Wer ist der Brave? Jst's der Graf?
Sag' an, mein braver Sang, sag' an!
Der Graf, beim höchsten Gott, war brav;
doch weiß ich einen bravern Mann. —
O braver Mann, braver Mann, zeige dich!
Schon naht das Verderben sich fürchterlich.
12. Und immer höher schwoll die Flut,
und immer lauter schnob der Wind,
und immer tiefer sank der Mut. —
„O Retter, Retter, komm' geschwind!"
Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach;
laut krachten und stürzten die Bogen nach.
13. „Hallo! hallo! frisch auf, gewagt!"
Hoch hielt der Graf den Preis empor.
Ein jeder hört's, doch jeder zagt;
aus Tausenden tritt keiner vor.
Vergebens durchheulte mit Weib und Kind
der Zöllner nach Rettung den Strom und
Wind.
14. Sieh, schlecht und recht ein Bauersmann
am Wanderstabe schritt daher,
mit grobem Kittel angethan,
an Wuchs und Antlitz hoch und hehr.
Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort
und schaute das nahe Verderben dort.
15. Und kühn in Gottes Namen sprang
er in den nächsten Fischerkahn.
Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang
kam der Erretter glücklich an.
Doch wehe! der Nachen war allzu klein,
der Retter von allen zugleich zu sein.'
16. Und dreimal zwang er seinen Kahn
trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang,
und dreimal kaur er glücklich an,
bis ihm die Rettung ganz gelang.
Kaum kamen die letzten in sichern Port,
so rollte das letzte Getrümmer fort.
17. Wer ist, wer ist der brave Mann?
Sag' an, sag' an, mein braver Sang!
Der Bauer wagt' ein Leben dran,
doch that er's wohl um Goldesklang?
Denn spendete nimmer der Graf sein Gut,
so wagte der Bauer vielleicht kein Blut.
18. „Hier", rief der Graf, „mein wackrer
Freund,
hier ist der Preis! Komm' her, nimm hin!"
13*
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 9
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
18
14. Die Kurfürstin Luise Henriette.
Vom Pferde sinkend, bleibt er mit einem Fuße im Steigbügel hängen.
Das scheu gewordene Pferd schleift ihn ein Stück mit fort. Der Herzog verläßt
den König, nicht aber der Edelknabe. Er schwingt sich von: Rosse und bietet
es seinem am Boden liegenden Herrn an. Vergebens mühet sich dieser, mit Hilfe
des Edelknaben sich vom Boden zu erheben. Ein neuer Schwarm der Kaiser-
lichen sprengt herzu, es fallen Schüsse, eine Kugel dringt dem Könige durch die
Schläfe — er ist nicht mehr.
Inzwischen haben die Schweden das daherjagende blutige Pferd ihres
Königs erblickt. Von Mund zu Mund geht die Schreckenskunde: der König ist
tot. — Der Eindruck des Unglücks ist fast überwältigend. Einige der schwedi-
schen Generale denken an einen geordneten Rückzug und äußern sich in diesem
Sinne. „Nein", ruft der tapfere Bernhard von Weimar, „keinen Rückzug; Rache!
Sieg oder Tod muß jetzt unser Feldgeschrei sein."
Sein Ausruf ist der rechte Ausdruck des Gefühls, das sich der Mehrzahl
der protestantischen Krieger bemächtigt hat. „Rächet den König! rächet ihn!"
Also tönt es umchtvoll aus dem Heere.
Mit Sturmgewalt geht es wieder gegen den Feind. Auf allen Punkten
wird sein Widerstand gebrochen, gräßlich mähet der Tod in seinen Reihen, er weicht.
Aber noch eine harte Probe seines Heldensinnes hat das Heer zu bestehen. Pap-
penheim, dem Eilboten nachgesandt worden, kommt jetzt mit seinen Geschwadern da-
hergebraust. Ein neues, gewaltiges Ringen beginnt; aber auch die Pappenheimer
werden in die Flucht geschlagen, ja ihr Führer fällt, Das ganze kaiserliche Heer
ist auf der Flucht. In der Nacht bei Fackelschein finden die Schweden die Leiche
ihres geliebten Königs am sogenannten Schwedensteine.
Zehntausend schliefen um Gustav den letzten Schlummer im Felde bei Lützen.
Ein eisernes Denkmal zeigt der Nachwelt die Stelle, auf der der König
seine Heldenseele aushauchte. Ein Denkmal erhabenerer Art ist dem Könige in
dem Gustav - Adolf - Vereine gestiftet.
Der größte Held der Protestanten war zwar dahin, aber — auch der Zauber
des Namens Wallenstein war geschwunden.
14. Die Kursürstin Luise Henriette.
Der grosse Kurfürst hatte sich zur Gemahlin die Tochter des Prinzen von
Oranien, Luise Henriette, erkoren, eine durch bedeutende Geistesgaben,
Herzensgüte, echte Frömmigkeit und edle Weiblichkeit ausgezeichnete
Prinzessin.
Im Jahre 1646 am 17. November fand die Vermählung statt, aber
erst im nächsten Frühjahr holte der Kurfürst seine junge Gemahlin in sein
Land, da sie ihn gebeten hatte, er möge sie noch so lange bei ihrem alten,
schwer erkrankten Vater lassen, bis sich die Krankheit gehoben habe. Der
Kurfürst willigte ein und die liebende Tochter war dem teuren Vater der
Engel am Schmerzenslager, der, so weit es der Macht der Liebe möglich
ist, ihm Trost und Erleichterung bis ins Kleinste zu bringen verstand.
Aber die Krankheit verschlimmerte sich — und im März verschied der
Vater sanft in den Armen seiner geliebten Luise. Nachdem das feierliche
Begräbnis des hohen Verstorbenen vor sich gegangen war, begab sich der
Kurfürst mit seiner Gemahlin nach Cleve, dessen Schloss er für dieselbe
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
TM Hauptwörter (100): [T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser], T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Luise_Henriette Bernhard_von_Weimar Gustav Gustav Gustav Adolf Luise_Henriette Luise_Henriette Cleve
Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 9
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
216. Der hörnene Siegfried. 149
er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache ihnen
nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von
Gold und Edelgestein; es war der Hort des unterirdischen Zwergen-
volkes, der Nibelungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängst-
lich geflohen waren; Siegfried aber meinte, dass es der Schatz des
Drachen sei.
Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein
Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen
und roten Flammen, die das Untier gegen ihn spie, brachte ihn wieder
in grosse Not; er musste auf die Seite springen, aber nun versuchte
das Ungeheuer mit seinem Schwänze ihn zu umringeln, und nur mit
genauer Not entging er diesen Umarmungen. Von den wiederholten
Schlägen aber und von der gewaltigen Hitze begann allmählich die
Hornhaut des Drachen weich zu werden; als Siegfried das merkte,
nahm er alle seine Kraft zusammen und führte einen so gewaltigen
Hieb auf das Tier, dass er es von oben bis unten mitten hindurch
spaltete und die eine Hälfte vom Rande des Felsens in die Tiefe sank.
6. Wie Siegfried und Kriemkild heimkehrten,
So war Kriemhild gerettet, und freudenvoll eilte sie auf ihren Befreier
zu. Aber der war von der ungeheuren Anstrengung bis zum Tode
erschöpft; ohnmächtig sank er zusammen, und lange lag er bewusstlos
da. Darüber erschrak Kriemhild so, dass auch ihr die Sinne vergingen
und sie wie eine Tote neben dem Helden lag. Endlich nach langer
Zeit schlug Siegfried die Augen auf; als er aber die Jungfrau wie tot
neben sich sah, brach er in laute Klagen aus und rief: „0 weh mir,
dass ich dies erleben soll! Die ich in Freuden ihrem Vater wieder
heimfuhren wollte, die muss ich nun tot ihm bringen? Des werd’ ich
ewig klagen müssen."
Das hörte der Zwerg Engel, der sich inzwischen, wie es stille
auf dem Felsen geworden war, wieder hervorgewagt hatte. Schnell
kam er herbei und sagte: „Sei nur getrost! ich will der Jungfrau ein
Kraut eingeben, dass sie bald wieder gesund wird.“ So that er, und
alsbald schlug sie die Augen wieder auf. Da fiel sie freudenvoll ihrem
Retter Siegfried um den Hals und küsste ihn auf den Mund. Engel
aber sprach: „Du hast uns Zwerge von dem bösen Riesen, dem wir
dienen mussten, befreit; dafür wollen wir nun auch dir dienen und dir
hellen, wo wir können." Danach führte er Siegfried und Kriemhild
in seine Wohnung, und hier erholten sie sich bei köstlichen Speisen
und Getränken vollends von den überstandenen Mühen und Ängsten.
Dann nahmen sie Abschied von dem guten Zwerg, um gen Worms
zu reiten; denn sein treues Ross fand Siegfried noch unten am Fusse
des Berges.
Als sie aber eine kurze Strecke geritten waren, fiel Siegfried
ein, dass der Schatz, den er im Berge gesehen hatte, ihm als dem
Besieger des Drachen gehöre, denn er wusste ja nicht, dass es der
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]