84 Unsere Jugend im Weltkrieg.
2. Wie wäre das, wenn ich ihn bäte, daß er mir einen Russen schickt?
Das tut er nicht. Und wenn er's täte, so wär' der Fall erst recht verzwickt.
Vielleicht geht's so: ich werd' ihm melden, daß ich ihn für unsterblich halt'?
Ich glaube bloß, das läßt den Helden Gewissermaßen etwas kalt.
3. Bei uns gibt's morgen Apfeltorte — wie wär's, wenn man ihm hiervon spricht?
Doch nein, ihn kränken diese Worte;
denn so was Feines kriegt er nicht.
Ob ich vom Wetter schreib', dem trüben, und daß der Winter Schnee gestreut?
Das hat man ihm wohl schon geschrieben; ich glaub' auch kaum, daß ihn das freut.
4. So forsche weiter ich begierig, womit ich ihn erfreuen kann.
Ach Gott, was ist das Schreiben schwierig an einen solchen großen Mann!
Ich blick' hinaus ins Flockentreiben. —
Hurra! Getroffen ist die Wahl:
Ich werd' ihm einfach gar nichts schreiben, da freut er sich ganz kolossal."
Gustav Hochstetter, „Hoch die Herzen."*)
6. Es war einmal...
(Märchen aus dem 3. Jahr des Weltkrieges.)
Es war einmal ein Land, darinnen Milch und Honig floß.
Ihr kennt doch alle dieses Märchen. Nun gab es aber auch in Wirklichkeit so ein Land. Da mußten sich die Leute jeden Morgen durch hohe Semmelberge durchessen, und damit die Semmeln in den Magen rutschten, mußten sie fingerdick mit Butter und Honig gestrichen werden. Dazu mußten die Leute große Gläser voll Milch oder Tassen voll süßen Kaffees trinken, weil's eben halt da war.
Wenn die Kinder zur Schule gingen, mußten sie dann noch dickbelegte Brote mitnehmen. Da sie aber meist noch vom Morgen satt waren, warfen viele die Brote auf den Schulhof oder auf die Straße. Die aber, die ihr Schinkenbrot verzehrt hatten, konnten zu Mittag die dicken Linsen oder das fette Schweinefleisch durchaus nicht essen.
So kam es, daß die Mutter recht oft beim Essen schalt oder die Teller noch halbgefüllt abgeräumt wurden. Ja, ja! Die Butterbrötchen oder gar
*) Verlag Concordia. Berlin. Geb. 2 M.
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Hochstetter Gustav
Kleine Bilder aus großer Zeit. 121
ba an den gewaltigen Vorräten des täglichen Brotes vergangen. Sie übergössen es mit Massen von Petroleum!
Aber sie haben nicht mit dem gerechten Zorn unseres Hindenburg gerechnet, der den Frevel an ihrem eigenen Leibe strafte. Auf die Meldung von der Roheit der Russen erfolgte der Befehl: „Uber den Geschmack streiten wir nicht mit den Russen. Dieses Brot ist zur Ernährung der russischen Gefangenen zu verwenden, solange der Vorrat reicht." Und sie sind froh gewesen, als sie es bekamen; es hat ihnen auch nicht geschadet. Aber ob sie es nicht doch lieber ohne diese russische Würze verzehrt hätten?
Gustav Schlipköter, „Fürs teure Vaterland." Verlag Friedr. Burchard.
Clberfeld-Sonnborn.
3. Kunstvolle Artilleriestellungen, Unterstände und Blockhäuser der Russen in Ostpreußen.
Die Russen stehen seit alter Zeit in dem Rufe, sich auf die Verteidigung gut einrichten zu können. Das hat sich auch im Weltkriege wieder gezeigt.
So hatte Rennenkampf anfangs September 1914 in neun Tagen kunstvolle Artilleriestellungen bei Gerdauen bauen lassen. Außerdem waren starke Bäume über die Straßen gelegt, welche die deutschen Truppen bei ihrem Anmarsch benutzen mußten. Man hatte sogar jeden Ast und jedes Ästchen sauber angespitzt, nicht nur die Schützengräben überdacht, sondern auch die Laufgräben, die zu ihnen hinführten. Leider waren zum Bau solcher Stellungen die prächtigen alten Eschenalleen von Gerdauen nach Nordenburg auf eine Strecke von mehreren Kilometern umgehauen worden.
Auch beim Winterfeldzuge fanden unsere Truppen in den Wäldern Ostpreußens großartig eingerichtete russische Unterstände, von denen ein Kriegsfreiwilliger folgendes erzählte: „Die Russen hatten sich im Walde tadellos verschanzt. Unterstände sind dort gebaut worden, die müßte man gesehen haben. Die richtigen Tanzsäle waren es unter der Erde, Höhlendörfer, ausgestattet mit feinen Möbeln, die aus den Gutshäusern stammten, mit Ofen versehen und mit Leinwand die Wände bespannt. Wären wir im Besitze solcher Stellungen gewesen, hätten wir sie nicht so schnell freigegeben."
Meisterhaft hatten es die Russen sodann verstanden, starke Blockhäuser zu bauen, in denen sie ihre Maschinengewehre aufstellten. Sie waren aus mächtigen Baumstämmen hergestellt und hatten doppelte Wände, deren Zwischenräume mit Erde ausgefüllt waren. Das Dach bestand aus zwei bis drei Lagen von Baumstämmen, zwischen welchen sich ebenfalls Erdschichten befanden. Gegen manche solcher Blockhäuser, die besonders in Polen und Rußland von bedeutender Stärke sind, vermag unsere leichte Artillerie kaum etwas auszurichten. S.
4. Unfreiwillige Kriegslieferungen in Allenstein.
Als die Russen am Donnerstag den 27. August 1914 in Allenstein eingerückt waren, verlangten sie ungeheure Lieferungen, nämlich 120 000 Kilo Brot, 6000 Kilo Zucker, 5000 Kilo Salz, 3000 Kilo Tee, 15000 Kilo
Smillus, Unser Ostpreußen. I. 9
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Schlipköter Gustav Burchard August