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1. Dichtung des Mittelalters - S. 29

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
Vorfrühling, von 1100 bis 1180. 29 heit und das deutsche Volk unter ihm als die weltgebietende Nation, so mußte diese Anschauung um so ausgedehntere Geltung erlangen, als in den Hohenstaufen lebensfrische, heldenhafte, von den höchsten Ideen er- füllte Herrscher den Kaiserthron inne hatten und durch glorreiche Taten in Deutschland, Italien und dem Oriente den Glanz ihres Namens weit- hin verbreiteten. Kein Wunder daher, daß damals alle Stände, alle Geschlechter Deutschlands ein allgemeines, stolzes Nationalgefühl beseelte, daß alle der Größe und der Bedeutung ihres Volkes sich lebhaft bewußt wurden. So bot dieser glanzvolle Zeitraum fruchtbare poetische Elemente dar, die das ganze Volk bewegten und begeisterten. 4. Die Blüte des deutschen Ritter st and es. Dieser erhielt durch die Kreuzzüge eine idealere Richtung, nahm im Umgang mit edlen Frauen (Ironie — Herrin) feinere gesellige Bildung an und entwickelte äußeren Glanz. Wie die Kaiser und Fürsten, namentlich die Herzoge von Österreich und die Landgrafen von Thüringen, die Dichtkunst förderten und ihre Vertreter begünstigten, so bemühten sich die Ritter auf ihren Burgen ein Gleiches zu tun, ja sie wurden sogar selbst Dichter, übten und pflegten die edle Kunst, wo immer nur Gelegenheit sich bot. 5. Die Anregung zur Poesie seitens der Troubadours (z. B. Bertrand de Born ßuhland)) in der Provence und seitens der Trouveres^ im nördlichen Frankreich. Jene brachten schon früh die lyrische Poesie in Darstellung von Liebe und Galanterie zu kunstreicher Ausbildung, diese behandelten vorzugsweise epische Stoffe und boten in diesen den deutschen Epikern reiches Material. Der eigentlichen Blütezeit ging ein Vorfrühling voraus, der von 1100—1180 reicht. 8 7. Dichtungen des Vorfruhlings. Der Zeit der Vorbereitung fehlt noch die Vollendung des Versbaues, die sorgsame und richtige Behandlung des Reimes und namentlich die Reinheit der Sprache. Auf dem Gebiete der geist lichen Poesie finden wir vorzugsweise Heiligenlegenden, Psalmen und geistliche Volkslieder. Besondere Hervor- hebung verdient als ein Lied, in welchem die ganze Jnnigkeit und Lieb- lichkeit der mittelalterlichen Marienverehrung zum Ausdrucke kommt, das „Marienleben" des Geistlichen Wernher, um 1173 verfaht. 1 1 Beide Wörter von trouver (trouber und trobar) — erfinden.

2. Dichtung des Mittelalters - S. 136

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
136 Dritte Periode, von 1100 bis 1300, oder erste Blüteperiode. nischen Sage vom heiligen Gran. Außerdem behandelten diese Dichter des Kunstepos noch Legenden und Erzählungen geistlichen und weltlichen Inhalts. Somit ist der Gegenstand des Kunstepos nicht das Erlebte und die Erfahrung eines ganzen Volkes, sondern nur das Erlebnis einzelner Personen, ja oft nur das von dem phantasiereichen Dichter romanartig Erfundene. Auch das, was den Sinn des ritterlichen Sängers erfüllte und das Wesen des Rittertums ausmachte, spiegelt sich in den Dichtungen wider, wie die höfische Sitte, das üppige Leben, der Drang nach Abenteuern und Phantastischem, der Minnedienst mit allen seinen hohen Ideen, aber auch mit seinen oft traurigen Verirrungen. So tritt das rein Menschliche 1 lehnt aus dem sranz. aventure, mittellat. die aventura (ursprünglich adventura]) aus, welche eine stets Neues erfindende Phantasie auf das phantastischste, wunder- barste und bunteste gestaltet und endlos aneinanderreiht. Nach Vollendung großer Taten kehren die Ritter zu neuer Freude zur Tafelrunde zurück. Die vorzüglichsten derselben sind Jwein, Tristan, Erek, Parzival. 1 Die Sage vom heiligen Gral, ursprünglich aus dem Oriente stammend, findet ihre Ausbildung zunächst in Spanien und Südfrankreich, dann in Deutsch- land. Dieselbe enthält ein doppeltes Moment: das allgemein menschliche von der Annahme eines paradiesischen Zustandes aus Erden und das christliche von dem Glauben an die vom Abendmahle Christi ausgehende beseligende Kraft. Der Gral (aus dem lat. gradals (Schüssel mit stufenmäßig aufgerichteten Seitens, altfranz. graal oder greal — Schüssel) ist eine aus einem kostbaren Edelsteine gearbeitete Schüssel, aus welcher Christus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl genoß, und in welche Josephus von Arimathäa das aus der Seitenwunde Christi rinnende Blut auffing. Daher knüpft sich an den Gral äußerlich die Darbringung des christlichen Opfers und die Welterlösung; er ist deshalb auch mit Kräften ewigen Lebens ausgestattet. Eine weiße Taube stiegt alljährlich am Karfreitage vom Himmel hernieder, legt in die Schüssel eine Oblate (Hostie) und erneuert durch dieselbe die überirdische Kraft; denn der Anblick des Grals rettet vom Tode und befriedigt alle Wünsche. Niemand aber kann ohne den Ruf des Herrn zum Gral gelangen, niemand der Wunder desselben teilhaftig werden, der stumpfsinnig und gleichgültig nicht nach demselben fragt. So ist der Gral gleichsam die Geschichte der Erlösung durch den menschgewordenen Gottessohn, das Symbol der christlichen Religion, die mehr als alle Herrlichkeit der Welt beseligt, die dem Menschen aber nur durch die Gnade Gottes zu teil wird. — Von Titurel, einem sagenhaften Königssohne von Anjou, dem ersten Gralkönige, wird dem Gral, der nach dem Tode Josephs von Arimathäa von Engeln schwebend in der Lust gehalten war, eine herrliche Burg erbaut auf dem Berge Monsalväsch (ruons salvationis — Berg der Erlösung) oder Munsalvaesche (mont sauvage) in Nordspanien. Zugleich gründet er zum Dienste desselben den Ritterorden der Templeisen (nach dem Vorbilde der Templer gedacht), in welchen nur demütige und herzensreine, dabei aber mit allen helden- haften Tugenden ausgestattete Ritter aufgenommen werden. — Eine Vereinigung der Gralssage mit der Artussage, des geistlichen Rittertums mit dem welt- lichen, finden wir im Parzival, Titurel und Lohengrin.

3. Dichtung des Mittelalters - S. 137

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 15. Blüte des Kunstepos, von 1180 bis 1230. 137 zurück vor den Forderungen der ritterlichen Sitte, der ganzen höfischen Weise; „die Gestalten der Geschichte und Sage sind innerlich und äußerlich umgewandelt zu Gebilden des Rittertums". Die Darstellung des Stoffes, entsprechend der Auffassung des dem glänzenden Ritterstande angehörenden Dichters und entsprechend dem Hörerkreise von stattlichen Rittern, holden Frauen und anmutigen Jung- frauen in prächtigen Sälen, ist glänzend und schillernd in immer neuen Reizen. Daher das bunte Malen und breite Schildern, daher die vielen Bilder und Gleichnisse, daher die Einmischung von Betrachtungen über das Erzählte. Der Dichter tritt mit seiner Subjektivität, mit seiner ganzen Individualität, auch mit seinem Namen in den Vordergrund; er sucht nicht durch kunstlos einfachen Stoff, sondern durch den Schmuck und die Zierden, mit welchen er denselben ausstattet, anzuziehen und zu fesseln. Dieses Streben bringt ihn auch dahin, einen Wortschatz zu bilden, der durch starke Einmischung fremdländischer Ausdrücke nicht selten undeutschen Anflug erhält. Einfach ist dagegen die metrische Form, in welcher diese Epen ge- schrieben sind: die sog. Reimpaare, welche, durch Teilung der althoch- deutschen Langzeile entstanden, aus Versen mit drei oder vier Hebungen be- stehen, je nachdem die Reime klingend (weiblich) oder stumpf (männlich) sind. 8 15. Blüte des Kunstepos, von 1180 bis 1230. Die Blüte der höfischen Dichtung bekundet sich durch Vollkommen- heit des Versbaues und durch die Reinheit des Reimes, sowie durch edles, klangvolles Mittelhochdeutsch; dazu sind die Dich- tungen, entgegen vielfacher Regellosigkeit der Werke der Vorbereitungszeit, von einer leitenden Idee durchzogen und zeigen eine in sich abgeschlossene Einheit. Den Stoff entnehmen die Dichter meistens französischen Werken, jedoch nur den Stoff als solchen, während die Behandlungs- weise deutsch ist. So rühmt Gottfried von Straßburg über Hartmann von Aue: ahi (ei), wie der diu maere (den einfachen Sagenstoff) beid’ uzen unde innen mit Worten und mit sinnen (mit poetischem Aus- drucke und mit geistreicher Auffassung und Behandlung) durchvärwet und durchzieret. Richtig sagt daher Benecke: „Man denke sich diese Dichter nur nicht als Übersetzer nach heutiger Weise. Weder Kenntnis fremder Sprachen noch Fertigkeit im Lesen und Schreiben dürfen wir, der Regel nach. bei einem Ritter des 13. Jahrhunderts voraussetzen. Wer eine Aventiure dichten wollte, ließ sich dieselbe erzählen, faßte sie treu in das

4. Dichtung des Mittelalters - S. 139

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
17. Hartmann von Aue. 139 mächtig und verstand außer der lateinischen Sprache auch die französische. Er bezeugt diese seine höhere Bildung in naiver Offenheit in dem Ein- gänge seiner Dichtung „Der arme Heinrich" (s. S. 143) und ähnlich in seinem „Jwein". Im übrigen ist seine Lebensgeschichte uns kaum bekannt; wir wissen nur, daß er an einem Kreuzzuge teilgenommen hat und nach 1210 gestorben ist. Er gilt seinen Zeitgenossen als Meister höfischer Bildung, der sich namentlich auf äiu mäze versteht, das weise Maßhalten in allen Dingen, und auf den feinen Takt. Seine musterhafte mittelhochdeutsche Sprache zeigt eine anmutige Glätte in wohl gefügtem Satz- bau und tadellosem Reim; seine Darstellung ist klar und ruhig, frei von jeder Übertreibung, aber anziehend durch innere Lebendig- keit und edle Natürlichkeit, namentlich auch durch die ihm eigene Seelenmalerei. Daher rühmt ihn auch Gottfried von Straßburg in seinem Tristan mit folgenden Worten: „Herr Hartmann der Auwäre, Ahi, wie der die Märe So außen als auch innen Mit Worten und mit Sinnen Durchfärbet und durchschmücket! Wie seine Rede zücket Auf der Aventüre Sinu! Wie hell und klar von Anbeginn Sind seine Wörtlein von Kristall Und bleiben es auch immer all! Mit Sitten treten sie heran Und schmiegen nahe sich uns an Und werden lieb dem reinen Mut. Er setzte sich in seinen zwei Epen „Erek" und „Jwein", welche beide der Artus-Sage angehören, zum Ziele die Verherrlichung zweier Ideale des Rittertums, der Tapferkeit und der Liebe. Außerdem be- sitzen wir von ihm die Legende „Gregorius vom Steine" und die poetische Erzählung „Der arme Heinrich". Erek, die Bearbeitung einer französischen Dichtung von Chretien de Trotzes, zeigt noch Unvollkommenheiten in der ermüdenden Breite der Schilderung von Nebenumständen und in der mangelhaften Behandlung der Sprache. Der Held „verliegt" sich nach seiner Hochzeit mit der schönen (Suite und wird deshalb von ihr zu ritterlichen Taten getrieben. Nach vielen, mit großen Gefahren verbundenen Heldenabenteuern, denen sie zur Strafe dafür, daß sie an seinem Mute gezweifelt, als Zeugin beiwohnen muß, söhnt er sich mit ihr aus und übernimmt die Herrschaft seines Vaters. Jwein. Jwein oder „der Ritter mit dem Löwen" ist das vollendetste Gedicht Hartmanns und der Form nach die regelmäßigste unter allen mittelhochdeutschen Dichtungen. Den Stoff entnahm der Dichter dem

5. Dichtung des Mittelalters - S. 164

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
164 Dritte Periode, von 1100 bis 1300, oder erste Blüteperiode. fangs in kindischer Einfalt (tumpheit) von unbefangenem Glauben ge- leitet wird, dann aber im Bewußtsein einer Schuld, die er durch Unter- lassung menschlichen Mitgefühls aus sich geladen, der Welt sich hingibt und, in hochmütigem Trotze von Gott sich abwendend, dem Zweifel (zwivel), ja der Verzweiflung anheimfällt, zuletzt jedoch, nach langer Zeit unglücklichen inneren Zwiespaltes zur Bekehrung gemahnt, sich buß- fertig zeigt und, durch bittere Prüfungen in seinem Innern geläutert, in demütigem Vertrauen auf die göttliche Gnade zur Versöhnung mit Gott und zum höchsten Glücke (saelde) gelangt. Mit Recht hat man dieses Epos ein psychologisches genannt, wie Goethe in der zweiten Blüteperiode der Literatur im „Faust" ein psychologisches Drama schuf. Hat das letztere, nach Vilmars Worten, den Vorzug rascherer Handluug, schlagender Tatsachen, ergreifender Mo- mente für sich, so gewährt Wolframs Epos größere Fülle, reichere Stoffe, anschaulichere Entwicklung; dazu schreitet dasselbe im ruhigen Bewußtsein seiner inneren Wahrheit, im vollen Bewußtsein der siegenden, ewigen, christ- lichen Wahrheit seiner Vollendung und der tiefsten Befriedigung des denken- den Lesers entgegen als das wahre Abbild einer Zeit, welche gesucht und gefunden hatte und im Vollgenusse des Besitzes leiblich und geistig befriedigt war. Schon Wolframs Zeitgenossen, außer Gottfried von Straßburg, welcher in der ihm eigenen Richtung für den strengen, sittlichen Ernst des Gegners kein Verständnis hatte, so daß er ihn den „Jäger wilder Märe" (siehe S. 168) nannte, singen mit Begeisterung das Lob des großen Parzivaldichters in Bewunderung seiner planmäßigen Anordnung, seines sittlichen Ernstes, seines kindlichen Glaubens, der Tiefe und des Reichtums seiner Gedanken, der Klarheit und Feinheit seiner Seelenmalerei1, trotz seiner häufig verwirrenden Stofffülle und trotz seiner vielfach dunklen, in oft seltsamen Bildern sich bewegenden und schwerfälligen Sprache. Seine weisheitsvolle Kunst war im 13. Jahr- hundert sprichwörtlich, und Parzival wurde unter den ersten deutschen Werken bereits 1477 dem Druck übergeben. 8 19. Gottfried von Straßburg. Gottfried von Straßburg, wahrscheinlich einem Straßburger Patrizier- geschlechte entstammend (daher „von Straßburg Meister Gotfrit"), war i ^— Her Wolfram, ein wise man von Esclienbach, sin herze ist ganzes sinnes dach, leien munt nie baz gesprach.“ (Wirnt von Hravenberg.)

6. Dichtung des Mittelalters - S. 171

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
21. Stoff und Form der Lyrik. 171 der Erzählung ist ein Bauernsohn, den Überdruß an Arbeit und Hochmut zu den Raubrittern treiben. Nach vielfachen Übeltaten wird er als Wegelagerer ergriffen und gehenkt. Die sittliche Tendenz des Dichters ergibt sich vornehmlich aus den Worten: „Wo eigensinn'ge Knaben trachten Der Eltern Worte zu verachten, Die sei'n durch diese Mär' gewarnt. Und wenn wie Helmbrecht sie umgarnt Der Hochmut, so ist's gut und recht, Wenn sie auch enden wie Helmbrecht." Der Stricker (striekaoro — Zusammenfüger), ein vielseitiger, nach seinen Lebensverhältniffen unbekannter Dichter aus Österreich, welcher die komische Seite des Hoffschen Epos in seinem „Pfaffen Amis", einem mittelalterlichen „Eulen- spiegel", vertritt. 8 21. ß. ¿i yx i ü. Stoff und Form der Lyrik. Neben der Epik blühte gleichzeitig die Lyrik. Dieselbe äußert sich vorzugsweise in dem sog. Mi nnegesänge, dessen Hauptthema die Minne ist (vgl. meminisse — gedenken), d. h. die seelenvolle keusche Liebe, das stille, sehnende Denken an die Geliebte. Die den Dentschen schon von ihren Vorfahren her innewohnende Hochachtung 1 des weiblichen Geschlechtes hatte durch den Einfluß des Christentums, namentlich durch die Verehrung der Gottesmutter Maria, noch eine bedeutende Stärkung erhalten. Dazu erachtete das Rittertum es als eine seiner ersten Pflichten, die Frauen zu ehren und ihrem Dienste sich zu widmen. So konnte in der idealen Richtung des damaligen Rittertums der Frauenkult einen solchen Grad erreichen, wie wir ihn in den Minneliedern kennen lernen. Zwar haben dieselben vielfach etwas Einförmiges, da der Kreis der Ge- danken und Empfindungen in denselben auf stilles Hoffen und süße Sehn- sucht, auf jubelnde Wonne bei freundlicher Zuneigung der nicht einmal mit Namen genannten Geliebten, auf schmerzliche Klage bei etwaiger Härte oder Untreue derselben sich beschränkt; sie bekunden aber dafür auch die tiefe und keusche Zartheit des deutschen Gemütslebens in lieblicher und fesselnder Anmut. In dieser Hinsicht ist der Minnegesang auch für die Sittengeschichte von großer Bedeutung gewesen. „Dieses eine Gefühl der Liebe", be- 1 Tacitus sagt in seiner G-ermania c. 8: Inesse (feminis) quin etiam sanctum aliquid et providum putant.

7. Dichtung des Mittelalters - S. 222

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
222 Vierte Periode, von 1300 bis 1500. Die kamen an in großer Zahl: Lütke der Kranich und Markwart der Hähr Und viele, viele andre mehr. Dieweil der König trug Begehren Zu halten Hof in großen Ehren, Mit Freuden und mit Lob und Preis. Darum entbot er auch mit Fleiß Die Tiere alle groß und klein. Bis auf Reineke den Fuchs allein. Nach dem, was schon durch ihn ge- schehn, Getraut' er sich nicht, nach Hos zu gehn. Wer Böses tut, der scheut das Licht, Und so auch er, der Bösewicht. Man wußte wenig Guts ihm nach- zusagen; Drum durft' er auch nach Hofe nicht sich wagen. Als nun allda der Hos begann. Hatte zu klagen jedermann. Daß Reineke ein Bösewicht. Und nur der Dachs, der klagte nicht. (Simrock.) seine satirischen Nebenbeziehungen auf kirchliche und politische Verhältnisse bedeutsam ist und als ein treuer Spiegel der Verhältnisse des sinkenden Reiches bezeichnet werden kann, dichtete Goethe 1794 seinen „Reineke Fuchs" in Hexametern 1. Bei der nüchternen Lebensauffassung der Bürger, bei dem praktisch materiellen Streben derselben, bei dem geringen Maße ihrer gelehrten Bil- dung und bei der handwerksmäßigen Auffassung, daß die Dichtkunst erlernbar sei, fehlte es ferner an dem richtigen Stoff und an dem nötigen Schwünge für die Lyrik. Daher konnte sich wohl der sog. Meistergesang, aber keine wahre lyrische Dichtung entwickeln. Die Kunst der Meistersänger beschäftigte sich vorzugsweise mit biblischen Stoffen, mit heiligen Gegenständen, wie es klar in einer Einladung zum Freiburger Meistersingen (1630) heißt: „Kumbt her, ihr Singer algemein! Us unser Schuel sollt ihr geladen sein; de inen nielli alle konde teilen: Irntke cke krön uncke Markwart de hegger ja, desse weren dar alle degger — j weilte de konnink mit sinen heren mènde to holden liof mit eren, mit vrouden und mit grotem love, unde hadde vorbodet dar to hove alle de dere gròt unde kleine — sunder Reinken den vos alleine, lie hadde in dem hof so vele misdän dat he dar nicht en dorste körnen noch gän. de quät deit, de schuwet gern dat licht ; also dede ok Reinke, de bosewicht; he schuwede sère des konninges hof, darin he hadde sèr kranken los. do de hof alsus angink, en was dar nèn än aliene de grevink, he hadde to klagen over Reinken de vos, den men hèlt sèr valseli unde los. Nach diesem Werke, welches durch * Derselbe wurde 1856 von Wilhelm Kaulbach meisterlich illustriert.

8. Dichtung des Mittelalters - S. 227

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 27. Die Zeit des Verfalles der Poesie. 227 Während die Poesie mehr und mehr hinwelkt, treibt die Prosa mehr- fache Blüten. Der nüchterne Verstand der Bürger mußte naturgemäß ebensosehr die Prosa fördern, als er der Poesie nachteilig wurde. So entstanden Stadt- und Landchroniken, wie die Straßburger Chronik von Fritsche Closener, die Limburger Chronik des Elhen von Wolfhagen, die Elsässische von Jakob Twinger von Königshöfen, sowie Auflösungen der Heldensagen in Prosa, welche durch die Buchdruckerkunst (nach 1460) bald Gemeingut wurden. Namentlich waren aber für die Entwicklung der Prosa außer den predigenden Franziskanern, wie Berthold von Regensburg (st 1272), die Mystiker tätig, die, fern von der spe- kulativen, nur das Wissen und die Gelehrsamkeit berücksichtigenden Rich- tung der lateinisch schreibenden Scholastiker (die Dominikaner Albertus Magnus fff 1280 zu Köln) und Thomas von Aquin [f 1274 auf der Reise von Neapel zum Lyoner Konzil)), die Ausbildung des inneren Men- schen ins Auge faßten, die durch Erwärmung und Läuterung des Herzens zu einer vollkommenen geistigen Liebeseinigung mit Gott gelangen wollten. Hervorragend unter ihnen sind die Dominikaner Meister Eckhardt, den man den Vater der deutschen Mystik genannt hat, und seine Schüler Johannes Ta uler, gestorben 1361 zu Straßburg als Dom- prediger, berühmt durch sein Hauptwerk: „Die Nachfolge des armen Lebens Christi", und Heinrich Suso (Seuse), der als Vertreter der dich- terischen deutschen Mystik zu Ulm, wo er Prediger war, im Jahre 1365 starb. Gegen Ende des Zeitraumes zeichnet sich aus durch seine Predigten der berühmte Johann Geiler von Kaisersberg, Dom- prediger zu Straßburg (st 1510), welcher sich in der Form volkstüm- licher Satire gegen die Verkommenheit des Klerus und der Laienwelt richtete. Auch hielt er über das „Narrenschiff" seines Freundes Braut eine Reihe vorzüglicher Predigten, die von seinem Zuhörer I. Pauli gleich vielen andern seiner Vortrüge aufgeschrieben und der Nachwelt über- liefert sind. / 15 *

9. Dichtung des Mittelalters - S. 211

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 23. Walther von der Vogelweide. 211 Und biten umb’ unser Sünde dich, daz dû uns sîst genædiclich, Sô daz din bete erklinge vor der barmunge urspringe : sô hän wir des gedinge, diu schulde werde ringe, Da mite wir sère sin beladen, hilf uns, daz wir sie abe gebaden Mit stæte wernder riuwe umb’ unser missetät, die âne got und âne dich nieman ze gebenne hät. Wir bitten dich für unsre Schuld Um deine Gnade, deine Huld: Kommt Fürbitb uns geronnen Aus der Erbarmung Bronnen, So haben wir mit Wonnen Erleichterung gewonnen Der Schuld, womit wir schwer beladen: Die hilf uns, Herrin, wegzubaden Im Quell der ew'gen Reue Um unsrer Sünden Last, Die außer Gott nur du allein uns zu vergeben hast. (Simrock.) Überschauen wir in einem kurzen Rückblick die vielseitige dichte- rische Tätigkeit Walthers, so erscheint er uns als ein hochbegabter, seine Kunst mit volkstümlicher Frische und Kraft glücklich verbindender Dichter, der als die erste aller „Nachtigallen" das Lied zum Preise der Minne ertönen läßt, der sodann, die engen Grenzen des Minnegesanges überschreitend, mit gewichtigem Wort für deutsches Wesen und Gottes Ehre eintritt und als politischer und patriotischer Dichter in den Streit zwischen den Hohenstaufen und den Welfen, der zugleich ein Kampf zwischen Kaisertum und päpstlicher Gewalt war, mächtig ein- greift und, begeistert von der Hoheit der römischen Kaiserwürde, in ent- flammter Vaterlandsliebe den Ansprüchen des großen Papstes Innozenz Iii. mit kühnem, scharfem, ja selbst bitterem Wort entgegentritt, der aber bei aller Parteinahme doch ein treuer Sohn der Kirche bleibt in um geheuchelter Frömmigkeit und echt christlicher Gesinnung. „Das Gesamt- bild, das wir gewinnen, ist zugleich ein Kulturgemälde mittelalterlichen Lebens (Frauendienst, Herrendienst, Gottesdienst), aber auch ein Abbild eines Menschenlebens, das seinen Wert für jede Zeit behält, weil es durch Reinheit und Edelsinn, durch Wärme und Begeisterung, durch schlichten Glauben und wahre Frömmigkeit vorbildliche und erzieherische Bedeutung gewinnt." (A. Matthias.) Ähnlich sagt Pfeiffer: „Frei von Selbstsucht und niedrigem Ehrgeiz, begeistert für das Gute und Schöne, durchdrungen von der großartigen Idee des deutschen Kaisertums und mit all seinem Dichten und Denken den großen Angelegenheiten seines Vater- landes zugewandt, schritt er voll sittlicher Würde und Hoheit durch jene von gemeinem Eigennutz und unersättlicher Habgier beherrschte Zeit, aus deren dunklem Hintergründe sich sein Bild um so heller und leuchtender 14*

10. Dichtung des Mittelalters - S. 212

1903 - Freiburg im Breisgau : Herder
212 Dritte Periode, von 1100 bis 1300, oder erste Blüteperiode. abhebt." Daher rühmt sein Zeitgenosse Gottfried ihn in der Schwertleite (s. S. 169) mit glänzendem Lobeswort, daher erkennt selbst sein Gegner Thomasin von Zirkläre (s. S. 213) im „welschen Gast" seine Bedentung an: „Er hat erzeiget zuht und sin An maniger siner rede guot“, daher sagt in gleicher Bewunderung Hugo von Trimberg (um 1300) in seinem „Renner": „Her Walther von der Vogel weide, Swer des vergaeze, der taet mir leide.“ 1 § 24. Verfall des Minnegesanges. Die Klagen Walthers über den Verfall der Minne und des Minne- gesanges sollten nur zu bald zur vollsten Wahrheit werden. Ver- gebens versuchte der in Österreich aufgewachsene Rheinländer Reinmar von Zweier, bedeutsam durch seine Spruchdichtung, gegen Ende der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch ernste Rügelieder dem sichtlichen Verfalle der Minnepoesie zu steuern; Inhaltslosigkeit und über- künstliche Form gewannen immer mehr die Oberhand. Zu erwähnen sind: Neidhart von Reuenthal, ein bayrischer Ritter (zwischen 1210 bis 1240), der Begründer der höfischen Dorfpoesie, welcher seinen Stoff dem Leben und dem dörfischen Benehmen (dörperheit von dorp, Dorf) der Bauern entnahm und durch Verspottung der Plumpheit und Putzsucht sowie der Liebeshändel derselben die Lachlust der Ritter zu er- regen suchte. Ulrich von Lichtenstein (ch um 1275), aus steiermärkischem Ge- schlechte, der als „vrou Venus“ und später als „künee Artus“ gekleidet durch die Lande zog und in seinem „Frauendienst", einer Selbstbiographie, mit seinem Minnedienste derartig auf Abwege gerät, daß derselbe nur noch als alberne Narretei erscheint. Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, weil er dem Namen „Frau" (Herrin oder die Erfreuende) den Vorzug gab vor der Benennung „Weib" (Gegensatz zu Mann), der in Mainz, wo er im Jahre 1318 starb, die erste Meisterschule gegründet haben soll. So bildet er den Übergang von den Minnesängern zu den Meistersängern der fol- genden Periode. ' Es ist das Verdienst Uhlands, durch die Schrift: „Walther von der Vogel- weide, ein altdeutscher Dichter" (1822), den großen Dichter uns wieder bekannt gemacht und nach Gebühr gewürdigt zu haben.
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