Vierter Abschnitt.
Vom Tode Friedrichs Vii. von Dänemark bis zum
Frankfurter Frieden.
1863—1871.
Den Hauptinhalt dieses jüngsten Abschnitts der europäi-
schen Geschichte bildet die Wiederaufrichtimg eines deutschen
Reichs, — die Lösung der „deutschen .Frage" mit Blut und Eisen.
Sie vollzieht sich wesentlich in drei grossen kriegerischen Ac-
tionen, — dem 2ten (3ten) schleswig-holsteinischen Krieg (1864),
dem deutsch-österreichisch-italienischen Krieg (1866), dem deutsch-
französischen Krieg (1870—71). Aber diese Lösung würde
unmöglich, sie würde nur eine äusserliche gewesen sein, wenn
sie nicht durch die scheinbar so unfruchtbare, in Wahrheit
sehr ernste und tiefgreifende Arbeit seit 1815, an welcher sich
alle Parteien in regem Tummeln aller Lebenskräfte der Nation
betheiligt haben, vorbereitet gewesen wäre: darin aber darf
eine besondere Fügung der Vorsehung erkannt werden, dass
der letzte Krieg von 1870 eine volle Sühnung des vorausge-
gangenen Krieges Deutscher gegen Deutsche brachte. Diese
Zeit erhält durch das was gleichzeitig in Nordamerika und
was in Italien geschah — dort der Kampf um Abschaffung
oder Beibehaltung der Sclaverei, hier Erneuerung des Kampfs
zwischen dem nationalen Staat und den Herrschaftsansprüchen
des Universalstaats der römischen Kirche — einen überaus
grossartigen Charakter.
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8
Wissenschaft uncl wirtschaftlichem Streben am wenigsten be-
rührt. Kaiser Franz (1792—1835), ein ideenarmer, bequemer,
misstrauischer Fürst, und sein erster Minister, Fürst Clemens
Lothar Metternich (geb. 1773), befolgten als obersten Grundsatz
innerer und auswärtiger Politik: Erhaltung des Bestehenden —
wobei Metternich, ein frivoler Hof- und Lebemann, jedem
politischen Fortschritts- und Freiheitsgedanken entgegenarbeitete.
In Oesterreich selbst gelang dies ohne viel Mühe, in den ita-
lienischen Provinzen allerdings nur durch ein System harten
Polizeidrucks, niederträchtiger Spionage, und wo nöthig, bar-
barischer Strafen; in Ungarn, das seit alten Zeiten seine eigene
Verfassung besass, rührte sich seit 1825,. wo nach 13 Jahren
zum ersten Mal wieder der Reichstag berufen wurde, der Geist
nationaler Opposition und politischen Fortschritts; dagegen
herrschte in den deutschen Provinzen vollständige Stagnation:
Landtage der einzelnen Kronländer ohne alle Bedeutung;
keinerlei wirkliche Volksvertretung noch Streben der Bevöl-
kerung nach einer solchen; geringer materieller, gar kein
geistiger Fortschritt, erbärmliches Schulwesen, elende Finanz-
zustände.
3.) Dagegen erwachte im übrigen Beutschland mehr und
mehr das Verlangen, für die auf dem Gebiete der Litteratur
durch die grossen Dichter und Denker der jüngsten Zeit geei-
nigte und zu gerechtem Selbstgefühl erweckte Nation auch
freiere und würdigere politische Formen zu finden. Gedanken
politischer Freiheit in den Einzelsiaaten reiften zugleich mit
der Idee einer politischen Einigung Deutschlands, — noch ohne
Widerhall in der Masse der Bevölkerung. Ihre Träger waren
zunächst Professoren und Studenten deutscher Universitäten
(deutsche Burschenschaft); einzelne Excesse wie bei dem Wart-
burgfest 18.0kt. 1817, ferner die Ermordung des russischen Spions
A. v. Kotzebue durch den Studenten Ludwig Sand (Mannheim
1819, hingerichtet 1820) und Aehnliches führten zu einem
System mehr oder weniger grausamer Reaction und Polizei-
willkür, zu dessen Organ Metternich den Bundestag machte,
der sich bereits zu jeder anderen Art von Thätigkeit unbrauch-
bar erwiesen hatte. Die ,,Demagogenverfolgungenei kamen in
Schwung durch die von einer Anzahl deutscher Minister unter
österreichischem Vorsitz gefassten Beschlüsse, welche im Sept.
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Extrahierte Personennamen: Franz_( Franz Clemens
Lothar_Metternich Ludwig Ludwig
Die Germanen.
Die Rmer nannten unsere Vorfahren Germanen; sie selbst hatten feinen ihr ganzes Volk umfassenden Namen, sondern nur Namen fr einzelne Vlferschaften. Erst zur Zeit Heinrichs I. kommt der Name der Deutschen (diet) als Bezeichnung fr die gesammte Nation vereinzelt vor; recht" gangbar wird er aber erst seit der Mitte des eilften Jahrhunderts.
Die Germanen sind mit den Griechen, Rmern, (Selten und Slaven verwandt (indogermanischer Sprachstamm), haben wie diese ihre Urheimat tief in Asien und wanderten von da in nicht zu bestimmender Zeit, wahrscheinlich auf dem Land-wege, nach Deutschland.
Die Religion der alten Germanen war Naturdienst. So lange der Mensch auf den unteren Stufen der Entwicklung stand, war er fr die Einwirfungen der Natur weit empfnglicher ; mchtig und wunderbar wirkten auf ihn der helle Himmel, Sonne und Mond, die Erde mit ihrem Frhling und Winter, und indem er in seinem Endlichen Sinne die Natur belebte, stand er hheren Wesen gegenber, die er liebte oder frchtete, je nachdem sie ihm Wohl oder Wehe bereiteten. Ursprnglich scheinen die Germanen, wie die Jndogermanen berhaupt, nur einen einzigen Gott gehabt zu haben; in Wodan oder Odin klang wie in dem griechischen Zeus und dem r-mischen Jupiter der Gedanfe eines einzigen Gottes gleichsam traumhaft nach. Odin ist der Allvater, der Vater der Götter, der Schpfer des Himmels, der Erde und der Menschen; von ihm geht alles Leben der Natur und des Geistes aus, er lenkt alles, was in der Welt vorgeht; der Allvater sitzt, so versinn-lichten sich die Germanen die Weltregierung, in Walhalla auf goldenem Throne, zwei Raben*), Hugin (Gedanke) und Munin
*) Die alten Götter konnten, als das Christenthum der das Heiden-thum gesiegt hatte, nicht zur Ruhe kommen; sie lebten in der Phantasie des Volkes fort, das ihre Zge an die Personen der Heldensage (Sieg-
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- 30 -
seiner Gemahlin, einer Tochter des Desiderius, schlo er ein Bndni mit den Avaren, kndigte dem König Karl den Ge-horsam und forderte ihn sogar zum Kriege heraus. Eine von drei Seiten herankommende Heeresmacht nthigte ihn aber 788 zur Ergebung und Leistung des Lehneides. Nach einem neuen Treubruch wurde er zum Tode verurtheilt, aber von Karl be-gnadigt und endigte mit Weib und Kind im Kloster. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Agilolfinger. Das letzte deutsche Herzog, thum, Bayern, wurde der Grafengewalt unterworfen.
Krieg gegen die Avaren 791796. Sie waren ein mit den Hunnen verwandtes, ruberisches Volk, das sich nach dem Abzge der Longobarden Ungms bemchtigt hatte. Karl eroberte ihr Land bis zur Raab; 'im Jahre 796 wurde nach langen Kmpfen das Hauptbollwerk der Nation, der groe Ring zwischen der Donau und Thei, in welchem unzhlige von allen Vlkern zusammengeraubte Schtze aufbewahrt wurden, erstrmt. Karl lie durch angesiedelte Franken das Land anbauen und errichtete die Ostmark zwischen Ens und Raab. Die Avaren verschwanden bald zwischen den Slaven und eingewanderten Franken. Ein Sprichwort sagte: sie sind untergegangen wie die Avaren.
Karl wird rmischer Kaiser 800. Karls Reich erstreckte sich vom Garigliano bis an die Nordsee, vom Ebro bis an die Raab. Es war natrlich, da in ihm der Gedanke an die mit dem Untergange des westrmischen Reiches erloschene Jmperatorenwrde ausstieg; das ostrmische Reich, das kein Leben in sich hatte, konnte die Aufgabe einer Weltmonarchie nicht lsen. Als Karl in dem genannten Jahre 800 zu Weihnachten in dem Petersdome zu Rom dem Hochamte beigewohnt hatte, brachte der damalige Papst Leo Iii. eine Kaiserkrone hervor und setzte sie Karl auf, und das zahlreich versammelte, aus allen Nationen bestehende Volk rief: Karolus Augustus, von Gott gekrnt, dem groen und friedenbringenden Kaiser der Rmer werde langes Leben und Sieg?
So war das alte rmische Reich unter kirchlicher Weihe
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl_be-gnadigt Karl Karl Karl Karl Raab Karl Karls Karl Karl Leo_Iii Leo Karl Karl Karolus_Augustus Augustus Gott
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Donau Karls Nordsee Rom
67
wurde zu Mainz ein Reichsfest (ein Abbild der Reichsmacht) mit unendlichem Glnze gefeiert; 40,000 Ritter und unzhlbares Volk waren versammelt; die Wehrhaftmachung seiner beiden Shne Heinrich und Friedrich bildete den Mittelpunkt der Festlichkeiten.
Verstndigung mit den Lombarden 1183. Sechster Rmerzug 11841186. Nachdem der Waffenstillstand mit den lombardischen Stdten abgelaufen, kam es 1183 zum Frieden von Costnitz; Friedrich rumte ihnen unter Wahrung der kaiserlichen Oberhoheit die Wahl ihrer Obrigkeit und die Selbstgewalt im Innern ein. so da sie zu freien Republiken sich erhoben. Als der Kaiser 1184 zum sechsten Mal in Italien erschien, wurde er berall hchst ehrenvoll empfangen. In dem neu erstandenen Mailand wurde 1186 die verhng-nivolle Vermhlung seines Sohnes Heinrich mit Constanze, der Vatersschwester und Erbin des Normannenknigs Wil-Helms Ii. von Neapel und teilten vollzogen.
Friedrich starb im Jahre 1190 auf dem dritten Kreuz zu g e.
Die Kreuzzge
Unter der Regierung Kaiser Heinrich Iv. begann ein Unternehmen, das zwei Jahrhunderte hindurch das sdwestliche Europa in Bewegung setzte. Die Kirche leitete dasselbe und kam zum Vollgefhl ihrer Kraft. Die Kreuzzge sind das Heldenzeitalter des Ritterthums, das, in den Dienst religiser Ideen tretend, gelutert und veredelt wurde; Demuth, Schutz der Armen, Wiwen und Waisen gelobte der Jngling, ehe er den Ritterschlag empfing. Ein groer Theil des Adels ging zu Grunde, ihre Lehen wurden eingezogen, die Macht der Fürsten stieg. Die Kreuzzge erweiterten den Gesichtskreis des Abend-landes, weckten groe Gedanken und frderten Kunst und Wissenschast. Der Handel nahm einen bedeutenden Aufschwung; das Morgenland mit seinen reichen Erzeugnissen ward er-schlssen. Venedig und Genua zogen ganz besonders den Nutzen davon.
5*
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Extrahierte Ortsnamen: Mainz Italien Mailand Normannenknigs_Wil-Helms Neapel Europa Genua
87
Bruder Sigmund und dessen Vetter Markgraf Jobst von Mhren, welcher aber bereits 1411 starb.
Sigmund war zugleich Kurfürst von Brandenburg und durch feine Vermhlung mit Maria, der Erbtochter des letzten ungarischen Knigs Ludwig, König von Ungarn. Er war ein thtiger Regent, namentlich im Interesse seiner Erblnder, aber ohne die nthige Energie.
Nachdem Gregor Xi. im Jahre 1877 Avignon verlassen und nach Rom bergesiedelt war, wurden zwei Ppste gewhlt, von welchen der eine zu Rom. der andere zu Avignon residirte; das Schisma dauerte 40 Jahre und hatte unsgliche Mistnde im Gefolge, in jede Stadt, jedes Dorf war die Zwietracht ge-worfen; ein Papst sah den andern fr den Antichristen an und schleuderte gegen ihn den Bannstrahl, eine schreckliche Ver-wirrung ! Das Concil zu Pisa setzte 1409 die zwei bestehenden 'Ppste ab und whlte einen neuen. So waren, da die abge-setzten nicht zurcktraten, drei Ppste.
Um die Einheit in der Kirche herzustellen und die Lehre des Hu zu beseitigen, wurde vom Kaiser das glnzendste, die abendlndische Christenheit vereinigende Concil zu Costnitz (14141418) berufen. Dies von dem Grundsatze ausgehend, da die Concilien der den Ppsten stehen, setzte alle drei Ppste ab. und Martin V. wurde gewhlt.
Johann Hu, Professor an der Universitt zu Prag, lehrte und verbreitete die Grundstze des englischen Reformators Wikles, griff kirchliche Verhltnisse, den weltlichen Besitz der Geistlichen, den Abla, die geistlichen Orden u. a. an. Auf eine Ladung erschien er vor dem Costnitzer Concil mit einem kaiserlichen Geleitsbrief; er wurde, als er seine Lehren zu widerrufen sich hartnckig weigerte, als Ketzer verurtheilt und mute 1415 den Feuertod sterben. Sein Freund und Strebensgenosse Hieronymus Faulfisch von Prag hatte im folgenden Jahre dasselbe Schicksal. Der schreckliche Tod der beiden Männer rief bei den Czechen. die ihn dem Hasse der Deutschen. besonders dem Kaiser Sig-mund zu Last legten, eine groe Erbitterung hervor. Die neuen
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Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Ungarn Avignon Rom Rom Avignon Wikles Prag
166
Shne. Seitdem herrschte in Oesterreich das Haus Habs-brg; 1335 kam auch Krnthen, 1363 Tyrol dazu. Im Jahre 1526 wurden auch die beiden Knigreiche Bhmen und Ungarn mit Oesterreich zu dem groen mchtigen Donaustaat vereinigt, der als Bollwerk gegen den gefhrlichen Andrang der Trken eine Notwendigkeit war; die Habsburger haben eine schwere Aufgabe! mit Kraft und unter groen Opfern gelst, sie haben Deutschland und dem christlichen Europa den Schild vorgehalten. Im Jahre 1740 starb das habsburgische Haus im Mannsstamme aus; von da an regiert bis zur Gegenwart das habsburgisch-lothringische Haus.
Maria Theresia war eine verstndige, kluge Frau, die ein Herz fr das Wohl ihres Volkes hatte. Ihre Erbstaaten leitete sie mit groem Geschick und war glcklich in der Wahl ihrer Rathgeber, unter denen sich vorzglich der Graf Kaunitz auszeichnete. Fr den Geist des Fortschrittes, welcher die Zeit beherrschte, war sie empfnglich und leitete ihn auf ihre Staaten der. Manche wohlthtige Reformen gingen von ihr aus, sie milderte die Leibeigenschaft, frderte den Ackerbau, verbesserte die Justizpflege und nach preuischem Vorbilde das Militr-Wesen, auch strebte sie danach, die verschiedenen Theile. aus welchen der sterreichische Staat zusammengesetzt war, zu einem Ganzen zu verschmelzen.
Ihr Gemahl, der Kaiser Franz, starb 1765. An seine Stelle wurde sein Sohn Josef Ii. (17651790) gewhlt und in Frankfurt gekrnt. Maria Theresia ernannte ihn zum Mit-rezenten in Oesterreich, ohne ihm vielen Einflu zu gestatten.
Nachdem Maria Theresia im Jahre 1780 gestorben, wurde Josef Ii. in den sterreichischen Erbstaaten Alleinherrscher. Er war ein wohlwollender Herrscher und nahm manche wohlthtige Reformen vor. Im ganzen war er aber von den Aufklrungs-ideen seiner Zeit zu sehr ergriffen, und sein Fehler war, da er sie im Sturmschritt in seinen Lndern verwirklichen wollte; er that, wie Friedrich der Groe sich ausdrckte, den zweiten Schritt, ohne den ersten gethan zu haben. Vor allem war es
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Extrahierte Ortsnamen: Oesterreich Haus_Habs-brg Ungarn Oesterreich Deutschland Europa Frankfurt Oesterreich
- 203
Zweite Abtheilung.
Deutschland von dem Wiener Frieden bis zur Er-Neuerung des deutschen Kaiserthums 18151871.
Friedrich Wilhelm Iii. 17971840. Friedrich Wilhelm Iv. 18401861. Wilhelm I. seit 1861.
Franz I. Kaiser von Oesterreich 18041835. Ferdinand I. 18351848. Franz Josef I. seit 1848.
V Deutschland vom Wiener Frieden bis znr franzsischen Juli'revolntion 18151830
Nach dem Wiener Kongresse folgte ein langer Frieden, er beruhte zum Theil auf dem heiligen Bunde, welchen während ihres zweiten Aufenthaltes zu Paris am 26. September 1815 die Monarchen von Rußland, Preußen und Oesterreich geschlossen hatten. Sie wollten gem der heiligen Schrift durch die Bande der wahren unauflslichen Bruderliebe fr immer verbunden sein, ihr Volk als Zweige ein und derselben christlichen Nation und sich als von der Vorsehung mit der Regierung dieser Zweige beauftragt betrachten, deshalb ihre Völker als Landes-Vter beherrschen, die Religion, den Frieden und die Gerechtig-feit ausrecht erhalten und sich stets Hlfe und Beistand leisten. Fast alle europischen Herrscher traten diesem Bunde bei. Auch der franzsische König Ludwig Xviii. wurde 1818 in den heiligen Bund aufgenommen. Der Bund, dessen Seele der Fürst Metternich war, hat aber nachher eine andere Rolle ge-spielt; er wurde die Wacht fr das Bestehende und die absoluten Frstenrechte.
Ein Theil des deutschen Volks glaubte, da durch die Beschlsse des Wiener Congresses fr die Einigung Deutschlands zu wenig geschehen fei; er vermite freiere Zustnde, besonders seine Betheiligung an der Gesetzgebung und Verwaltung. Na-mentlich auf den Universitten bildeten sich geheime Gesell-schaften, welche sich eine Umgestaltung Deutschlands zum Ziele
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm_I. Franz_I. Ferdinand_I. Franz Ludwig_Xviii Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Oesterreich Deutschland Paris Oesterreich Deutschlands Deutschlands
20
Fünfte Periode, von 1560—1624.
setzung eine ungemein schnelle und weite Verbreitung fand, und so wurde
sie die allgemein geltende.
Wie die Bibelübersetzung, so sind auch Luthers zahlreiche sonstige Lehr-
und Streitschriften, welche letztere oft durch Leidenschaftlichkeit und Derb-
heit auffallen, für die Hebung der Sprache von großer Wichtigkeit
gewesen. Besonders bemerkenswert sind: „An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung", „Von der Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche", „An die Bürgermeister und Ratsherren aller
Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten
sollen", „Wider die aufrührerischen und mörderischen Bauern".
Da in den dritten prosaischen Teil des Lesebuches ein Beispiel der
Prosa Luthers sich minder passend einfügt, sei an dieser Stelle zum Nach-
weis der Schärfe, Kraft, Fülle und Volkstümlichkeit feines Ausdrucks ab-
gedruckt ein Auszug aus seinem Sendschreiben
„An die Bürgermeister und Ratherrn
aller Städte deutsches Landes, das sie christliche Schulen
ausrichten und halten sollen" (1524).
(Die Schulen in Deutschland sind in Verfall, und die Jugend wächst auf, ohne
daß sich jemand um die Erziehung und den Unterricht derselben kümmert. Die Eltern
versäumen ihre Pflicht teils aus Härte, teils aus Unwissenheit, teils aus Notdurft.)
„Darumb wils hie dem Rat und der Oberfeit gebären, die allergrösseste
sorge und vleis aufs junge Volk zu haben. Denn weil der ganzen Stad gut,
ehre, leib und leben jnen zu tremer Hand befolhen ist, so theten sie nit redlich
für Gott und der Welt, wo sie der Stad gedeien und besserung nit suchten mit
allem Vermögen tag und nacht. Nu ligt einer Stad gedeien nit allein darin,
das man grosse Schetze samle, feste Mauren, schöne Heuser, viel Büchsen und
Harnisch zeuge1 — ja wo des viel ist und tolle Narren drüber kamen, ist so viel
beste erger und beste grösser schade derselben Stad — sondern das ist einer Stad
bestes und aller reichest gedeien, heil und kraft, das sie viel feiner, gelerter, ver-
nünftiger, erbar2, wol gezogener Bürger hat; die füllen3 darnach wol Schetze
und alles Gut samlen, halten und recht brauchen. . . .
Weil denn eine Stad sol und mus Leute haben und allenthalben der grösste
gebreche, Mangel und klage ist, das an Leuten feile ft so mus man nit harren, bis
sie selbs wachsen; man wird sie auch weder aus steinen hawen noch aus holz
schnitzen; so wird Gott nit Wunder tun, so lange man der Sache durch ander
seine dargetan Güter gerahten3 kan. Darumb müssen wir dazu tun und mühe
und koste daran wenden, sie selbs erzihen und machen. Denn wes ist die schuld,
das es jtzt in allen Stedten so dünne sitzet3 5 von geschickten Leuten, on7 der Ober-
1 erzeuge, schaffe. 2 ehrbarer. 3 können. 4 fehle.
5 entraten, entbehren. 6 aussieht. 7 als allein.
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262 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
„Kabale und Liebe" lange Zeit hindurch gleich den „Räubern" eines der
beliebtesten, mächtig wirkenden Bühnenstücke.
Einen Übergang von den noch unreifen Erzeugnissen der Sturw-
und Drangperiode, die einen mehr negativen, die bestehenden Verhält-
nisse zerstörenden Charakter an sich tragen, zu den völlig reifen Dramen
der späteren Zeit bildet in inhaltlicher und formeller Beziehung
4. „Don Karlos, Jnfant von Spanien", in fünf Akten, von 1783
bis 1787 gearbeitet. Dieser lange Zeitraum der Arbeit ist auf den Stoff
und die Darstellung desselben nicht ohne Einfluß geblieben; Schiller selbst
gesteht, daß die oft unterbrochene Arbeit die innere einheitliche Gestaltung
der Dichtung geschädigt habe. Was ihn anfangs angezogen, verlor mit
der Zeit seinen Reiz, um neuen Ideen Platz zu machen. Nach dem schon
in Bauerbach im März 1783 festgestellten Entwurf wollte er ein düsteres
Familiengemälde eines königlichen Hauses zeichnen: es sollte die
Leidenschaft des Jnfanten Don Karlos für seine Stiefmutter, die Ge-
mahlin Philipps Ii., und der dadurch hervorgerufene Untergang des Prinzen
den Inhalt des Stückes bilden; nebenbei sollte auch die Inquisition ein
Brandmal aufgedrückt erhalten. Mit der Zeit schwächte sich sein Interesse
für Don Karlos ab, und es trat Marquis Posa in den Vordergrund
als Träger der staatlichen und menschheitlichen Ideale des
Dichters, als Repräsentant eines freien Weltbürgertums, als begeisterter
Kämpfer für allgemeine Duldung und Gedankenfreiheit, und so wurde aus
einem Familiendrama ein politisches Tendenz stück.
Don Karlos liebt die Gemahlin seines Vaters, die ihm früher zur Braut be-
stimmt war, und verzehrt sich in Unmut über das von seinem Vater ihm geraubte
Glück. Der aus den Niederlanden heimgekehrte Marquis Posa erneuert mit ihm
die Jugendfreundschaft, sucht ihn von dem lastenden Druck zu erlösen und die ge-
knechteten Niederlande durch seine Hilfe zu befreien. Durch eine Audienz bei der
Königin bestimmt er ihn, vom Könige die Oberbefehlshaberstelle der nach Flandern
bestimmten Truppen sich zu erbitten. Der König weist jedoch sein Gesuch mit
Entschiedenheit zurück. Während nun Karlos seiner Leidenschaft von neuem anheim-
fällt und die Liebe der Prinzessin Eboli verschmäht, entschließt sich diese im Verein
mit Domingo und Alba, das Geheimnis der Liebe des Don dem Könige zu ver-
raten und zu diesem Zwecke sich des Briefwechsels der Königin mit Karlos aus der
erbrochenen Schatulle zu bemächtigen (Nebenhandlung Eboli). Posa, über
die Lage der Dinge belehrt, fordert Karlos auf zur Flucht nach Flandern und zur
Auflehnung gegen den König. Der Plan der mit der Prinzessin Eboli verbündeten
Verschworenen gelingt nicht nach Wunsch, denn der König, wenn auch gequält durch
Zweifel an der Treue seiner Gemahlin, entläßt sie ungnädig und sehnt sich nach
einem wirklichen, uneigennützigen Freunde. Er glaubt diesen in dem freimütigen
Posa zu finden und schenkt ihm sein volles Vertrauen. Als Posa beauftragt wird,
die Königin und Karlos zu beobachten, willigt er ein in der Hoffnung, nicht allein
den König für seine politischen Ideale gewinnen, sondern auch den Freund für
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Extrahierte Personennamen: „Don_Karlos Schiller Philipps Marquis_Posa Marquis_Posa Karlos