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1. Geschichte der Neuzeit - S. 74

1887 - Wiesbaden : Kunze
74 Erste Periode der Neuzeit. noch den Verlust der letzten englischen Besitzung in Frankreich, der Stadt Calais, im Kriege Philipps Ii. mit Heinrich Ii. hatte erleben müssen. Elisabeth (1558 —1603). Auf Maria folgte ihre Schwester Elisabeth, Anna Boleyns Tochter, in ihrem 25. Jahre. Sie hatte eine freudenlose Jugend verlebt und war von ihrem Vater verstoßen und vernachlässigt worden, so daß ihre Erzieherin dem Lord Cromwell schreiben mußte, die Prinzessin habe weder Mantel noch Wamms noch Unterkleid, weder Rock noch Deckbett. Später schenkte man ihr mehr Sorgfalt, und ihre geistigen Anlagen wurden vortrefflich entwickelt und ausgebildet. Außer ihrer Muttersprache verstand sie Deutsch, Lateinisch und Griechisch ganz vollkommen, hatte die Geschichte ihres Vaterlandes genau kennen gelernt und ihre Religionskenntnis aus der Bibel und den Schriften Melanchthons geschöpft. Ursprünglich edel und großmütig, ward sie durch die Verhältnisse später hart und grausam. Sie war eitel und hörte es gern, wenn man ihrer Gestalt, ihren Augen und Händen, ihrer Beredsamkeit und ihrem Mute Lob spendete. Ist sie schon in ihrer Jugend nicht schön gewesen, so muß sie im Alter einen noch unangenehmeren Eindruck gemacht haben. Man sprach von schwarzen Zähnen, schiefem Rückgrat, falschem, rotblondem Haar, großer Magerkeit, einer langen, scharfgezeichneten Nase und gelber Gesichtsfarbe. Als Maria starb, welche gegen Elisabeth stets feindlich gesinnt gewesen war, rief das versammelte Parlament freudig aus: „Gott erhalte die Königin Elisabeth! Möge sie lange und glücklich regieren!" Elisabeth eilte nach London und wurde allenthalben mit großem Jubel empfangen. Da sie sich nicht für die römische Kirche erklärte, so belegte sie der Papst mit dem Banne und schenkte England seinem Liebling, Philipp Ii. von Spanien. Allein Elisabeth ließ sich dadurch in ihrem Streben nicht irre machen, berief ein vorwiegend protestantisches Parlament und erklärte sich für das Oberhaupt der englischen Kirche. In der Durchführung der Reformation war sie sehr vorsichtig, indem sie aus der katholischen Kirche viele äußere Gebräuche, die bischöfliche Verfassung und Rangordnung der Geistlichkeit, den Satz von der apostolischen Bischofsfolge und von dem mit der Bischofswürde verbundenen Ordinationsrecht beibehielt, in dem Glaubensbekenntnisse aber, welches in 39 Artikeln festgestellt wurde und mit den von Cranmer entworfenen 42 Artikeln übereinstimmte, teils der reformierten, teils der lutherischen Lehre sich anschloß. Auch ein allgemeines G e-

2. Geschichte der Neuzeit - S. 26

1887 - Wiesbaden : Kunze
26 Erste Periode der Neuzeit. selbst 30 000 Gulden als Lösegeld. Er und seine Gefährten wurden elendiglich in die Spieße der Bauern gejagt und jämmerlich zu Tode gemartert. Der Gräfin rissen die Wüteriche das kostbare Geschmeide herunter, warfen sie und ihre Frauen auf einen Karren und fuhren sie unter höhnischen Reden nach Heilbronn. Viele deutsche Ritter, welche sich für zu schwach hielten, den Bauern Widerstand zu leisten, gewährten die gestellten Forderungen; Luther aber forderte in einer Schrift „wider die räuberischen und mörderischen Bauern" die Fürsten aus, die Bauern zu züchtigen und die Aufstände nieder zu werfen. Göh von Berlichingen. Unter den Adeligen jener Zeit fällt eine Persönlichkeit auf, welche damals die Bauern des Odenwald des zu ihrem Feldhauptmann erwählten, der berühmte ritterliche Held Götz von Berlichingen. Von Jugend auf dem Kriegsleben zugethan, hatte er seine Tage im Felde und Kriegslager zugebracht und bei der Belagerung von Landshut die rechte Hand eingebüßt, welche er durch eine künstliche von Eisen zu ersetzen wußte. Sein unruhiger Geist verwickelte ihn in allerlei Fehden mit weltlichen und geistlichen Herren, so daß er nie zur Ruhe kam. Auch dem Herzog von Würtemberg leistete er Hilfe gegen den schwäbischen Bund und übernahm die Verteidigung des Schlosses Mökmühl. Nachdem er es lange tapfer gehalten hatte, mußte er sich wegen Mangel an Lebensrnitteln ergeben, erhielt aber mit den ©einigen freien Abzug. Unterwegs indeß ward er überfallen und noch Heilbronn geführt, wo man ihn aufforderte, Urfehde zu schwören. Er weigerte sich dessen aufs entschiedenste und ließ sich lieber in einen Turm abführen, ehe er nachgegeben hätte. Seine Frau eilte rasch zu Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg, welche zwar als Häupter des schwäbischen Bundes Götzens Gegner waren, aber dies Unrecht mißbilligten und zu seiner Befreiung herbei kamen. Allein er mußte dennoch zwei Jahre Gefangener bleiben, die Urfehde beschwören, 2000 Gulden Schatzung zahlen, die Unkosten tragen und allen Bundesgenossen Ruhe und Frieden geloben. Diesen tapfern Ritter wählten die aufrührerischen Bauern zu ihrem Oberst-Feldhauptmann und zwangen ihn, die Führung anzunehmen. Götz that dies endlich in der Hoffnung, er werde viel Unglück und manche Grausamkeit verhüten können. Allein er irrte. Da er die Bauern von Brand und Plünderung zurückzuhalten nicht im Stande war, so legte er seine Stelle nieder, mußte aber unter strenger Aussicht bei ihnen bleiben, bis es ihm nach einer

3. Geschichte der Neuzeit - S. 36

1887 - Wiesbaden : Kunze
36 Erste Periode der Neuzeit. nach Mantua auszuschreiben (1536). Allein da als Zweck desselben die Ausrottung der lutherischen Ketzerei angegeben wurde, so lehnten die Protestanten in gerechtem Unwillen über diese Verurteilung ihrer Glaubenssache ohne richterlichen Entscheid ihre Teilnahme ab und luden ihre Anhänger zu einer neuen Versammlung nach Schmalkalden ein, wo 1537 die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte. Die zu diefem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmalkaldener Artikel, bilden mit den beiden Katechismen Luthers, mit der Augsburger Konfession und der Apologie die symbolischen Bücher oder Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche. 10. Die Wiedertäufer und die Jesuiten. Zwei Ereignisse jener Tage schienen den Fortgang der Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Münster und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola. Die Wiedertäufer. In der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen; der Prediger Rottmann hatte angefangen, die neue Lehre zu verkündigen. Darum mußte das Domkapitel es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evangelische Predigt gehalten wurde, während die Domkirche dem katholischen Gottesdienste verblieb. Allein bald brachen neue und gefährlichere Unruhen aus. Die Wiedertäufer hatten sich nach ihrer Niederlage in Sachsen in die Niederlande begeben. Von da kamen einzelne 1533 nach Münster. Unter diesen Schwärmern zeichneten sich der Bäcker Johann Matthiesen aus Harlem und der Schneider Johann Bockelson von Leyden aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk aufregten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zurück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predigten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden und Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen Propheten auf und verirrte Jungfrauen, welche den Himmel offen und die Engel herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse auf den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende Tänze oder fielen wie tot nieder. Besonders zeichneten sich dabei die Nonnen aus, welche ihre Klöster verlassen hatten. Man gewahrte unter ihnen Jungfrauen

4. Geschichte der Neuzeit - S. 96

1887 - Wiesbaden : Kunze
96 Erste Periode der Neuzeit. führte. Die Bürger wehrten sich, so gut sie es vermochten, und Ziegel, Balken, siedendes Wasser mußten helfen, den vordringenden Feind aufzuhalten. Diese tapfere Gegenwehr erbitterte die Kaiserlichen so sehr, daß ihrem Morden kein Halt mehr geboten werden konnte. Kein Alter, kein Geschlecht, kein Stand ward geschont, alle fielen als Opfer der wütenden Kriegsgöttin. Jetzt brach auch Feuer aus; ein Sturmwind verbreitete die Flammen mit rasender Schnelligkeit durch die ganze Stadt und machte den Brand allgemein. 20 — 30 000 Menschen kamen um. Die Stadt verbrannte bis auf 137 kleine Häuser und den feuerfesten Dom. Erst am dritten Tage, als die Straßen von Schutt und Leichen etwas gereinigt waren, konnte Tilly seinen Einzug in die rauchenden Trümmer der Stadt halten und sah mit Entsetzen und zu Thränen gerührt die grauenvolle Verwüstung. In der Domkirche fand man über 1000 Menschen, größtenteils Weiber und Kinder, die sich in dieselbe geflüchtet und dort zwei Tage und zwei Nächte ohne Nahrung angstvoll zugebracht hatten. Tilly schenkte den Unglücklichen das Leben und ließ Brot unter die Halbverhungerten austeilen; dann begab er sich in die Kirche, um Gott für den Sieg zu danken. Pappenheim jubelte über die „Magdeburger Hochzeit", wie seine Soldaten das Blutbad nannten, und schrieb höchst entzückt nach Wien: „Seit Trojas und Jerusalems Eroberung ist solch ein Sieg nicht gesehen worden." Gustav gegen Tilly. Gustav Adolf war tief ergriffen bei der Nachricht von Magdeburgs Fall und klagte laut die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen an, daß ihre Saumseligkeit das große Unglück verschuldet habe. Doch erst der Einfall Tilly3 in Sachsen und die Eroberung der Stadt Leipzig trieben den Kurfürsten den Schweden in die Arme. Gustav Adolf verzieh ihm und zog mit ihm gegen Tilly, den sie bei Breitenfeld unweit Leipzig am 7. September 1631 trafen. Tilly, welcher in 36 Schlachten gesiegt hatte, zagte zum ersten Male beim Beginne der Schlacht; seine ruhige Besonnenheit war trüben Ahnungen gewichen. Er hielt Kriegsrat in einem abgelegenen Hause bei Leipzig und erfuhr nachher, daß es das Haus des Totengräbers gewesen sei, was er als eine schlimme Vorbedeutung ansah. Trotz des tapfersten Widerstandes mußten die Kaiserlichen weichen. Tilly selbst erhielt drei Schußwunden und kam nur durch Zufall in Sicherheit. Ein schwedischer Rittmeister schlug ihm mehrmals auf den Kops und würde ihn getötet haben, hätte nicht eine Kugel seinem Leben und seiner Verfolgung ein Ende gefetzt. Diese Schlacht entriß dem Kaiser Ferdinand Ii. wieder alle

5. Geschichte der Neuzeit - S. 108

1887 - Wiesbaden : Kunze
108 Erste Periode der Neuzeit. gläubiger zur Pflicht gemacht. Als die freie Religionsübung auch für Östreich gefordert wurde, erklärte der kaiserliche Gesandte, daß sein Herr eher Land und Leute verlassen, als hierein willigen werde, und man gab aus Furcht vor Störung des Friedenswerks nach. Nur der Papst verweigerte beharrlich die Anerkennung des westfälischen Friedens. Mit gerechtem Schmerze mußte das gesamte Volk gewahren, daß Ausländer, Franzosen und Schweden, die Gewährleistung der deutschen Reichsverfassung und des Friedens übernahmen und so lange sich in dem armen, ausgehungerten Lande ernähren ließen, bis alles auf das genaueste erfüllt war. Folgen. So hatte denn der namenlos schreckliche Krieg geendet. Welche Feder vermöchte all den Jammer, all das Elend und Ungemach zu verzeichnen, das -er herbeigeführt! Deutschland, mit Blut über und über getränkt, mit Brandstätten und Schutthaufen allenthalben bedeckt, mit räuberischem Gesindel aller Orten erfüllt — bot einen herzzerreißenden Anblick. Unzählige Ortschaften, die ein Spiel räuberischer Horden geworden waren, lagen in Trümmern. Rühmte sich doch Bauers Unterfeldherr, er habe allein mehr als 800 Dörfer in Aschenhaufen verwandelt. In Thüringen stand meilenweit kein Dorf, kein Kirchlein. In Würtemberg waren 40 000 Häuser verbrannt, in Schlesien und Brandenburg mehr als der dritte Teil der gesamten Häuserzahl. Zwei Drittel der Einwohner hatte das Schwert, die Pest und der Hunger hinweggerafft. Die Zahl der Einwohner war von 18 auf 7 Millionen herabgesunken. Und nun nahm der Friede dem Reiche noch alle Strommündungen und somit die Bedingungen jedes überseeischen Handels. Auch in anderer Weise war unsägliches Leid über Deutschland hereingebrochen. Der Glaubenseifer war durch Jammer und Elend beim Volke, durch Sittenlosigkeit bei den Soldaten, durch Politik bei den Fürsten erkaltet. Die Einheit des deutschen Reiches war dahin, es war in mehr als 300 fast unabhängige Staaten zerrissen. Die Fürsten hielten stehende Heere, welche gegen die eigenen Unterthanen gebraucht wurden. Die Freiheit der deutschen Städte ging zu Grunde, der Bauernstand kam noch mehr herab. Was Bürger und Bauern verdienten, verschlangen der Adel, die Geistlichkeit und die fürstliche Kammer. Frohnden und Steuern aller Art mehrten sich. Deutschland war auch in geistiger Beziehung gesunken. Während die Entwicklung in Litteratur, Wissenschaft und Kunst ge-

6. Geschichte der Neuzeit - S. 149

1887 - Wiesbaden : Kunze
§. 10, 5. Die Türken vor Wien. Ungarn. 149 vermählten Schwester, den Kurprinz Joseph Ferdinand von Bayern, bestimmt. Als dieser aber 1699 starb, und die Mächte einen Teilungsvertrag versuchten, überredete der französische Gesandte den König, den 2. Enkel Ludwigs Xiv., Philipp von Anjou, zum Erben seines Reiches zu ernennen. Aber sowohl Ludwigs Xix. Mutter, eine Schwester Philipps Iv. von Spanien, wie seine Gemahlin, die ältere Schwester Karls Ii., hatten bei ihrer Verheiratung für sich und ihre Nachkommen auf den spanischen Thron Verzicht geleistet. Deshalb erhob Kaiser Leopold I. als Sohn der jüngeren Schwester Philipps Iv. und Gemahl der jüngeren Schwester Karls Ii. für seinen zweiten Sohn Karl Ansprüche auf die spanische Monarchie, zu der außer Spanien Belgien, Neapel, Sicilien und die Besitzungen in Amerika gehörten. Aus Furcht vor Frankreichs Übermacht traten die Seemächte England und Holland auf die Seite des Kaisers; Preußen und das deutsche Reich schlossen sich ihnen an. Mit Ludwig Xiv. verband sich der Kurfürst Max Emanuel von Bayern und sein Bruder, der Erzbischof Joseph Klemens von Köln. In Spanien waren Aragonien, Katalonien und Valencia für Östreich, das übrige Land stand zu Frankreich. Nach Karls Ableben schickte Ludwig Xiv. seinen Enkel nach Madrid und äußerte beim Abschiede: „Von jetzt an, mein Sohn, giebt es für Frankreich keine Pyrenäen mehr." Dadurch entbrannte der spanische Erbfolgekrieg von 1701 —1714. Die Franzosen hielten schon 1701 ihren Eintritt in die Hauptstadt Spaniens, und Philipp von Anjou ward mit lautem Jubel von dem Volke und den Kortes zum Könige ausgerufen. Der Erzherzog Karl, der zweite Sohn Kaiser Leopolds, landete 1704, betrieb den Krieg aber höchst saumselig. Der Entscheidungskampf wurde in Italien, Deutschland und den Niederlanden geführt. An der Spitze der kaiserlichen Truppen stand Prinz Eugen von Savoyen, ein kleiner, unansehnlicher Mann, der wegen seines schwächlichen Körpers zum geistlichen Stande bestimmt und von Ludwig Xiv. im Scherz oft das Äbtlein genannt morden war. Allein die theologischen Bücher hatten dem Prinzen nicht gefallen; er hatte lieber in den Schriften des Plutarch und Julius Cäsar als in den Kirchenvätern gelesen und es vorgezogen, die kriegerische Laufbahn zu betreten. Als er sich aber bei Ludwig Xiv. um das Kommando einer Reiterkompagnie bewarb, erhielt er eine abschlägige Antwort, weil er zu klein und schwächlich sei. Eugen ward heftig hierüber aufgebracht,

7. Geschichte der Neuzeit - S. 285

1887 - Wiesbaden : Kunze
§. 26. Napoleons Krieg mit Rußland 1812. 285 Heeres verstärken, Preußen ein Hilfscorps von 20000 Mann stellen, das dem linken Flügel unter Macdonald zugeteilt wurde. Sachsen, Bayern, Württemberger, Badener, Westfalen, Hessen, Holländer, Italiener, Polen, Spanier und Portugiesen mußten französischen Fahnen und Befehlen folgen. Nachdem Napoleon mit seiner Gemahlin im Mai 1812 noch einmal die Fürsten des Rheinbundes, den König von Preußen und den Kaiser von Östreich in Dresden um sich gesehen, überschritt er Ende Juni den Niemen. Der linke Flügel zog der Ostsee entlang, der rechte am unteren Bug ostwärts; mit dem Hauptheer, das die tüchtigsten Generale zu seinen Führern zählte, nahm Napoleon seinen Weg direkt auf Moskau, um Alexander im Herzen seines Reiches zu treffen. Die russischen Feldherren Barclay de Tolly und Bagration zogen ihre Truppen vor dem andringenden Feinde tiefer in ihr Land zurück, um ihn ins Verderben zu locken. Bei Smolensk kam es (17. Aug.) 1812 zu einer mörderischen Schlacht, und die Franzosen erstürmten die Stadt. Nun erhielt der alte General Kutusosf, welcher eben aus dem beendigten Türkenkriege siegreich zurückgekehrt war, den Oberbefehl über die Russen. Auch er zog sich zurück und brannte hinter sich alle Städte und Dörfer nieder, um dem Feinde eine Wüste zu überlassen. Am Flüßchen Moskwa, 30 Stunden von der alten Zarenstadt, machte er endlich halt. Am 7. Sept. wurde hier bei dem Dorfe Borodino eine äußerst blutige Schlacht geliefert; 25000 Mann fielen auf jeder Seite. Ney war der Held des Tages und erhielt den Titel Fürst von der Moskwa. Die Russen traten den Rückzug an, marschierten mit zusammengerollten Fahnen und ohne Spiel durch die Hauptstadt und nahmen den größten Teil der Einwohner unter der Leitung des Gouverneurs Grafen Ro stop sch in mit sich. Eine unheimliche Stille herrschte in der alten Zarenstadt, als sich Napoleon am 14. September ihr näherte. Niemand erschien, um ihm die Schlüssel der Stadt zu überreichen, keine neugierige Menge drängte sich heran, ihn anzustaunen. Als die Truppen in die Stadt einzogen, herrschte Grabesstille in allen Straßen. Die Thüren waren verriegelt, die Fenster geschlossen, die Gewölbe gesperrt. Napoleon bezog den alten Zarenpalast, den Kreml. Aber alsbald entstand in mehreren Stadtteilen ein furchtbarer Brand, und ein Sturm erhob sich, welcher das Feuer rasch über die ganze Stadt trug. Gras Rostopschin hatte alle Löschwerkzeuge fortgeführt, überall brennbare Stoffe aufgehäuft und die Gefangenen zum Zwecke der

8. Geschichte der Neuzeit - S. 286

1887 - Wiesbaden : Kunze
286 Dritte Periode der Neuzeit. Brandstiftung freigelassen. Vergeblich waren alle Versuche, den ungeheueren Brand zu löschen, auch der Kreml ward ergriffen. Die französischen Truppen mußten die Stadt verlassen und trotz der vorgerückten Jahreszeit ein Lager vor derselben beziehen. Napoleon bot unter diesen ungünstigen Verhältnissen den Russen Frieden an, allein man hielt ihn absichtlich hin, um ihn in der nahenden Kälte desto sicherer zu verderben. Erst am 18. Oktober trat er den Rückzug an. Die Absicht, den Weg nach dem Süden zu nehmen, wurde durch die Russen vereitelt; das Heer mußte auf demselben Weg zurück, den es gekommen war. Nun überraschte ein ungewöhnlich früher und strenger Winter die französische Armee. Menschen und Pferde sanken vor Hunger und Kälte erschöpft nieder, und der Schnee bedeckte wie ein Leichentuch die gefallenen Opfer in der erstarrten Natur. Der Weg durch die wüsten Ebenen war bald mit toten Menschen und Pferden, mit Trümmern von Geschütz und Wagen, Gepäck und Waffen übersäet. Viele erfroren an dem Feuer, welches sie angezündet, andere wurden von den Kosaken niedergemacht, die meisten erlagen dem Hunger und den Anstrengungen. In Smolensk hoffte Napoleon feinen erschöpften Truppen, die noch aus 40 000 kampffähigen Soldaten und 30 000 elenden, wehrlosen Nachzüglern bestanden, einige Rasttage geben zu können; allein die Feinde drohten den Übergang Über die Beresina abzuschneiden. Darum ging der Zug hungriger, zerlumpter und erfrorener Krieger unaufhaltsam weiter und langte (25. Nov.) an der Beresina an, vom Feinde unaufhörlich umschwärmt und angegriffen. Zwei Brücken stellten die Verbindung mit dem rechten Ufer her. Aber nun entstand eine unbeschreibliche Not; der nahe Feind unterhielt ein wohlgezieltes Kartätschenfeuer. Aus den Brücken herrschte ein entsetzliches Gedränge; jeder wollte sie überschreiten, so lange noch Rettung möglich war. Die Geländer brachen, viele stürzten hinunter ins Wasser, andere wurden von Kanonen überfahren — zuletzt brach die Brücke, und 18 000 Nachzügler, welche noch auf dem linken Ufer waren, gerieten in russische Gefangenschaft. Nur 8000 kampffähige Soldaten hatten das rettende User erreicht. Den seit Monaten ohne Nachricht gebliebenen Völkern brachte das berühmte 29. französische Kriegsbülletin vom 3. Dezember die Botschaft, daß die große Armee vernichtet, der Kaiser gesund sei. Am 5. Dezember verließ Napoleon die traurigen Reste seiner großen Armee, deren Führung er Murat übertrug, und durchjagte die russischen Schneefelder in einem einfachen Schlitten. Beim Könige

9. Geschichte der Neuzeit - S. 291

1887 - Wiesbaden : Kunze
27. Der deutsche Befreiungskrieg. 291 Kapitulation, daß ihm dieselbe vom Prinzen von Pontecorvo angetragen und von ihm nur wegen Mangel an Munition, Proviant und Fourage eingegangen worden sei. Bald darauf ward er ausgewechselt und arbeitete nach dem Tilsiter Frieden im Kriegsdepartement in Berlin, bis er kommandierender General in Pommern wurde. Sein Ruhm beginnt mit dem Frühjahre 1813. Seine eigentümliche Schnelligkeit beim Angriffe hat ihm den Ehrennamen „Marschall Vorwärts" erworben; sein Feldherrntalent, seine Entschiedenheit, Derbheit, Leutseligkeit und sein Franzosenhaß haben ihn zum Liebling des deutschen Volkes gemacht. Preußens Erhebung. Z)orks That fachte in Ostpreußen eine opferfreudige Erhebung an, welche für ganz Preußen und Deutschland das Signal zur Abschüttelung des verhaßten Joches gab. Ende Januar begab sich Friedrich Wilhelm Iii. von Berlin nach Breslau, wo Stein im Aufträge des Kaisers Alexander Verhandlungen anknüpfte. Am 3. Februar 1813 erließ der König einen Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägercorps, und deutsche Jünglinge strömten von allen Seiten herzu. Major von Lützow bildete in Schlesien sein berühmtes Freicorps, das die Blüte der Nation in der schwarzen Uniform der Trauer vereinigte. Zu ihm gehörte der Turnvater Jahn und der edle Friesen. Der 21jährige Theodor Körner verließ seine glänzende Stelle als Hoftheaterdichter in Wien und trat unter Lützows schwarze Jäger, sie als Dichter und Held zugleich begeisternd. Kurze Zeit nachher reiste der König zu einer mündlichen Unterredung mit Alexander nach Kalisch, wo am 27. Februar ein Bündnis mit Rußland abgeschlossen wurde. Am Geburtstage der verstorbenen Königin Luise (10. März) stiftete er als sinniges Zeichen der Auszeichnung in dem bevorstehenden Befreiungskampf das eiserne Kreuz, und am 16. März erklärte er an Napoleon den Krieg. Der 17. März brachte den ersehnten und denkwürdigen Aufruf des Königs „An Mein Volk", welcher die welsche Treulosigkeit, des Vaterlandes Erniedrigung und die für die Freiheit zu bringenden Opfer schilderte und mit den Worten schloß: „Mit Zuversicht dürfen wir vertrauen, Gott und ein fester Wille werde unserer gerechten Sache den Sieg verleihen und mit ihm die Wiederkehr einer glücklichen Zeit!" Zugleich entwarf Scharnhorst eine „Verordnung über die Bildung der Landwehr und des Landsturms" und gab für erstere den Wahlspruch: „Mit Gott für König und Vaterland." Jetzt herrschte in ganz Preußen nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn 19*

10. Geschichte der Neuzeit - S. 246

1887 - Wiesbaden : Kunze
246 Dritte Periode der Neuzeit. brach der wilde Zug doch am Nachmittag des 5. Oktober unter lautem Geschrei nach Versailles auf. Dort angelangt, drang er in die Nationalversammlung und zwang den Präsidenten, einige der Weiber zum Könige zu führen. Ein junger Mann, Namens Maillard, welcher sich schon bei dem Sturme auf die Bastille hervorgethan und auch diesen Zug angeregt hatte, geleitete sie zu dem Könige, und dieser versprach, dem Brotmangel abzuhelfen. Aber schon wurden auch Stimmen laut, welche den Kopf der Königin verlangten. Die ganze übrige Schar lagerte inzwischen aus dem Paradeplatze, zündete Feuer an, lärmte, tobte, jubelte, aß und trank. Gegen Mitternacht langte Lafapette mit der Nationalgarde an, um die königliche Familie zu schützen. Eine Botschaft des Pariser Gemeinderates erschien ebenfalls und bat den König, er möge dem französischen Volke einen Beweis seiner Liebe dadurch geben, daß er seine Residenz in der Hauptstadt des Landes aufschlage. Ludwig Xvi. war nicht abgeneigt, dem Gesuche zu entsprechen. Früh morgens 6 Uhr drangen Weiber und Männer in das königliche Schloß, töteten die königlichen Leibwächter und eilten zu den Gemächern der Königin. Mit Mühe rettete sich Marie Antoinette zu ihrem Gemahle, der sofort auf dem Balkon erschien und für seine Garde um Gnade bat. Als ihm in diesem Augenblicke der tausendstimmige Ruf „nach Paris" entgegenscholl, erwiderte der König: „Ja, aber nicht anders als in Begleitung meiner Frau und meiner Kinder." Mittags 2 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Voran trug man die blutigen Häupter der gemordeten Leibgardisten auf Stangen als Siegeszeichen, die noch lebenden wurden gefangen weggeführt. Hierauf folgte der Wagen der königlichen Familie, welche durch die Drohungen und Verwünschungen der rohen Weiber in fortwährender Angst schwebte. Gegen 9 Uhr langte der entsetzliche Zug in Paris an, wo der König mit seiner Familie den Palast der Tuilerien bezog und sich unter den Schutz der Nationalgarde stellte. Da man den Herzog von Orleans als Urheber dieser beklagenswerten Ereignisse ansah, so wurde er zu einer diplomatischen Sendung nach England verwandt und aus Paris entfernt. Die Klubs. Die Nationalversammlung verlegte ihren Sitz ebenfalls nach Paris. Aber viele Mitglieder schieden infolge der eingetretenen Ereignisse aus; die übrigen fetzten ihre Beratungen in einer Reitbahn der Tuilerien fort, wurden jedoch von der Volksmenge beherrscht. Die Abgeordneten, welche sich in einem alten Jakobinerkloster zu Beratungen versammelten und darum Jakobiner hießen, be-
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