56 Ii. Die Zeit der nationalen Staatenbildimg. 125.
Zukunft eine etwaige Erneuerung der hohenzollernschen Thronkandidatur nicht zugeben zu wollen, eine Zumutung, die der König mit ruhiger Wrde zurckwies. Da erfolgte die franzsische Kriegserklrung am 1870. 19. Juni 1870.
3. Vorbereitungen. An demselben Tage erflehte König Wilhelm am Grabe seiner unvergelichen Mutter den Segen des Himmels fr die schwere Zeit und erneuerte den Orden des Eisernen Kreuzes. Aus ganz Deutschland vernahm er zahllose Beweise vaterlndischer Gesinnung und Hingebung, wie sie kaum 1813 grer gewesen war. (Vereine zur Pflege der Verwundeten und Kranken.) In kaum vierzehn Tagen standen 400000 Mann in drei Heeren an der Grenze, und König Wilhelm, begleitet von seinem Kanzler Bismarck und dem Schlachtendenker" Moltke*), der als Chef des Generalstabes den bedeutendsten Anteil an der Leitung des Krieges hatte, bernahm den Oberbefehl der das Ganze. Kronprinz Friedrich Wilhelm erhielt die Leitung der sddeutschen Truppen, und der Eindruck seiner ebenso gewinnenden wie heldenhaften Persnlichkeit trug nicht wenig dazu bei, ihre Liebe zum gemeinsamen Vaterlande und die Begeisterung sr den gemeinsamen Kampf zu krftigen. Unterdessen sah sich Napoleon vergebens nach einem Bundesgenossen um. Als er sich zu seinem Heere begab, stellte sich heraus, da nicht alles so vollstndig bereit war, wie sein Kriegsminister gemeint hatte.
4. Weienburg, Wrth, Spichern. Napoleon erffnete den Kampf, um einen Sieg melden zu knnen, am 2. August mit der Einnahme der
4. Aug. schwach besetzten preuischen Grenzstadt Saarbrcken. Aber am 4. August 6. Aug. wurde eine franzsische Division bei Weienburg und am 6. ein Hauptheer unter Mac Mahon bei Wrth11) vom preuischen Kronprinzen nach heiem Ringen zurckgeworfen. An demselben Tage erstrmten die Deutschen unter groen Verlusten die stark befestigten Spicherer Hhen bei Saar-brcken. Die Folge war, da die Franzosen sich rckwrts konzentrierten", und Napoleon den Oberbefehl dem Marschall Bazaine bergeben mute. 14. bis 5. Metz. Die Rheinarmee" Bazaines sammelte sich um Metz, 18. Aug. wurde aber nach den Schlachten am 14., 16. und 18. August (König Wilhelms Sieg bei Gravelotte) in Metz eingeschlossen.
6. Sedan. Marschall Mac Mahon brach mit feinem Heere, bei dem sich auch Napoleon befand, aus dem Lager von Chalons auf, um Bazaine die Hand zu reichen, ward aber auf die Festung Sedan zurck-gedrngt und am 1. September von König Wilhelm geschlagen und einge-2-Sept. schlssen. Am 2. September geriet das ganze Heer (noch 85000 Mann) samt dem Kaiser Napoleon in Gefangenschaft.1^) Dieser wurde (nach einer Begegnung mit König Wilhelm in dem Schlchen Bellevne) auf Schlo Wilhelmshhe bei Kassel gebracht (f 1873 in England).
Vergleiche das Haus Bonaparte in Kassel 1807 und 1870!
*) Getrennt marschieren, vereint schlagen!"
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Weienburg Mahon Sedan Mahon Sedan König_Wilhelm Schlchen_Bellevne Kassel England Haus_Bonaparte Kassel
58
Ii. Die Zeit der nationalen Staatenbildung.
125.
Mit Schrecken vernahm man die Nachricht in Paris, wo die wahre Sachlage bisher nicht bekannt gewesen war. Der Gesetzgebende Krper erklrte die Absetzung Napoleons, die Einfhrung der Republik und die Einsetzung einer Regierung der Nationalverteidigung.
7. Der Festungskrieg. Lange Zeit und groe Heeresmassen erforderte die Einschlieung von Paris, der ausgedehntesten Festung der Welt. Im September wurde Straburg durch General Werder eingenommen.
27.Okt. Am 27. Oktober mute sich das vom Heere des Prinzen Friedrich Karl umschlossene Metz, von Hunger berwltigt, ergeben, nachdem Bazaine mehrere Male vergebens durchzubrechen versucht hatte. 173000 Mann kamen als Gefangene nach Deutschland. der zwanzig grere und kleinere Festungen waren schon gefallen, als Ende Januar auch Paris, nachdem die Besatzung in zahlreichen Ausfallschlachten ihre Tapferkeit bewiesen, aber nichts erreicht hatte, und alles Ebare verzehrt war, das Schicksal der brigen teilte. Belfort ergab sich erst im Februar.
8. Entsatzversuche. Whrend die deutschen Heere vor den Festungen beschftigt waren, gewannen die Franzosen Zeit zu neuen ausgedehnten Rstungen. Es gelang, drei groe Heere aufzustellen. Die Loirearmee, die Paris entsetzen sollte, wurde von Friedrich Karl, der von Metz kam, bei Orleans (Dezember) und Le Mans (Januar), die Nordarmee, der die gleiche Aufgabe gestellt war, von Manteuffel bei Amiens und von Goeben bei St. Qu entin (Januar) geschlagen. Die Ost arme e sollte Belfort ent-setzen und die Verbindung der deutschen Heere mit der Heimat abschneiden. Aber Werder mit seiner kleinen Heldenschar warf sich ihr entgegen und besiegte sie in der dreitgigen Schlacht bei Montbeliard und Belfort (Januar). Manteuffel drngte sie dann der die Schweizer Grenze.
9. Der Friede. Der vorlufige Friede wurde Ende Februar in 1871. Versailles abgeschlossen, und am 1. Mrz hielt ein Teil des Be-
lagerungsheeres seinen Einzug in Paris. Am 10. Mai folgte der end-gltige Friede zu Frankfurt. Frankreich mute das Elsa (ohne Belfort) und Deutfch-Lothringen (einschlielich Metz) abtreten und 5 Milliarden Franken Kriegskosten bezahlen.
10. Grndung des Deutschen Reiches, a) Die Einigung. Im Hauptquartier des preuischen Knigs zu Versailles schlo Bismarck mit den sddeutschen Staaten im November die Vertrge, durch die sich der Norddeutsche Bund zu einem Deutschen Reiche erweiterte. Durch die Zustimmung des norddeutschen Reichstages und der sddeutschen Volks-Vertretungen erhielten die Vertrge ihren Abschlu.
c.qn b) Der Deutsche Kaiser. Unter allgemeiner Zustimmung von 1871. Fürsten und Volk nahm am 18. Januar 1871 im Schlosse Ludwigs Xiv. zu Versailles König Wilhelm die erbliche deutsche Kaiserwrde an.18)
Warum ist Preußen zur Fhrung Deutschlands am meisten geeignet? Welche Bedeutung hatte die schleswig-holsteinische Frage fr die Einigung Deutschlands?
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166
Zweite Periode der Neuzeit.
gegangen waren, und trieb sie nach argen Verlusten vor sich her, bis sie sich mit Karl vereinigten. Die Nachricht, daß der Zar mit einem ungeheuren Heere herannahe, hatte Mazeppas Bemühungen, das Volk der Ukraine aufzuwiegeln, gänzlich vereitelt. Als man Mazeppas Wohnort erreichte, wo man Vorräte zu finden hoffte, hatten die Russen diese fortgeführt und den Ort niedergebrannt. Bald stellte sich strenger Winterfrost ein, dem Tausende des an allem Mangel leidenden schwedischen Heeres erlagen. Karls Lage war schwierig, und seine Offiziere gaben ihrem Zorn über Mazeppa unverhohlen Ausdruck. Aber noch wäre es Zeit für Karl gewesen, umzukehren, er mochte jedoch nichts unternehmen, was einer Flucht ähnlich sah, und marschierte auf Pultawa, die befestigte Hauptstadt der Ukraine, los. Wegen Mangel an Geschütz konnte er aber hier nichts ausrichten; er verlor noch obendrein die polnischen Hilfstruppen, welche zum Feinde übergingen, und erhielt bei einem Ausfalle der russischen Besatzung einen gefährlichen Schuß durch den Knöchel des linken Fußes. Zu allem Unglück erschien nun Peter der Große mit 65 000 Mann, und es kam zu der unglücklichen Schlacht bei Pultawa 1709, in welcher General Löwenhaupt mit 9000 Mann das Gewehr strecken mußte und Karls Armee sich auflöste.
Karl überschritt nach dieser Niederlage die türkische Grenze, und der Sultan Achmed Iii. ließ ihm mit dem Rest seiner Truppen ein Lager bei Bender Herrichten. Hier blieb er und bewog den Sultan zum Kriege gegen die Russen. Als diese im Frühjahr 1711 in die Moldau einrückten, traten ihnen 200000 Türken entgegen und umzingelten sie am Pruth. Peter der Große sah schon den Augenblick herankommen, wo er mit seinen Truppen entweder verhungern oder sich ergeben müsse. Da wurde er aus dieser Not durch seine Gemahlin Katharina befreit, eine kluge Frau, welche eine Leibeigene gewesen und durch ihre Schönheit, sowie durch ihr einnehmendes Wesen zur Kaiserin erhoben worden war. Sie übersandte, um ihren Gemahl zu retten, ihre Juwelen nebst einer bedeutenden Summe Geldes dem Großvezier und bewog ihn zum Frieden. Karl tobte vor Wut, als er den Abschluß des Friedens vernahm, vermochte jedoch nichts mehr wider den Zaren.
Auf die Nachricht von Karls Niederlage bei Pultawa regten sich auch seine Feinde in Sachsen und Dänemark aufs neue. König August bemächtigte sich der polnischen Krone wieder, allein die Dänen fanden tapferen Widerstand. Auch neue Feinde rüsteten sich, Preußen, England und Holland. Peter der Große versuchte
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38, 2. Der Krieg gegen das Kaisertum.
369
Rußland, bessert Herrscher dem Könige von Herzen zugethan war, hielt sich ruhig; es würde sich nötigenfalls gegen Östreich gewandt haben. Dänemark wartete auf französische Siege. Italien schwankte wie ein schwaches Rohr zwischen dem Bundesgenossen von 1859 und dem von 1866 hin und her, um schließlich neutral zu bleiben. Doch hinderte dies nicht die Teilnahme Garibaldis am Kriege zu Gunsten Frankreichs. Spanien, um deswillen der Kampf entbrannte, rührte sich nicht; England, welches aus einigen Enthüllungen Bismarcks sah, daß Frankreich das von der englischen Regierung garantierte Belgien sich hatte einverleiben wollen, hätte sich zur Teilnahme auf Deutschlands Seite, verpflichtet fühlen müssen, statt dessen unterstützte es dessen Gegner mit Kriegsmaterial und trug dazu bei, den Krieg in die Länge zu ziehen. Derselben Schuld machte sich Amerika teilhaftig.
2. Der Krieg gegen das Kaisertum.
Am 16. Juli begann die Mobilmachung der deutschen Heere, und binnen 10 Tagen stand eine halbe Million Krieger kampfgerüstet am Rhein und die gleiche Zahl zur Verwendung bereit. Der rechte Flügel, die erste Armee, 60000 Mann stark, rückte unter General Steinmeh von Koblenz und Köln gegen Saarbrücken vor; das Centrum, die zweite Armee, 194000 Mann, unter dem Prinzen Friedrich Karl, marschierte von Mainz durch die Pfalz; der linke Flügel, die dritte Armee, umfaßte die süddeutschen Truppen, 130 000 Mann, unter der Führung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen und zog aus Baden und der Rheinpfalz der Grenze zu. Der Schutz der deutschen Küsten gegen die große französische Flotte wurde General Vogel von Falckenstein übertragen. Am 31. Juli reiste König Wilhelm als Oberbefehlshaber in Begleitung des Grafen Bismarck und des Generalstabschefs Moltke zu seinem Heere ab. Napoleon ließ von den Truppen, die er zur Verfügung hatte, 100 000 Mann im Elsaß unter dem Marschall Mac Mahon zusammentreten, der mit dieser Armee den Rhein überschreiten und Süddeutschland zum Abfall von Norddeutfchland bringen sollte. Die Hauptarmee, 150 000 Mann, sammelte sich unter Bazaine um Metz, die Reserve unter Can-robert in Chalons. Frankreich hatte dadurch einen entschiedenen Vorteil vor Deutschland, daß einer seiner Hauptwaffenplätze, Metz, nur wenige Stunden vom deutschen Gebiet entfernt lag, daß ferner
Casfians Weltgeschichte Iii. 5. Aufl. v. Ph. Beck. 24
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§. 38, 2. Der Krieg gegen das Kaisertum. 371
Kampf um die Spicherer Höhen. Hier hatte sich das Korps Fros-sard nach dem Verlassen Saarbrückens verschanzt und wurde nun nach außerordentlicher Kraftanstrengung und mit Hilfe einer Division der Ii. Armee auf Metz zurückgeworfen. Dieselbe Richtung nahm die I. und n. deutsche Armee. Kein bewaffneter Feind stand mehr auf deutschem Boden. Als die Nachricht von diesen Niederlagen nach Paris gelangte, wo man nur Siege erhofft hatte, wandte sich der allgemeine Haß gegen das Ministerium; dasselbe trat ab und wurde von dem durch den chinesischen Krieg berüchtigten General Graf Palikao abgelöst, der es als feine erste Aufgabe ansah, die friedlichen Deutschen zu vertreiben, welche als fleißige Arbeiter und Geschäftsleute in Frankreich sich aufhielten. Und diese Maßregel wurde von dem Volke laut gebilligt und eifrig ausgeführt, welches sich mit Vorliebe die große Nation nannte und sich rühmte, an der Spitze der Civilisation zu mafchieren. So empfindlich waren jetzt schon die Verluste der Franzosen, daß der Kaiser die Marinesoldaten dem Landheere einverleibte. Damit war die Thätigkeit der französischen Flotte, die in der Nord- und Ostsee kreuzen und den Krieg an die deutsche Küste tragen sollte, vereitelt. Die Befürchtungen der nordischen Küstenbewohner waren geschwunden, und die Truppen, die einem etwaigen Landungsversuche wehren sollten, wurden jetzt nach Frankreich berufen. Napoleon, der sich zur Leitung des Heeres als unfähig erwiesen hatte, legte den Oberbefehl nieder, den jetzt der Marsch all Bazaine übernahm.
Die Schlachten bei Metz. Acht Tage nach dem verhängnisvollen 6. August begannen die Kämpfe um Metz. Dort hatten sich die am Spicherer Berge geschlagenen Truppen mit der französischen Hauptarmee unter dem Befehle des Marschalls Bazaine vereinigt. Dieser beabsichtigte jedoch nicht zu bleiben, sondern wollte, nachdem er in der Festung eine starke Besatzung gelassen, sich nach Chalons zurückziehen, wo er die Trümmer des Mac Mahonschen Heeres zu sammeln und mit der vereinigten Armee den deutschen Heeren die Entscheidungsschlacht zu liefern beabsichtigte. Diesen Plan vereitelten die Deutschen in drei großen, blutigen Schlachten. Am 14. August verhinderte Steinmetz mit der ersten Armee durch die Schlacht bei Colombey-Nouilly (Courcelles) den Abzug Bazaines über die Mosel. Unterdessen überschritt Prinz Friedrich Karl mit der Ii. Armee die Mosel südlich von Metz und eilte der Straße von Metz nach Verdun zu. Als Bazaine auf dieser Straße feinen Marsch wieder aufnahm, kam es am 16. August zu der Schlacht bei Vionville (Mars la Tour). 45 000
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372
Dritte Periode der Neuzeit.
Deutsche (Brandenburger) hielten in derselben gegen 150 000 Feinde 6 Stunden in heißem Kampfe aus, bis die erwartete Unterstützung zur Stelle sein konnte. Nach 12 ständigem, heißem Ringen, bei welchem sich die Kavallerie nicht minder mit Ruhm bedeckte wie Infanterie und Artillerie, wurde der Feind unter beiderseitigen großen Verlusten zum Rückzug gezwungen. Bazaine nahm nun auf dem westlich von Metz liegenden Plateau von Gravelotte eine günstige und verschanzte Stellung, um die Deutschen daselbst zu erwarten und ihre Linien zu durchbrechen. Hier fand unter König Wilhelms Führung am 18. August die schwerste und blutigste, aber auch die entscheidende Schlacht statt. Vom Mittag bis zur Nacht dauerte der Riesenkampf, in den nach und nach 200 000 Deutsche gegen 140000 Franzosen eintraten. Als nach Umgehung des rechten feindlichen Flügels und einem Flankenangriff der Sachsen am Abend der Schlüssel der Stellung, St. Privat, von der Garde erstürmt wurde, als die Pommern nach einem Marsch von 5 Meilen bei Gravelotte unter Moltkes Führung gegen den linken feindlichen Flügel vorgingen, wurde der Widerstand gebrochen und der Feind auf der ganzen Linie zum Rückzüge gezwungen. 20 000 Deutsche lagen tot oder verwundet auf dem Schlachtfelde, 14 000 verloren die Franzosen, nebst 3000 Gefangenen. Der Zweck war erreicht: Bazaines Armee wurde durch
den Prinzen Friedrich Karl mit einer Armee von 240000 Mann
(darunter auch Landwehr) in Metz fest eingeschlossen, um durch Hunger zur Ergebung gezwungen zu werden.
Sedan. Ein Monat war seit der Kriegserklärung verflossen, und alle im Felde stehenden französischen Heere waren geschlagen. Aus ihren versprengten Trümmern, aus Mobilgarden und Reserven und den aus Rom zurückgezogenen Besatzungstruppen bildete jetzt Mac Mahon im Lager von Chalons, wohin auch der Kaiser kam,
eine neue Armee von etwa 150 000 Mann. Diese erwartete aber
den heranziehenden preußischen Kronprinzen nicht, auch ging sie nicht
als Schutzwehr auf die Hauptstadt zurück, sondern wandte sich der
von Paris erhaltenen Weisung gemäß nach Norden, um von dort
aus eine Verbindung mit dem in Metz eingeschlossenen Bazaine her-
zustellen. Dieser Flankenmarsch war äußerst gewagt und im Falle des Mißlingens verderbenbringend.
Nach Bazaines Einschließung wurde unter dem Kronprinzen Albert von Sachsen aus dem Iv., Xii. Armeecorps und der Garde eine vierte Armee (die Maasarmee) gebildet, welche sich dem Heere des preußischen Kronprinzen gegen Mac Mahon und Paris
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Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sedan Rom Mahon Paris
374
Dritte Periode der Neuzeit.
an seine Gemahlin: „Wenn ich mir denke, daß nach einem großen,
glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres
mehr erwarten konnte, und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten ctuserfehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufafsen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen".
In Metz hatte Bazaine, von Mac Mahons Absicht unterrichtet, bei Noisseville (31. Aug. und 1. Sept.) einen Ausfall
gemacht, um nach Norden durchzubrechen, war aber durch das I. Armeecorps unter Man teuf fei und die Landwehr unter Kummer nach 36stündigem Kampfe zurückgeworfen worden.
3. Der Krieg gegen die Republik.
Der Ausgang der Schlacht von Sedan rief in Paris eine große Aufregung und Bestürzung hervor und zerriß mit einem Schlage das Lügengewebe, mit dem die Kriegsvorgänge bis dahin verhüllt worden waren. Die ganze Wut des Volkes richtete sich jetzt gegen die kaiserliche Regierung, der man alle Schuld an dem Unglück zuschob, das über die Nation hereingebrochen war. Während die Kaiserin mit ihrem Sohne verkleidet nach England floh, erklärte die äußerste Linke im gesetzgebenden Körper am 4. September Napoleon und seine Familie des Thrones verlustig und rief die Republik aus. Nun wurde die „Regierung der nationalen Verteidigung" gebildet, in welcher der Gouverneur von Paris, General Trochü, an die Spitze trat, der Advokat Jules Favre das Äußere, Gambetta das Innere, Cremieux die Justiz übernahm und Arago, Rochesort u. a. eine Stelle fanden. Das Volk gefiel sich in der Zerstörung der kaiserlichen Embleme und Wappen, in der Vernichtung aller Erinnerungen an die Napoleoniden. Während man nach den furchtbaren Schlägen an Frieden hätte denken sollen, glaubte man in dem Worte Republik den Zauber gefunden zu haben, um die „fremde Invasion" zurückzutreiben. Die Regierung beschloß die Fortsetzung des Krieges, erließ ein Massenaufgebot zur Bildung neuer Heere, mit welchen Frankreichs „ geheiligter Boden" von den „barbarischen Eindringlingen" befreit werden sollte, und Jules Favre erklärte in einem Rundschreiben an die europäischen Mächte, daß Frankreich „keinen Fuß breit Landes und keinen Stein
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Extrahierte Personennamen: Mac Mahons Napoleon Jules_Favre Gambetta Arago Jules_Favre
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Sedan Paris England Paris Frankreichs Frankreich
38, 3. Der Krieg gegen die Republik.
375
einer Festung" abtreten werde. Der Krieg mußte daher seinen eisernen Gang fortsetzen.
Nach dem Siege bei Sedan hatten sich die deutschen Heere sogleich gegen Paris in Bewegung gesetzt, und seit dem 19. September war diese größte Festung der Welt mit ihren 85 Bastionen, 15 detachierten Forts und einem Umfang von 7 a/2 deutschen Meilen von 250 000 Deutschen umschlossen. Das deutsche Hauptquartier nahm am 5. Okt. seinen Sitz in Versailles. Der erste empfindliche Schlag, der die Republik Frankreich traf, war der Fall von Straßburg, das sich nach 7wöchentlicher Belagerung durch General Werder am 28. September ergeben mußte. 189 Jahre früher war es dem deutschen Reiche hinterlistig genommen worden; diesmal hatte es sich unter General Uhrich wacker verteidigt, und deshalb konnte ihm eine Beschießung nicht erspart werden. General Werder zog nun südlich, nahm die Festungen des Oberelsaß, umschloß die starke Festung Belfort und ließ Burgund bis Dijon besetzen.
Die Festung Metz traf das gleiche Schicksal wie Straßburg. Nachdem General Steinmetz zum kommandierenden General in Posen ernannt war, führte Prinz Friedrich Karl den Oberbefehl über die ganze Einfchließungsarmee von Metz und festigte den Ring immer mehr um dieselbe. Bazaine machte am 7. Okt. noch einmal einen Durchbruchsversuch im Nordosten, aber wieder ohne Erfolg. Dann erlahmte die Kraft seiner Truppen unter der wachsamen Hut des deutschen Heeres. Als die Lebensmittel zu Ende gingen, mußte die bis dahin nie besiegte, stärkste französische Festung mit der letzten der Napoleonischen Armeen am 27. Oktober dem Prinzen Friedrich Karl übergeben werden. Es war ein neuer großartiger Erfolg: 173 000 Mann, 6000 Offiziere, darunter die drei Marfchälle Bazaine, Leboeuf und Canrobert kamen kriegsgefangen nach Deutschland; 300 000 Chassepotgewehre, 541 Feldgeschütze, 66 Mitrailleusen und 800 Festungsgeschütze fielen in die Hände des Siegers. König Wilhelm ehrte die großen Wasfenthaten, indem er am 28. Oktober die beiden Heerführer, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm und den Prinzen Friedrich Karl, zu Marfchällen ernannte und den General Moltke in den Grafenstand erhob.
Die vor Metz freigewordenen Armeen wurden sofort zum Schutze der Einschließungstruppen von Paris verwandt. Die I. Armee ging unter Manteusfel nach dem Nordwesten, die Ii. Armee unter Prinz Friedrich Karl nach der Loire. Gambetta war (7. Oktober) in einem Luftballon aus Paris gewichen, um als Delegierter der provi-
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Extrahierte Ortsnamen: Sedan Paris Versailles Frankreich Burgund Dijon Posen Deutschland Paris Paris
376
Dritte Periode der Neuzeit.
sorischen Regierung »on Tours aus, wo schon vor Einschließung der Hauptstadt drei Mitglieder derselben ihren Sitz genommen hatten die nicht besetzten Teile des Landes in diktatorischer Weise m be-herrschen und den Volkskrieg zu leiten. Seinem mehr energischen als einsichtigen Eingreifen gelang es zwar, in kurzer Zeit große Heeresmassen im Norden, Westen und Süden aufzubieten, aber es fehlte diesen Massen die militärische Zucht und Schule, durch welche die deutschen Herre so Großes vollbrachten.
Um das Vordringen der Heeresmassen Gambettas von Süden her gegen Paris zu verhindern, war der bayrische General von der Tann mit Teilen der Iii. Armee gegen Orleans vorgegangen und hatte nach siegreichen Kämpfen (10. u. 11. Okt.) Orleans, den Schlüssel des Südens besetzt. Als eine feindliche Übermacht unter Aurelles de Paladine feine Verbindung mit dem Norden abzuschneiden drohte, zog er sich (8. Nov.) zurück und vereinigte sich mit dem unter dem Groß herzog von Mecklenburg heranziehenden Corps, worauf der Feind in mehreren Gefechten wieder zurückgeworfen wurde. Der unterdessen mit der Ii. Armee gegen das auf 150 000 Mann ange-wctchfene feindliche Heer heranziehende Prinz Friedrich Karl siegte bei Beaune la Rolande (28. Nov.), und nach der zweitägigen Schlacht bei Orleans (3. u. 4. Dez.) wurde diese Stadt aufs neue von den Deutschen besetzt. Nach dem Siege bei Beaugency (8.—11. Dez.) über Chanzy, der an Aurelles Stelle gesetzt worden war, wich das französische Heer in voller Verwirrung zurück; es wurde durch das unaufhaltsame Vorwärtsdringen der Deutschen geteilt, die Regierung mußte ihren Sitz von Tours nach Bordeaux verlegen, und Chanzy konnte sein Heer erst wieder bei Le Mans zum Kampfe stellen, wo es (6. 12. Jan. 1871) vollständig zertrümmert wurde.
Der im Zierden zum Entsätze der Hauptstadt unter Faid-herbe bei Lille zusammengezogenen Armee erging es nicht besser. Sie wurde von der I. Armee unter Manteuffel in der Schlacht bei Amiens (27. Nov.) zurückgeschlagen, worauf Rouen und Dieppe besetzt wurden. Als sie später Manteuffel im Rücken bedrohte, wandte er sich und schlug sie an der Hallue (23. Dez.) und bei Bapaume (3. Jan. 1871) und nötigte sie zum Rückzug nach Arras und Douai. Nachdem an die Stelle Manteuffels, der mit dem Oberbefehl im Südosten betraut wurde, General v. Gööen getreten war, wurde die feindliche Armee bei St. Quentin (19. Jan.) vollständig besiegt und zersprengt, sodaß damit in Paris die letzte Hoffnung auf Befreiung zerstört war.
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