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hat. staunen, wenn er durch das Hauptportal eingetreten ist! Es
ist die echt deutsche, es ist die christliche Kunst, die uns aus den
herrlichen Pfeilern und Türmen, aus der ehrfurchtgebietenden Säulen-
halle nach allen Richtungen hin entgegentritt mit einer Pracht und
Vollkommenheit, die ihresgleichen sucht.
Berühmt ist auch das großartige Uhrwerk, welches zwei Männer
Namens Haberecht — und zwar Vater und Sohn — nach Zeich-
nungen des Mathematikers Dasypodeus (Rauhfuß) verfertigten. Die
alte Uhr, welche seit 1789 stockte, wurde 1842 von Schwilgue kuust-
reich erneuert. Durch das Uhrwerk werden Figuren bewegt, von
welchen abwechselnd jede Viertelstunde angeschlagen wird. Nach Ab-
lauf jeder Stunde erscheinen die vier Lebensalter des Menschen, und
während sie vorübergehen, schlägt der Tod mit einem Knochen die
Stundenzahl an. Um 12 Uhr mittags ziehen die zwölf Apostel vor
dem Herrn vorüber, und. ein Hahn auf der Spitze des Uhrwerkes
schlägt mit den Flügeln und kräht dreimal.
Ein weiteres Meisterwerk des Münsters ist der Turm; seine
Höhe beträgt vom Boden aus 142 in. Als eigener Bau erhebt er
sich von der Plattform, welche sich über dem großen Portale aus-
breitet und der Grund von zwei gleichartigen Türmen werden sollte.
Vollendet wurde der Turm im Jahre 1439 durch Johaunes Hültz
von Köln. Besonders bewundert wird die Majestät, mit welcher
der Bau bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit in durchbrochener Arbeit
emporstrebt. Man steigt bis zur Hälfte der Turmhöhe und hat von
der Altaue eine ausgedehnte Fernsicht über die ganze Stadt und
Umgebung. Ist man schwindelfrei, so kann man mit besonderer
Erlaubnis die sogen. Laterne, den höchsten zugänglichen Punkt, er-
steigen, vou dem aus das Auge eine entzückende Rundschau genießt.
Im Westen breitet sich die liebliche Ebene des Elsasses aus, im
Hintergründe von dem gebuckelten Wasgan begrenzt; im Osten ent-
falten sich die wolkenumflorten Berge des Schwarzwaldes; gegen Süden
schimmern die Schweizer Alpen und der Jura.
461 Jahre gingen vorüber, ehe der Straßburger Münster in
seiner jetzigen Gestalt vollendet war. Nur der christliche Sinn und
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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scheint die Sonne in diese düstere Tiefe. Es ist das Thal der
Schatten und der Graber, und wer über die Brücke geht, die dort
den Kidron überbaut, wird unwillkürlich von Grabesschaner be-
schlichen. Rechts von der Brücke befinden sich die Gräber Absaloms,
Josaphats und Zacharias'. Vor Absaloms Grab liegen eine Masse
aufgeschichteter Steine. Heute noch werfen die Orientalen Steine
vor die Gruft, indem sie einen Fluch aussprechen wider den gott-
losen Sohn und wider jeden, der seinen Eltern nicht gehorcht. Ein
hoher sittlicher Ernst liegt in diesem Brauche. — Am Ende des
Thales Josaphat ist die Quelle Siloah. Könige und Propheten
haben auf das Rieseln dieses Quells gehorcht und in seiner Kühle
Trost in Bekümmernissen gesucht. Nirgeuds in der ganzen Umgebung
Jerusalems kann der Wanderer sich mit einem Trünke Wassers er-
frischen; nirgends findet er Schatten, um auszuruhen von den Müh-
seligkeiten der Reise; nnr am Quell Siloah ist es ihm vergönnt, die
lechzende Zunge zu erfrischen und das müde Haupt im Schatten
niederzulegen.
Auf Moria erhebt sich mit hochgewölbter Kuppel an derselben
Stätte, wo einst der jüdische Tempel stand, die Moschee des Omar,
nächst den Moscheen in Mekka und Medina das größte Heiligtum
der Mohammedauer; denn sie umschließt die Stelle, von der aus
Mohammed gen Himmel gefahren sein soll. — Der Kessel des Toten
Meeres begrenzt die Aussicht gegen Südost. Tiefe Trauer, düsteres
Schweigen liegt auf dem See wie auf der ganzen Umgebung desselben.
„Dort im Osten," sagte mein Führer zu mir, „sehen Sie
Bethanien und den Qlberg." ■—- Nächst Bethlehem ist Bethanien
gewiß der lieblichste Ort, den der Reisende weit und breit findet.
Und welch teure Erinnerungen knüpfen sich an diese Stätte! Hier
haben Lazarus, Maria und Martha gewohnt; in ihrem Kreise hat
Jesus ausgeruht von der heiligen Arbeit. Bethanien möchte ich den
Ort der stillen Liebe nennen; es ist so einsam, so traulich an den
Berg gebaut, rings von schattigen Bäumen und grünenden Feldern
umlagert, daß man, umgeben von geliebten Herzen, darin wohnen
möchte. Noch heute wallen alle Pilger besonders gerne nach Bethanien.
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Extrahierte Personennamen: Grabesschaner Ernst Mohammed Lazarus Maria Maria Martha
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Begleiter glücklich in die Tonne gelangt war. ging es rasch entlang
der schroffen Wand in die Tiefe hinab, und nach fünf Minuten
fühlte ich mit großem Behagen festen Boden unter mir. Da ich
nun in dem schaurigen Schlünde stand, kam ein unheimliches Gefühl
der Verlassenheit über mich. Der mit düstern Wolken überzogene
Himmel bildete gleichsam die schwarze Decke zu dem leeren Sarge
eines Riesen; in furchtbar schauriger Schönheit stiegen die schroffen
Wände aus der Tiefe empor. Es war eisig kalt; niemals dringt
ja ein erwärmender Sonnenstrahl hierher. Der Abbau des Erzes
kann deshalb auch nur im Sommer betrieben werden; im Winter
werden die während des Sommers gewonnenen Erze verhüttet. Durch
künstliche Hinabführung warmer Luft befördert man im Frühjahr
das Schmelzen des Eises.
Die lange Macht und die Mitternachtssonne in Kammerfest.
Das Hlordkap.
Hammerfest ist die nördlichst gelegene Stadt der Erde. Die
lange Nacht, in welche die Stadt im Winter gehüllt ist, bildet auch
die Zeit der Ruhe für alles Handelsleben. Die Fische haben Frieden;
der schmutzige Seelappe und der nordische Fischer liegen in Erdhütten
am qualmenden Feuer und warten dort in trägem Winterschlafe,
bis der nene Tag erscheint. Die Kaufleute in Hammerfest bringen
ihre Bücher in Ordnung, dann sitzen sie die meiste Zeit am Karten-
tische, halten Bälle und Schmausereien, spielen sogar Theater und
sehnen sich endlich unruhig nach der Zeit, da im Osten ein Lichtstreis
hervorbricht. Außer den Kaufleuten wohnt in Hammerfest kaum noch
ein anderer gebildeter Mensch als der Pastor und der Arzt.
Die Zeit der langen Nacht ist aber doch nicht gauz so, wie wir
sie nns vorstellen. Die Sonne ist freilich acht Wochen ganz unter
dem Horizont, und vier Wochen lang — von Mitte Dezember bis
Mitte Januar — ist so tiefe Finsternis, daß bestandig Licht gebrannt
werden muß. Indes tritt bei hellem Wetter um die Mittagsstunde
eine Art Dämmerung ein, so daß man am Fenster ungefähr eine
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schein macht es wohl allein möglich, daß bei Hammerfest noch
Ernten gedeihen.
Wie seltsam ist aber der Mensch! Es wohnen hier reiche
Handelsherren, die, wenn sie wollten, im schönen Süden leben
könnten. Wer hierher kommt, thut es natürlich des Gewinnes
wegen; wer aber hier geboren ist, der liebt diese Einöden ebenso-
sehr wie der Lappe seine Renntieralpen oder der Grönländer seine
Eisbuchten.
Das Nordkap, ungefähr 115 km von Hammerfest entfernt,
bildet die nördlichste Spitze der Insel Magerö. Die Ufer steigen als
nackte, öde Felsen steil aus dem Wasser. Die Schluchten sind bis
zum Meere herab mit Schnee angefüllt. Hin und wieder ist ein
Fleck mit Moos oder kurzem Gras bedeckt. Kein Baum, kein Strauch,
keine Spur einer menschlichen Wohnung ist sichtbar. Selten werden
die einsamen Gewässer von dem Segel eines Schiffes belebt; die
grausige Stille wird nur von dem Geschrei der Möwen unterbrochen,
welche in unzähligen Massen in den Rissen und Spalten der Insel
Hansen. „Als wir uns" — erzählt ein Reisender — „dem Vor-
gebirge näherten, saßen auf jeder Felsenleiste Tausende weißer Möwen,
welche zur nächtlichen Ruhe gegangen waren; aber schon waren die
Vorbereitungen getroffen, ihren Schlummer zu stören. Die Kanone
des Dampfers wurde gegen die Felswand abgefeuert. Die Antwort
war ein Schrei, so wild, durchbohrend, verwirrend, daß er mir noch
heute in den Ohren tönt. Mit dem Schrei kam ein Rauschen, wie
von einem Sturm im Walde; eine weiße Wolke brach aus den Ge-
wölben, gleich dem Rauche eines antwortenden Geschützes, und in
einer Sekunde war die Luft von Vögeln erfüllt, so dicht, als im
Herbste die Blätter liegen. Ein zweiter Schuß trieb auch aus andern
Höhlen die Möwen. Das Schwirren, Rauschen und Schreien der
Vögel, die über unsern Häuptern kreisten oder wie dicke Schneeflocken
auf das Waffer niederfielen, war wahrhaft entsetzlich. Es waren
sicher 50 000 Möwen in der Luft, während eine ähnliche Anzahl an
der Außenseite des Felsens hing oder aus der Tiefe der Gewölbe
hervorschrie." (Nach Mügge und Taylor.)
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— 131 —
köstlichste Traube reift. Aus der Ebene erheben sich Haine von
Feigen- und Orangenbäumen, Granaten, Oliven, Myrten und Cy-
presseu, stellenweise überragt von der afrikanischen Palme. Inmitten
dieser blühenden Landschaft, die der Italiener stolz „ein Stück auf
die Erde gefallenen Himmels" nennt, steigt der majestätische Kegel
des Vesuv zu 1280 m Höhe (Bild 41) empor. Aus seinem Krater
wirbelt fast ununterbrochen eine Rauchsäule zum Himmel, eine ernste
Erinnerung daran, wie nahe diesen lachenden Gefilden die Schrecken
der Natnr sind. An der entgegengesetzten adriatischen Küste breitet
Bild 41. Der Vesuv und die Bucht von Neapel.
sich eine ungesunde, menschenarme Steppe aus, das apulische Flach-
laud, aus dem der Monte Gargano einsam aufragt.
Die eigentliche Halbinsel ist wenig bewässert. Raum für
die Entwicklung längerer Flnßlüufe bietet nur die Westabdachung des
Apennin. Bemerkenswert sind: Arno, Tiber und Volturno.
An ihren Mündungen sind versumpfte Küstenlandschaften, die Ma-
rem men, im heißen Sommer die Brutstätten böser Fieberlüfte (Malaria).
Iii. Das Klima ist in der Poebene noch mitteleuropäisch mit
heißen, regenreichen Sommern und kalten, oft schneereichen Wintern.
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— 257 —
Geist des Mittelalters konnte solche Prachttempel zur Ehre Gottes
aufführen. Und zur Ausführung eines solch heiligen Unternehmens
trug alles bei, was von diesem Geiste beseelt war. Unter Gebet
und Gesang wallten oft große Züge von Gläubigen an den Ort,
wo dem Herrn eine würdige Wohnung gebaut werden sollte, und
ein jeder spendete frendig sein Scherflein; unter Gebet und Gesang
gingen die Werkleute täglich an die Arbeit. Und nicht etwa bloß
arme Leute waren es, die auf solche Weise Gott zu dienen suchten
— nein, auch Reiche und Mächtige drängten sich herbei, um ent-
weder selbst Hand ans Werk zu legen oder dessen Vollendung durch
große Spenden zu fördern.
Wie nun der Straßburger Münster ein beredter Wortführer
des hingebenden christlichen Kunstsinnes im Mittelalter ist, so ist
er auch als echt deutscher Bau ein beständiger Mahner an das
elfässische Volk, stets seiner deutschen Abstammung eingedenk
zu sein.
Eine Fernsicht im Wheingau.
Der Rheingau gehört zu den herrlichsten Gebieten unseres Vater-
landes. In einem engen Thale durchbricht der Rhein das Schiefer-
gebirge, dessen Berge sich in malerischen Formen aus den grünen
Fluten erheben, welche von schnellen Dampfern und schaukelnden
Nachen belebt werden. Von den Höhen aus genießt man entzückende
Fernsichten (vgl. Bild 17, S. 59). Eine der schönsten hiervon ist
diejenige, welche sich dem staunenden Blicke von der Burgruine Klopp
aus bietet. Diese ruht auf dem Gipfel eines Weinberges, der sich
steil hinter der Stadt Bingen erhebt. Rechts liegt die lachende,
vom Rheine durchströmte Landschaft, mit freundlichen Ortschaften
übersät. Das Auge reicht über den Johannisberg bis zu den blau
dämmernden Höhen bei Heidelberg und dem fernen Melibocus im
Odenwald?. Zur linken Seite verliert sich der Rhein hinter dunkeln,
waldgekrönten Felsen. Hier ist alles groß und erhaben, dort an-
mutig und heiter. Mitten in den Fluten des Rheines steht, umtobt
von der wilden Brandung, der Mäuseturm. Ihm gegenüber sieht
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— 265 —
Jahreszeit oft geringen Wassermasse nicht immer einen großartigen
Eindruck. Merkwürdig ist, daß das Aussehen des Falles mit jeder
Tageszeit wechselt; anders ist er in der frischen Morgenstunde, anders
in der Mittagssonne, wenn der durchsichtige Schleier mit Regenbogen-
perlen durchwirkt scheint, anders in der Glut des Abendrotes, oder
wenn er geisterhaft hohl vom Felsen in die Nacht herabsäuselt.
Aus dem Lauterbrunnenthale führt nach Grindelwald eine Zahn-
radbahn über die Wengernalp, welche unmittelbar der maje-
statischen Jnngfran gegenüber liegt und von ihr nur durch ein wildes
Trümmerthal getrennt ist; in dieses stürzen mit dumpfem Gekrach
all die Felsblöcke, Lawinen und Gletscherbrüche, die sich von der
Höhe des Berges lösen. Auch auf die Jungfrau soll bald eine
Bergbahn führen, die von der Station Scheidegg der Wengernalp-
bahn (2060 in) ausgeht. Sie erreicht jetzt schon bei Station Eiger
3100 in Höhe, läuft dann dem Plan gemäß 105 m unter dem
Jungfrau-Joch hindurch und windet sich in Schlangenlinien innerhalb
der eigentlichen Spitze zu einer schneefreien, 4100 in hohen Platte
empor. Von hier wird ein 65 in hoher Aufzug zum Gipfel führen
(Bild 95). Grindelwald liegt gegenüber dem untern Grindelwald-
gletfcher. Derselbe ist seit Ende des 17. Jahrhunderts so tief in das
Thal vorgedrungen, daß sein Fuß nur 1011 in über dem Meere liegt,
so tief wie kein anderer Gletscher der Alpen. Von Grindelwald
besteigt man auf einem bequemen Pfad in fünf Stunden den Gipfel
des berühmten Faulhorns (an 2700 in), welches seinen Namen von
dem leicht verwitternden („faulenden") Kalkschiefer erhalten hat. Das-
selbe zeigt den ganzen gewaltigen Kranz der schönsten Berge der
Welt in nächster Nähe, eine Aussicht, weniger romantisch als die
vom Rigi, aber weit großartiger und majestätischer. Über die Große
Scheidegg führt ein sehr belebter Saumweg fortwährend im An-
gesichte der Bergriesen und Gletscherfelder nach dem schönsten Gletscher
der Alpenwelt, dem von Rosenlaui, der seinen Ruf teils seiner
Reinheit, teils seiner wundervollen Spaltenfärbnng verdankt. Da
er beinahe keine Bergwände streift, so führt er auch keinen Moränen-
schutt mit- sich (durch den z. B. der untere Griudelwaldgletscher ein
Bumüller-Schuster, Erdkunde. Neue Ausg. 2. Aufl. 12
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— 302 —
der Leiden und Erniedrigungen von dem Sohne Gottes freiwillig ist
getragen worden!" — Mein Begleiter weckte mich aus meinen Ge-
danken mit den Worten: „Dort im Süden liegt Bethlehem." —
Bethlehem, die anmutigste unter den Städten! Sie liegt so gott-
geliebt und friedlich auf dem Berge, und die hohe Sonne schaut so
ruhig auf sie, daß ich mich uicht erinnere, irgendwo einen Ort ge-
sehen zu haben, der mit solcher Anmut solche Majestät verbünde.
Zur Linken zwischen den Hügeln dehnt sich das Thal der Hirten
aus; eng und still liegt es zwischen den Bergen, und nur wenige
Bäume bekränzen seinen Saum. Dort haben in der heiligen Nacht
des Himmels Heerscharen zuerst den Ärmsten unter dem Volke das
Heil der Welt verkündet. Viele Klöster erheben sich über die Häuser
von Bethlehem. Die Kuppel, welche am höchsten hervorragt, gehört
der von der Kaiserin Helena erbauten Kirche an, welche über der
heiligen Grotte steht, wo Jesus Christus geboren wurde.
„Welchen Namens ist die Burg dort," fragte ich meinen Be-
gleiter, „welche nur einige hundert Schritte von hier auf dem Gipfel
jenes Hügels steht?" — „Das ist die Davidsburg auf Zion," sagte
eintönig der Führer. Also hier hat der Mann gelebt, der größte
seiner Zeit, der ein Prophet war, ein Dichter und ein König! Von
Zion aus konnte der König Jerusalem, seine Stadt, beschauen, der
Dichter konnte des Flusses strömende Welle und das stille, grünende
Thal betrachten, der Prophet aber in den stillen Räumen der Burg
den Geheimnissen der göttlichen Weisheit nachforschen.
„Dort außerhalb der Stadt," sagte mein Führer weiter, „sehen
Sie das Haus, wo Christus das Abendmahl stiftete." — Gegen
Südost dehnt die Fernsicht sich weiter aus. Vor dem Auge des
Betrachters liegen das Thal Josaphat, die Moschee auf Moria und
weiterhin der Kessel des Toten Meeres.
Es giebt wohl kanm einen andern Anblick, der die Seele mit
so trüben Gedanken zu erfüllen vermag, wie das Thal Josaphat.
Ein enges Thal zwischen zwei Hügeln, von denen der eine der Öl-
berg ist, während der andere auf seiner Höhe die Stadt Jerusalem
trägt, wird von dem fast wasserlosen Kidron durchschlichen. Niemals
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Extrahierte Personennamen: Helena Jesus_Christus Christus
— 317 —
die meisten Bäume völlig gerade zu einer außerordentlichen Höhe,
oft geschmückt mit den glänzendsten Blumenkronen.
Aber nicht alle Gewüchse des Urwaldes entsprießen dem Boden.
Dort, wo die kleinern Äste sich von den größern abzweigen, nisten
gerne andere Kinder der Pflanzenwelt und schauen von schwindelnder
Höhe neugierig auf den staunenden Wanderer herab. Zu ihnen
gesellen sich die Moose, die gleich Lockenperücken und Roßschweifen
herabhängen oder in Form von langhaarigen Bärten den Riesen
der Urwälder das Aussehen ehrwürdiger Greise geben, welche selbst
ein tausendjähriges Alter nicht zu beugeu vermochte. Doch um die
wunderbare Natur noch mannigfaltiger zu machen, schlingen sich
Tauseude vou Lianen oder Schlingpflanzen in den sonder-
barsten Figuren und Windungen bald von den Ästen der Riesen-
bäume herab, bald zu denen anderer Bäume hinüber. Gewöhnlich
sind die Lianen mehrere Centimeter dick, häufig aber auch von
Mannesstärke. Es ist unmöglich, die unzähligen, ans Fabelhafte
streifenden Verschlingungen zu beschreiben oder nur zu verfolgen.
Bald kommen die Lianen gleich geraden Stangen herab und wurzeln
in der Erde, so daß man sie für Bäume zu halten versucht wird;
bald bilden sie große Schleifen und Ringe von 3—6 m im Durch-
messer; bald schlingen sie sich so umeinander, daß man sie mit Anker-
tauen vergleichen möchte. Zuweilen schnüren sie den Baum von
Strecke zu Strecke völlig ein, oft ersticken sie ihn ganz, so daß er
alles Laubwerk verliert und seine abgestorbenen Riesenarme gleich
Ungeheuern weißen Korallenzweigen starr in das frische Grün des
Waldes hiueinstreckt.
Den höchsten Reiz aber verleihen dem Urwalde die leichten,
zierlichen Palmen. Ihre dünnen, geschmeidigen Stämme sind nicht
selten beinahe mit der Hand zu umspannen, und doch reichen sie
bis zu einer Höhe von 20 in. Einem Busche herabhängender Federn
nicht unähnlich, wölbt sich hoch oben die aus äußerst zart gefiederten
Wedeln gebildete Krone, überragt von einer scharfen, hellgrünen
Spitze, die dieser reizenden Palme oft das Ansehen einer Lanze giebt.
Die Palmen scheinen die Geselligkeit zu lieben; oft reitet man
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Freiburg
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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winterlichen Wald mischen, höher und höher hinauf, als wollten sie dem Frühling vorausstürmen.
Inzwischen haben die Birn- und Apfelbäume ihr weiß und rosenfarben Festgewand angetan, das Gras auf den Wiesen streckt sich, der Roggen bildet Halme und Ähren, das Laubdach des Waldes ist dicht geworden; längst klingt des Kuckucks neckischer Ruf. Welch eine Blütenfülle allüberall! Und wenn du Freude an seltenen Pflanzen hast, lieber junger Leser, so bitte deinen Lehrer darum, daß er dich einmal mitnehme an den Schönberg oder Kaiserstuhl und dir die wunderhübschen Knabenkräuter zeige oder im Gebirge die Alpenpflanzen, die daselbst heute noch Zeugnis ablegen von einer längst entschwundenen Zeit, in der bei uns ein Klima geherrscht, wie heute in den Alpen und im hohen Norden. Aber mit dem Schauen laß dir’s genügen, junger Freund, und pflücke nicht mehr ab als ein einziges Pflänzchen, wenn du eine Sammlung haben solltest, und die übrigen schone! Die Sachen werden immer seltener, und laß anderen auch eine Freude!
Alles muß ein Ende nehmen hienieden, auch der schönste Frühling; doch er will nicht scheiden ohne ein besonderes Zauberstück. Noch einmal überschüttet er die Erde mit Blumen; am wüsten Dorn erblüht die lieblichste von allen, die königliche Rose. Holunder, Akazie und Ginster sind ihre Gesellschafter, und in diesem Blütenmeere stirbt der holde Lenz.
Hochsommersonne. Flimmernde Hitze auf Feld und Flur; dumpfe Schwüle im Walde. Was der Frühling ausgestreut in Farbenfülle, das muß still und verborgen zur Frucht heranreifen, daß das Leben nicht ersterbe im Winter. Die Linde und die Rebe allein unter den heimischen Gehölzen spenden im Sommer ihren weichen, süßen Duft; was sonst in Gärten und Anlagen blüht, stammt aus der Fremde.
Das saftige Gras der Wiesen fällt unter der Wucht der Sense, die Saat hat verblüht, aus dem Halmenmeere klingt der Wachtel lieber Schlag. Neue Farbentöne mischen sich allgemach in das dunkle Grün, die satten Farben der Früchte, deren Fülle nun zum Genuß ausgeboten werden soll. Die Kirschen beginnen den lachenden Reigen; Beeren mancherlei Art folgen in raschem Wechsel. Die Saaten färben sich goldig, in der Ebene erst, dann am Bergeshang, und harren der Sichel und der Sense. Bald streicht der Wind über die kahle Stoppel, auch der Sommer liegt im Sterben, und die Nachtigall, die um den toten Lenz noch zu klagen vermochte, schweigt und denkt an die Südlandreise.
Herbst. Linde Luft und blaue Berge, und im Menschenherzen ein sanftes Heimweh. Aus der aufgepflügten Ackerscholle steigt der kräftige Erdgeruch; Sommerfäden flimmern über den Furchen; Sommerfäden schwingen sich von Baum zu Baum und flattern vom Hut des Wanderers. Saftige Birnen und rotbackige Äpfel, wohlschmeckende Pfirsiche und zartbereifte Pflaumen lachen aus dem dunkeln Laube hervor, und im Rebgelände reift die schwellende Traube. Emsige Hände pflücken und sammeln ohne Unter-
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