— 203
Portugal besitzt einen Teil von Senegambien sowie Angola,
das große Gebiet südlich der Kongomündung.
Der uuter der Souveränität des Königs der Belgier stehende
Kongo st aat (auf 2 250 000 qkm und 14 Mill. E. geschätzt)
reicht nur mit einem schmalen Streifen bis an die Mündung des
Kongo, breitet sich aber in Centralasrika über den größten Teil
seines Stromgebietes aus.
(Bodenbeschaffenheit, Klima und Produkte der aufgezählten Ge-
biete sind zumeist ähulich wie in Kamerun, siehe unten.)
Deutsche Schutzgebiete sind: 1. Togo, 2. Kamerun,
3. Deutsch-Südwestafrika.
Togo (82 000 qkm und 21/4 Mill. E., darunter etwa
100 Deutsche) liegt in Oberguinea zwischen der englischen Goldküste
und dem französischen Dahome. Die Küste, nnr etwa 60 km lang,
ist wegen der heftigen Brandung schwer zugänglich. Nach innen
steigt das Land allmählich zu einer fruchtbaren, wohlbebanten Hoch-
ebene und gut bewaldeten Gebirgszügen an. Die wichtigsten Er-
zeugnisse sind Palmöl, Palmkerne und Kautschuk. Haupthafen ist
Klein-Popo (5000 E.), Regierungssitz Lome (4000 E.).
Kamerun (zu 495 000 qkm, also fast so groß wie das Deutsche
Reich, und 3 Mill. E. geschützt, unter denen 250 Deutsche) liegt
am innersten Teil des Guiueabusens zwischen Französisch-Kongo und
Britisch-Nigerland. Die Ostgrenze bildet im allgemeinen der 15.°
östl. L. von Greenwich bis zum Tsadsee. Nach seiner Oberflächen-
gestalt besteht Kamerun aus einem schmalen, sumpfigen, feucht heißen
und ungesunden Küstengebiet, das von einem Urwaldgürtel umschlossen
wird. Jenseits desselben erhebt sich ein grasreiches, ziemlich gesundes
Hochland, das im Norden zu dem Gebirge von Adamaua ansteigt.
Doch steigt auch aus dem Küstenlande das vulkauische Kamerun-
gebirge (4000 in) empor. Die zahlreichen Flüsse sind wegen der
Stromschnellen nur streckenweise schiffbar. Die wichtigsten Ausfuhr-
artikel sind Kautschuk, Palmöl, Palmkerne und Elfenbein. In neuester
Zeit sind mit wachsendem Ersolg Kakao- und Kaffeepflanzuugen an-
gelegt worden. Handelsmittelpunkt und Regierungssitz ist Kamerun.
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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— 207
Nördlich schließt sich daran das deutsche Schutzgebiet Deutsch-
Ostafrika (941000 qkm, also fast zweimal so groß als Deutschland,
und 3 Mill. E., darunter etwa 700 Deutsche). Das Gebiet erstreckt
sich an der Küste vom Rovuma bis zum Wangafluß und landeinwärts
über den Kilima-Ndscharo quer durch den Victoriasee und entlang
dem Tauganyika- und Nyassasee. Die politischen Grenzen sind:
Im Norden Britisch-Ostasrika, im Westen der Kongostaat, im Süden
Britisch-Centralasrika und der portugiesische Freistaat von Ostafrika.
Bild 75. Abessinier (König Menelik Ii.). und reichlichen Ertrag. Bei dem
lichen Verkehrsweges in das Innere kann der in Aussicht genommene
Bau einer Eisenbahn für die Erschließung des Landes und Förderung
des Handels von großer Bedeutung werden. Ausfuhrartikel siud: Elfen-
bein, Kautschuk (verdickter Saft einer Schlingpflanze), Kopal (bernstein-
artiges Harz) und Tabak. Der Regierungssitz ist Dar-es-Saläm
mit 6000 E. (Bild 74). Größere Handelsplätze sind: Tanga (4000 E.),
Pangani (4000 E.) und vor allem Bagamoyo (10000 E.).
Britisch-Ostasrika (über 1 Mill. qkm mit angeblich
6 Mill. E.) umschließt das Saud nördlich von Deutsch-Ostafrika bis
zum Jubfluß. Hauptort ist Mombasa (15 000 E.).
Das Kaiserreich Abessinien (Habesch) (508 000 qkm, 41f2 Mill.
E.) auf dem mächtigen, schwer zugänglichen Hochland gl. N. ist ein
Wie Kamerun, so hat auch
Deutsch-Ostafrika einen schmalen,
stark bewässerten, fruchtbaren,
aber ungesunden Küstenstrich, dem
sich nach innen ein grasreiches,
von Gebirgen durchzogenes Hoch-
land anschließt. An der Nord-
grenze erhebt sich die vulkauische
p fruchtbar. Die Anpflanzung von
Kaffee und Tabak verspricht guten
Masse des Kilima-Ndscharo bis
zu 6130 m. Das Gebiet ist
vollständigen Mangel eines natür-
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Tauganyika- Süden
Britisch-Centralasrika Ostafrika Britisch-Ostasrika Deutsch-Ostafrika Mombasa Abessinien Kamerun Deutsch-Ostafrika
— 256 —
hat. staunen, wenn er durch das Hauptportal eingetreten ist! Es
ist die echt deutsche, es ist die christliche Kunst, die uns aus den
herrlichen Pfeilern und Türmen, aus der ehrfurchtgebietenden Säulen-
halle nach allen Richtungen hin entgegentritt mit einer Pracht und
Vollkommenheit, die ihresgleichen sucht.
Berühmt ist auch das großartige Uhrwerk, welches zwei Männer
Namens Haberecht — und zwar Vater und Sohn — nach Zeich-
nungen des Mathematikers Dasypodeus (Rauhfuß) verfertigten. Die
alte Uhr, welche seit 1789 stockte, wurde 1842 von Schwilgue kuust-
reich erneuert. Durch das Uhrwerk werden Figuren bewegt, von
welchen abwechselnd jede Viertelstunde angeschlagen wird. Nach Ab-
lauf jeder Stunde erscheinen die vier Lebensalter des Menschen, und
während sie vorübergehen, schlägt der Tod mit einem Knochen die
Stundenzahl an. Um 12 Uhr mittags ziehen die zwölf Apostel vor
dem Herrn vorüber, und. ein Hahn auf der Spitze des Uhrwerkes
schlägt mit den Flügeln und kräht dreimal.
Ein weiteres Meisterwerk des Münsters ist der Turm; seine
Höhe beträgt vom Boden aus 142 in. Als eigener Bau erhebt er
sich von der Plattform, welche sich über dem großen Portale aus-
breitet und der Grund von zwei gleichartigen Türmen werden sollte.
Vollendet wurde der Turm im Jahre 1439 durch Johaunes Hültz
von Köln. Besonders bewundert wird die Majestät, mit welcher
der Bau bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit in durchbrochener Arbeit
emporstrebt. Man steigt bis zur Hälfte der Turmhöhe und hat von
der Altaue eine ausgedehnte Fernsicht über die ganze Stadt und
Umgebung. Ist man schwindelfrei, so kann man mit besonderer
Erlaubnis die sogen. Laterne, den höchsten zugänglichen Punkt, er-
steigen, vou dem aus das Auge eine entzückende Rundschau genießt.
Im Westen breitet sich die liebliche Ebene des Elsasses aus, im
Hintergründe von dem gebuckelten Wasgan begrenzt; im Osten ent-
falten sich die wolkenumflorten Berge des Schwarzwaldes; gegen Süden
schimmern die Schweizer Alpen und der Jura.
461 Jahre gingen vorüber, ehe der Straßburger Münster in
seiner jetzigen Gestalt vollendet war. Nur der christliche Sinn und
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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— 293 —
Begleiter glücklich in die Tonne gelangt war. ging es rasch entlang
der schroffen Wand in die Tiefe hinab, und nach fünf Minuten
fühlte ich mit großem Behagen festen Boden unter mir. Da ich
nun in dem schaurigen Schlünde stand, kam ein unheimliches Gefühl
der Verlassenheit über mich. Der mit düstern Wolken überzogene
Himmel bildete gleichsam die schwarze Decke zu dem leeren Sarge
eines Riesen; in furchtbar schauriger Schönheit stiegen die schroffen
Wände aus der Tiefe empor. Es war eisig kalt; niemals dringt
ja ein erwärmender Sonnenstrahl hierher. Der Abbau des Erzes
kann deshalb auch nur im Sommer betrieben werden; im Winter
werden die während des Sommers gewonnenen Erze verhüttet. Durch
künstliche Hinabführung warmer Luft befördert man im Frühjahr
das Schmelzen des Eises.
Die lange Macht und die Mitternachtssonne in Kammerfest.
Das Hlordkap.
Hammerfest ist die nördlichst gelegene Stadt der Erde. Die
lange Nacht, in welche die Stadt im Winter gehüllt ist, bildet auch
die Zeit der Ruhe für alles Handelsleben. Die Fische haben Frieden;
der schmutzige Seelappe und der nordische Fischer liegen in Erdhütten
am qualmenden Feuer und warten dort in trägem Winterschlafe,
bis der nene Tag erscheint. Die Kaufleute in Hammerfest bringen
ihre Bücher in Ordnung, dann sitzen sie die meiste Zeit am Karten-
tische, halten Bälle und Schmausereien, spielen sogar Theater und
sehnen sich endlich unruhig nach der Zeit, da im Osten ein Lichtstreis
hervorbricht. Außer den Kaufleuten wohnt in Hammerfest kaum noch
ein anderer gebildeter Mensch als der Pastor und der Arzt.
Die Zeit der langen Nacht ist aber doch nicht gauz so, wie wir
sie nns vorstellen. Die Sonne ist freilich acht Wochen ganz unter
dem Horizont, und vier Wochen lang — von Mitte Dezember bis
Mitte Januar — ist so tiefe Finsternis, daß bestandig Licht gebrannt
werden muß. Indes tritt bei hellem Wetter um die Mittagsstunde
eine Art Dämmerung ein, so daß man am Fenster ungefähr eine
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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— 200 —
zerstörten frühern Hauptstadt Chartum gegenüber angelegte Omdnr-
man, nnweit des Znsammenflusses des Weißen und Blauen Nils.
Das eigentliche Ägypten breitet sich am Mittel- und Unter-
lause des Nils aus; es reicht östlich bis zum Roten Meere, westlich mit
unbestimmter Grenze bis in die Libysche Wüste. Den Kern des Landes
bildet das Nilthal, das in Oberägypten nur eine Breite von 15 bis
20 km hat, in Unterägypten aber mit der Spaltung des Stromes sich
bedeutend erweitert. Nur das Nilthal (ungefähr 30 000 qkm)
ist anbaufähig; die regelmäßigen jährlichen Überschwemmungen
Bild 72. Pyramiden.
erzeugen eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Die wichtigsten Pro-
dnkte sind: Baumwolle, Getreide, Reis und Zucker. Der Handel
hat dnrch die Erbauung von Eisenbahnen wie auch durch Eröffnung
des Sueskanals in neuester Zeit einen lebhaften Aufschwung genommen.
Die Bevölkerung — an 10 Millionen auf 1 Million
qkm — ist in Unterägypten am dichtesten, wo auf 1 qkm un-
gefähr 250 Menschen treffen. Mehr als 3/4 der Bewohner bilden
die Fellachen (— Pflüger), größtenteils Taglöhner. — Herrschende
Religion ist der Islam; doch giebt es über 1/2 Million Christen,
zumeist Kopten, daneben an 60 000 Katholiken.
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— 202 —
welche in früher Jahreszeit nach Europa versandt werden, ferner von
Getreide, Wein, Olivenöl, Vieh, Korkholz und Halfa, d. i. Steppen-
gras, welches zur Papierbereitnng verwendet wird. — Die Haupt-
stadt Algier (alsche, arabisch El-Dschesair) mit 92 000 E. steht in
lebhafter Handelsverbindung mit Marseille. — Andere größere Orte
sind: Oran mit 81 000 und Konstantine mit 48000 E.
Marokko
(812 009 qkm und 8 Millionen E.)
ist ein Snltanat, dessen mohammedanische Einwohner dnrch ihren
wilden Haß gegen die Christen berüchtigt sind. Das Land ist mit
Ausnahme des südlichsten Teiles sehr fruchtbar, wird aber schlecht ver-
waltet. — Hauptort ist das gewerbereiche Fes. zugleich wichtigster
Handelsplatz des Innern, mit etwa 150 000 E. Von dieser Stadt
haben die roten türkischen Mützen ihren Namen. — Die alte Haupt-
stadt Marokko (ca. 50 000 E.) liegt prächtig am Fuße des schnee-
bedeckten Atlas. — Tanger (20 000 E.), unfern der Straße von
Gibraltar, ist der bedeutendste Seehandelsplatz.
West- und Südafrika.
Mit Ausnahme der Negerrepnblik Liberia an der Pfeffer-
küste (85 000 qkm und 2 Mifi. E.) ist das ganze Gebiet in den
Händen europäischer Mächte.
Frankreich besitzt: 1. Senegambien und dessen Hinterland
am Niger bis zu der bedeutenden Karawanenhandelsstadt Timbnktu,
2. die Elfeubeiuküste und Dahoine in Oberguinea, 3. Französisch-
Kongo in Niederguinea.
Zu Großbritannien gehört: 1. das Land am untern
Gambia, 2. Sierra Leone, 3. die Goldküste, 4. Lagos mit der
lebhasten Handelsstadt gl. N. (37 000 E.) und das Gebiet des
untern Niger, 5. die Kapkolonie und Natal, endlich 6. Britisch-
Süd- und Centralasrika, das sich vom Kapland nordwärts bis
Deutsch-Ostafrika und dem Kongostaat erstreckt.
1
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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Extrahierte Personennamen: Sierra_Leone Lagos
Extrahierte Ortsnamen: Europa Algier Marseille Marokko Marokko Tanger Negerrepnblik_Liberia Frankreich Niger Karawanenhandelsstadt_Timbnktu Oberguinea Niederguinea Gambia Niger Deutsch-Ostafrika
2
2. Die Größe des Herrn ist unaussprechlich.
(Fragment aus einer Rede )
Die Größe des Herrn ist unaussprechlich, das heißt erstlich: sie ist für
uns Menschen mehr Empfindung, als Gedanke; wir können sie ahnen, aber
nicht begreifen; wir können sie lebhaft genug fühlen, aber weder mit unserem
Verstände fassen, noch durch unsere Sprache Andern mittheilen. Du blickst
an einem heiteren und unbewölkten Winterabende zum gestirnten Himmel hin-
auf; du siehst ihn mit tausend und abermals tausend Lichtern übersäet; du
stellst dir vor, daß es so viele tausend leuchtende Sonnen sind, deren jede so,
wie die unsrige, von ihren Planeten umgeben ist; du staunst über die uner-
meßliche Anzahl dieser Welten, welche an Größe unsern Erdball weit über-
treffen. Du versuchst es nun, auf die Größe des Schöpfers, auf die Majestät
Gottes daraus zu schließen und dich zum Anschauen seiner unendlichen Macht
und Weisheit zu erheben; aber deinem Geiste schwindelt; deine Denkkrast
ermüdet; deine Vorstellungen verwirren sich; die Erhabenheit des Gegenstan-
des überwältigt deine Begriffe; du verstummst, siehst deine Schranken und
siehst dich in dem hohen Fluge, welchen du genommen hast, plötzlich gehemmt.
— Die Größe des Herrn ist unaussprechlich! — Du bewunderst an einem
schönen Frühlings- oder Sommermorgen die prachtvollen Reize der Schöpfung,
den Schmuck und Reickthum einer gesegneten, malerischen Gegend; dein
Auge ruht abwechselnd auf herrlichen Fruchtgefilden, auf köstlichen Auen, auf
anmuthigen Hügeln, auf lachenden Thälern, auf dem sanft fortgleitendcn
Flusse, auf dem fernen, sich in Dunkelheit verlierenden Walve. Du bist be-
wegt, gerührt, zum ernsten Nachdenken und zur feierlichen Andacht gestimmt;
du steigst vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Geschöpfe zum Schöpfer
empor und willst ihn in dieser geweihten Stille, in diesem seinem Heiligthume
als den, der er ist und seinen Werken nach sein muß, in seiner ganzen, un-
verhüllten Herrlichkeit sehen: aber das Helldunkel, welches dich da umgibt,
verwandelt sich bald in Nacht. Du näherst dich desto mehr der Erde, je
weiter du dich von ihr zu entfernen glaubst; du begreifst ihn desto weniger, je
länger du über ihn nachsinnst, und kehrst, an deine Schwäche erinnert, in
dich selbst zurück: du hast die Größe Gottes empfunden, aber nicht erforscht;
das Gefühl, welches dich in diesen Augenblicken durchströmte, war ein hohes
und seliges Gefühl, aber es kann' nicht Begriff, nicht Sprache bei dir wer-
den. Die Güte des Herrn ist unaussprechlich!
3. Periode aus Göthe's Schriften.
Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der
Oberfläche der undurchdringlichen Finsterniß meines Waldes ruht, und nur
einzelne Strahlen sich in das innere Heiligthum stehlen; wann ich dann im
hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend man-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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223
Durch den Riß nur der Wolken
Erblickt er die Welt,
Ties unter den Wassern
Das grünende Feld. H ch i l l e r.
5. Fr an kr e i ch *). — P ari s.
Wandern wir aus der Mitte Deutschlands gegen Südwest immer weiter
und weiter, so werden wir endlich vor den blauen Fluthen des mächtigen
Rheins stehen. Ueberschreiten wir diesen Strom, so treten wir in das herr-
liche Fr a n k r e ich ein. 37^ Mill. Menschen bewohnen dieses schöne und frucht-
bare, meist ebene Land, das von hundert Flüssen bewässert tvird. Ja wohl iß
Frankreich ein herrliches, gesegnetes Land; den» im Norden findet sich Alles,
wie in Deutschland: reichlich tragende Getreideäcker, lachende Obst- und Ge-
müsegärten, würzigdufteude Wiesen. Noch freundlicher gestaltet sich aber das
Bild im Süden. Hier wachsen Citronen, Orangen, Mandeln, Kastanien, Fei-
gen, Oliven und noch viele andere Früchte und Kräuter in Hülle und Fülle;
besonders gedeiht aber hier guter, feuriger Wein, mit welchem auch die mitt-
lern Provinzen überreichlich gesegnet sind. Und wo in Frankreich die Traube
spendende Rebe nicht fortkommen will, da macht man Obstwein, wie z. B. in
der Normandie; denn der lebenslustige, fast etwas leichtfertige Franzose hält
es mit dem Sprüchlein: „Der Wein erfreut des Menschen Herz." Deßhalb
wird in Frankreich auch nur wenig Bier gebraut. Doch trinkt der Franzose den
Wein nur höchst selten ganz rein. In der Regel mischt er ihn im Glase zur
Hälfte niit Wasser. — Wo das Land des Anbaues fähig ist, blühen Ackerbau
und Viehzucht. Namentlich herrscht aber in den vielen und mitunter sehr groß-
ßen Fabriken sehr reges Leben und eine seltene, musterhafte Thätigkeit; denn
die Franzosen sind ein fleißiges, erfinderisches und betriebsames Volk. Die
schönen, geschmackvollen Seidenzeuge, die buntfarbigen, prächtigen, seidnen
Tücher und Bänder, die ihr in den Gewölben unsrer Kaufleute erblickt, werden
größtentheils in Frankreich gewebt. Wegen ihrer feurigen Farben, ihrer Festig-
keit und Reinheit, zieht man sie den deutschen und englischen seidnen Fabrikaten
vor. Pariser Umschlagetücher machen die Reise durch die ganze Welt. Die
Franzosen wirken aber auch Gold- und Silberstoffe, Tressen, prächtige und
kunstreiche Tapeten, eine große Menge Wollen - und Baumwollenzeuge u. s. f.
Und wie viele andere Galanterie - und Modewaaren verfertigen und verkaufen
nicht die Franzosen! Die Pariser Modewaaren sind auf den Sandwichinseln
eben so gut zu finden, wie in den Kaufläden Calcutta's und Batavia's.
Der Bergbau will aber in Frankreich weit weniger besagen, als bei
uns in Deutschland. Während die gesammten deutschen Silbergruben jährl.
200,000 Mark Silber liefern, geben die 33 Blei- und Silberbergwerke
*) Mit Savoyen und Nizza 10,000 ^Meilen.
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TM Hauptwörter (200): [T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Rheins Frankreich Deutschland Frankreich Frankreich Frankreich Kaufläden_Calcutta's Frankreich Deutschland Nizza
308
ches aus folgender Beobachtung erhellet: „Wenn man in einer mondhellen
Nacht zwei offene Gefäße mit Wasser in's Freie und vor das eine einen Schirm
setzt, daß die Mondstrahlen nicht hineinfallen können, so verliert das offene
Gefäß durch die Ausdünstung über zwei Linien Wasser mehr, als das andere."
Die uns zugekehrte Seite des Mondes hat äußerlich Helle und dunkle
Stellen. Jene scheinen dem festen Lande auf unserer Erde und diese unsern
Abgründen, Thälern und Waldungen ähnlich zu sein. In diesen Theilen wird
man einige Stellen gewahr, die zur Seite einen Schatten werfen, den man
mißt und abzeichnet. Diese Stellen sind Berge, die, nach der Größe des Mon-
des zu rechnen, viel höher, als die unsrigen sind, und deren Spitzen man von
der Sonne, wie Pünktchen, erleuchtet sieht, wenn der Mond in den Vierteln
ist. Steigt nun das Licht allmählig zu dem Fuße dieser Berge herab, so er-
scheinen sie vollständig erleuchtet, und in dessen Volllichte verschwinden sie
endlich ganz. Ja, man kann sogar ihre dunklen Schatten wahrnehmen, welche
sie von sich lverfen, weil sie sehr steil und weit ausgebreitet sind. Einige liegen
einzeln, andere machen sehr lange Bergketten aus. Herschel hat gegen 100
Berge im Monde gemessen und gefunden, daß die höchsten über 25,000 Fuß
hoch sind. Aeußerst merkwürdig ist es noch, daß der Mond unserer Erde im-
mer eine und dieselbe Seite zukehrt. Seine hintere, von uns abwärts gekehrte
Seite kommt uns niemals vor die Augen; daher kann alles bisher Gesagte
auch nur von dieser Seite gelten; denn von jener wissen wir gar Nichts.
Der Mond ist also, wie unsere Erde, ein dunkler, frei im Welträume
schwebender Himmelskörper, welcher fein Licht von der Sonne empfängt.
Während jedoch die Erde nur eine zweifache Bewegung hat: eine um ihre
Achse und eine um sich selbst, ist dem Monde eine dreifache eigen: eine um
sich selbst, eine um die Erde und eine mit der Erde um die Sonne. Die Erde
wird deßhalb ein Hauptplanet genannt, der Mond dagegen ein Nebenplanet
oder Trabant. Außer unserer Erde und dem Monde bewegen sich um die
Sonne noch mehrere andere Planeten und Nebenplaneten, auch ein Heer von
Kometen und Sternschnuppen.
52. Von den übrigen Sternen. — Das Sonnen-
s yftem.
Ist die freundliche Sonne untergegangen, dann kommen die übrigen
Sterne zum Vorscheine, von denen bei heiterem Himmel unzählig viele in die
Erdennacht herüber leuchten. Still ziehen sie dahin, jene ewigen Zeugen der
Allmacht, hoch erhaben und nie erreicht vom Gewirre der Erde, daher auch
ungestört von aller irdischen Macht, von Allem, was hiernieden vorgehen mag.
Wie klein, bis zum Verschwinden Nichts erscheint da der Mensch vor der Un-
endlichkeit; aber dennoch freut er sich und fühlt sich innerlich gehoben und
groß, weil sein Auge die Wunder der Schöpfung schauen und sein Geist darin
die Herrlichkeit und Weisheit Gottes erkennen kann.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See]]
118
5. Die Olive.
Die Olivenbäume sind den Bewohnern des südlichen Europa's, nament-
lich den Italienern und Griechen, eben so viel werth, als uns die Obstbäume.
Da ist keine Hütte, zu der sich nicht die Olive gleichsam als Hausgenosse ge-
sellt hätte; da ist kein Berg, in dessen Mittelgrunde nicht Olivenbäume grün-
ten, während am Fuße die breitblätterige Feige steht. So lang nur noch etwas
Leben in ihren Adern kreis't, bietet sie sich mit Allein, was sie hat, zur Be-
nutzung dar. Mit geringer Pflege zufrieden, segnet sie schon mit ihrer kirsch-
artigen Frucht, noch wenn dieselbe unreif ist, indem sie eingemacht auf die
Tafel gebracht wird. Hat sie die gehörige Reife erlangt, so wird aus ihrem
Fleische das bekannte Oliven- oder Baumöl gepreßt, das fast in allen südlichen
Ländern Europa's stak> der Butter zur Bereitung vieler Speisen gebraucht,
namentlich aber als Salatöl benutzt wird. Doch nicht nur in ihren Früchten
spendet die Olive den mannichfaltigsten Segen; ihr Holz ist auch eine Zierde
der Stuben. Die Möbeln, welche daraus verfertigt sind, sehen wie marmorirt
aus, ja, oft wie mit Landschaften bemalt. Nicht minder ist der Baum ein
Schmuck der Gebirge und ein Licbliirg der Maler. Zwar sagt man, daß er
unserm Weidenbaume ähnlich sehe, der bekanntlich kein schöner Baum ist; aber
sicherlich übertrifft er ihn in dem Wuchs seiner feinen und zierlich verschlunge-
nen Zweige, in dem silberfarbenen, leichten Blatte seiner Krone, in den lieb-
lichen Gruppen, die er an den Bergabhängen Italiens bildet, deren Rücken
sich meistens nackt mit scharfen, bestimmten Linien in die reine, tiefblaue Lust
des Südens erhebt und aus der Ferne blau erscheint. Er soll aus Palästina
nach Europa gekommen sein. Seiner wird zuerst im alten Testamente bei der
Sündsluth gedacht. Die Taube, welche Noah zunr zweiten Male ausstiegcn
ließ, trug, als sie zurückkam, ein frisches Oelblatt in ihrem Schnabel, und
Noah erkannte daran, daß das Gewäffer gefallen sei. Dieses grüne Friedens-
blatt, im Schnabel der treuen Taube gehalten, ward bei den älteren Christen
ein sinniges und liebes Denkmal. Auf ihren Friedhöfen sah man nämlich häu-
fig die Taube mit dem Oelblatte in Stein ausgehauen. Salomon ließ aus
dem Holze der Olive zwei Cherubin!, zehn Ellen hoch, anfertigen und diese in
seinen herrlichen Tempel bringen. In der Stistshütte brannte das allerreinste,
lautere Olivenöl in einer Lampe, und aus Olivenöl wurde das heilige Salböl
zubereitet, mit welchem Samuel sein Horn füllte, als er den David mitten unter
seinen Brüdern zum Könige salbte. Auch der Frankenkönig Chlodwig, der bis
zur Schlacht bei Zülpich ein Heide gewesen, wurde am Weihnachtsfeste des
Jahres 496 von einen! Bischöfe mit solchem Oele gesalbt.
Auch den Griechen war der Oelbaum von großer Bedeutung. Die Göttin
Pallas Athene, so erzählten die Griechen, habe mit eigener Hand die erjle
Olive auf Athens Tempelberg gepflanzt, und von dieser stammten alle Oliven
Griechenlands ab. Als einst Athen durch die Perser eingeäschert wurde, brannte
auch der Olivenbaum, den die Athene gepflanzt, mit an, brannte jedoch nicht
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