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zum Himmel erhob, und wie jetzt dieselben Töne des Posthorns
ihm das Geständnis abpreßten.
Still, ohne laute Klage, nur mit leisem Weh im Herzen,
hatte sich der Zug den Berg hinan bewegt; mit zitternder Seele,
Tränen in den Augen, laut das Unheil beklagend, kehrten viele
heim. Zwei Menschen waren auf ewig aus der Genossenschaft
der Menschen geschieden. «uerba-h.
256. Die Femgerichte.
Außerordentliche Zeiten wie jene, wo alles gegeneinander
kämpfte, der Kaiser gegen den Papst, die Fürsten gegen den
Kaiser, die Ritter gegen den Bürger, und wiederum Glieder eines
Standes sich befehdeten, — solche Zeiten machten auch außer-
ordentliche Mittel nötig um das Recht und die Gerechtigkeit zu
schützen. Im Mittelalter bestanden durch ganz Deutschland
furchtbare heimliche Gerichte, die grobe Verbrecher aller Art
vor ihren Richterstuhl zogen und, wenn sie sich nicht genügend
rechtfertigen konnten, mit dem Tode bestraften. Es war gefähr-
lich sich vor ihnen zu stellen, und noch gefährlicher sich auf
ihre Vorladung nicht einzufinden. Ihren ersten und vornehmsten
Sitz hatten jene Gerichte in Westfalen, darum hießen sie auch
die Westfälischen Freigerichle; den Namen „Femgerichte" hatten
sie aber von dem altdeutschen „verfemen," das heißt soviel als:
verbannen, verfluchen.
Das Femgericht bestand aus einem Freigrafen und einer
Anzahl Freischöpppen oder Beisitzer, die man auch „Wissende"
nannte, weil sie um die Geheimnisse der heiligen Feme wußten.
Solcher Beisitzer mußten mindestens 14 sein; gewöhnlich aber
betrug ihre Zahl das Doppelte. Man rechnet, daß in ganz
Deutschland über 100 000 Wissende waren; ihrer Wachsamkeit
und Beobachtung konnte sich niemand entziehen. Jeder Freigraf
und Freischöppe mußte im Westfälischen „auf roter Erde" be-
lehrt und beeidigt worden sein. Der Eid, den man ihnen ab-
nahm zur Sicherung ihrer Verschwiegenheit, war furchtbar. Er
begann: „Ich schwöre die heilige Feme halten zu helfen und zu
verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vor
Schwester und Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was
die Sonne bescheiut, der Regen benetzt, vor allem, was zwischen
Himmel und Erde ist." Ein Schöppe, der das Geheimnis
verriet, wurde ergriffen und dann mußten ihm vorn die Hände
zusammengebunden und ein Tuch vor die Augen gehängt werden;
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Westfalen Deutschland Westfälischen
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hierauf sollte man ihn auf einen Bock werfen, ihm einen drei-
strängigen Strick um den Hals winden und ihn sieben Fuß höher
hängen als einen verfemten Missetäter oder Dieb. Sämtliche
Freistühle waren von der Gerichtsbarkeit und Aufsicht d«r ein-
zelnen Landesherren frei; sie erkannten nur den Kaiser als ihr
Oberhaupt, machten ihn gleich nach seiner Krönung zu ihrem
Mitwissenden und richteten unter kaiserlichem Ansehen. Von
Westfalen batten sie sich über ganz Deutschland verbreitet. Frei-
grasen und Freischöppen erkannten sich an gewissen Zeichen.
Hatte jemand einen Raub oder Mord begangen, war er
der Zauberei oder Ketzerei verdächtig, so hatte er Ursache genug,
vor dem furchtbaren Richterstuhl der Wissenden zu zittern, selbst
dann, wenn er vor seinem ordentlichen Richter der Strafe schon
entgangen war. Er wurde von einem der Freischöppen dem
heimlichen Gerichte angezeigt, der zugleich mit einem Eide be-
ichwor, daß das Verbrechen wirklich begangen sei. Die Vor-
ladung geschah aber nicht öffentlich, sondern wurde des Nachts
vor dem Tore oder der Haustür des Beklagten angeschlagen.
Dieser mußte sich dann zur bestimmten Zeit an dem bestimmten
Orte einfinden; es wartete seiner schon ein Abgeordneter der
heiligen Feme, der ihn mit verbundenen Augen an den geheimen
Ort führte, wo die Richter versammelt waren. Gemeiniglich
hielten sie ihre Sitzungen des Nachts in einem dichten Walde
oder in einer Höhle oder in einem unterirdischen Gewölbe. Hier
saßen sie vermummt bei schwachem Lichte in schauerlichem Halb-
dunkel und tiefe Stille herrschte ringsumher. Der Freigraf
allein erhob seine Stimme, hielt dem Vorgeladenen das Ver-
brechen vor, dessen er angeklagt war, und forderte ihn auf, sich
zu verteidigen. Konnte er sich mit Grund verantworten, so
wurde er freigesprochen und ebenso geheimnisvoll, als er gekom-
men war, wieder zurückgeführt. Wurde er aber seiner Schvld
überwiesen, so ward er zum Tode verurteilt. Noch in derselben
Stunde, sobald er sein Gebet gesprochen und seine Seele Gott
empfohlen hatte, stieß man ihn mit einem Dolche nieder oder
knüpfte ihn an einem Baume auf. Gewöhnlich verrichtete der
jüngste Schöppe das Henkeramt; ein Dolch, in den Baum ge-
stoßen, sagte, daß die heilige Feme gerichtet habe; sonst aber
erfuhr niemand, wer der Henker gewesen sei.
Stellte sich der Angeklagte nicht auf das erste Mal, so
wurde die Vorladung noch zweimal wiederholt. Blieb er auch
das dritte Mal aus, so folgte die Verurteilung und einige der
Freischöppen erhielten den Auftrag, das Strafgericht zu voll-
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ziehen. Von nun an wurde er von unsichtbaren Händen verfolgt
bis an seinen Tod.
Die Sitzungen der Feme wurden aber nicht immer heimlich,
sie wurden auch manchmal öffentlich gehalten; doch immer
erschienen die Wissenden vermummt. Um Mitternacht versammelten
sie sich auf dem Kirchhofe des Ortes, wo sie gesonnen waren,
Gericht zu halten. Mit Anbruch des Tages verkündete dann das
Geläute aller Glocken den erschrockenen Einwohnern die Ankunft
ihrer furchtbaren Gäste. Alles, groß und klein, mußte sich
hinaus ins freie Feld begeben und sich in einem großen Kreise
niederlassen. Der Freigraf saß mit seinen Schöppen in der
Mitte und vor ihm lagen neue Stricke und ein Dolch.
Befand sich nun einer im Kreise, der im Ruf eines Mordes
oder Diebstahls oder sonst eines Verbrechens stand, so trat ein
Schöppe zu ihm und sagte ihm ins Ohr: „Freund, es ist
anderswo ebensogut Brot essen wie hier." Das hieß: hast du
kein gutes Gewissen, so stehe auf und gehe, solange es noch
Zeit ist. Der Mensch konnte nun, wenn er sich schuldig fühlte,
ungehindert in die weite Welt gehen; aber sein Vermögen mußte
zurückbleiben. Berührte der Schöppe einen zum dritten Male
mit seinem Stabe, so war dies ein Zeichen, daß er des Ver-
brechens nicht allein verdächtig sondern auch überwiesen sei. Er
wurde dann gebunden und ohne weitere Umstände an den nächsten
Baum geknüpft.
So empfing mancher Bösewicht, der durch Bestechung oder
mächtige Freunde den Händen der Gerechtigkeit entgangen war,
durch das unbestechliche heimliche Gericht doch den verdienten
Lohn. Man kann sich aber denken, wie viele schuldlose Menschen
auch aus Rache, Bosheit und Gewinnsucht von ihren Feinden
fälschlich angeklagt und ein Opfer ihrer Tücke wurden. Manche
Unglückliche wurden kurzweg zum Tode verurteilt und erst,
nachdem sie aufgeknüpft waren, nahm man sich die Mühe zu
untersuchen, ob sie es verdient hatten. In dem Maße, als sich
in diese Inquisition (peinliche Untersuchung) der Gerechtigkeit
Mißbräuche und Leidenschaften mischten, verloren die Femgerichte
ihre Achtung und ward der Wunsch nach ihrer Aufhebung rege.
Als die Landesfürsien mit den Städten sich zu besserer Gerechtig--
keitspflege vereinigten, wurden die Freistühle ohnehin unnütz.
Dennoch erhielten sich die Femgerichte bis zu Ansang des sech-
zehnten Jahrhunderts. Das letzte soll zu Celle im Hannöverischen
im Jahre 1568 gehalten worden sein. Im vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert waren sie am furchtbarsten. «nib-.
Lesebuch für Mittel- rmd Oberklsflrn. 91
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TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T164: [Sonne Erde Mond Tag Stern Planet Zeit Himmel Jahr Bewegung]]