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lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" Da erschien Nach-
mittags um 3 Uhr in der ebenfalls stürmisch aufgeregten
Kammer Guizot mit der Botschaft, daß der König den Gra-
fen Mols habe rufen lassen, um ihn mit der Bildung ei-
nes neuen Kabinets zu beauftragen. Die Wahlreform
sollte gewährt sein. Adjutanten des Königs flogen nach
allen Seiten hin, um diese Nachricht weiter zu verbreiten,
welche dem lebhafter und blutiger werdenden Aufstande Ein-
halt thun sollte. Sie wurde überall mit Jubel aufgenom-
nen, aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tü-
cher, das Feuern zwischen den Linientruppen und den Auf-
ständischen ruhte, die meisten Barrikaden witrden verlassen.
Nachmittags um 5 Uhr gewährten die Boulevards den
nämlichen Anblick, wie an großen Volksfesttagen, so ruhig
wogten Massen neugieriger Spaziergänger auf und ab,
und als der Abend zu grauen anfing, bot die fast überall
festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick dar.
Da trat ein Ereigniß ein, welches plötzlich die Scene
veränderte. Es mochte gegen 10 Uhr sein, als unter don-
nerndem Gesang der Marseillaise, unter Trommelwirbel,
wehenden Fahnen und Fackelschein ein Volkshaufen von
etwa 2000 Mann, der hauptsächlich aus Arbeitern der Vor-
städte bestand, in guter Ordnung auf dem Boulevard der
Jtaliäncr erschien, durch neuen Zuwachs immer mehr an-
schwoll und zuletzt mit einer Kolonne sich vereinigte, welche
dem Justizminister Hebert ein Pereat (Nieder mit ihm!)
gebracht hatte. Diese Kolonne war die Bande des Repu-
blikaners Lag ränge aus Lyon, die auf den Barrikaden
des Quartiers St. Martin einen Theil des Tages über
gekämpft batte. Sie bestand aus lauter Blousenmännern
mit aufgekrämptcn Hemdärmeln und entblößten Brüsten,
Gesicht und Hände von Pulver geschwärzt, durchweg mit
Flinten, Säbeln oder Piken bewaffnet. Fackeln und eine rothe
Fahne wurden voraus getragen. Vor dem Hotel der aus-
wärtigen Angelegenheiten, Guizot's Wohnung, stieß die
vorderste Kolonne des Zugs auf ein Bataillon des 14.
Regiments, welches, im Viereck ausgestellt, den Durchzug
verwehrte. Der Mann mic der rothen Fahne und einige
Fackelträger gingen trotzig auf das Bataillon los, schwenk-
ten die Fahne und die Fackeln hin und her, und das Pferd
des kommandirenden Offiziers fing an sich zu bäumen.
Die vorderste Reihe der Truppen gerieth in Unordnung,
das Viereck that sich auf und der Offizier nahm mitten da-
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rin seinen Platz. Plötzlich hoben und senkten sich die Ge-
wehre, ein Schuß fiel, man sagt aus dein Garteil des Ho-
tels, und ein langer Knall krachte hinterher. Einige fünf-
zig Todte und Verwundete stürzten nieder. Unter wildem
Geschrei stob die Menge auseinander und ergoß sich durch
alle Stadtthcile mit dem Ruf: „Zu den Waffen! Wir
sind verrathen! Man mordet uns!" Die kleine Kolonne
republikanischer Blousenmänner, die vor dem Pelotonfeuer
zurückgewichen war, kam unter einem fruchtbaren Rachcge-
schrei nach der Blutstatte zurück, lud ein Dutzend Leichname
auf einen Karren und zog unter Mordgeschrei und Wuth-
geheul durch die Straßen.
Inzwischen erloschen an den Häusern die Lampen, aus
allen Ecken und Winkeln huschten Bewaffnete hervor, wie
auf ein geheimes Machtgebot thürinten sich die Pflastersteine
zu Barrikaden empor und auf allen Kirchthürmen läuteten
die Sturmglocken, während die Empörer hier und da mit
den Truppenpatrouillen Flintenschüsse wechselten. Als der
Morgen des verhängnißvollen 24. Februar anbrach, war
Paris bewaffnet bis an die Zähne, anderthalbtausend wohk-
vertheidigte Barrikaden starrten den königlichen Truppen
entgegen, die Revolte von gestern hatte sich in eine
Revolution verwandelt. Dies war das Werk der Ver-
schwornen der'geheimen, militärisch eingerichteten Gesell-
schaften, welche, nachdem sie den Vorgang vor dem Hotel
Guizots wahrscheinlich selbst hervorgerufen, ihn schnell zum
Losbrechen benutzten, ihre Abtheilungen gu den Waffen rie-
fen, die Häuser nach Waffen durchsuchten und die Waffen-
läden plünderten, die Gläser- und Flaschenmagazine aus-
lcerten und ihre Vorräthe über die Straßen streuten, um
sie der Reiterei unzugänglich zu machen, und die Menge
der übrigen Gesinnungslosen theils mit sich fortrissen theils
zwangen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen.
Im Schloß der Tuilericn wußte man wenig oder nichts
von dem, was in der Stadt vorging, und die Truppen be-
hielten ihre Stellung bei. Nachdem Graf Molo es abge-
lehnt hatte, ein neues Ministerium zu bilden, ließ der Kö-
nig um Mitternacht den Herrn Thiers, eins der Häup-
ter der Widerstandspartci in der Kammer, rufen, der sich
auch bereit erklärte, mit Odilon-Barrot, Rem usai
und Duvergier de Heu renne ein Kabinet zu bilden;
Marschall Bugeaud sollte an die Spitze der bewaffneten
Macht treten, doch wollte das neue Ministerium dies nicht
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tauschte, brach die vor Zorn bleiche Königin gegen Thiers
in die Worte aus: „Sie haben den Thron zerschmettert;
Sie haben die Volksleidenschaften zu einem Brand ange-
facht, dessen Lohe über die Monarchie zusammenschlägt. Sie
sind ein Undankbarer und verdienten keinen so guten König."
Zur Herzogin von Orleans, welche die Hände vor das
Gesicht hielt und schluchzte, sagte der König: „Helene, Sie
bleiben!" — Der kleine Graf von Paris (geb. 1838)
horchte verwundert auf Alles, was gesprochen wurde; sein
Bruder, der Herzog von Chartres, weinte jämmerlich. Als
die fliehende Königsfamilie, aus 15 Personen bestehend,
durch das große Thor des Tuilerienpalastes nach dem Kon-
kordienplatz heraustrat, konnten die königlichen Wagen vor
den Schüssen der Aufständischen schon das Schloß nicht
mehr erreichen, und man mußte zu den kleinen Wagen seine
Zuflucht nehmen, welche im Hofe zum Dienste der Adju-
tanten bereit standen. Am Fuße des Obelisken, auf dem-
selben Platze, wo ehemals die Guillotine stand, auf welcher
das Haupt seines Vaters gefallen war, stiegen Ludwig
Philipp und Marie Amalie in einen dieser kleinen Wagen.
Eine Abtheilung Kürassiere begleitete den König nach
St. Cloud.
Aber auch die Nachricht von der Abdankung des Königs
und der Flucht des greisen Königspaars brachte die Fluthen
des Aufruhrs nicht zum Stillstehen, und dem General La-
uro rici ère, der mit der schriftlichen Abdankung des Königs
in der Hand an die Barrikade der Straße St. Honorè.
heransprengte, rief man zu: „Kehren Sie um, General;
die Abdankung genügt uns nicht mehr, wir wollen den
Sturz der Dynastie." Um dieselbe Stunde wurde das
Palais-Royal erstürmt und man hörte den allgemeinen
Ruf: „Nach den Tuilerien!" Hier gab der Herzog von
Nemours, überzeugt von der Erfolglosigkeit des Wider-
standes, den Truppen den Befehl zum Rückzug, und eine
Viertelstunde später stürzte das bewaffnete Volk gleichzeitig
vom Hof und vom Garten her in den Palast, wie ein
wilder Strom durch die Gemächer sich wälzend und Alles,
was ihm in den Weg trat, verheerend und zermalmend.
Getäfel, Spiegel, Kronleuchter, Vorhänge, Tapeten, Tep-
piche, Gardinen, Alles wurde zerschlagen, zerrissen, zum
Fenster hinausgeworfen. Im Thronsaale sprang ein Mann,
eine rothe Fahne in der Hand, auf den Thron, wischte
seine schmutzigen, nägclbeschlagenen Schuhe draus ab und
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Extrahierte Personennamen: von_Chartres Ludwig
Philipp Ludwig Philipp Marie_Amalie
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in einem engen Zimmer des zweiten Stocks an einem un-
ansehnlichen Tische festen Platz zu fassen, um von hier aus
zwei Proklamationen an das Volk zu erlassen. In der
ersten ward die Republik proklamirt, mit Vorbehalt der
Genehmigung des Volks, welches sofort befragt werden
sollte, und die Regierung der Nation durch sich selbst ver-
heißen. Die Negierung Frankreichs sollte fortan eine demo-
kratische sein und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
zum leitenden Grundsatz, das „Volk" zum Wahlspruch und
rur Losung haben. In der zweiten wurden D u p o n t als
Präsident der neuen Regierung, die provisorischen Minister
und andere Beschlüsse zur Wiederherstellung der Ordnung
und des Verkehrs verkündigt. Von den Stufen des Stadt-
hauses kündigte Louis Blanc dem auf dem Greveplatze
versammelten Volke an, daß die provisorische Regierung die
Republik wolle. Bei dieser Nachricht erscholl unermeßlicher
Jubel von allen Seiten des Platzes und eine Salve von
Freudenschüssen krachte in die Luft. Paris, das eben noch
einen grausenerrcgenden Anblick dargeboten hatte und wo
man überall auf Leichen, zerbrochene Gewehre, umgestürztc
Wagen, hohe Barrikaden stieß, war am Abend des 24. Fe-
bruar, wie am Tage vorher, allenthalben erleuchtet und
Tausende von Neugierigen durchzogen jubelnd die Straßen,
in ihrem Leichtsinn nicht bedenkend, auf welchem Vulkan sie
wandelten.
3. Was die Uepubük Frankreich brachte.
So hatten den Julithron drei Tage aufgerichtet und
drei Tage wieder umgeworfen. Die Kunde von der Er-
richtung der Republik durchlief in Sturmeseile ganz Frank-
reich und bald ging aus allen Theilen des durch jene Kunde
überraschten Reichs der provisorischen Regierung die Erklä-
rung zu, daß man die neue Regierungöform anerkenne.
Zwar traf die Negierung eiligst Anstalten, eine National-
versammlung einzuberufen, um mit ihr das Weitere zu be-
stimmen; aber die Folgen dieser neuen großen Staatsum-
wälzung waren zunächst sehr traurig. Angst und Schre-
cken bemächtigten sich der meisten Gemüther, welche sich der
ersten französischen Revolution erinnerten als einer Zeit der
Schreckensherrschaft, in welcher mehr unschuldiges Blut ver-
gossen worden war, als während der vielen Jahrhunderte
der alten Monarchie. Handel und Gewerbe geriethen we-
gen Mangels an Vertrauen in Stocken, Tausende von Fa-
Vtsch. d. neuesten Revol. Z
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Louis_Blanc
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Paris Frankreich Sturmeseile Frank-
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kann der König, als unehrenvoll für seine braven Truppen,
nicht gewähren. Da entsteht ein neues, stärkeres Hin- und
Herwogen, während gleichzeitig die Kavalerie das Volk et-
was ^zurückdrängt und mehr Infanterie aus den Portalen
des Schlosses hervortritt. Durch Zufall entladen sich ein
paar Gewehre auf das Volk. Das wurden wieder verhäng-
nißvolle Schüsse und kamen den Männern des Umsturzes,
deil Sendlingen der revolutionären Propaganda, deren un-
heimliche Gestalten wie Geister aus dem Abgrunde damals
bei allen Volksbewegungen zu sehen waren, wie gerufen.
Jetzt weicht Alles zurück; aber jene Aufwiegler rennen,
«Mord! Verrath! zu den Waffen!" schreiend, durch die
Straßen und schüren das Feuer der Empörung. Eine aus-
gehängte Fahne mit dem Worte: „Mißverständniß!" wird
nicht mehr beachtet. Schnell erheben sich Barrikaden,
Waffenlädcn werden geplündert und es folgt eine Nacht
des Schreckens, in welcher zwischen den Aufständischen und
den treuen, aber wenig zahlreichen Truppen des Königs
bis zur Erschöpfung der letztem gekämpft wird.
Der Kampf begann bald nach 3 Uhr an der Ecke der
Oberwall- und Jägerstraße, wo die erste Barrikade sich er-
hob. Zwei Droschken, eine Kutsche, das Schilderhaus vom
Bankgebäude, die Rinnsteinbrücken und einige Fässer dien-
ten rasch zur Aufführung des Baues, der, wie überall in
der Stadt, mit ftaunenswürdiger Geschicklichkeit zu Stande
gebracht wurde, ein Beweis, daß wohl fremde, im Barrika-
denbau erfahrene Revolutionsmänner sich zu Führern der
Aufständischen aufgeworfen hatten. Bis gegen 5 Uhr Nach-
mittags war die ganze Stadt, auch in den entlegensten Thei-
len, mit Barrikaden überdeckt, die in manchen Straßen bis
in die ersten Stockwerke hineinragten. In trauriger Verblen-
dung nahmen auch Studenten an diesem Straßenkampfe
Theil und steckten die schwarz-roth-goldene Kokarde auf.
Hunderte von Arbeitern aus den Maschinenbauwerkstätten
schlossen sich den Empörern an. Dächer wurden abgedeckt
und zur Vertheidigung mit Körben voll Steinen angefüllt.
Selbst Sträflinge wurden aus einem Arbeitshause, dem s.
g. Ochsenkopf, befreit, um die sich dort bildenden Revolu-
tionshaufen zu vermehren. Wie damals allerwärts, so
fehlte es auch in Berlin nicht an den Polen, jenen Zug-
vögeln der Revolution, die auf solche Weise ihr Vaterland
wieder zu gewinnen wähnten. So erschien am Alerander-
platz eine eigenthümliche Schaar unter der Anführung eines
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Ortsnamen: Oberwall- Berlin Polen Alerander-
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cher und grauenvoller war der Eindruck, welchen das fort-
dauernde Toben des Aufruhrs in den Gemüthern Aller her-
vorbringen mußte, welchen der Aufruhr ein Greuel ist.
Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner, die man für das
Luftgebilde von Freiheit und Gleichheit leicht fanatisiren und
verführen konnte, bildeten die große Mehrzahl der Kam-
pfenden. Verdächtige Mitglieder der Gesellschaft, die im
Trüben fischen wollten, hatten sich darunter gemischt. Die
eigentlichen Leiter der Bewegung lauerten, Unheil brütend,
im Hintergründe. Um sich Waffen zu verschaffen, plün-
derte man die Waffen- und Pulvervorräthe der Kaufleute
und durchsuchte die Wohnungen der Offiziere. Während
die Empörer, durch die hochgethürmten Barrikaden gedeckt,
aus dem Hinterhalt kämpften, setzten sich die tteuen Trup-
pen des Königs dem Barrikadenfeuer und den Steinwürfen
von den Dächern auf die für sie verderblichste Weise aus,
wodurch oft ganze Glieder durch Steine und Schüsse nieder-
gestreckt wurden, ehe sie nur überhaupt zu einem Angriff
gelangen konnten.
Eine Hauptftätte mörderischen Kampfes war die Ge-
gend am Aleranderplatz, in den mehrere Straßen ausmün-
den und wo sich drei Barrikaden von kolossaler Bauart
erhoben hatten. Hier waren nicht nur Büchsenschützen,
sondern auch zwei Kanonen aufgestellt, welche man aus dem
Schützenhause herbeigeholt hatte. Dort war es auch, wo
mehrere Mitglieder der berliner Schützengilde, hinter einer
Dachrinne versteckt, so sicher und immer nach gegenseitiger
Verabredung schossen, daß sie selten den Mann, auf wel-
chen sie zielten, verfehlten. Was sonst nur im Kriege ge-
gen erbitterte Feinde zu geschehen pflegt, das geschah hier
mit kaltem Blute gegen pflichttreue Soldaten, die nicht etwa
für schnödes Geld geworbene Söldlinge, sondern Kinder
des eignen Landes und Volkes waren! Ein Versuch, das
Gebäude des Königsstädtischen Theaters hier in Brand zu
stecken und den Schrecken und die Verwirrung durch das
entfesselte Element noch zu vermehren, wurde durch noch
rechtzeitig ankominende Truppenverstärkungen vereitelt. In-
dessen loderten an verschiedenen andern Stellen der Stadt
Brände empor; man trug sich mit dem Gerücht, daß alle
königlichen Gebäude in Asche gelegt werden sollten, und die
Feuerlohe, die sich in langen Streifen über den Horizont
der Stadt hinwegwälzte, fügte zu dm Schrecknissen der
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Mordnacht die Angst, daß ganz Berlin in Flammen aufge-
hen könne.
Am Morgen des 19. März gegen 7 Uhr waren endlich
die letzten Kanonenschläge verhallt, und es schien eine Art
von Waffenstillstand eingetreten zu sein. Das Militär, das
auch nicht einen Augenblick in seiner Treue gegen König
und Vaterland gewankt und sich dadurch für alle Zeiten
ein ehrenvolles Denkmal in der deutschen Geschichte erwor-
den hatte, befand sich am Morgen im Besitz der Haupt-
straßen und der Hauptplätze, die daselbst befindlichen Barri-
kaden waren hinweggeräumt und die Vertheidiger derselben
in die entlegenem Stadttheile hinweggedrängt. Dennoch
bot die Stadt im Ganzen immer noch einen bedenklichen
Anblick dar, und selbst noch eine Proklamation des Königs,
geschrieben in der Nacht vom 18—19. März, die den ei-
gentlichen Hergang der Verwickelung auf eine Rotte von
Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend, schob, vom sieg-
reichen Vordringen der Truppen sprach und die Zurück-
ziehung derselben von der Wegräumung der Barrikaden ab-
hängig machte, wurde von den dichtgedrängten Volkshau-
fen mit Mißtrauen ausgenommen. Inzwischen dauerte das
Sturmläuten in der Stadt noch fort, der Zuzug bewaffneter
Volkshaufen zu den stehen gebliebenen Barrikaden mehrte
sich schon wieder, -und der Bürgermeister Naunyn erschien
auf dem Schlosse, um den Ministern und dem Könige im
Namen der Stadt Berlin die Bitte vorzutragen, den Befehl
zum Rückzug der Truppen zu ertheilen, da die Stadt bei
Erneuerung des Kampfes der äußersten Gefahr ausgesetzt
sein könnte. Noch war der König im Besitz eines treuen
und tapfern, in kompakter Masse dastehenden Heeres, das
so eben neue streitfertige Positionen eingenommen. Aber
dennoch gewährte der Monarch, der das Ungeheure seiner
Verantwortlichkeit vor dem höchsten Richter erwog und in
seinem christlichen Herzen den Gedanken eines fernem Blut-
vergießens nicht ertragen konnte, diese Bitte endlich unbedingt,
obgleich mehrere dem König zunächst stehende Personen an-
derer Meinung und der Ansicht waren, daß die königliche
Großmuth für Schwäche ausgelegt werden könnte. Zugleich
erklärte der König, daß er eine vollständige Aenderung des
Ministeriums eintreten lassen werde und dabei den Wün-
schen des Volks entsprechen wolle. Selbst die Freigebung
der um politischer Vergehen willen Gefangenen sagte er zu.
Unter ihnen waren auch 250 Polen und Mieroslawski,
Besch, d. neuesten Revol, 5
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
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direkter, allgemeiner Abstimmung von allen, nicht unter ein-
undzwanzig Jahren alten Franzosen auf je drei Jahre ge-
wählt werden sollte.
Indessen war die große Partei der _ sozialistischen
Schreckensmänner zwar überwunden, aber nicht vernichtet.
In der Nationalversammlung war Ledru-Rollin ihr her-
vorragendster Führer. Sie schrieen über Reaktion und setz-
ten ihre Wühlereien insgeheim fort. Das erschreckte alle
Besitzenden; der ungewisse Zustand der Dinge drückte wie
ein schwerer Alp auf Handel und Verkehr und brachte
den Namen der Republik überhaupt und ihre Träger in
großen Mißkredit. Man sehnte sich nach einem Manne,
der, wie einst Napoleon Bonaparte, die losgclassene Furie
der Revolution wieder bändigen könnte. Die monarchischen
Parteien begannen sich wieder zu regen: die Legitimisten,
Orleanisten, Bonapartisten. Am rührigsten waren die Letz-
tem. Sie richteten ihre Blicke auf einen Mann, der durch
den Gang der nachfolgenden Ereignisse so wichtig geworden
ist, daß wir etwas länger bei ihm verweilen müssen. Die-
ser Mann war der Prinz Ludwig Napoleon Bona-
parte, des Kaisers Napoleon Neffe und Erbe.
Er war geboren zu Paris am 20. April 1808 als
der dritte Sohn des damaligen Königs Ludwig Bona-
parte von Holland und der Königin Hortensie gcb. Grä-
fin von Beauharnais, Napoleons Stieftochter. Nach
der Verbannung der Familie. Bonaparte aus Frankreich lebte
er mit seiner, von ihrem, nunmehr den Namen eines Grafen
von St. Leu führenden Gatten, geschiedenen Mutter. zu
Augsburg, später im Kanton Thurgau in der Schweiz.
Während seine Mutter auf Schloß Arencirberg in stiller
Zurückgezogenheit als Wohlthäterin der Armen lebte, folgte
er seiner Neigung für militärische Studien und schrieb so-
gar „ein Handbuch der Artillerie", welches von Männern
des Fachs gerühmt wird. Als die französische Julirevolu-
tion seine Hoffnung, die kaiserliche Familie nach Frankreich
berufen zu sehen, nicht erfüllte, nahm er mit seinem
altern Bruder Theil an einem bewaffneten Aufstande im
Kirchenstaate und erkrankte, nachdem sein Bruder auf der
Flucht gestorben war, in Ankona. Dort war er nahe
daran, den Oestcrreichern in die Hände zu fallen, als ihn
seine Mutter mit eigener großen Lebensgefahr rettete und über
Paris und England nach dem Thurgau zurückführte. Dort
erhielt er von den noch im Aufstande begriffenen Polen
»
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon_Bonaparte Napoleon Ludwig_Napoleon_Bona- Ludwig Napoleon Napoleon Ludwig_Bona- Ludwig Napoleons Schloß_Arencirberg
Extrahierte Ortsnamen: Paris Holland Napoleons Frankreich Thurgau Schweiz Frankreich Ankona Paris England Thurgau Polen
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Versammlung in der Nacht vom 15.—16. Juni das Zeug-
haus. Schon in der Abenddämmerung des 15. Juni
hatte ein Zusammenstoß mit Blutvergießen begonnen, in-
dem eine Kompagnie der Bürgerwehr im Kastanienwäldchen,
nahe dem Zeughause, auf einen Arbcitertrupp Feuer gab.
Das wurde das Signal zu den grauenvollen Auftritten
dieser Nacht. Die Wuth des Volks entflammte sich bei
dem Anblick des vergossenen Bluts auf das Aeußerste, die
Massen wuchsen auf den Straßen und Platzen, und ein
tobender Racheschrei durchbebte die Menge. Die im Dun-
keln schleichenden Gestalten der demokratischen Wühler er-
schienen plötzlich und feuerten das Volk zu einer entschei-
denden That an. Man tauchte Tücher in das frische Blut
der Getödteten, befestigte sie an Stangen und trug sie als
Fahnen durch die Straßen, um die ganze Stadt zum Auf-
stand aufzufordern. Ein solcher Trupp mit rothen Blut-
fahnen zog über die Königsbrücke und rief die Republik
aus. Allein dieser Ruf fand keinen Anklang und verhallte
unter den Schrecknissen dieser Nacht. Vor den andrängen-
dcn Massen zog sich die am Zeughause aufgestellte Bürger-
wehr in voller Auflösung zurück und ließ dasselbe ohne Schutz.
Gegen Io Uhr besetzten zwar der bewaffnete Handwerker-
verein und das Studentencorps die Pforten des Zeughau-
ses, aber der Andrang war schon so stark, daß die Thüren
zu krachen anfingen. Mit wahnsinnigem Geschrei verlangte
man den Abzug des Militärs. Gegen 11 Uhr kamen noch
Schaaren mit Pechfackeln an, die sie aus den benachbarten
Feuerwachen geholt. Endlich wichen die Thüren des Zeug-
hauses vor den gewaltigen, mit Balken geführten Stößen, und
in einem furchtbaren Knäuel wälzten sich die Massen in die
innernräume desselben, dort eine allgemeine Waffenplünderung
beginnend, wobei auch die überaus kostbare Sammlung al-
ter historischer Waffen genommen und unter das Volk ver-
theilt wurde. Die alten Kriegsfahnen und Trophäen Preu-
ßens, die mit dem edelsten Blute seiner Kinder erbeutet wor-
den waren, wurden von diesen wilden Rotten von den Wänden
herabgerissen und mit Füßen getreten. Alle im Zeughause
befindlichen Gewehre, Säbel, Büchsen, Pistolen wurden ge-
raubt und fortgeschleppt, ingleichen große Mengen von
Spitzkugeln, die hier in Kisten aufbewahrt lagen, und jene
vortrefflichen Zündnadelgewehre, deren Gebrauch noch ein
Geheimniß war. Bis gegen Mitternacht war die Plün-
derung des Zeughauses fortgesetzt worden, als es plötzlich
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Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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spielhauses, wo die Versammlung eben Sitzung hielt, um-
lagerten und dieselben zu vernageln drohten, wenn nicht
eine für Wien günstige Abstimmung erfolgte. Ja, unter
diesen verwilderten Volkshaufen sah man unheimliche De-
mokratengestalten, welche Beile und Stricke vorwiesen, um
die Abgeordneten der rechten Seite daran auszuknüpfen.
Es war hohe Zeit, diesem Zustande Berlins und dem Ge-
baren der Versammlung, wo man aus dem königlichen
Titel sogar das „von Gottes Gnaden" gestrichen, adlige
Titel, Prädikate und Orden abgeschafft und das gefürchtete
Militär zu den Grundsätzen der Revolution verkehrt wissen
wollte, ein Ende zu machen, wenn diese Versammlung nicht
zu einem Convent ausarten und eine Regierung des
Schreckens, wie einst jener berüchtigte französische Convent,
einführen sollte. Der König entschloß sich auch endlich zu
solcher rettenden That, zur Freude aller wohlgesinnten und
Ordnung liebenden Bürger seiner Hauptstadt, die des wü-
sten revolutionären Treibens herzlich müde waren. Schon
am 17. September ernannte er einen Mann von kernhafter
Persönlichkeit, den General Wrangel, zum Kommandeur
sämmtlicher Truppen in den Marken. Dieser erließ sofort
in seiner neuen Eigenschaft einen Armeebefehl, worin er
sich mit seinen siegreichen Truppen als eine Stütze der gu-
ten Bürger hinstellte. Am 21. September hielt er eine
Truppenmusterung in Berlin selbst ab und sprach bei dieser
Gelegenheit zu dem Volke, das sich neugierig um ihn
drängte. Was er sagte, war sehr bedeutungsvoll, denn er
rühmte den Berlinern zuerst die Stärke seiner Militärmacht.
„Die Truppen sind gut — hieß es — die Schwerter haar-
scharf geschliffen, die Kugeln im Lauf!" Dann beklagte
er die Berliner wegen ihrer unglücklichen Verhältnisse, we-
gen des heruntergekommenen Zustandes ihrer einst so blü-
henden Stadt, in der jetzt „ Gras in den Straßen wachse!"
Bald sollte dieser Maßregel eine andere entscheidungsvolle
folgen, die Ernennung eines neuen Ministeriums Bran-
denburg.
Darin erkannte die radikale Partei der Nationalver-
sammlung das Signal einer Contrercvolution und ahnte
den Niedergang ihrer Herrschaft und der revolutionären
Bewegung. Eine Deputation der Versammlung, an ihrer
Spitze der Präsident von Unruh, begab sich am Nach-
mittag des 2. November zum König nach Sanssouci bei
Potsdam, um eine Adresse zu überreichen, in welcher auf
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Extrahierte Ortsnamen: Berlins Gottes_Gnaden Berlin Sanssouci Potsdam