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1. Geschichte der neuesten Revolution - S. 33

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
33 in einem engen Zimmer des zweiten Stocks an einem un- ansehnlichen Tische festen Platz zu fassen, um von hier aus zwei Proklamationen an das Volk zu erlassen. In der ersten ward die Republik proklamirt, mit Vorbehalt der Genehmigung des Volks, welches sofort befragt werden sollte, und die Regierung der Nation durch sich selbst ver- heißen. Die Negierung Frankreichs sollte fortan eine demo- kratische sein und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum leitenden Grundsatz, das „Volk" zum Wahlspruch und rur Losung haben. In der zweiten wurden D u p o n t als Präsident der neuen Regierung, die provisorischen Minister und andere Beschlüsse zur Wiederherstellung der Ordnung und des Verkehrs verkündigt. Von den Stufen des Stadt- hauses kündigte Louis Blanc dem auf dem Greveplatze versammelten Volke an, daß die provisorische Regierung die Republik wolle. Bei dieser Nachricht erscholl unermeßlicher Jubel von allen Seiten des Platzes und eine Salve von Freudenschüssen krachte in die Luft. Paris, das eben noch einen grausenerrcgenden Anblick dargeboten hatte und wo man überall auf Leichen, zerbrochene Gewehre, umgestürztc Wagen, hohe Barrikaden stieß, war am Abend des 24. Fe- bruar, wie am Tage vorher, allenthalben erleuchtet und Tausende von Neugierigen durchzogen jubelnd die Straßen, in ihrem Leichtsinn nicht bedenkend, auf welchem Vulkan sie wandelten. 3. Was die Uepubük Frankreich brachte. So hatten den Julithron drei Tage aufgerichtet und drei Tage wieder umgeworfen. Die Kunde von der Er- richtung der Republik durchlief in Sturmeseile ganz Frank- reich und bald ging aus allen Theilen des durch jene Kunde überraschten Reichs der provisorischen Regierung die Erklä- rung zu, daß man die neue Regierungöform anerkenne. Zwar traf die Negierung eiligst Anstalten, eine National- versammlung einzuberufen, um mit ihr das Weitere zu be- stimmen; aber die Folgen dieser neuen großen Staatsum- wälzung waren zunächst sehr traurig. Angst und Schre- cken bemächtigten sich der meisten Gemüther, welche sich der ersten französischen Revolution erinnerten als einer Zeit der Schreckensherrschaft, in welcher mehr unschuldiges Blut ver- gossen worden war, als während der vielen Jahrhunderte der alten Monarchie. Handel und Gewerbe geriethen we- gen Mangels an Vertrauen in Stocken, Tausende von Fa- Vtsch. d. neuesten Revol. Z

2. Geschichte der neuesten Revolution - S. 9

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
9 ligkeit zur Revolution wurde, da auch die polnischen Trup- pen meist zu den Empörern übergingen und den russischen Großfürsten Konstantin nebst den russischen Soldaten und Beamten aus der Hauptstadt und dem Lande vertrie- den. Die Revolution, in der größten Tollkühnheit unter- nommen, schien ein gelungener Handstreich, und ein in der Eile zusammengerufener polnischer Reichstag sprach (am 25. Januar 1851) schon die Absetzung des Kaisers Nikolaus und die Ausschließung des Hauses Romanow vom polnischen Throne aus, auf welchen durch freie Wahl ein neuer konstitutioneller König erhoben werden sollte. Allein bald mußten die empörten Polen erkennen, daß, wer Wind säet, Sturm erntet. Denn in kurzer Zeit wälzten sich aus dein innern Rußland bedeutende Truppenmassen heran, und der gefeierte Türkenbesieger und Feldmarschall Diebitsch Sabalkanöki rückte mit etwa 120,(Hk) Mann und 400kanonen über den Bug. Auf beiden Seiten wurden mörderische Schlachten mit großer Tapferkeit geschlagen und theils gewonnen theils verloren, und die Schrecken der Re- volution durchtobten die Hauptstadt und das Land, bis endlich nach einem zweitägigen fürchterlichen Sturm (6. und 7. September 1831), bei welchem 11,000 Russen den Tod fanden, der russische Feldinarschall Pa skew i tsch Eri- wanski die polnische Hauptstadt wieder einnahm und ein strenges'strafgericht hielt. Mehr als 20,000 Polen, welche der Gnade des zürnenden Kaisers mißtrauten, wunderten nach der Schweiz, Frankreich, England und mußten im Auslande das Brod der Trübsal essen. Die Meisten von ihnen, unzufrieden mit den Schlüssen der göttlichen Weltrc- gierung und von heftiger Sehnsucht nach dem für sie ver- lornen Vatcrlande ergriffen, vermehrten die Zahl der Revo- lutionäre anderer Länder und hofften durch neue Umwäl- zungen das Ziel ihrer Sehnsucht zu erreichen. In Deutschland war nach den Freiheitskriegen auf dem Wiener Kongreß das alte deutsche Kaiserthum nicht wieder hergestcllt worden, sondern an dessen Stelle trat kraft der Bundcsakte vom 8. Juni 1815 der deutsche Bund, d. h. die Vereinigung der souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands zu einem beständigen Bunde, als des- sen Zweck die Erhaltung der innern und äußern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten erklärt ward. Die deutsche Bundesakte gewährte den Katholiken wie den Protestanten

3. Geschichte der neuesten Revolution - S. 20

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
20 Die Vorgänge in Rom und der unerwartet schnelle Ausgang des Sonderbundskriegcs in der Schweiz ermu- thigtcn die Revolutionäre in Italien noch mehr, und das unter der Asche glimmende Feuer der Empörung kam an vielen Stellen zu gleicher Zeit zum Ausbruch. In Nea- pel, wo seit 1830 der von den Jesuiten beherrschte Bour- von Ferdinand Ii. regierte, kam es zu ernsthaften Volksbewegungen und in Sicilicnö Hauptstadt Palermo am 12. Januar 1848 zu einem furchtbaren Aufstande, an dessen Spitze der alte Marquis Ruggiero Set tim o die Konstitution von 1812 verlangte. Zu Florenz in Tos- kana mußte der Großhcrzog Leopold am 17. Febr. 1848 eine vollständige Konstitution mit bürgerlicher und politischer Gleichberechtigung aller Kulte geben. Dasselbe that am 8. Februar der König Karl Albert von Sardinien, der gern an der Spitze eines italiänischen Staatenbundes stehen und der erste und beliebteste unter Italiens Fürsten sein wollte. Die Jesuiten mußten überall, selbst aus Rom flüchten, und ihre Profeßhäuser wurden in Kasernen ver- wandelt. Im lombardisch-vcnetianischcn König- reiche, das sich unter Oesterreichs Herrschaft eines großen Wohlstandes erfreute, kam zu den Klagen über hohe Zölle, strenge Zensur, geheime Polizei, Verwaltung durch Auslän- der noch der Nationalhaß gegen die herrschenden Deutschen, und als selbst der Papst gegenüber dem starren Festhalten Oesterreichs am Alten zu politischen Reformen sich verstand, erhob sich in der ganzen Lombardei der Geist des Wider- standes und schon im Sommer 1817 riefen viele Stim- men : Tod den Deutschen (Oesterreichern)! Die Jtaliäner vermieden allen Umgang mit den Deutschen, sie leisteten freiwillig Verzicht auf Taback und Lotto, um den österrei- chischen Finanzen zu schaden, und in Mailand, Pavia, Padua kam cs täglich zu Händeln zwischen Militär und Volk. Die österreichischen Soldaten und Beamten wandel- ten überall auf vulkanischem Boden. Schon im Februar 1818 ließ der österreichische Graf Radetzky im ganzen Königreich das Standrccht verkündigen. Diese Flammen der Empörung waren es nun, welche auch nach Frankreich und Paris hinüberreichten und einen Brand entzündeten, der seines Gleichen kaum noch gehabt hat.

4. Geschichte der neuesten Revolution - S. 23

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
23 Am Montag Morgen (21. Februar) erschien in fcm regierungsfeindlichen Zeitungen eine Art Tagesbefehls der die Ordnung des Ganzen vorschrieb. Dieser ungesetzlichen Einberufung der Studentenschaft unv der Nationalgarde beschloß das Ministerium mit allen Mitteln entgegenzutre- ten, und jetzt entschieden sich die Deputirten der Opposition auf den Antrag des Herrn Thiers, der angedrohten Gewaltthätigkeit auszuweichen und vom Bankette wegzu- bleiben. Nur 3 Pairs und 18 Deputirte, unter denen sich auch der als Dichter gefeierte A lp h o n ö von Lamartine befand, erklärten unter allen Umständen zum Bankette ge- hen zu wollen, und sollte sie auch eine Kugel treffen. Den an- dern machte man von vielen Seiten Vorwürfe, daß sie nun, nachdem sie den Anstoß zu einer gewaltigen Volks- aufregung gegebelt, sich feig zurückzögen; allein Thiers, Odilon-Barrot und ihre Kollegen empfanden vor dem immer mehr wachsenden Aufruhr ein geheimes Grauen, die Veranstalter des Banketts geriethen ebenfalls in Angst und verzichteten auf die beabsichtigte Demonstration, die Negie- rung rüstete sich zu einem furchtbaren Widerstande, und der Polrzeipräfekt ließ in allen Straßen das Verbot von Zu- sammenrottungen anschlagen, welches mit Hohn abgerissen wurde. 'Am 22. Februar war das Wetter trüb und regnerisch. Dessen ungeachtet kamen an diesem Tage Tausende von Menschen zusammen und zogen in geschlossenen Reihen durch die Straßen mit dem Rufe: „Es lebe die Reform!" Tie Volksmassen schwollen immer urehr an, Leute aus dem Volke in blauleinenen Kitteln (Blouscn) bildeten die Mehr- zahl in diesem außerordentlichen Menschendickicht, aber auch eine Menge von Neugierigen, Straßenjungen und Lehrbur- schen machten sich bemerkbar. Das Militär suchte die Hau- fen zu zerstreuen, diese errichteten aber unter fortwährendem Ruse:^ „Es lebe die Reform!" Barrikaden, und so verstrich die nächste Nacht. Am 23. Februar nahmen die Unruhen einen bedenkli- chen Charakter an. Die Nationalgarde wurde aufgeboten, und bald floß auf den Straßen von Paris Blut. Allein wenn bei den frühern Straßenaufftänden die Nationalgarde dem Linienmilitär bcistand oder voranging, so hatte sich jetzt die Stimmung dieser Bürgermiliz sehr geändert: alle Legionen der Nationalgarde, mit Ausnahme der ersten, schlösse!: sich der Volksbewegung an und stimmten in den Ruf ein: „Es

5. Geschichte der neuesten Revolution - S. 84

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
— 84 — bildete und wohlhabende Klasse der Bevölkerung ansahen, um auf fremde Kosten zu leben und Geld zu erpressen. Was man von jenen Leuten zu hoffen gehabt hätte, zeigte Struve's Genosse, Löwenfels, als er über die Milde des deutschen Volkes, an der auch diese Revolution geschei- tert sei, klagte und ausrief: „Erst wenn die Guillotine die Verräther geschreckt und die Gleichgültigen aufgerüttelt ha- den wird, dann erst wird, wie nach einem kräftigen, alle bösen Dünste verzehrenden Gewitter, die reine Luft der Demokratie auf Erden wehen können." Und ein anderer Helfershelfer Struve's, F. Ne ff, ein halbstudirter Baucr- bursche aus Rümingen, schrieb nach dem Mißlingen des hochverräterischen Unternehmens: „Nur durch Schrecken rrnd Ströme Bluts kann nach diesen Vorgängen die Re- publik gegründet werden. Wer aber diesen Weg des Schre- ckens betreten will, der darf sein Leben nicht höher achten als einen Pfifferling und das Mm der Feinde nicht hö- her achten als Gras. Er muß sich als eine Kraft betrach- ten, die ohne Herz und Gefühl und ohne eignes Leben nur zum Wohle von Tausenden Einzelne zermalmt wie ein Mühlstein die Weizenkörner." Die paar Tage Republik, die cs damals in Lörrach und der Umgegend gab, waren gebrandmarkt durch Plünderungen öffentlicher Kassen, Er- pressungen bei Privatleuten und Verhaftungen ganz un- schuldiger, wehrloser Menschen. Zu Werkzeugen und Agen- ten der Republik warfen sich Die auf, die, wie an Glauben und Sitten, so an ihren Finanzen Schiffbruch gelitten hatten, und wo nur im kleinsten Dorfe ein so verdorbenes Subjekt sich fand, war es als Theilnehiner und Förderer des frevelhaften Unternehmens willkommen und spielte in seiner Eitelkeit auf einige Zeit eine Rolle. Ein alter kränk- licher Pfarrer wurde angeblich wegen Widersetzlichkeit vor das Revolutionsgericht nach Müllheim geschleppt, wo ein verdorbener Bäcker und zwei bankrotte Kaufleute als „Kom- missäre" der s. g. republikanischen Regierung tagten. Und wie brüderlich der für Freiheit, Gleichheit und Brü- derlichkeit schwärmende Struve handelte, erfuhren die zum Theil durch Zwang gepreßten Thcilnehmer des bewaffneten Aufstandes, als sie in wilder Flucht vor dem Großherzog- lichcn Militär davoneiltcn und er ihnen nachrief: „Wollt ihr stehen bleiben, ihr Viehvolk! Zurück, ihr Hunde, dort- hin geht und schießt." Struve selbst nebst seiner überspann- ten Frau wurde auf der Flucht ergriffen und von Solchen,

6. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 299

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
299 herausbringen, als „Pardon!" dachte aber: „es würde nicht Viel helfen!" Der Leser denkt vielleicht auch, jetzt wird der Fran- zose den Husaren zusammenhauen, und freuet sich schon darauf. Allein das könnte mit der Wahrheit nicht bestehen. Denn wenn das Herz bewegt ist, und vor Schmerz fast brechen will, mag der Mensch keine Rache nehmen. Da ist ihm die Rache zu klein und verächtlich, sondern er denkt: Wir sind in Gottes Hand, und will nicht Böses mit Bö- sem vergelten. So dachte der Franzose auch, und sagte: „Daß Du mich mißhandelt hast, das verzeihe ich Dir; daß Du meine Eltern mißhandelt und zu armen Leuten gemacht hast, das werden Dir meine Eltern verzeihen; daß Du meine Schwester in den Brunnen geworfen hast und ist nimmer davon gekommen, das verzeihe Dir Gott!" — Mit diesen Worten ging er fort, ohne dem Husaren das Geringste zu Leide zu thun, und es ward ihm in seinem Herzen wieder wohl. Dem Husaren aber war es nachher zu Muthe, als wenn er vor dem jüngsten Gericht gestanden hätte, und hätte keinen guten Bescheid bekommen. Denn er halte von dieser Zeit an keine ruhige Stunde mehr, und soll nach einem Vierteljahr gestorben sein. Merke: Man muß in der Fremde Nichts thun, worüber man sich daheim nicht darf finden lassen. Merke: Es gibt Unthaten, über welche kein Gras wächst. Hebn. 47. Ein guter Sohn, der im Glücke sich nicht seiner geringen Eltern schämt. In dem Regiment des berühmten, von Friedrich dem Großen hoch geehrten Generals von Ziethen, stand auch ein Rittmeister, mit Namen Kurzhagen. ' Er war klug, tapfer und hatte ein kindliches Gemüth. Seine Eltern waren arme Landleute im Mecklenburgischen. Mit dem Verdienstorden auf der Brust rückte er nach Beendigung des siebenjährigen Krieges in Parchim ein. Die Eltern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt gekommen, um ihren Sohn nach Jahren wieder zu sehen, und erwarteten ihn auf dem Markte. Wie er sie erkannte, sprang er rasch vom Pferde und umarmte sie unter Freu- denthränen. Bald darauf mußten sie zu ihm ziehen und aßen allezeit mit an seinem Tische, auch wenn er vornehme Gäste hatte.

7. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 306

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
306 iente Knospe hervor, auf die sich der Thau des Himmels reichlicher niedersenkt. Das Kind, von welchem hier erzählt werden soll, war eins von denen, von welchen es heißet: ,,Seine Seele ge- fällt Gott wohl, darum eilet er mit ihm aus diesem bösen Leben." Es war, da es starb, noch nicht neun Jahr alt. Ein frommer Prediger, der das Kind im Leben und- im Sterben gekannt, Christian Gerber, erzählt von ihm also: Die kleine Rosina war das einzige Kind sehr armer, aber gottesfürchtiger Eltern. Der Vater lebte als Tagelöh- ner zu Nickern, in der Pfarrei Lockwitz bei Dresden. Er hatte zwar ein eigen Häuslein, aber Nichts darinnen, als was seine Hände von Tag zu Tag, von Woche zu Woche erwarben, so Viel als eben zur Nahrung und Kleidung für ihn und die Seinen' hinreichte. Aber diese seine fleißigen Hände hatten nicht blos gelernt zu arbeiten, sondern auch sich gern zum Gebet zu falten; er betete oft und aus Her- zensgründe mit den Seinen, denn er war fromm. Dieser gute Vater war erst dreißig Jahr alt, da führte ihn Gott zum Krankenlager, von welchem er nicht wieder aufstand. Die Krankheit dauerte einige Wochen. Der Pfarrer Ger- der und sein adjungirter Hohn besuchten ihn oft in seinen letzten Tagen, um ihn zu trösten und zu stärken. Ihm sel- der war der Trost nicht so vonnöthen als seiner armen Frau; denn er war ruhig und gottergeben; die Frau aber sollte von dem lieben Mann und Versorger scheiden, und es war weder Geld noch Brot in dem Hause, als was mitleidige Seelen in's Haus brachten. In dieser Zeit der Leiden war das Töchterlcin des Tagelöhners, damals noch nicht acht Jahr alt, den armen Eltern zum besondern Trost. Wenn der Seelsorger weg war, blieb das Kind an des Vaiers Bette sitzen, sang ihm Lieder vor und betete ihm die Sprüche, die es vom Pfarrer gehört oder in der Schule ge- lernt hatte. Der Vater starb. — Die Wittwe trauerte sehr um ih- • reu frommen, fleißigen Ehemann, und weinte oft viel. Da tröstete das Mägdlein immer die Mutter, wenn sie diese so weinen sah, mit schönen Troftsprüchen aus der heil. Schrift, die sie in der Schule gehört hatte, oder mit Versen auö guten christlichen Liedern, z. B. mit dem Vers aus dem kinderfrommen Liede des Hans Sachs: „Warum betrübst du dich, mein Herz," mit dem Vers: ,„Äch Gott, du bist

8. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 307

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
307 Noch heut' so reich, als du bist gewesen ewiglich; mein Ver- trauen steht ganz zu dir," und mit dem Vers aus Paul Gerhard's Liede: „Schickt uns Gott ein Kreuz zu tra- gen, dringt herein Angst und Pein, sollt' ich drum verza- gen?" Ober sie sagte zu der sorgenden Mutter: Liebe Mut- ter, weine nur nicht; wir wollen recht beten und arbeiten; wenn ich aus der Schule komme, will ich fleißig Strohhüte flechten; der liebe Gott wird uns nicht verlassen!" — So verging fast ein Jahr nach des Vaters Tode; die Wittwe hielt mit ihrem einzigen Kinde sparsam und treulich Haus, und Beide hatten durch Gottes Segen keinen Mangel. Das Magdlein ging fleißig zur Schule, flocht-nach der Schule eben so fleißig Stroh zu Hüten; seine einzige äußerliche Un- terhaltung und Freude war eine Henne, die sich die kleine Waise vom Küchlein auferzogen und mit den abgesparten Brotkrumen ernährt hatte. Eines Tages, in der Erntezeit, geht die Mutter zu einem Bauer in dem nächsten Dorfe, um bei diesem Hafer rechen zu helfen; das Mägdlein aber geht nach seiner Gewohnheit in die Schule, und setzt sich, sobald es nach Hause gekommen, vor die Thür seiner Hütte hin, um Stroh zu Hüten zu flechten. Da kommt ein Nach- barsmädchen von zwölf Jahren, ein Kind von sehr wilder Art, und will Rosinen nöthigen, mit ihr herumzusprin- gen und Muthwillen zu treiben. Die kleine, fromme Waise will das nicht. Hierüber erzürnt, reißt sie das stärkere Nach- barsmädchen zu Boden, und knieet ihr auf den Leib, bis das Kind vor Schmerzen laut aufschreit. Als die Mutter des Abends von der Arbeit nach Hause kommt, klagt ihr die Kleine, was ihr geschehen sei. Die Mutter aber meint, es werde ihr wohl nicht viel Schaden gethan haben, und geht mit dem Kinde schlafen. Am Morgen aber klagt dieses sehr über Schmerz in seinem Leibe, kann schon nicht mehr auf- stehen, und auch durch die von einem guten Arzte in Dres- den gebrauchten Arzeneimittel werden die Schmerzen nicht gelindert, sondern immer nur größer. Da bittet das Mägd- lein seine Mutter, sie solle ihm doch den Seelsorger holen lassen, daß er mit ihr bete wie mit ihrem Vater, denn sie werde sterben. Die Mutter sagt: „Mein liebes Kind, wen hätte dann ich? Du bist noch mein Trost. Du wirst ja nicht sterben wollen!" — Das Kind antwortet: „Liebe Mutter, Gott muß Euer Trost sein; vertrauet nur ihm! Wisset Ihr nicht, wie wir singen: „„Weil du mein Gott und Tröster bist, dein Kind du wirst verlassen nicht?" " Lasset nur den Herrn 20* »

9. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 311

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
311 53. Franziska. In einem unscheinbaren Dörfchen am Rhein saß eines Abends, als es schon dunkeln wollte, ein armer junger Mann, ein Weber, noch an dem Webstuhl und dachte während der Arbeit unter andern an den König Hiskias, hernach an Vater und Mutter, denen ihr Lebensfaden auch schon von der Spule abgelaufen war, hernach an den Groß- vater selig, dem er einst auch noch auf den Knieen gesessen und an das Grab gefolgt war, und war so vertieft in sei- nen Gedanken und in seiner Arbeit, daß er gar Nichts davon merkte, wie eine schöne Kutsche mit vier stattlichen Schim- meln vor seinem Häuslein anfuhr und stille hielt. Als aber Etwas an dem Schlosse der Thür drückte, und ein holdcö ju- gendliches Wesen trat herein von weiblichem Ansehen mit wal- lenden schönen Haarlocken, und in einem langen himmelblauen Gewand; und das freundliche Wesen fragte ihn mit mildem Ton und Blick: „Kennst Du mich, Heinrich?" da war ihm, als ob er aus einem tiefen Schlaf aufführe, und war so erschrocken, daß er nicht reden konnte. Tenn er meinte, es sei ihm ein Engel erschienen, und es war auch so Etwas von der Art, nämlich seine Schwester Franziska, aber sie le-bte noch. Einst hatten sie manches Körblein voll Holz barfmß mit einander aufgelesen, manches Biusenkörbchen voll Erdbeeren am Sonntag mit einander gepflückt und in die Stadt getragen, und auf dem Heimwege ein Stücklcin Brot mit einander gegessen, und Jedes aß Wenig davon, da- mit das Andere genug bekäme. Als aber nach des Vatrrs Tode die Armuth und das Handwerk die Brüder aus der elterlichen Hütte in die Fremde geführt hatte, blieb Fran- ziska allein bei der alten gebrechlichen Mutter zurück, und pflegte ihrer also, daß sie dieselbe von dem kärglichen Ver- dienst ernährte, den sie in einer Spinnfabrik erwarb, und in den langen schlaflosen Nächten mit ihr wachte und aus einem alten zerrissenen Buche aus Holland erzählte, von den schönen Häusern, von den großen Schiffen, von der grau- samen Seeschlacht bei Doggersbank, und ertrug das Alter und die Wunderlichkeit der kranken Frau mit kindlicher Ge- duld. Einmal aber früh um zwei Uhr sagte die Mütter: „Bete mit mir, meine Tochter. Diese Nacht hat für mich keinen Morgen mehr auf dieser Welt!" Da betete und schluchzte und küßte das arme Kind die sterbende Mutter, und die Mutter sagte: „Gott segne dich und sei" — und

10. Neuer christlicher Kinderfreund - S. 312

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
312 nahm die letzte Hälfte ihres Muttersegens: „und sei dein Begleiter!" mit sich in die Ewigkeit. Als aber die Mutter begraben und Franziska in das leere Haus zurückgekommen war, und betete und weinte, und dachte, was jetzt aus ihr werden solle, sagte Etwas in ihrem Inwendigen zu ihr; „Geh nach Holland!" und ihr Haupt und ihr Blick richtete sich langsam und sinnend empor, und die letzte Thrä- ne für diesmal blieb ihr in dem blauen Auge stehen. Als sie von Dorf zu Stadt, und von Stadt zu Dorf betend und bettelnd und Gott vertrauend nach Holland gekommen war, und so Viel ersammelt hatte, daß sie sich ein sauberes Kleid- lein kaufen konnte, in Rotterdam, als sie einsam und ver- lassen durch die wimmelnden Straßen wandelte, sagte wieder Etwas in ihrem Inwendigen zu ihr: „Geh in selbiges Haus dort mit den vergoldeten Gittern am Fenster." Als sie aber durch den Hausgang an der mar- mornen Treppe vorbei in den Hof gekommen war, denn sie hoffte zuerst Jemand anzutreffen, ehe sie an einer Stuben- thür anpochte, da stand eine betagte freundliche Frau von vornehmem Ansehen in dem Hofe, und fütterte das Geflü- gel, die Hähne, die Tauben und die Pfauen. „Was willst Du hier, mein Kind?" Franziska faßte ein Herz zu der vornehmen freundlichen Frau, und erzählte ihr ihre ganze Geschichte. „Ich bin auch ein armes Hühn- lein, das Eures Brotes bedarf," sagte Franziska, und bat sie um Dienst. Die Frau aber gewann Zutrauen zu der Bescheidenheit und Unschuld und zu dem nassen Auge des Mädchens, und sagte: „Sei zufrieden, mein Kind, Gott wird Dir den Segen Deiner Mutter nicht schuldig bleiben. Ich will Dir Dienst geben und für Dich sorgen, wenn Du brav bist." Denn die Frau dachte: „Wer kann wissen, ob nicht der liebe Gott mich bestimmt hat, ihre Vergelterin zu sein!" und sie war eines reichen Rotterdamer Kaufmanns Wittwe, von Geburt aber eine Engländerin. Also wurde Franziska zuerst Hausmagd, und als sie gut und treu er- funden ward, wurde sie Stubenmagd, und ihre Gebieterin gewann sie lieb, und als sie immer feiner und verständiger wurde, wurde sie Kammerjungfer. Aber jetzt ist sie noch nicht Alles, was sie wird. Im Frühling, als die Rosen blühten, kam aus Genua ein Vetter der vornehmen Frau, ein junger Engländer, zu ihr auf Besuch nach Rotterdam, er besuchte sie fast alle Jahre um diese Zeit, und als sie Eins und das Andere hinüber und herüber redeten, und der Vetter er-
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