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1. Geschichte der neuesten Revolution - S. 47

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
47 Bordeaur, den man angelogen hatte, der Befehl zum Thei- len sei aus Paris gekommen. Sogleich, erzählt man, ging er zum Ortsvorsteher und verlangte des Nachbars Wiese; der aber sagte ihm: „Du kommst zu spat, schon hat Einer nicht nur die Wiese Deines Nachbars, sondern auch Dei- nen Garten verlangt." Wüthend schrie der Bauer: „Mei- nen Garten? Ich hole die Muskete und will dem Kerl zeigen, wo er her ist." — Insbesondere aber reizte der Um- stand, daß der Präsident die neue römische Republik durch französische Waffen unterdrückte, Len Zorn der (Lozialisten- partei in der Kammer. Als daher am 12. Mai 1849 ein Antrag ihres Führers Ledru-Rollin auf Anklage des Prä- sidenten und seiner Minister in der Kammer durchfiel, mach- ten die Mitglieder der äußersten Linken am folgenden Tage einen Versuch, sich als Nationalversammlung zu konftitui- ren und erließen ein Manifest an Volk und Heer. Durch große Massen verstärkt, zogen sie nach dem Palast des Prä- sidenten, dem Elysse, und nach dem Palast Bourbon, wo die Nationalversammlung ihren Sitz hatte. In der Mar- tinsstraßc stiegen Barrikaden empor. Allein der General Changarnier schlug auch diesmal den Aufstand schnell nie- der. Die Führer oder Theilnchmer desselben wurden zum Theil verhaftet und dcportirt, zum Theil flohen sie, wie Ledru-Rollin, nach England. Paris wurde in Belagerungs- zustand erklärt, die Presse immer mehr beschränkt und die erschrockene Kammer lieh dem Präsidenten bereitwillig ihren Arm zur Unterdrückung der republikanischen Freiheiten. Nach der ersten Vertagung der Kammer im August 1849 unternahm der Präsident, um sich populär zu ma- chen, Reisen in die Provinzen, hielt Ansprachen an Beamte und Korporationen und, während die wiederversammelte Kammer sich durch tumultuarische Auftritte bei allen gut- gesinnten Bürgern und durch ihre reaktionären Maßregeln bei den Republikanern um alles Ansehen brachte, suchten seine Anhänger in besondern öffentlichen Blättern und durch die Gründung der bonapartistischen „Gesellschaft vom 10. Dezember" ihn als die einzige Stütze Frankreichs, als den Retter vor den Greueln der Anarchie darzuftellen. Er selbst umgab sich am 31. Oktober 1849 mit einem ganz bonapartiftisch gesinnten Ministerium und stellte eine Menge ihm ergebener Präsekte und Beamten an. Dagegen dauerten in der Kammer die Zänkereien und Partcistrcitigkeiten fort und hinderten das Zustandekommen weiser Gesetze. Aber

2. Geschichte der neuesten Revolution - S. 24

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
24 lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" Da erschien Nach- mittags um 3 Uhr in der ebenfalls stürmisch aufgeregten Kammer Guizot mit der Botschaft, daß der König den Gra- fen Mols habe rufen lassen, um ihn mit der Bildung ei- nes neuen Kabinets zu beauftragen. Die Wahlreform sollte gewährt sein. Adjutanten des Königs flogen nach allen Seiten hin, um diese Nachricht weiter zu verbreiten, welche dem lebhafter und blutiger werdenden Aufstande Ein- halt thun sollte. Sie wurde überall mit Jubel aufgenom- nen, aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tü- cher, das Feuern zwischen den Linientruppen und den Auf- ständischen ruhte, die meisten Barrikaden witrden verlassen. Nachmittags um 5 Uhr gewährten die Boulevards den nämlichen Anblick, wie an großen Volksfesttagen, so ruhig wogten Massen neugieriger Spaziergänger auf und ab, und als der Abend zu grauen anfing, bot die fast überall festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick dar. Da trat ein Ereigniß ein, welches plötzlich die Scene veränderte. Es mochte gegen 10 Uhr sein, als unter don- nerndem Gesang der Marseillaise, unter Trommelwirbel, wehenden Fahnen und Fackelschein ein Volkshaufen von etwa 2000 Mann, der hauptsächlich aus Arbeitern der Vor- städte bestand, in guter Ordnung auf dem Boulevard der Jtaliäncr erschien, durch neuen Zuwachs immer mehr an- schwoll und zuletzt mit einer Kolonne sich vereinigte, welche dem Justizminister Hebert ein Pereat (Nieder mit ihm!) gebracht hatte. Diese Kolonne war die Bande des Repu- blikaners Lag ränge aus Lyon, die auf den Barrikaden des Quartiers St. Martin einen Theil des Tages über gekämpft batte. Sie bestand aus lauter Blousenmännern mit aufgekrämptcn Hemdärmeln und entblößten Brüsten, Gesicht und Hände von Pulver geschwärzt, durchweg mit Flinten, Säbeln oder Piken bewaffnet. Fackeln und eine rothe Fahne wurden voraus getragen. Vor dem Hotel der aus- wärtigen Angelegenheiten, Guizot's Wohnung, stieß die vorderste Kolonne des Zugs auf ein Bataillon des 14. Regiments, welches, im Viereck ausgestellt, den Durchzug verwehrte. Der Mann mic der rothen Fahne und einige Fackelträger gingen trotzig auf das Bataillon los, schwenk- ten die Fahne und die Fackeln hin und her, und das Pferd des kommandirenden Offiziers fing an sich zu bäumen. Die vorderste Reihe der Truppen gerieth in Unordnung, das Viereck that sich auf und der Offizier nahm mitten da-

3. Geschichte der neuesten Revolution - S. 25

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
25 rin seinen Platz. Plötzlich hoben und senkten sich die Ge- wehre, ein Schuß fiel, man sagt aus dein Garteil des Ho- tels, und ein langer Knall krachte hinterher. Einige fünf- zig Todte und Verwundete stürzten nieder. Unter wildem Geschrei stob die Menge auseinander und ergoß sich durch alle Stadtthcile mit dem Ruf: „Zu den Waffen! Wir sind verrathen! Man mordet uns!" Die kleine Kolonne republikanischer Blousenmänner, die vor dem Pelotonfeuer zurückgewichen war, kam unter einem fruchtbaren Rachcge- schrei nach der Blutstatte zurück, lud ein Dutzend Leichname auf einen Karren und zog unter Mordgeschrei und Wuth- geheul durch die Straßen. Inzwischen erloschen an den Häusern die Lampen, aus allen Ecken und Winkeln huschten Bewaffnete hervor, wie auf ein geheimes Machtgebot thürinten sich die Pflastersteine zu Barrikaden empor und auf allen Kirchthürmen läuteten die Sturmglocken, während die Empörer hier und da mit den Truppenpatrouillen Flintenschüsse wechselten. Als der Morgen des verhängnißvollen 24. Februar anbrach, war Paris bewaffnet bis an die Zähne, anderthalbtausend wohk- vertheidigte Barrikaden starrten den königlichen Truppen entgegen, die Revolte von gestern hatte sich in eine Revolution verwandelt. Dies war das Werk der Ver- schwornen der'geheimen, militärisch eingerichteten Gesell- schaften, welche, nachdem sie den Vorgang vor dem Hotel Guizots wahrscheinlich selbst hervorgerufen, ihn schnell zum Losbrechen benutzten, ihre Abtheilungen gu den Waffen rie- fen, die Häuser nach Waffen durchsuchten und die Waffen- läden plünderten, die Gläser- und Flaschenmagazine aus- lcerten und ihre Vorräthe über die Straßen streuten, um sie der Reiterei unzugänglich zu machen, und die Menge der übrigen Gesinnungslosen theils mit sich fortrissen theils zwangen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Im Schloß der Tuilericn wußte man wenig oder nichts von dem, was in der Stadt vorging, und die Truppen be- hielten ihre Stellung bei. Nachdem Graf Molo es abge- lehnt hatte, ein neues Ministerium zu bilden, ließ der Kö- nig um Mitternacht den Herrn Thiers, eins der Häup- ter der Widerstandspartci in der Kammer, rufen, der sich auch bereit erklärte, mit Odilon-Barrot, Rem usai und Duvergier de Heu renne ein Kabinet zu bilden; Marschall Bugeaud sollte an die Spitze der bewaffneten Macht treten, doch wollte das neue Ministerium dies nicht

4. Geschichte der neuesten Revolution - S. 26

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
26 gestatten. Noch schrieb Herr Thiers eine Proklamation nieder, welche dem Volke den neuen Ministerwechsel anzeigte. Vor dieser Proklamation, glaubte man, würde sich am nächsten Morgen der bewaffnete Ausstand zurückziehen. Allein dies geschah nicht, vielmehr wurden die Laden- schilder der Kaufleute, die sich Lieferanten dcs Königs nannten, unter Verwünschungen herabgerissen, und lebhaftes Gewehrseuer zwischen Linientruppen und Empörern ließ sich hören. In den Tuilerien herrschte Verwirrung, Unentschlos- senheit, Schrecken, während draußen der Aufruhr forttobte, mit jedem Augenblick an Ausdehnung zunahm und von den Feinden des Königs und des Königthums planmäßig ge- ordnetwurde. Der König ließ sich sogar bewegen, am Morgen des 24. Februar in der Noth Odilon- Barrot, gegen den er von früher her einen unwiderstehlichen Widerwillen empfand, zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Als solcher bewies Barrot sogleich seine Unfähigkeit, indem er in Ge- meinschaft mit Thiers darauf bestand, daß der König zum Rückzug der Truppen Befehl gab, was natürlich die schlecht verpflegten, durch Befehle und Gegenbefehle ermüdeten Trup- pen noch mehr entmuthigte und die Siegesgewißheit der Empörer steigerte. Der eiteleodilon-Barrot bildete sich näm- lich ein, daß er die ungeheure Entrüstung, die gegen Lud- wig Philipp herrschte, mit seinem bloßen Namen besänfti- gen würde. Er erschien daher mit einigen andern Dcpu- tirtcn zu Pferde, gefolgt von einer lärmenden Volksmenge, und wollte mit einem Trupp Aufständischer an der großen Barrikade an der Straße St. Denis unterhandeln; aber seine Stimme wurde überschrieen durch die Rufe: „Es lebe die Nation! Nieder mit Ludwig Philipp!" — und er mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Nicht mehr Erfolg hatte eine neue Proklamation, welche um 10v* ^hr erschien und wesentliche Zugeständnisse des Königs — Ein- stellung des Feuers, Auflösung der Kammern, Aufruf an das Volk — enthielt. Sie wurde mit demselben Ruf be- antwortet. Während also der König und seine neuen Mi- nister die Waffen aus der Hand gaben, und nur an den Orten, wo der Befehl zum Abzug noch nicht hingelangt war, die pflichttreuen Truppen und die Munizipalgarden den Kampf fortsetzten, versahen sich die Barrikaden immer vollständiger mit Waffen und bemächtigten sich der abziehenden Kanonen und Pulverwagen. Der Aufruhr war von nun an allge- mein und mit Waffen und Munition reichlich versehen.

5. Geschichte der neuesten Revolution - S. 28

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
28 tauschte, brach die vor Zorn bleiche Königin gegen Thiers in die Worte aus: „Sie haben den Thron zerschmettert; Sie haben die Volksleidenschaften zu einem Brand ange- facht, dessen Lohe über die Monarchie zusammenschlägt. Sie sind ein Undankbarer und verdienten keinen so guten König." Zur Herzogin von Orleans, welche die Hände vor das Gesicht hielt und schluchzte, sagte der König: „Helene, Sie bleiben!" — Der kleine Graf von Paris (geb. 1838) horchte verwundert auf Alles, was gesprochen wurde; sein Bruder, der Herzog von Chartres, weinte jämmerlich. Als die fliehende Königsfamilie, aus 15 Personen bestehend, durch das große Thor des Tuilerienpalastes nach dem Kon- kordienplatz heraustrat, konnten die königlichen Wagen vor den Schüssen der Aufständischen schon das Schloß nicht mehr erreichen, und man mußte zu den kleinen Wagen seine Zuflucht nehmen, welche im Hofe zum Dienste der Adju- tanten bereit standen. Am Fuße des Obelisken, auf dem- selben Platze, wo ehemals die Guillotine stand, auf welcher das Haupt seines Vaters gefallen war, stiegen Ludwig Philipp und Marie Amalie in einen dieser kleinen Wagen. Eine Abtheilung Kürassiere begleitete den König nach St. Cloud. Aber auch die Nachricht von der Abdankung des Königs und der Flucht des greisen Königspaars brachte die Fluthen des Aufruhrs nicht zum Stillstehen, und dem General La- uro rici ère, der mit der schriftlichen Abdankung des Königs in der Hand an die Barrikade der Straße St. Honorè. heransprengte, rief man zu: „Kehren Sie um, General; die Abdankung genügt uns nicht mehr, wir wollen den Sturz der Dynastie." Um dieselbe Stunde wurde das Palais-Royal erstürmt und man hörte den allgemeinen Ruf: „Nach den Tuilerien!" Hier gab der Herzog von Nemours, überzeugt von der Erfolglosigkeit des Wider- standes, den Truppen den Befehl zum Rückzug, und eine Viertelstunde später stürzte das bewaffnete Volk gleichzeitig vom Hof und vom Garten her in den Palast, wie ein wilder Strom durch die Gemächer sich wälzend und Alles, was ihm in den Weg trat, verheerend und zermalmend. Getäfel, Spiegel, Kronleuchter, Vorhänge, Tapeten, Tep- piche, Gardinen, Alles wurde zerschlagen, zerrissen, zum Fenster hinausgeworfen. Im Thronsaale sprang ein Mann, eine rothe Fahne in der Hand, auf den Thron, wischte seine schmutzigen, nägclbeschlagenen Schuhe draus ab und

6. Geschichte der neuesten Revolution - S. 30

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
— 30 — timisten (Anhänger der altern Linie der Bourbons) auf der äußersten Rechten heftig widersprachen und Berufung an das Volk verlangten. Inzwischen drängten sich mehrere freinde Personen und bewaffnete Nationalgardisten mit Gewalt in den Saal bis an die Stufen der Rednerbühne. Draußen vom Konkordicnplatz und von den Tuilerien her hörte man-schießen. Es entstand eine ungeheure Aufregung und Verwirrung. Nachdem es einigermaßen wieder ruhig geworden, trat der Deputate Marie auf und verlangte, daß auf der Stelle von der Kammer eine provisorische Re- gierung eingesetzt werden sollte. Die Herzogin von Orleans blieb in ruhiger Haltung, konnte aber nicht zum Worte kommen. Immer mehr bewaffnete Volkshaufen strömten in den Saal und schrieen nach Absetzung der Bourbons und Einsetzung einer provisorischen Regierung. Da trat Lcdru-Rollin, ein radikaler Abgeordneter und großer Maulheld, auf und verlangte mit donnernder Stimme eine provisarische Regierung, aber nicht von den Kammern, sondern unmittelbar druck) das aufgeftandene Volk. Aber die Zeit des Redens war vorüber. Noch ehe Lamartine ausgeredet hatte, krachte eine Salve von Flintenschüssen in den Vorsälen, die öffentlichen Tribünen füllten sich mit bewaffneten und vom Pulverdampf geschwärz- ten Blousenmännern, welche glühend von Kamps und Wein, wie Besessene schrieen: „Nieder mit der Kammer! Weg mit den Deputirten!" — und die Läufe ihrer Flinten nach der Rednerbühne und der Gruppe richteten, welche die Herzogin von Orleans mit ihren kleinen Prinzen umgab. Aus der Rcdnerbühne erschienen dreifarbige Fahnen, und Redner aus dem Volke, Nationalgardisten und Arbeiter, strengten umsonst ihre Lungen an, man verstand sie nicht. Vor dem schrecklichen Tumulte erklärte der Präsident Sa uz et die Sitzung der Kammer für aufgehoben, die Deputirten des Centrums eilten in Masse von ihren Bänken fort, und kaum gelang cs, die tieferschütterte Herzogin mit ihren Söhnen aus dem Saal in den Hof zu bringen, von wo sie sich in das Hotel der Invaliden flüchtete, um einige Tage später eine Zuflucht in Deutschland zu suchen. Der Herzog von Nemours sah sich vom Volke beschimpft und konnte sich nur in der Uniform eines geineinen National- gardisten retten. Einige Tage später entkam er glücklich nach England. — Der entthronte Monarch selbst, einer der reichsten Männer der Welt, der Millionen besaß, hatte bei seiner Flucht nicht einen Franken. Ein Offizier der

7. Geschichte der neuesten Revolution - S. 33

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
33 in einem engen Zimmer des zweiten Stocks an einem un- ansehnlichen Tische festen Platz zu fassen, um von hier aus zwei Proklamationen an das Volk zu erlassen. In der ersten ward die Republik proklamirt, mit Vorbehalt der Genehmigung des Volks, welches sofort befragt werden sollte, und die Regierung der Nation durch sich selbst ver- heißen. Die Negierung Frankreichs sollte fortan eine demo- kratische sein und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum leitenden Grundsatz, das „Volk" zum Wahlspruch und rur Losung haben. In der zweiten wurden D u p o n t als Präsident der neuen Regierung, die provisorischen Minister und andere Beschlüsse zur Wiederherstellung der Ordnung und des Verkehrs verkündigt. Von den Stufen des Stadt- hauses kündigte Louis Blanc dem auf dem Greveplatze versammelten Volke an, daß die provisorische Regierung die Republik wolle. Bei dieser Nachricht erscholl unermeßlicher Jubel von allen Seiten des Platzes und eine Salve von Freudenschüssen krachte in die Luft. Paris, das eben noch einen grausenerrcgenden Anblick dargeboten hatte und wo man überall auf Leichen, zerbrochene Gewehre, umgestürztc Wagen, hohe Barrikaden stieß, war am Abend des 24. Fe- bruar, wie am Tage vorher, allenthalben erleuchtet und Tausende von Neugierigen durchzogen jubelnd die Straßen, in ihrem Leichtsinn nicht bedenkend, auf welchem Vulkan sie wandelten. 3. Was die Uepubük Frankreich brachte. So hatten den Julithron drei Tage aufgerichtet und drei Tage wieder umgeworfen. Die Kunde von der Er- richtung der Republik durchlief in Sturmeseile ganz Frank- reich und bald ging aus allen Theilen des durch jene Kunde überraschten Reichs der provisorischen Regierung die Erklä- rung zu, daß man die neue Regierungöform anerkenne. Zwar traf die Negierung eiligst Anstalten, eine National- versammlung einzuberufen, um mit ihr das Weitere zu be- stimmen; aber die Folgen dieser neuen großen Staatsum- wälzung waren zunächst sehr traurig. Angst und Schre- cken bemächtigten sich der meisten Gemüther, welche sich der ersten französischen Revolution erinnerten als einer Zeit der Schreckensherrschaft, in welcher mehr unschuldiges Blut ver- gossen worden war, als während der vielen Jahrhunderte der alten Monarchie. Handel und Gewerbe geriethen we- gen Mangels an Vertrauen in Stocken, Tausende von Fa- Vtsch. d. neuesten Revol. Z

8. Geschichte der neuesten Revolution - S. 62

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
62 kann der König, als unehrenvoll für seine braven Truppen, nicht gewähren. Da entsteht ein neues, stärkeres Hin- und Herwogen, während gleichzeitig die Kavalerie das Volk et- was ^zurückdrängt und mehr Infanterie aus den Portalen des Schlosses hervortritt. Durch Zufall entladen sich ein paar Gewehre auf das Volk. Das wurden wieder verhäng- nißvolle Schüsse und kamen den Männern des Umsturzes, deil Sendlingen der revolutionären Propaganda, deren un- heimliche Gestalten wie Geister aus dem Abgrunde damals bei allen Volksbewegungen zu sehen waren, wie gerufen. Jetzt weicht Alles zurück; aber jene Aufwiegler rennen, «Mord! Verrath! zu den Waffen!" schreiend, durch die Straßen und schüren das Feuer der Empörung. Eine aus- gehängte Fahne mit dem Worte: „Mißverständniß!" wird nicht mehr beachtet. Schnell erheben sich Barrikaden, Waffenlädcn werden geplündert und es folgt eine Nacht des Schreckens, in welcher zwischen den Aufständischen und den treuen, aber wenig zahlreichen Truppen des Königs bis zur Erschöpfung der letztem gekämpft wird. Der Kampf begann bald nach 3 Uhr an der Ecke der Oberwall- und Jägerstraße, wo die erste Barrikade sich er- hob. Zwei Droschken, eine Kutsche, das Schilderhaus vom Bankgebäude, die Rinnsteinbrücken und einige Fässer dien- ten rasch zur Aufführung des Baues, der, wie überall in der Stadt, mit ftaunenswürdiger Geschicklichkeit zu Stande gebracht wurde, ein Beweis, daß wohl fremde, im Barrika- denbau erfahrene Revolutionsmänner sich zu Führern der Aufständischen aufgeworfen hatten. Bis gegen 5 Uhr Nach- mittags war die ganze Stadt, auch in den entlegensten Thei- len, mit Barrikaden überdeckt, die in manchen Straßen bis in die ersten Stockwerke hineinragten. In trauriger Verblen- dung nahmen auch Studenten an diesem Straßenkampfe Theil und steckten die schwarz-roth-goldene Kokarde auf. Hunderte von Arbeitern aus den Maschinenbauwerkstätten schlossen sich den Empörern an. Dächer wurden abgedeckt und zur Vertheidigung mit Körben voll Steinen angefüllt. Selbst Sträflinge wurden aus einem Arbeitshause, dem s. g. Ochsenkopf, befreit, um die sich dort bildenden Revolu- tionshaufen zu vermehren. Wie damals allerwärts, so fehlte es auch in Berlin nicht an den Polen, jenen Zug- vögeln der Revolution, die auf solche Weise ihr Vaterland wieder zu gewinnen wähnten. So erschien am Alerander- platz eine eigenthümliche Schaar unter der Anführung eines

9. Geschichte der neuesten Revolution - S. 63

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
63 jungen Polen, der, wie ein Uhlan gekleidet und die polni- sche Mütze tragend, an der Spitze eines Zugs von unge- gefähr 200 Leuten heranmarschirt kam. Mit dem Rufe: „Es lebe die Freiheit!" schwingt er einen krummen Säbel. Ihm folgen ein Trommler, dann mehrere Fahnenträger mit rothen und gelben Fahnen, und hierauf seine Mannschaften, auf die buntscheckigste Weise bewaffnet. Gegen 5 Uhr wurde die erste Kartätsche gehört, welche von der Kurfürsten- straße her die Königsstraße bestrich, in der bis zum Aleranderplatz hin in kurzen Zwischenräumen eine Barrikade hinter der andern fest und hochgethürmt sich erhob. Erst gegen 7 Uhr wird diese Straße von den mit Muth und Erbitterung kämpfenden Soldaten eingenommen. Sie schwimmt ganz in Blut, die Häuser sind mit Todtcn und Verwundeten überfüllt. Um diese Zeit beginnt durch die Stadt ein schauerliches Sturmläuten, welches von bewaff- neten Handwerkern, die die Kirchthürme erstiegen haben, die ganze Nacht unterhalten wurde. Mehrere Stunden später erst erhob sich der Kampf nach der andern Seite des Schlosses hin, wo die Brüder- straße, Breitestraße und Roßstraße einen volkreichen Bezirk bilden. Noch schien es Zeit, hier einem ernsten Kampfe vorzubeugen, und mehrere angesehene Bürger, an ihrer Spitze der Bischof Ncander, vereinten sich zu einer Depu- tation an den König, um ihn um das Zurückziehen des Mi- litärs zu bitten. Auch der Serrat der berliner Universität that ein Gleiches und sandte eine Deputation von Profes- soren mit derselben Bitte an derr König ab. Allerdings ging auch durch das Herz des edeln und volksfreundlichen Königs ein tiefes Mitleid mit seinem großentheils durch fremde Aufwiegler irregeleiteten Volke; allein er mußte diese Bitte abschlagen in Betracht der mit Treue und Ausdauer für den Thron und die Ordnung kämpfenden Truppen, die jetzt in dem Abzug eine Schande und einen Sieg der Empörer hätten erblicken müssen, und in Betracht, daß die von Gott geordnete Obrigkeit das Schwert nicht umsonst trägt, sondern zur Rache über die Uebelthäter und zu Lobe der Frommen. Die Nacht des Aufruhrs und des Schreckens, die über Berlin hereingebrochen war, war eine milde und schöne Frühlingsnacht. Der Vollmond stand glänzend am Him- mel und streute sein weißes taghelles Licht heiter und feier- lich über alle Straßen und Plätze aus. Um so schauerli-

10. Geschichte der neuesten Revolution - S. 64

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
64 cher und grauenvoller war der Eindruck, welchen das fort- dauernde Toben des Aufruhrs in den Gemüthern Aller her- vorbringen mußte, welchen der Aufruhr ein Greuel ist. Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner, die man für das Luftgebilde von Freiheit und Gleichheit leicht fanatisiren und verführen konnte, bildeten die große Mehrzahl der Kam- pfenden. Verdächtige Mitglieder der Gesellschaft, die im Trüben fischen wollten, hatten sich darunter gemischt. Die eigentlichen Leiter der Bewegung lauerten, Unheil brütend, im Hintergründe. Um sich Waffen zu verschaffen, plün- derte man die Waffen- und Pulvervorräthe der Kaufleute und durchsuchte die Wohnungen der Offiziere. Während die Empörer, durch die hochgethürmten Barrikaden gedeckt, aus dem Hinterhalt kämpften, setzten sich die tteuen Trup- pen des Königs dem Barrikadenfeuer und den Steinwürfen von den Dächern auf die für sie verderblichste Weise aus, wodurch oft ganze Glieder durch Steine und Schüsse nieder- gestreckt wurden, ehe sie nur überhaupt zu einem Angriff gelangen konnten. Eine Hauptftätte mörderischen Kampfes war die Ge- gend am Aleranderplatz, in den mehrere Straßen ausmün- den und wo sich drei Barrikaden von kolossaler Bauart erhoben hatten. Hier waren nicht nur Büchsenschützen, sondern auch zwei Kanonen aufgestellt, welche man aus dem Schützenhause herbeigeholt hatte. Dort war es auch, wo mehrere Mitglieder der berliner Schützengilde, hinter einer Dachrinne versteckt, so sicher und immer nach gegenseitiger Verabredung schossen, daß sie selten den Mann, auf wel- chen sie zielten, verfehlten. Was sonst nur im Kriege ge- gen erbitterte Feinde zu geschehen pflegt, das geschah hier mit kaltem Blute gegen pflichttreue Soldaten, die nicht etwa für schnödes Geld geworbene Söldlinge, sondern Kinder des eignen Landes und Volkes waren! Ein Versuch, das Gebäude des Königsstädtischen Theaters hier in Brand zu stecken und den Schrecken und die Verwirrung durch das entfesselte Element noch zu vermehren, wurde durch noch rechtzeitig ankominende Truppenverstärkungen vereitelt. In- dessen loderten an verschiedenen andern Stellen der Stadt Brände empor; man trug sich mit dem Gerücht, daß alle königlichen Gebäude in Asche gelegt werden sollten, und die Feuerlohe, die sich in langen Streifen über den Horizont der Stadt hinwegwälzte, fügte zu dm Schrecknissen der
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