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1. Geschichte der neuesten Revolution - S. 13

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
13 hoher Begeisterung und froher Hoffnungen getrieben hat. Die Greuel der erftcn französischen Revolution hatten Allen, welche ihr Herz nicht muthwillig gegen die Stimme der Wahrheit verstockten, gezeigt, was aus der Welt ohne Gott und Christum werden müsse und von welchen dämonischen, grundstürzendcn Machten die Volksgeister bewegt werden, wenn sie nicht mehr den hohem Ordnungen Gottes _ in Staat und Kirche gehorchen wollen. Die Freiheit, Gleich- heit und Brüderlichkeit, welche die Revolution den Franzo- sen wie den benachbarten Völkern verheißen hatte, war in die härteste Knechtschaft und Zwingherrschaft umgeschlagen und hatte der Welt genugsam bewiesen, welche Freiheit und Gleichheit man aus solchen Händen zu empfangen habe. Dagegen hatten die Kämpfer für nationale Freiheit und Un- abhängigkeit in ihrer Begeisterung („Mit Gott für König und Vaterland") ihr Vertrauen auf die Hülfe des Herrn gesetzt, und der zweimalige Sieg hatte dieses Vertrauen herr- lich gerechtfertigt. Als daher die Stifter des heiligen Bun- des erklärten, daß sie, fern von jener alten verderbten Po- litik, fortan in der Verwaltung ihrer Staaten all ihr Thun auf die erhabenen Wahrheiten der Religion gründen woll- ten; mochten wohl manche Staatsmänner über die in der Politik bisher unerhörte Sprache lächeln und auch diesem Bunde nur das Schicksal anderer heiliger Bündnisse der Vorzeit prophezeihen, aber dennoch mußte man in dem aus der Rührung einer großen Zeit stammenden Ideal eine ewige Wahrheit und Weissagung erkennen. Freilich mußte das sehr bedenklich erscheinen, was der kaum wiederhergestellte Papst Pius Vii. that. Wiewohl er es nicht verschmäht hatte, durch ketzerische Waffen wie- der auf den heiligen Stuhl gehoben zu werden, so protestile er dennoch gegen die Beschlüsse des Wiener Kongresses, suchte die alten Grundsätze des Papstthums von Neuem geltend zu machen, stellte den Orden der Jesuiten, der un- ter Katholiken und Protestanten so viel Unheil angerichtct hatte, wieder her und erklärte die protestantischen Bibelgesell- schaften für eine Pest. Damit stellte sich das Papstthum zu der ganzen Entwickelung der neuen Zeit in einen un- versöhnlichen Gegensatz, und indem cs mit starrem Geist mittelalterlicher Priesterherrschaft an dem Alten, aber auch oft Veralteten und Abgelebten festhielt und sich allen, auch den berechtigtsten Reformen in Staat und Kirche widersetzte, brach gerade im römischen Süden Europas, zunächst in

2. Geschichte der neuesten Revolution - S. 46

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
46 zial-demokratischen Abgeordneten, die sich den altberüchtig- ten Namen des „Berges" beilegten, im Verhältniß zu frü- her in der Kammer gewachsen, und alle Freunde der Ord- nung konnten nicht ohne Besorgniß für die Zukunft wahr- nchmen, welche Verbreitung die Grundsätze der „rochen Re- publik" binnen Jahresfrist im französischen Volke erlangt hatten. Dabei war die neue Bergpartei, wenn auch geringe an Zahl, aber stark durch Einheit und furchtbar durch ihre wühlerische Thätigkeit. Ihre Emissäre durchreisten nach allen Richtungen das Land, und Demagogen wie Ledru- Rollin selbst suchten auf solchen Rundreisen auf großen po- litischen Banketten mit dampfenden Schüsseln, brennenden Reden, glühenden Trinksprüchen und rauschender Musik die Herzen und Hände für die demokratisch-soziale Republik zu begeistern. Am leichtesten gelang dies in den großem Städten, wo die jungen Leute des Mittelstandes, die große Menge der Arbeiterklasse und der zahlreichen Müssiggänger und Bummler, die statt zu gehorchen befehlen, statt zu arbeiten faullenzen wollen, für sozialistische Umsturzlehren schwärmerisch gestimmt waren. Hier und besonders in Paris war der Abfall von Gott und seinem heiligen Wort, die Verwirrung aller Begriffe von Recht und Unrecht — hatten doch gerade Leute wie Proudhon das Eigenthum für Diebstahl erklärt — so groß, daß die Revolution nicht nur unter den Tagelöhnern, Handwerksgesellen, Fabrikar- beitern, sondern auch unter liederlichen Studenten, herab- gekommenen Schreibern und Handlungsdienern zahlreiche und dienstwillige Arme fand. Ueberdies pflegte noch eine jede politische Revolution alles lose und schlechte Gesindel, ver- rufene Menschen und Gauner aller Art, und deren giebt es zumal inparis und den großen Städten Frankreichs eine groß- ße Zahl, als einen fürchterlichen Schweif hinter sich herzuzie- hen. Schwerer hielt es schon, mit dem Landvolk anzubmden und die Bauern zu Kommunisten zu machen. Allein auch hier war die Unwissenheit groß, und Mancher ging in die Schlinge, wenn so ein hochgelehrter Herr aus der Stadt ihnen vorschwatzte, die Edelleute, die alten Herzöge und Marquis würden wicderkommen, ihnen ihre Grundstücke wegnehmen und sie wieder zu Zinspflichtigen und Leibeige- nen machen. Manche Bauern, von unersättlicher Begierde beherrscht, hörten es gern, wenn vom Theilen, namentlich der großen Landgüter der Reichen die Rede war, kamen dagegen bald wieder zur Besinnung, wie jener Bauer bei

3. Geschichte der neuesten Revolution - S. 47

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
47 Bordeaur, den man angelogen hatte, der Befehl zum Thei- len sei aus Paris gekommen. Sogleich, erzählt man, ging er zum Ortsvorsteher und verlangte des Nachbars Wiese; der aber sagte ihm: „Du kommst zu spat, schon hat Einer nicht nur die Wiese Deines Nachbars, sondern auch Dei- nen Garten verlangt." Wüthend schrie der Bauer: „Mei- nen Garten? Ich hole die Muskete und will dem Kerl zeigen, wo er her ist." — Insbesondere aber reizte der Um- stand, daß der Präsident die neue römische Republik durch französische Waffen unterdrückte, Len Zorn der (Lozialisten- partei in der Kammer. Als daher am 12. Mai 1849 ein Antrag ihres Führers Ledru-Rollin auf Anklage des Prä- sidenten und seiner Minister in der Kammer durchfiel, mach- ten die Mitglieder der äußersten Linken am folgenden Tage einen Versuch, sich als Nationalversammlung zu konftitui- ren und erließen ein Manifest an Volk und Heer. Durch große Massen verstärkt, zogen sie nach dem Palast des Prä- sidenten, dem Elysse, und nach dem Palast Bourbon, wo die Nationalversammlung ihren Sitz hatte. In der Mar- tinsstraßc stiegen Barrikaden empor. Allein der General Changarnier schlug auch diesmal den Aufstand schnell nie- der. Die Führer oder Theilnchmer desselben wurden zum Theil verhaftet und dcportirt, zum Theil flohen sie, wie Ledru-Rollin, nach England. Paris wurde in Belagerungs- zustand erklärt, die Presse immer mehr beschränkt und die erschrockene Kammer lieh dem Präsidenten bereitwillig ihren Arm zur Unterdrückung der republikanischen Freiheiten. Nach der ersten Vertagung der Kammer im August 1849 unternahm der Präsident, um sich populär zu ma- chen, Reisen in die Provinzen, hielt Ansprachen an Beamte und Korporationen und, während die wiederversammelte Kammer sich durch tumultuarische Auftritte bei allen gut- gesinnten Bürgern und durch ihre reaktionären Maßregeln bei den Republikanern um alles Ansehen brachte, suchten seine Anhänger in besondern öffentlichen Blättern und durch die Gründung der bonapartistischen „Gesellschaft vom 10. Dezember" ihn als die einzige Stütze Frankreichs, als den Retter vor den Greueln der Anarchie darzuftellen. Er selbst umgab sich am 31. Oktober 1849 mit einem ganz bonapartiftisch gesinnten Ministerium und stellte eine Menge ihm ergebener Präsekte und Beamten an. Dagegen dauerten in der Kammer die Zänkereien und Partcistrcitigkeiten fort und hinderten das Zustandekommen weiser Gesetze. Aber

4. Geschichte der neuesten Revolution - S. 48

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
48 diese ewigen Zänkereien, die Zerrissenheit der Kammer in feindselige Parteien bewirkten endlich, daß das ganze par- lamentarische Wesen in den Augen des Volks tief herabge- würdigt wurde. Ja, ein großer Theil der Franzosen, überdrü- ßig der Freiheit durch ihre Ausartung in Frechheit und Ungebundenheit, begierig nach Ruhe nach den fieberhaften Aufregungen der Demokratie und den unermüdlichen Sor- gen der Zukunft, gelangte zu der Ansicht, daß nur die Abschaffung jeder berathenden Versammlung, das vollkom- mene Schweigen der Presse und eine unumschränkte Regie- rungsform Frankreich der Ruhe und dem Glück zurückge- den würden. Diese Sehnsucht nach einer festen Gewaltherr- schaft wurde noch vermehrt, als man die Zahl der Sozia- listen wachsen sah; denn als im Mai 1850 in der Haupt- stadt eine Ersatzwahl nöthig wurde, gelang es denselben, den geistreichen, aber sittenlosen Romanschreiber Eugen Sue in die Nationalversammlung zu bringen. Das führte zu strengem Maßregeln: zur Eintheilung Frankreichs in vier große Militärdivisionen, wodurch die Gewalt in die Hände weniger ergebener Generale kam, zur Auflösung der Mobilgarde, zur Beschränkung des Stimmrechts, zur Auf- hebung des Vereinsrechts, zu einem neuen Unterrichtsge- setz, nach welchem die oberste Leitung des Schul- und Un- terrichtöwesens der Universität entzogen und zwischen der Kirche und dem Staat getheilt wurde, da selbst nach des liberalen Thiers Ausspruch nur die christliche Kirche, als die Inhaberin der göttlich geoffenbarten Wahrheit, und die christliche Schule den hercinbrechenden Irrlehren des staats- feindlichen Sozialismus einen Damm entgegensetzen könne. In allen diesen Dingen ging der Präsident mit der Kammer noch Hand in Hand; allein der innere Zwiespalt zwischen den beiden Gewalten trat immer mehr hervor, als er zu verschiedenen Malen Erhöhung seines Gehaltes ver- langte. Auch gingen schon Gerüchte um von einem Staats- streich, von einem Umsturz der Verfassungen durch den Prä- sidenten. Die Führer der altmonarchischen Parteien droh- ten mit Aehnlichem und unternahmen Pilgerfahrten zum Herzog von Bordeaux nach Wiesbaden und zur Familie Orleans nach Claremont. Eine Fusion, eine Vereinigung und Versöhnung der ältern mit der jüngern bourbonischen Linie wurde in Aussicht gestellt. Das brachte die geheimen Pläne Ludwig Napoleons zur Reife. Die Truppen, die man 1830 und 1848 als Besiegte behandelt hatte, wurden

5. Geschichte der neuesten Revolution - S. 49

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
49 durch Schmeicheleien und Festschmause gewonnen; die Ar- mee überhaupt, die unter den Bourbons über Hintansetzung geklagt, und die vom Auslande erlittene Schmach noch nicht vergessen hatte, begeisterte sich von Neuem für den kaiserli- chen Namen und, als er im September und Oktober 1850 auf der Ebene'von Satory bei Versailles große Heerschau hielt, wollten die Rufe der glänzend bewirtheten Truppen: „Es lebe der Kaiser!" gar nicht aufhören. Alles, was die Kammer gegen solche Demonstrationen unternahm, blieb ohne Erfolg. Uebrigens wurde die Lage Frankreichs durch die Feindseligkeit der Versammlung gegen den Präsidenten und durch die Agitation der monarchischen Parteien gegen einander und gegen die Sozialisten immer unerträglicher. Man konnte weder arbeiten noch regieren. Handel, Ge- werbe, Ackerbau — Alles lag danieder. Selbst konserva- tive Volksvertreter baten den Präsidenten dringend, die in sich zerrissene Nationalversammlung aufzulösen. Andere, die s. g. Fusionisten machten ihm Anträge, sich ihm anzuschlie- ßen, wenn zur Rettung der Gesellschaft vor den Complo- ten und Verschwörungen der „ Rothen * und Anarchisten ein Staatsstreich nöthig werden sollte. Selbst Repräsen- tanten von der rothen oder sozialistischen Partei boten ihm ihre Hülfe an. Auch lagen genaue und ausführliche Be- richte von den Präfekturen und Gerichtsbehörden vor, welche keinen Zweifel an den Raub- und Mordplänen übrig lie- ßen, welche bei der Wahl eines neuen Präsidenten der Re- publik zum nächsten Mai 1852 zum Ausbruch kommen sollten. Alle diese Dinge brachten die Herrscherpläne und den Entschluß des Präsidenten zur Reife, durch einen Staats- streich, also durch eine neue Revolution die Verfassung zu befestigen und, wie sein großer Oheim am 18. Brumaire 1799, mit Hülfe des ihm ergebenen Heeres die parlamen- tarische Opposition niederzuwerfen und die Herrschaft an sich zu reißen. Seine Vertrauten bei dieser Sache waren besonders: Herr von St. Arnaud, Kriegsminister, Herr von Morny, Volksrepräsentant, Herr von Maupas, Polizei- Präfekt. Ueber vierzehn Tage lang wurde zwischen diesen dreien und dem Präsidenten Alles verabredet, festgesetzt, vor- bereitet und so merkwürdig geheim gehalten. Der Tag, welchen der Präsident zur Ausführung seines Entschlusses wählte, war der 2. Dezember als der Tag der Kaiserkrö- nung Napoleons I. und der Schlacht von Austerlitz. Den Gcsch. d. neutsten Revol. 4

6. Geschichte der neuesten Revolution - S. 21

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
21 Iv. Die französische Februarrevolution (24. Fe- bruar 1848). Da fuhr der Herr hernieder, daß er sähe die Stadt und Thurm, die die Menschenkinder baueten. l Mos. 1t, 5. 1. Der Umsturz des Aukitljrones. Die Littnaljme der Huilerien. Die Sitzungen der Kammern in Paris vom Jahr 1847 hatten sehr stürmisch geendigt. Die Mehrzahl der Abge- ordneten hatte nichts wissen wollen von den geheimen Schä- den der Regierung und Verwaltung, welche man aufgedeckt, von den Umtrieben und Bestechungen bei den Wahlen, die man enthüllt hatte. Da kamen die Mitglieder der Oppo- sitionspartei in den Kammern auf den Gedanken, öffentliche Gastmählcr oder Banketts zu veranstalten und durch die dabei gehaltenen Reden die Nothwendigkeit einer Wahlre- form in großem Volkskrcisen zu verkündigen. Das Ban- kett im Chateau Rouge bei Paris machte den Anfang und fand bei den Reformfreunden solchen Anklang, daß kurz nach einander in Paris und ganz Frankreich zahlreiche Reformbankette gehalten wurden, bei welchen die sonst ge- wöhnlich auf den König ausgebrachten Lebehochs entweder ganz wegblieben oder von dem donnernden Gesänge des berüchtigten Freiheitslieds der Marseillaise übertönt wurden. In kurzer Zeit durchlief, wie eine Flamme, die Aufregung alle Provinzen, und allenthalben ertönte der Ruf nach Re- formen. Der König selbst sah in den politischen Gastmäh- lern nur ein ohnmächtiges Revolutionsstreben, und als einige seiner Rathgeber iin Ministerrath schüchterne Bedenk- lichkeiten äußerten, sprach er: „Gehen Sie doch, meine Herren; ist es an mir. Ihnen Muth einzusprechen? Glau- den Sie, es sei so leicht eine Regierung umzustoßen, an deren Begründung wir 17 Jahre lang gearbeitet haben? Die Schikanen und Kabalen einiger ehrgeiziger Wirr- und Stru- delköpfe werden an unserer Festigkeit zerschellen." Als daher Anfang Februar 1848 die Kammern eröffnet wurden, ließ er in der Thronrede folgenden zurechtweisenden Paragra- phen einflicßen: „Meine Herren, je weiter ich im Leben vorrücke, desto eifriger widme ich, was mir Gott an Kraft und Thätigkeit verliehen und noch vergönnt, dem Dienste Frankreichs, der Obhut seiner Interessen, seiner Würde und Wohlfahrt. Bei der Aufregung, welche feindselige und blinde Leidenschaften anfachen, beseelt und stärkt mich sine Ueberzeugung: nämlich die, daß wir in der konstitu-

7. Geschichte der neuesten Revolution - S. 24

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
24 lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" Da erschien Nach- mittags um 3 Uhr in der ebenfalls stürmisch aufgeregten Kammer Guizot mit der Botschaft, daß der König den Gra- fen Mols habe rufen lassen, um ihn mit der Bildung ei- nes neuen Kabinets zu beauftragen. Die Wahlreform sollte gewährt sein. Adjutanten des Königs flogen nach allen Seiten hin, um diese Nachricht weiter zu verbreiten, welche dem lebhafter und blutiger werdenden Aufstande Ein- halt thun sollte. Sie wurde überall mit Jubel aufgenom- nen, aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tü- cher, das Feuern zwischen den Linientruppen und den Auf- ständischen ruhte, die meisten Barrikaden witrden verlassen. Nachmittags um 5 Uhr gewährten die Boulevards den nämlichen Anblick, wie an großen Volksfesttagen, so ruhig wogten Massen neugieriger Spaziergänger auf und ab, und als der Abend zu grauen anfing, bot die fast überall festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick dar. Da trat ein Ereigniß ein, welches plötzlich die Scene veränderte. Es mochte gegen 10 Uhr sein, als unter don- nerndem Gesang der Marseillaise, unter Trommelwirbel, wehenden Fahnen und Fackelschein ein Volkshaufen von etwa 2000 Mann, der hauptsächlich aus Arbeitern der Vor- städte bestand, in guter Ordnung auf dem Boulevard der Jtaliäncr erschien, durch neuen Zuwachs immer mehr an- schwoll und zuletzt mit einer Kolonne sich vereinigte, welche dem Justizminister Hebert ein Pereat (Nieder mit ihm!) gebracht hatte. Diese Kolonne war die Bande des Repu- blikaners Lag ränge aus Lyon, die auf den Barrikaden des Quartiers St. Martin einen Theil des Tages über gekämpft batte. Sie bestand aus lauter Blousenmännern mit aufgekrämptcn Hemdärmeln und entblößten Brüsten, Gesicht und Hände von Pulver geschwärzt, durchweg mit Flinten, Säbeln oder Piken bewaffnet. Fackeln und eine rothe Fahne wurden voraus getragen. Vor dem Hotel der aus- wärtigen Angelegenheiten, Guizot's Wohnung, stieß die vorderste Kolonne des Zugs auf ein Bataillon des 14. Regiments, welches, im Viereck ausgestellt, den Durchzug verwehrte. Der Mann mic der rothen Fahne und einige Fackelträger gingen trotzig auf das Bataillon los, schwenk- ten die Fahne und die Fackeln hin und her, und das Pferd des kommandirenden Offiziers fing an sich zu bäumen. Die vorderste Reihe der Truppen gerieth in Unordnung, das Viereck that sich auf und der Offizier nahm mitten da-

8. Geschichte der neuesten Revolution - S. 25

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
25 rin seinen Platz. Plötzlich hoben und senkten sich die Ge- wehre, ein Schuß fiel, man sagt aus dein Garteil des Ho- tels, und ein langer Knall krachte hinterher. Einige fünf- zig Todte und Verwundete stürzten nieder. Unter wildem Geschrei stob die Menge auseinander und ergoß sich durch alle Stadtthcile mit dem Ruf: „Zu den Waffen! Wir sind verrathen! Man mordet uns!" Die kleine Kolonne republikanischer Blousenmänner, die vor dem Pelotonfeuer zurückgewichen war, kam unter einem fruchtbaren Rachcge- schrei nach der Blutstatte zurück, lud ein Dutzend Leichname auf einen Karren und zog unter Mordgeschrei und Wuth- geheul durch die Straßen. Inzwischen erloschen an den Häusern die Lampen, aus allen Ecken und Winkeln huschten Bewaffnete hervor, wie auf ein geheimes Machtgebot thürinten sich die Pflastersteine zu Barrikaden empor und auf allen Kirchthürmen läuteten die Sturmglocken, während die Empörer hier und da mit den Truppenpatrouillen Flintenschüsse wechselten. Als der Morgen des verhängnißvollen 24. Februar anbrach, war Paris bewaffnet bis an die Zähne, anderthalbtausend wohk- vertheidigte Barrikaden starrten den königlichen Truppen entgegen, die Revolte von gestern hatte sich in eine Revolution verwandelt. Dies war das Werk der Ver- schwornen der'geheimen, militärisch eingerichteten Gesell- schaften, welche, nachdem sie den Vorgang vor dem Hotel Guizots wahrscheinlich selbst hervorgerufen, ihn schnell zum Losbrechen benutzten, ihre Abtheilungen gu den Waffen rie- fen, die Häuser nach Waffen durchsuchten und die Waffen- läden plünderten, die Gläser- und Flaschenmagazine aus- lcerten und ihre Vorräthe über die Straßen streuten, um sie der Reiterei unzugänglich zu machen, und die Menge der übrigen Gesinnungslosen theils mit sich fortrissen theils zwangen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Im Schloß der Tuilericn wußte man wenig oder nichts von dem, was in der Stadt vorging, und die Truppen be- hielten ihre Stellung bei. Nachdem Graf Molo es abge- lehnt hatte, ein neues Ministerium zu bilden, ließ der Kö- nig um Mitternacht den Herrn Thiers, eins der Häup- ter der Widerstandspartci in der Kammer, rufen, der sich auch bereit erklärte, mit Odilon-Barrot, Rem usai und Duvergier de Heu renne ein Kabinet zu bilden; Marschall Bugeaud sollte an die Spitze der bewaffneten Macht treten, doch wollte das neue Ministerium dies nicht

9. Geschichte der neuesten Revolution - S. 26

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
26 gestatten. Noch schrieb Herr Thiers eine Proklamation nieder, welche dem Volke den neuen Ministerwechsel anzeigte. Vor dieser Proklamation, glaubte man, würde sich am nächsten Morgen der bewaffnete Ausstand zurückziehen. Allein dies geschah nicht, vielmehr wurden die Laden- schilder der Kaufleute, die sich Lieferanten dcs Königs nannten, unter Verwünschungen herabgerissen, und lebhaftes Gewehrseuer zwischen Linientruppen und Empörern ließ sich hören. In den Tuilerien herrschte Verwirrung, Unentschlos- senheit, Schrecken, während draußen der Aufruhr forttobte, mit jedem Augenblick an Ausdehnung zunahm und von den Feinden des Königs und des Königthums planmäßig ge- ordnetwurde. Der König ließ sich sogar bewegen, am Morgen des 24. Februar in der Noth Odilon- Barrot, gegen den er von früher her einen unwiderstehlichen Widerwillen empfand, zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Als solcher bewies Barrot sogleich seine Unfähigkeit, indem er in Ge- meinschaft mit Thiers darauf bestand, daß der König zum Rückzug der Truppen Befehl gab, was natürlich die schlecht verpflegten, durch Befehle und Gegenbefehle ermüdeten Trup- pen noch mehr entmuthigte und die Siegesgewißheit der Empörer steigerte. Der eiteleodilon-Barrot bildete sich näm- lich ein, daß er die ungeheure Entrüstung, die gegen Lud- wig Philipp herrschte, mit seinem bloßen Namen besänfti- gen würde. Er erschien daher mit einigen andern Dcpu- tirtcn zu Pferde, gefolgt von einer lärmenden Volksmenge, und wollte mit einem Trupp Aufständischer an der großen Barrikade an der Straße St. Denis unterhandeln; aber seine Stimme wurde überschrieen durch die Rufe: „Es lebe die Nation! Nieder mit Ludwig Philipp!" — und er mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Nicht mehr Erfolg hatte eine neue Proklamation, welche um 10v* ^hr erschien und wesentliche Zugeständnisse des Königs — Ein- stellung des Feuers, Auflösung der Kammern, Aufruf an das Volk — enthielt. Sie wurde mit demselben Ruf be- antwortet. Während also der König und seine neuen Mi- nister die Waffen aus der Hand gaben, und nur an den Orten, wo der Befehl zum Abzug noch nicht hingelangt war, die pflichttreuen Truppen und die Munizipalgarden den Kampf fortsetzten, versahen sich die Barrikaden immer vollständiger mit Waffen und bemächtigten sich der abziehenden Kanonen und Pulverwagen. Der Aufruhr war von nun an allge- mein und mit Waffen und Munition reichlich versehen.

10. Geschichte der neuesten Revolution - S. 28

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
28 tauschte, brach die vor Zorn bleiche Königin gegen Thiers in die Worte aus: „Sie haben den Thron zerschmettert; Sie haben die Volksleidenschaften zu einem Brand ange- facht, dessen Lohe über die Monarchie zusammenschlägt. Sie sind ein Undankbarer und verdienten keinen so guten König." Zur Herzogin von Orleans, welche die Hände vor das Gesicht hielt und schluchzte, sagte der König: „Helene, Sie bleiben!" — Der kleine Graf von Paris (geb. 1838) horchte verwundert auf Alles, was gesprochen wurde; sein Bruder, der Herzog von Chartres, weinte jämmerlich. Als die fliehende Königsfamilie, aus 15 Personen bestehend, durch das große Thor des Tuilerienpalastes nach dem Kon- kordienplatz heraustrat, konnten die königlichen Wagen vor den Schüssen der Aufständischen schon das Schloß nicht mehr erreichen, und man mußte zu den kleinen Wagen seine Zuflucht nehmen, welche im Hofe zum Dienste der Adju- tanten bereit standen. Am Fuße des Obelisken, auf dem- selben Platze, wo ehemals die Guillotine stand, auf welcher das Haupt seines Vaters gefallen war, stiegen Ludwig Philipp und Marie Amalie in einen dieser kleinen Wagen. Eine Abtheilung Kürassiere begleitete den König nach St. Cloud. Aber auch die Nachricht von der Abdankung des Königs und der Flucht des greisen Königspaars brachte die Fluthen des Aufruhrs nicht zum Stillstehen, und dem General La- uro rici ère, der mit der schriftlichen Abdankung des Königs in der Hand an die Barrikade der Straße St. Honorè. heransprengte, rief man zu: „Kehren Sie um, General; die Abdankung genügt uns nicht mehr, wir wollen den Sturz der Dynastie." Um dieselbe Stunde wurde das Palais-Royal erstürmt und man hörte den allgemeinen Ruf: „Nach den Tuilerien!" Hier gab der Herzog von Nemours, überzeugt von der Erfolglosigkeit des Wider- standes, den Truppen den Befehl zum Rückzug, und eine Viertelstunde später stürzte das bewaffnete Volk gleichzeitig vom Hof und vom Garten her in den Palast, wie ein wilder Strom durch die Gemächer sich wälzend und Alles, was ihm in den Weg trat, verheerend und zermalmend. Getäfel, Spiegel, Kronleuchter, Vorhänge, Tapeten, Tep- piche, Gardinen, Alles wurde zerschlagen, zerrissen, zum Fenster hinausgeworfen. Im Thronsaale sprang ein Mann, eine rothe Fahne in der Hand, auf den Thron, wischte seine schmutzigen, nägclbeschlagenen Schuhe draus ab und
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