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1. Geschichte der neuesten Revolution - S. VII

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
Vii nun fünfzigjährigen Dienst bewährt hat, dem deutschen Volke durch seine Schriften auch ein Prediger zu sein, wohl an, in der Stunde der höchsten Gefahr auch nicht zu schweigen und das Seinige zu thun, damit das drohende Verderben wo möglich noch abgewendet werde. Das ist der Zweck dieser vorliegenden neuen Ver- einsschrift. Wie Thatsachen und Erfolge kräftiger lehren, als Worte, so hat auf unsere Bitte ein verehrter Mann und bewährter Schriftsteller es unternommen, in ähnlicher Weise, wie der Verfasser der Geschichte der fran- zösischen Revolution von 1789, die Geschichte der neuesten Revolution zu erzählen, damit unser Volk darin sein eigen Bild beschaue, und jetzt, wo es die- selben Bahnen wieder einzuschlagen beginnt, welche es damals wandelte, ernstlicher daran erinnert werde, was für Frucht und Lohn es von seinen Irrwegen hatte, und welch einen Jammer und Herzeleid es ihm brachte, den Herrn seinen Gott also zu verlassen und sich wider ihn zu em- pören. Es wird ein jeder dem Herrn Verfasser es nur Dank wissen, daß er sich begnügt hat, die Geschichte ohne viele Reflerionen und Commentarien selbst reden zu lassen; für den, der noch sehen und hören will, ist sie der Art, daß er mit Entsetzen vor dem Abgrunde zurückbeben muß, in welchen ein neuer Ausbruch derselben Sünden noth- wendig stürzen muß. In diesen Tagen hat Gott einen König heimgerufen, dem die Revolution auch das treue Herz gebrochen. Die Schrift aber sagt: „Die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück" (Jes. 57, 1.). Und es steht gleich dabei: „Und ist niemand, der es zu Herzen nehme." Die Welt verstehet es nicht, was sie an diesem „Gerechten" auf dem Throne gehabt, gethan und verloren hat. Sein Tod ist ein neuer Aufruf zur Buße. Der Herr spricht: „ Siehe, Ich bereite euch ein Un- glück zu und habe Gedanken wider euch; darum kehre sich ein jeglicher von seinem bösen Wesen und bessert euer

2. Geschichte der neuesten Revolution - S. 10

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
10 Gleichheit der bürgerlichen und politischen Rechte und ent- hielt außer andern die wichtige Verheißung, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung stattfinden und gleichförmige Verfügungen über die Preßfreiheit getroffen werden sollten. Wie wenig nun auch diese neue, unter den Einflüssen des Auslandes entstandene Verfassung geeignet zu sein schien, Deutschlands Einheit, Größe, Macht und Wohlfahrt zu voller Entwickelung kommen zu lassen; so war dennoch nach den Zeiten der Ohnmacht, der Schande und tiefsten Erniedrigung auch diese Gestaltung der Dinge in Deutschland bei treuer und weiser Verwirklichung der in der Bundesakte den Völkern gemachten Zusicherungen noch als ein großes Glück, als der Anfang einer neuen aufstei- genden Bewegung zu betrachten. Während die kleinern norddeutschen Staaten ihre alten Ständeverfassungen beibe- hielten, wurden in den süddeutschen Staaten konstitutionelle Verfassungen eingeführt. Auch König Friedrich Wil- helm Iii. von Preußen hatte in der berühmten Kabincts- ordre vom 22. Mai 1815 die Einführung von Reichs- ständen verheißen, nachmals aber, durch manche Erschei- nungen der Zeit bedenklich gemacht und in der konstitu- tionellen Staatsform für Preußens Einheit und Macht Gefahr ahnend, sich auf die Einführung von blos bera- thenden Provinzialständen beschränkt. Ueberhaupt kam auch in Preußen der Staatsgrundsatz des österreichischen Staatskanzlers Fürstert von Metternich immer mehr in Geltrurg, nach welchem Aufrechterhaltung alles Dessen, was vorhanden ist, als höchstes Ziel einer weisen Politik be- zeichnet wurde. Selbst Männer, wie Arndt, Jahn u. A., deren Wort und Beispiel in den Zeiten der Roth von so großer Wirkung gewesen, wurden nun als Förderer ge- fährlicher Neuerungen vor Gericht gestellt, ihrer Aemter entsetzt, von der Polizei überwacht. Daher fehlte es auch in Deutschland nach der franzö- sischen Julirevolution nicht ganz an revolutionären Bewe- gungen, namentlich in Braun schweig, in den König- reichen Sachsen und Hannover, im Kurfürstenthum Hessen-Kassel, und auch in diesen Ländern wurden ge- mäß den Volkswünschen und -Bedürfnissen ähnliche Verfas- sungen bewilligt, wie sie Bayern, Württemberg und andere Staaten schon länger besaßen. In den beiden größer» Staaten jedoch blieb es nach der Julirevolution verhältniß- mäßig ruhig, zumal da in Preußen dein unumschränkten

3. Geschichte der neuesten Revolution - S. 49

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
49 durch Schmeicheleien und Festschmause gewonnen; die Ar- mee überhaupt, die unter den Bourbons über Hintansetzung geklagt, und die vom Auslande erlittene Schmach noch nicht vergessen hatte, begeisterte sich von Neuem für den kaiserli- chen Namen und, als er im September und Oktober 1850 auf der Ebene'von Satory bei Versailles große Heerschau hielt, wollten die Rufe der glänzend bewirtheten Truppen: „Es lebe der Kaiser!" gar nicht aufhören. Alles, was die Kammer gegen solche Demonstrationen unternahm, blieb ohne Erfolg. Uebrigens wurde die Lage Frankreichs durch die Feindseligkeit der Versammlung gegen den Präsidenten und durch die Agitation der monarchischen Parteien gegen einander und gegen die Sozialisten immer unerträglicher. Man konnte weder arbeiten noch regieren. Handel, Ge- werbe, Ackerbau — Alles lag danieder. Selbst konserva- tive Volksvertreter baten den Präsidenten dringend, die in sich zerrissene Nationalversammlung aufzulösen. Andere, die s. g. Fusionisten machten ihm Anträge, sich ihm anzuschlie- ßen, wenn zur Rettung der Gesellschaft vor den Complo- ten und Verschwörungen der „ Rothen * und Anarchisten ein Staatsstreich nöthig werden sollte. Selbst Repräsen- tanten von der rothen oder sozialistischen Partei boten ihm ihre Hülfe an. Auch lagen genaue und ausführliche Be- richte von den Präfekturen und Gerichtsbehörden vor, welche keinen Zweifel an den Raub- und Mordplänen übrig lie- ßen, welche bei der Wahl eines neuen Präsidenten der Re- publik zum nächsten Mai 1852 zum Ausbruch kommen sollten. Alle diese Dinge brachten die Herrscherpläne und den Entschluß des Präsidenten zur Reife, durch einen Staats- streich, also durch eine neue Revolution die Verfassung zu befestigen und, wie sein großer Oheim am 18. Brumaire 1799, mit Hülfe des ihm ergebenen Heeres die parlamen- tarische Opposition niederzuwerfen und die Herrschaft an sich zu reißen. Seine Vertrauten bei dieser Sache waren besonders: Herr von St. Arnaud, Kriegsminister, Herr von Morny, Volksrepräsentant, Herr von Maupas, Polizei- Präfekt. Ueber vierzehn Tage lang wurde zwischen diesen dreien und dem Präsidenten Alles verabredet, festgesetzt, vor- bereitet und so merkwürdig geheim gehalten. Der Tag, welchen der Präsident zur Ausführung seines Entschlusses wählte, war der 2. Dezember als der Tag der Kaiserkrö- nung Napoleons I. und der Schlacht von Austerlitz. Den Gcsch. d. neutsten Revol. 4

4. Geschichte der neuesten Revolution - S. 24

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
24 lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" Da erschien Nach- mittags um 3 Uhr in der ebenfalls stürmisch aufgeregten Kammer Guizot mit der Botschaft, daß der König den Gra- fen Mols habe rufen lassen, um ihn mit der Bildung ei- nes neuen Kabinets zu beauftragen. Die Wahlreform sollte gewährt sein. Adjutanten des Königs flogen nach allen Seiten hin, um diese Nachricht weiter zu verbreiten, welche dem lebhafter und blutiger werdenden Aufstande Ein- halt thun sollte. Sie wurde überall mit Jubel aufgenom- nen, aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tü- cher, das Feuern zwischen den Linientruppen und den Auf- ständischen ruhte, die meisten Barrikaden witrden verlassen. Nachmittags um 5 Uhr gewährten die Boulevards den nämlichen Anblick, wie an großen Volksfesttagen, so ruhig wogten Massen neugieriger Spaziergänger auf und ab, und als der Abend zu grauen anfing, bot die fast überall festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick dar. Da trat ein Ereigniß ein, welches plötzlich die Scene veränderte. Es mochte gegen 10 Uhr sein, als unter don- nerndem Gesang der Marseillaise, unter Trommelwirbel, wehenden Fahnen und Fackelschein ein Volkshaufen von etwa 2000 Mann, der hauptsächlich aus Arbeitern der Vor- städte bestand, in guter Ordnung auf dem Boulevard der Jtaliäncr erschien, durch neuen Zuwachs immer mehr an- schwoll und zuletzt mit einer Kolonne sich vereinigte, welche dem Justizminister Hebert ein Pereat (Nieder mit ihm!) gebracht hatte. Diese Kolonne war die Bande des Repu- blikaners Lag ränge aus Lyon, die auf den Barrikaden des Quartiers St. Martin einen Theil des Tages über gekämpft batte. Sie bestand aus lauter Blousenmännern mit aufgekrämptcn Hemdärmeln und entblößten Brüsten, Gesicht und Hände von Pulver geschwärzt, durchweg mit Flinten, Säbeln oder Piken bewaffnet. Fackeln und eine rothe Fahne wurden voraus getragen. Vor dem Hotel der aus- wärtigen Angelegenheiten, Guizot's Wohnung, stieß die vorderste Kolonne des Zugs auf ein Bataillon des 14. Regiments, welches, im Viereck ausgestellt, den Durchzug verwehrte. Der Mann mic der rothen Fahne und einige Fackelträger gingen trotzig auf das Bataillon los, schwenk- ten die Fahne und die Fackeln hin und her, und das Pferd des kommandirenden Offiziers fing an sich zu bäumen. Die vorderste Reihe der Truppen gerieth in Unordnung, das Viereck that sich auf und der Offizier nahm mitten da-

5. Geschichte der neuesten Revolution - S. 25

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
25 rin seinen Platz. Plötzlich hoben und senkten sich die Ge- wehre, ein Schuß fiel, man sagt aus dein Garteil des Ho- tels, und ein langer Knall krachte hinterher. Einige fünf- zig Todte und Verwundete stürzten nieder. Unter wildem Geschrei stob die Menge auseinander und ergoß sich durch alle Stadtthcile mit dem Ruf: „Zu den Waffen! Wir sind verrathen! Man mordet uns!" Die kleine Kolonne republikanischer Blousenmänner, die vor dem Pelotonfeuer zurückgewichen war, kam unter einem fruchtbaren Rachcge- schrei nach der Blutstatte zurück, lud ein Dutzend Leichname auf einen Karren und zog unter Mordgeschrei und Wuth- geheul durch die Straßen. Inzwischen erloschen an den Häusern die Lampen, aus allen Ecken und Winkeln huschten Bewaffnete hervor, wie auf ein geheimes Machtgebot thürinten sich die Pflastersteine zu Barrikaden empor und auf allen Kirchthürmen läuteten die Sturmglocken, während die Empörer hier und da mit den Truppenpatrouillen Flintenschüsse wechselten. Als der Morgen des verhängnißvollen 24. Februar anbrach, war Paris bewaffnet bis an die Zähne, anderthalbtausend wohk- vertheidigte Barrikaden starrten den königlichen Truppen entgegen, die Revolte von gestern hatte sich in eine Revolution verwandelt. Dies war das Werk der Ver- schwornen der'geheimen, militärisch eingerichteten Gesell- schaften, welche, nachdem sie den Vorgang vor dem Hotel Guizots wahrscheinlich selbst hervorgerufen, ihn schnell zum Losbrechen benutzten, ihre Abtheilungen gu den Waffen rie- fen, die Häuser nach Waffen durchsuchten und die Waffen- läden plünderten, die Gläser- und Flaschenmagazine aus- lcerten und ihre Vorräthe über die Straßen streuten, um sie der Reiterei unzugänglich zu machen, und die Menge der übrigen Gesinnungslosen theils mit sich fortrissen theils zwangen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Im Schloß der Tuilericn wußte man wenig oder nichts von dem, was in der Stadt vorging, und die Truppen be- hielten ihre Stellung bei. Nachdem Graf Molo es abge- lehnt hatte, ein neues Ministerium zu bilden, ließ der Kö- nig um Mitternacht den Herrn Thiers, eins der Häup- ter der Widerstandspartci in der Kammer, rufen, der sich auch bereit erklärte, mit Odilon-Barrot, Rem usai und Duvergier de Heu renne ein Kabinet zu bilden; Marschall Bugeaud sollte an die Spitze der bewaffneten Macht treten, doch wollte das neue Ministerium dies nicht

6. Geschichte der neuesten Revolution - S. 27

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
27 Als um 11 Uhr Remusat in den Tuilerien erschien und die schlimme Lage der Dinge, den wachsenden Abfall der Trup- pen und der Nationalgarde ausführlich auseinander setzte, war Ludwig Philipp wie versteinert und konnte nur durch eine kräftige Zusprache der Königin bewogen werden, zu Pferde zu steigen und mit seinen beiden Söhnen, den Her- zogen von Nemours und Montpensier, Heerschau zu halten über die auf dem Karrousclplatze in Schlachtord- nung ausgestellten Truppen, die ihn mit dem Rufe: „Es lebe der König!" begrüßten, während zwei Bataillone Na- tionalgarde: „Es lebe die Nation!" riefen. Nach der Heerschau zog sich der König in sein Arbeitszimmer zurück. Plötzlich, es war nach 1 Uhr, trat Emil von Girard in, der Herausgeber der Zeitung „die Presse", mit der Schreckensnachricht in die Tuilerien, daß die Pro- klamation des Ministeriums Thiers-Barrot allenthalben vom Volke herabgerisscn werde und daß bewaffnete Schaa- ren, mit Studenten und Nationalgardistcn vermischt, gegen die Tuilerien im Anzuge seien. In demselben Augenblicke knitterten die Schloßfenster von den Flintenschüssen, die vom Palais-Royal hcrknalltcn. Man rieth dem bestürzten Kö- nige abzudanken, um die Monarchie zu retten. Endlich er- klärte sich der König dazu bereit, ergriff die Feder und schrieb zögernd und niedergeschlagen eine Abdankung zu Gunsten seines Enkels, des Grafen von Paris, unter der Regent- schaft der Herzogin von Orleans, seiner Mutter, und über- gab das Blatt einem der Deputaten mit der Bitte, es nach der Kammer zu bringen. Aber auch die Nachricht von die- sem Zugeständnisse des Königs blieb theils ungestört theils ohne Wirkung; denn schon war die Entscheidung der Dinge in die Hände einer Gewalt gekommen, für welche die Re- publik das Mindeste war, das sie verlangte. Dem König und der königlichen Familie blieb nur noch übrig, an die Abreise zu denken — ein furchtbarer Augenblick für ein Fürstenhaus, das noch vor wenigen Stunden so glänzend und mächtig dagestandcn. Es war in der That hohe Zeit und keine Minute mehr zu verlieren, da das Volk schon die Umgebungen des Schlosses bestürmte und an den kö- niglichen Reisewagen, als sic nach dem Karrouselplatz cin- bogen, die beiden vordersten Gespannpferde, von Kugeln getroffen, todt niederstürzten. Während der König die Uni- form, das große Band der Ehrenlegion, die Insignien dcs Königthums mit schwarzem Frack und rundem Hut ver-

7. Geschichte der neuesten Revolution - S. 28

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
28 tauschte, brach die vor Zorn bleiche Königin gegen Thiers in die Worte aus: „Sie haben den Thron zerschmettert; Sie haben die Volksleidenschaften zu einem Brand ange- facht, dessen Lohe über die Monarchie zusammenschlägt. Sie sind ein Undankbarer und verdienten keinen so guten König." Zur Herzogin von Orleans, welche die Hände vor das Gesicht hielt und schluchzte, sagte der König: „Helene, Sie bleiben!" — Der kleine Graf von Paris (geb. 1838) horchte verwundert auf Alles, was gesprochen wurde; sein Bruder, der Herzog von Chartres, weinte jämmerlich. Als die fliehende Königsfamilie, aus 15 Personen bestehend, durch das große Thor des Tuilerienpalastes nach dem Kon- kordienplatz heraustrat, konnten die königlichen Wagen vor den Schüssen der Aufständischen schon das Schloß nicht mehr erreichen, und man mußte zu den kleinen Wagen seine Zuflucht nehmen, welche im Hofe zum Dienste der Adju- tanten bereit standen. Am Fuße des Obelisken, auf dem- selben Platze, wo ehemals die Guillotine stand, auf welcher das Haupt seines Vaters gefallen war, stiegen Ludwig Philipp und Marie Amalie in einen dieser kleinen Wagen. Eine Abtheilung Kürassiere begleitete den König nach St. Cloud. Aber auch die Nachricht von der Abdankung des Königs und der Flucht des greisen Königspaars brachte die Fluthen des Aufruhrs nicht zum Stillstehen, und dem General La- uro rici ère, der mit der schriftlichen Abdankung des Königs in der Hand an die Barrikade der Straße St. Honorè. heransprengte, rief man zu: „Kehren Sie um, General; die Abdankung genügt uns nicht mehr, wir wollen den Sturz der Dynastie." Um dieselbe Stunde wurde das Palais-Royal erstürmt und man hörte den allgemeinen Ruf: „Nach den Tuilerien!" Hier gab der Herzog von Nemours, überzeugt von der Erfolglosigkeit des Wider- standes, den Truppen den Befehl zum Rückzug, und eine Viertelstunde später stürzte das bewaffnete Volk gleichzeitig vom Hof und vom Garten her in den Palast, wie ein wilder Strom durch die Gemächer sich wälzend und Alles, was ihm in den Weg trat, verheerend und zermalmend. Getäfel, Spiegel, Kronleuchter, Vorhänge, Tapeten, Tep- piche, Gardinen, Alles wurde zerschlagen, zerrissen, zum Fenster hinausgeworfen. Im Thronsaale sprang ein Mann, eine rothe Fahne in der Hand, auf den Thron, wischte seine schmutzigen, nägclbeschlagenen Schuhe draus ab und

8. Geschichte der neuesten Revolution - S. 31

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
- 31 Nationalgarde veranstaltete unter seinen Kameraden und den Umstehenden eine Kollekte, und der König Ludwig Philipp, dessen Sturz zu merkwürdig ist, um nicht an die Worte der Schrift zu erinnern: „Der Herr stößt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebet die Niedrigen. Die Hungrigen füllet er mit Gütern, und lasset die Reichen leer" — erhielt als Reisegeld — 200 Franken. Bon St. Eloud eilte er nach Drcur, wo sich die Familiengruft der Orleans befindet. Dort, gleichsam neben den Gräbern seiner Kinder und seiner jüngst erst verstorbenen Schwester, brachte er die erste Nacht außerhalb der Tuilcrien zu. Tie furchtbare Nachricht von der Einsetzung der Republik zu Paris weckte ihn aus dem Schlafe, und man konnte ihm nicht einnral sagen, was aus der Herzogin von Orleans und ihren Kindern geworden sei. Ucberall von Mördern verfolgt sich glaubend, beschloß er sogleich, sich nach der Küste der Normandie zu begeben und sich von dort nach England einzuschiffen. Ein Beanrter in Drcur lieh ihm ungefähr 1000 Franken zur Weiterreise. Unter dem angenommenen Namen Herr und Frau Lebrun kamen der König und die Königin nicht ohne Gefahr am 26. Februar in einem kleinen Landhause bei Honfleur an« Hier war der greise Kömg in einer der furchtbarsten Lagen, in die ein Mensch überhaupt kommen kann. Vom Throne gestürzt, die Trümmer seiner Dynastie vor Augen, klammerte er sich so zu sagen an das nackte Leben an. Die Natur selbst schien sich gegen ihn verschworen zu haben: das Meer war stürmisch aufgeregt, das Wetter kalt und naß, und nur ein elendes Fischerboot, das zu besteigen lebens- gefährlich schien, bot sich als Rcttungssahrzcug bar. Aber auch dieser Fluchtweg drohte abgeschnitten zu werden, da inzwischen von Paris aus an alle Douanenwächter Befehl an- gekommen war, die Reise der politischen Flüchtlinge zu ver- hindern. Endlich am 2. März langte der englische Vize- konsul von Havre im Landhause mit der Nachricht an, daß die englische Regierung ein Schiff zur Verfügung des Königs stelle. Am 3. März landete er auf englischem Boden zu Newhaven und begab sich am 4. nach Claremont, einem Schlöffe des Königs der Belgier, einige Meilen von London. Dort nahm der entthronte König den bescheidenen Titel eines Grafen von Neuilly an und lebte im Kreise seiner Familie in einfacher Zurückgezogenheit, den ungeheuren Wechsel des Geschicks mit großer Seelenruhe und wenigstens äußer- lich bewahrter Würde ertragend. Ebendaselbst starb er auch

9. Geschichte der neuesten Revolution - S. 33

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
33 in einem engen Zimmer des zweiten Stocks an einem un- ansehnlichen Tische festen Platz zu fassen, um von hier aus zwei Proklamationen an das Volk zu erlassen. In der ersten ward die Republik proklamirt, mit Vorbehalt der Genehmigung des Volks, welches sofort befragt werden sollte, und die Regierung der Nation durch sich selbst ver- heißen. Die Negierung Frankreichs sollte fortan eine demo- kratische sein und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum leitenden Grundsatz, das „Volk" zum Wahlspruch und rur Losung haben. In der zweiten wurden D u p o n t als Präsident der neuen Regierung, die provisorischen Minister und andere Beschlüsse zur Wiederherstellung der Ordnung und des Verkehrs verkündigt. Von den Stufen des Stadt- hauses kündigte Louis Blanc dem auf dem Greveplatze versammelten Volke an, daß die provisorische Regierung die Republik wolle. Bei dieser Nachricht erscholl unermeßlicher Jubel von allen Seiten des Platzes und eine Salve von Freudenschüssen krachte in die Luft. Paris, das eben noch einen grausenerrcgenden Anblick dargeboten hatte und wo man überall auf Leichen, zerbrochene Gewehre, umgestürztc Wagen, hohe Barrikaden stieß, war am Abend des 24. Fe- bruar, wie am Tage vorher, allenthalben erleuchtet und Tausende von Neugierigen durchzogen jubelnd die Straßen, in ihrem Leichtsinn nicht bedenkend, auf welchem Vulkan sie wandelten. 3. Was die Uepubük Frankreich brachte. So hatten den Julithron drei Tage aufgerichtet und drei Tage wieder umgeworfen. Die Kunde von der Er- richtung der Republik durchlief in Sturmeseile ganz Frank- reich und bald ging aus allen Theilen des durch jene Kunde überraschten Reichs der provisorischen Regierung die Erklä- rung zu, daß man die neue Regierungöform anerkenne. Zwar traf die Negierung eiligst Anstalten, eine National- versammlung einzuberufen, um mit ihr das Weitere zu be- stimmen; aber die Folgen dieser neuen großen Staatsum- wälzung waren zunächst sehr traurig. Angst und Schre- cken bemächtigten sich der meisten Gemüther, welche sich der ersten französischen Revolution erinnerten als einer Zeit der Schreckensherrschaft, in welcher mehr unschuldiges Blut ver- gossen worden war, als während der vielen Jahrhunderte der alten Monarchie. Handel und Gewerbe geriethen we- gen Mangels an Vertrauen in Stocken, Tausende von Fa- Vtsch. d. neuesten Revol. Z

10. Geschichte der neuesten Revolution - S. 62

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
62 kann der König, als unehrenvoll für seine braven Truppen, nicht gewähren. Da entsteht ein neues, stärkeres Hin- und Herwogen, während gleichzeitig die Kavalerie das Volk et- was ^zurückdrängt und mehr Infanterie aus den Portalen des Schlosses hervortritt. Durch Zufall entladen sich ein paar Gewehre auf das Volk. Das wurden wieder verhäng- nißvolle Schüsse und kamen den Männern des Umsturzes, deil Sendlingen der revolutionären Propaganda, deren un- heimliche Gestalten wie Geister aus dem Abgrunde damals bei allen Volksbewegungen zu sehen waren, wie gerufen. Jetzt weicht Alles zurück; aber jene Aufwiegler rennen, «Mord! Verrath! zu den Waffen!" schreiend, durch die Straßen und schüren das Feuer der Empörung. Eine aus- gehängte Fahne mit dem Worte: „Mißverständniß!" wird nicht mehr beachtet. Schnell erheben sich Barrikaden, Waffenlädcn werden geplündert und es folgt eine Nacht des Schreckens, in welcher zwischen den Aufständischen und den treuen, aber wenig zahlreichen Truppen des Königs bis zur Erschöpfung der letztem gekämpft wird. Der Kampf begann bald nach 3 Uhr an der Ecke der Oberwall- und Jägerstraße, wo die erste Barrikade sich er- hob. Zwei Droschken, eine Kutsche, das Schilderhaus vom Bankgebäude, die Rinnsteinbrücken und einige Fässer dien- ten rasch zur Aufführung des Baues, der, wie überall in der Stadt, mit ftaunenswürdiger Geschicklichkeit zu Stande gebracht wurde, ein Beweis, daß wohl fremde, im Barrika- denbau erfahrene Revolutionsmänner sich zu Führern der Aufständischen aufgeworfen hatten. Bis gegen 5 Uhr Nach- mittags war die ganze Stadt, auch in den entlegensten Thei- len, mit Barrikaden überdeckt, die in manchen Straßen bis in die ersten Stockwerke hineinragten. In trauriger Verblen- dung nahmen auch Studenten an diesem Straßenkampfe Theil und steckten die schwarz-roth-goldene Kokarde auf. Hunderte von Arbeitern aus den Maschinenbauwerkstätten schlossen sich den Empörern an. Dächer wurden abgedeckt und zur Vertheidigung mit Körben voll Steinen angefüllt. Selbst Sträflinge wurden aus einem Arbeitshause, dem s. g. Ochsenkopf, befreit, um die sich dort bildenden Revolu- tionshaufen zu vermehren. Wie damals allerwärts, so fehlte es auch in Berlin nicht an den Polen, jenen Zug- vögeln der Revolution, die auf solche Weise ihr Vaterland wieder zu gewinnen wähnten. So erschien am Alerander- platz eine eigenthümliche Schaar unter der Anführung eines
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