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1. Geschichte der neuesten Revolution - S. 10

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
10 Gleichheit der bürgerlichen und politischen Rechte und ent- hielt außer andern die wichtige Verheißung, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung stattfinden und gleichförmige Verfügungen über die Preßfreiheit getroffen werden sollten. Wie wenig nun auch diese neue, unter den Einflüssen des Auslandes entstandene Verfassung geeignet zu sein schien, Deutschlands Einheit, Größe, Macht und Wohlfahrt zu voller Entwickelung kommen zu lassen; so war dennoch nach den Zeiten der Ohnmacht, der Schande und tiefsten Erniedrigung auch diese Gestaltung der Dinge in Deutschland bei treuer und weiser Verwirklichung der in der Bundesakte den Völkern gemachten Zusicherungen noch als ein großes Glück, als der Anfang einer neuen aufstei- genden Bewegung zu betrachten. Während die kleinern norddeutschen Staaten ihre alten Ständeverfassungen beibe- hielten, wurden in den süddeutschen Staaten konstitutionelle Verfassungen eingeführt. Auch König Friedrich Wil- helm Iii. von Preußen hatte in der berühmten Kabincts- ordre vom 22. Mai 1815 die Einführung von Reichs- ständen verheißen, nachmals aber, durch manche Erschei- nungen der Zeit bedenklich gemacht und in der konstitu- tionellen Staatsform für Preußens Einheit und Macht Gefahr ahnend, sich auf die Einführung von blos bera- thenden Provinzialständen beschränkt. Ueberhaupt kam auch in Preußen der Staatsgrundsatz des österreichischen Staatskanzlers Fürstert von Metternich immer mehr in Geltrurg, nach welchem Aufrechterhaltung alles Dessen, was vorhanden ist, als höchstes Ziel einer weisen Politik be- zeichnet wurde. Selbst Männer, wie Arndt, Jahn u. A., deren Wort und Beispiel in den Zeiten der Roth von so großer Wirkung gewesen, wurden nun als Förderer ge- fährlicher Neuerungen vor Gericht gestellt, ihrer Aemter entsetzt, von der Polizei überwacht. Daher fehlte es auch in Deutschland nach der franzö- sischen Julirevolution nicht ganz an revolutionären Bewe- gungen, namentlich in Braun schweig, in den König- reichen Sachsen und Hannover, im Kurfürstenthum Hessen-Kassel, und auch in diesen Ländern wurden ge- mäß den Volkswünschen und -Bedürfnissen ähnliche Verfas- sungen bewilligt, wie sie Bayern, Württemberg und andere Staaten schon länger besaßen. In den beiden größer» Staaten jedoch blieb es nach der Julirevolution verhältniß- mäßig ruhig, zumal da in Preußen dein unumschränkten

2. Geschichte der neuesten Revolution - S. 24

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
24 lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" Da erschien Nach- mittags um 3 Uhr in der ebenfalls stürmisch aufgeregten Kammer Guizot mit der Botschaft, daß der König den Gra- fen Mols habe rufen lassen, um ihn mit der Bildung ei- nes neuen Kabinets zu beauftragen. Die Wahlreform sollte gewährt sein. Adjutanten des Königs flogen nach allen Seiten hin, um diese Nachricht weiter zu verbreiten, welche dem lebhafter und blutiger werdenden Aufstande Ein- halt thun sollte. Sie wurde überall mit Jubel aufgenom- nen, aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tü- cher, das Feuern zwischen den Linientruppen und den Auf- ständischen ruhte, die meisten Barrikaden witrden verlassen. Nachmittags um 5 Uhr gewährten die Boulevards den nämlichen Anblick, wie an großen Volksfesttagen, so ruhig wogten Massen neugieriger Spaziergänger auf und ab, und als der Abend zu grauen anfing, bot die fast überall festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick dar. Da trat ein Ereigniß ein, welches plötzlich die Scene veränderte. Es mochte gegen 10 Uhr sein, als unter don- nerndem Gesang der Marseillaise, unter Trommelwirbel, wehenden Fahnen und Fackelschein ein Volkshaufen von etwa 2000 Mann, der hauptsächlich aus Arbeitern der Vor- städte bestand, in guter Ordnung auf dem Boulevard der Jtaliäncr erschien, durch neuen Zuwachs immer mehr an- schwoll und zuletzt mit einer Kolonne sich vereinigte, welche dem Justizminister Hebert ein Pereat (Nieder mit ihm!) gebracht hatte. Diese Kolonne war die Bande des Repu- blikaners Lag ränge aus Lyon, die auf den Barrikaden des Quartiers St. Martin einen Theil des Tages über gekämpft batte. Sie bestand aus lauter Blousenmännern mit aufgekrämptcn Hemdärmeln und entblößten Brüsten, Gesicht und Hände von Pulver geschwärzt, durchweg mit Flinten, Säbeln oder Piken bewaffnet. Fackeln und eine rothe Fahne wurden voraus getragen. Vor dem Hotel der aus- wärtigen Angelegenheiten, Guizot's Wohnung, stieß die vorderste Kolonne des Zugs auf ein Bataillon des 14. Regiments, welches, im Viereck ausgestellt, den Durchzug verwehrte. Der Mann mic der rothen Fahne und einige Fackelträger gingen trotzig auf das Bataillon los, schwenk- ten die Fahne und die Fackeln hin und her, und das Pferd des kommandirenden Offiziers fing an sich zu bäumen. Die vorderste Reihe der Truppen gerieth in Unordnung, das Viereck that sich auf und der Offizier nahm mitten da-

3. Geschichte der neuesten Revolution - S. 25

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
25 rin seinen Platz. Plötzlich hoben und senkten sich die Ge- wehre, ein Schuß fiel, man sagt aus dein Garteil des Ho- tels, und ein langer Knall krachte hinterher. Einige fünf- zig Todte und Verwundete stürzten nieder. Unter wildem Geschrei stob die Menge auseinander und ergoß sich durch alle Stadtthcile mit dem Ruf: „Zu den Waffen! Wir sind verrathen! Man mordet uns!" Die kleine Kolonne republikanischer Blousenmänner, die vor dem Pelotonfeuer zurückgewichen war, kam unter einem fruchtbaren Rachcge- schrei nach der Blutstatte zurück, lud ein Dutzend Leichname auf einen Karren und zog unter Mordgeschrei und Wuth- geheul durch die Straßen. Inzwischen erloschen an den Häusern die Lampen, aus allen Ecken und Winkeln huschten Bewaffnete hervor, wie auf ein geheimes Machtgebot thürinten sich die Pflastersteine zu Barrikaden empor und auf allen Kirchthürmen läuteten die Sturmglocken, während die Empörer hier und da mit den Truppenpatrouillen Flintenschüsse wechselten. Als der Morgen des verhängnißvollen 24. Februar anbrach, war Paris bewaffnet bis an die Zähne, anderthalbtausend wohk- vertheidigte Barrikaden starrten den königlichen Truppen entgegen, die Revolte von gestern hatte sich in eine Revolution verwandelt. Dies war das Werk der Ver- schwornen der'geheimen, militärisch eingerichteten Gesell- schaften, welche, nachdem sie den Vorgang vor dem Hotel Guizots wahrscheinlich selbst hervorgerufen, ihn schnell zum Losbrechen benutzten, ihre Abtheilungen gu den Waffen rie- fen, die Häuser nach Waffen durchsuchten und die Waffen- läden plünderten, die Gläser- und Flaschenmagazine aus- lcerten und ihre Vorräthe über die Straßen streuten, um sie der Reiterei unzugänglich zu machen, und die Menge der übrigen Gesinnungslosen theils mit sich fortrissen theils zwangen, mit ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen. Im Schloß der Tuilericn wußte man wenig oder nichts von dem, was in der Stadt vorging, und die Truppen be- hielten ihre Stellung bei. Nachdem Graf Molo es abge- lehnt hatte, ein neues Ministerium zu bilden, ließ der Kö- nig um Mitternacht den Herrn Thiers, eins der Häup- ter der Widerstandspartci in der Kammer, rufen, der sich auch bereit erklärte, mit Odilon-Barrot, Rem usai und Duvergier de Heu renne ein Kabinet zu bilden; Marschall Bugeaud sollte an die Spitze der bewaffneten Macht treten, doch wollte das neue Ministerium dies nicht

4. Geschichte der neuesten Revolution - S. 28

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
28 tauschte, brach die vor Zorn bleiche Königin gegen Thiers in die Worte aus: „Sie haben den Thron zerschmettert; Sie haben die Volksleidenschaften zu einem Brand ange- facht, dessen Lohe über die Monarchie zusammenschlägt. Sie sind ein Undankbarer und verdienten keinen so guten König." Zur Herzogin von Orleans, welche die Hände vor das Gesicht hielt und schluchzte, sagte der König: „Helene, Sie bleiben!" — Der kleine Graf von Paris (geb. 1838) horchte verwundert auf Alles, was gesprochen wurde; sein Bruder, der Herzog von Chartres, weinte jämmerlich. Als die fliehende Königsfamilie, aus 15 Personen bestehend, durch das große Thor des Tuilerienpalastes nach dem Kon- kordienplatz heraustrat, konnten die königlichen Wagen vor den Schüssen der Aufständischen schon das Schloß nicht mehr erreichen, und man mußte zu den kleinen Wagen seine Zuflucht nehmen, welche im Hofe zum Dienste der Adju- tanten bereit standen. Am Fuße des Obelisken, auf dem- selben Platze, wo ehemals die Guillotine stand, auf welcher das Haupt seines Vaters gefallen war, stiegen Ludwig Philipp und Marie Amalie in einen dieser kleinen Wagen. Eine Abtheilung Kürassiere begleitete den König nach St. Cloud. Aber auch die Nachricht von der Abdankung des Königs und der Flucht des greisen Königspaars brachte die Fluthen des Aufruhrs nicht zum Stillstehen, und dem General La- uro rici ère, der mit der schriftlichen Abdankung des Königs in der Hand an die Barrikade der Straße St. Honorè. heransprengte, rief man zu: „Kehren Sie um, General; die Abdankung genügt uns nicht mehr, wir wollen den Sturz der Dynastie." Um dieselbe Stunde wurde das Palais-Royal erstürmt und man hörte den allgemeinen Ruf: „Nach den Tuilerien!" Hier gab der Herzog von Nemours, überzeugt von der Erfolglosigkeit des Wider- standes, den Truppen den Befehl zum Rückzug, und eine Viertelstunde später stürzte das bewaffnete Volk gleichzeitig vom Hof und vom Garten her in den Palast, wie ein wilder Strom durch die Gemächer sich wälzend und Alles, was ihm in den Weg trat, verheerend und zermalmend. Getäfel, Spiegel, Kronleuchter, Vorhänge, Tapeten, Tep- piche, Gardinen, Alles wurde zerschlagen, zerrissen, zum Fenster hinausgeworfen. Im Thronsaale sprang ein Mann, eine rothe Fahne in der Hand, auf den Thron, wischte seine schmutzigen, nägclbeschlagenen Schuhe draus ab und

5. Geschichte der neuesten Revolution - S. 33

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
33 in einem engen Zimmer des zweiten Stocks an einem un- ansehnlichen Tische festen Platz zu fassen, um von hier aus zwei Proklamationen an das Volk zu erlassen. In der ersten ward die Republik proklamirt, mit Vorbehalt der Genehmigung des Volks, welches sofort befragt werden sollte, und die Regierung der Nation durch sich selbst ver- heißen. Die Negierung Frankreichs sollte fortan eine demo- kratische sein und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zum leitenden Grundsatz, das „Volk" zum Wahlspruch und rur Losung haben. In der zweiten wurden D u p o n t als Präsident der neuen Regierung, die provisorischen Minister und andere Beschlüsse zur Wiederherstellung der Ordnung und des Verkehrs verkündigt. Von den Stufen des Stadt- hauses kündigte Louis Blanc dem auf dem Greveplatze versammelten Volke an, daß die provisorische Regierung die Republik wolle. Bei dieser Nachricht erscholl unermeßlicher Jubel von allen Seiten des Platzes und eine Salve von Freudenschüssen krachte in die Luft. Paris, das eben noch einen grausenerrcgenden Anblick dargeboten hatte und wo man überall auf Leichen, zerbrochene Gewehre, umgestürztc Wagen, hohe Barrikaden stieß, war am Abend des 24. Fe- bruar, wie am Tage vorher, allenthalben erleuchtet und Tausende von Neugierigen durchzogen jubelnd die Straßen, in ihrem Leichtsinn nicht bedenkend, auf welchem Vulkan sie wandelten. 3. Was die Uepubük Frankreich brachte. So hatten den Julithron drei Tage aufgerichtet und drei Tage wieder umgeworfen. Die Kunde von der Er- richtung der Republik durchlief in Sturmeseile ganz Frank- reich und bald ging aus allen Theilen des durch jene Kunde überraschten Reichs der provisorischen Regierung die Erklä- rung zu, daß man die neue Regierungöform anerkenne. Zwar traf die Negierung eiligst Anstalten, eine National- versammlung einzuberufen, um mit ihr das Weitere zu be- stimmen; aber die Folgen dieser neuen großen Staatsum- wälzung waren zunächst sehr traurig. Angst und Schre- cken bemächtigten sich der meisten Gemüther, welche sich der ersten französischen Revolution erinnerten als einer Zeit der Schreckensherrschaft, in welcher mehr unschuldiges Blut ver- gossen worden war, als während der vielen Jahrhunderte der alten Monarchie. Handel und Gewerbe geriethen we- gen Mangels an Vertrauen in Stocken, Tausende von Fa- Vtsch. d. neuesten Revol. Z

6. Geschichte der neuesten Revolution - S. 62

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
62 kann der König, als unehrenvoll für seine braven Truppen, nicht gewähren. Da entsteht ein neues, stärkeres Hin- und Herwogen, während gleichzeitig die Kavalerie das Volk et- was ^zurückdrängt und mehr Infanterie aus den Portalen des Schlosses hervortritt. Durch Zufall entladen sich ein paar Gewehre auf das Volk. Das wurden wieder verhäng- nißvolle Schüsse und kamen den Männern des Umsturzes, deil Sendlingen der revolutionären Propaganda, deren un- heimliche Gestalten wie Geister aus dem Abgrunde damals bei allen Volksbewegungen zu sehen waren, wie gerufen. Jetzt weicht Alles zurück; aber jene Aufwiegler rennen, «Mord! Verrath! zu den Waffen!" schreiend, durch die Straßen und schüren das Feuer der Empörung. Eine aus- gehängte Fahne mit dem Worte: „Mißverständniß!" wird nicht mehr beachtet. Schnell erheben sich Barrikaden, Waffenlädcn werden geplündert und es folgt eine Nacht des Schreckens, in welcher zwischen den Aufständischen und den treuen, aber wenig zahlreichen Truppen des Königs bis zur Erschöpfung der letztem gekämpft wird. Der Kampf begann bald nach 3 Uhr an der Ecke der Oberwall- und Jägerstraße, wo die erste Barrikade sich er- hob. Zwei Droschken, eine Kutsche, das Schilderhaus vom Bankgebäude, die Rinnsteinbrücken und einige Fässer dien- ten rasch zur Aufführung des Baues, der, wie überall in der Stadt, mit ftaunenswürdiger Geschicklichkeit zu Stande gebracht wurde, ein Beweis, daß wohl fremde, im Barrika- denbau erfahrene Revolutionsmänner sich zu Führern der Aufständischen aufgeworfen hatten. Bis gegen 5 Uhr Nach- mittags war die ganze Stadt, auch in den entlegensten Thei- len, mit Barrikaden überdeckt, die in manchen Straßen bis in die ersten Stockwerke hineinragten. In trauriger Verblen- dung nahmen auch Studenten an diesem Straßenkampfe Theil und steckten die schwarz-roth-goldene Kokarde auf. Hunderte von Arbeitern aus den Maschinenbauwerkstätten schlossen sich den Empörern an. Dächer wurden abgedeckt und zur Vertheidigung mit Körben voll Steinen angefüllt. Selbst Sträflinge wurden aus einem Arbeitshause, dem s. g. Ochsenkopf, befreit, um die sich dort bildenden Revolu- tionshaufen zu vermehren. Wie damals allerwärts, so fehlte es auch in Berlin nicht an den Polen, jenen Zug- vögeln der Revolution, die auf solche Weise ihr Vaterland wieder zu gewinnen wähnten. So erschien am Alerander- platz eine eigenthümliche Schaar unter der Anführung eines

7. Geschichte der neuesten Revolution - S. 64

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
64 cher und grauenvoller war der Eindruck, welchen das fort- dauernde Toben des Aufruhrs in den Gemüthern Aller her- vorbringen mußte, welchen der Aufruhr ein Greuel ist. Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner, die man für das Luftgebilde von Freiheit und Gleichheit leicht fanatisiren und verführen konnte, bildeten die große Mehrzahl der Kam- pfenden. Verdächtige Mitglieder der Gesellschaft, die im Trüben fischen wollten, hatten sich darunter gemischt. Die eigentlichen Leiter der Bewegung lauerten, Unheil brütend, im Hintergründe. Um sich Waffen zu verschaffen, plün- derte man die Waffen- und Pulvervorräthe der Kaufleute und durchsuchte die Wohnungen der Offiziere. Während die Empörer, durch die hochgethürmten Barrikaden gedeckt, aus dem Hinterhalt kämpften, setzten sich die tteuen Trup- pen des Königs dem Barrikadenfeuer und den Steinwürfen von den Dächern auf die für sie verderblichste Weise aus, wodurch oft ganze Glieder durch Steine und Schüsse nieder- gestreckt wurden, ehe sie nur überhaupt zu einem Angriff gelangen konnten. Eine Hauptftätte mörderischen Kampfes war die Ge- gend am Aleranderplatz, in den mehrere Straßen ausmün- den und wo sich drei Barrikaden von kolossaler Bauart erhoben hatten. Hier waren nicht nur Büchsenschützen, sondern auch zwei Kanonen aufgestellt, welche man aus dem Schützenhause herbeigeholt hatte. Dort war es auch, wo mehrere Mitglieder der berliner Schützengilde, hinter einer Dachrinne versteckt, so sicher und immer nach gegenseitiger Verabredung schossen, daß sie selten den Mann, auf wel- chen sie zielten, verfehlten. Was sonst nur im Kriege ge- gen erbitterte Feinde zu geschehen pflegt, das geschah hier mit kaltem Blute gegen pflichttreue Soldaten, die nicht etwa für schnödes Geld geworbene Söldlinge, sondern Kinder des eignen Landes und Volkes waren! Ein Versuch, das Gebäude des Königsstädtischen Theaters hier in Brand zu stecken und den Schrecken und die Verwirrung durch das entfesselte Element noch zu vermehren, wurde durch noch rechtzeitig ankominende Truppenverstärkungen vereitelt. In- dessen loderten an verschiedenen andern Stellen der Stadt Brände empor; man trug sich mit dem Gerücht, daß alle königlichen Gebäude in Asche gelegt werden sollten, und die Feuerlohe, die sich in langen Streifen über den Horizont der Stadt hinwegwälzte, fügte zu dm Schrecknissen der

8. Geschichte der neuesten Revolution - S. 65

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
— 65 — Mordnacht die Angst, daß ganz Berlin in Flammen aufge- hen könne. Am Morgen des 19. März gegen 7 Uhr waren endlich die letzten Kanonenschläge verhallt, und es schien eine Art von Waffenstillstand eingetreten zu sein. Das Militär, das auch nicht einen Augenblick in seiner Treue gegen König und Vaterland gewankt und sich dadurch für alle Zeiten ein ehrenvolles Denkmal in der deutschen Geschichte erwor- den hatte, befand sich am Morgen im Besitz der Haupt- straßen und der Hauptplätze, die daselbst befindlichen Barri- kaden waren hinweggeräumt und die Vertheidiger derselben in die entlegenem Stadttheile hinweggedrängt. Dennoch bot die Stadt im Ganzen immer noch einen bedenklichen Anblick dar, und selbst noch eine Proklamation des Königs, geschrieben in der Nacht vom 18—19. März, die den ei- gentlichen Hergang der Verwickelung auf eine Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend, schob, vom sieg- reichen Vordringen der Truppen sprach und die Zurück- ziehung derselben von der Wegräumung der Barrikaden ab- hängig machte, wurde von den dichtgedrängten Volkshau- fen mit Mißtrauen ausgenommen. Inzwischen dauerte das Sturmläuten in der Stadt noch fort, der Zuzug bewaffneter Volkshaufen zu den stehen gebliebenen Barrikaden mehrte sich schon wieder, -und der Bürgermeister Naunyn erschien auf dem Schlosse, um den Ministern und dem Könige im Namen der Stadt Berlin die Bitte vorzutragen, den Befehl zum Rückzug der Truppen zu ertheilen, da die Stadt bei Erneuerung des Kampfes der äußersten Gefahr ausgesetzt sein könnte. Noch war der König im Besitz eines treuen und tapfern, in kompakter Masse dastehenden Heeres, das so eben neue streitfertige Positionen eingenommen. Aber dennoch gewährte der Monarch, der das Ungeheure seiner Verantwortlichkeit vor dem höchsten Richter erwog und in seinem christlichen Herzen den Gedanken eines fernem Blut- vergießens nicht ertragen konnte, diese Bitte endlich unbedingt, obgleich mehrere dem König zunächst stehende Personen an- derer Meinung und der Ansicht waren, daß die königliche Großmuth für Schwäche ausgelegt werden könnte. Zugleich erklärte der König, daß er eine vollständige Aenderung des Ministeriums eintreten lassen werde und dabei den Wün- schen des Volks entsprechen wolle. Selbst die Freigebung der um politischer Vergehen willen Gefangenen sagte er zu. Unter ihnen waren auch 250 Polen und Mieroslawski, Besch, d. neuesten Revol, 5

9. Geschichte der neuesten Revolution - S. 41

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
41 direkter, allgemeiner Abstimmung von allen, nicht unter ein- undzwanzig Jahren alten Franzosen auf je drei Jahre ge- wählt werden sollte. Indessen war die große Partei der _ sozialistischen Schreckensmänner zwar überwunden, aber nicht vernichtet. In der Nationalversammlung war Ledru-Rollin ihr her- vorragendster Führer. Sie schrieen über Reaktion und setz- ten ihre Wühlereien insgeheim fort. Das erschreckte alle Besitzenden; der ungewisse Zustand der Dinge drückte wie ein schwerer Alp auf Handel und Verkehr und brachte den Namen der Republik überhaupt und ihre Träger in großen Mißkredit. Man sehnte sich nach einem Manne, der, wie einst Napoleon Bonaparte, die losgclassene Furie der Revolution wieder bändigen könnte. Die monarchischen Parteien begannen sich wieder zu regen: die Legitimisten, Orleanisten, Bonapartisten. Am rührigsten waren die Letz- tem. Sie richteten ihre Blicke auf einen Mann, der durch den Gang der nachfolgenden Ereignisse so wichtig geworden ist, daß wir etwas länger bei ihm verweilen müssen. Die- ser Mann war der Prinz Ludwig Napoleon Bona- parte, des Kaisers Napoleon Neffe und Erbe. Er war geboren zu Paris am 20. April 1808 als der dritte Sohn des damaligen Königs Ludwig Bona- parte von Holland und der Königin Hortensie gcb. Grä- fin von Beauharnais, Napoleons Stieftochter. Nach der Verbannung der Familie. Bonaparte aus Frankreich lebte er mit seiner, von ihrem, nunmehr den Namen eines Grafen von St. Leu führenden Gatten, geschiedenen Mutter. zu Augsburg, später im Kanton Thurgau in der Schweiz. Während seine Mutter auf Schloß Arencirberg in stiller Zurückgezogenheit als Wohlthäterin der Armen lebte, folgte er seiner Neigung für militärische Studien und schrieb so- gar „ein Handbuch der Artillerie", welches von Männern des Fachs gerühmt wird. Als die französische Julirevolu- tion seine Hoffnung, die kaiserliche Familie nach Frankreich berufen zu sehen, nicht erfüllte, nahm er mit seinem altern Bruder Theil an einem bewaffneten Aufstande im Kirchenstaate und erkrankte, nachdem sein Bruder auf der Flucht gestorben war, in Ankona. Dort war er nahe daran, den Oestcrreichern in die Hände zu fallen, als ihn seine Mutter mit eigener großen Lebensgefahr rettete und über Paris und England nach dem Thurgau zurückführte. Dort erhielt er von den noch im Aufstande begriffenen Polen »

10. Geschichte der neuesten Revolution - S. 70

1861 - Eisleben Leipzig : Klöppel G. E. Schulze
70 Versammlung in der Nacht vom 15.—16. Juni das Zeug- haus. Schon in der Abenddämmerung des 15. Juni hatte ein Zusammenstoß mit Blutvergießen begonnen, in- dem eine Kompagnie der Bürgerwehr im Kastanienwäldchen, nahe dem Zeughause, auf einen Arbcitertrupp Feuer gab. Das wurde das Signal zu den grauenvollen Auftritten dieser Nacht. Die Wuth des Volks entflammte sich bei dem Anblick des vergossenen Bluts auf das Aeußerste, die Massen wuchsen auf den Straßen und Platzen, und ein tobender Racheschrei durchbebte die Menge. Die im Dun- keln schleichenden Gestalten der demokratischen Wühler er- schienen plötzlich und feuerten das Volk zu einer entschei- denden That an. Man tauchte Tücher in das frische Blut der Getödteten, befestigte sie an Stangen und trug sie als Fahnen durch die Straßen, um die ganze Stadt zum Auf- stand aufzufordern. Ein solcher Trupp mit rothen Blut- fahnen zog über die Königsbrücke und rief die Republik aus. Allein dieser Ruf fand keinen Anklang und verhallte unter den Schrecknissen dieser Nacht. Vor den andrängen- dcn Massen zog sich die am Zeughause aufgestellte Bürger- wehr in voller Auflösung zurück und ließ dasselbe ohne Schutz. Gegen Io Uhr besetzten zwar der bewaffnete Handwerker- verein und das Studentencorps die Pforten des Zeughau- ses, aber der Andrang war schon so stark, daß die Thüren zu krachen anfingen. Mit wahnsinnigem Geschrei verlangte man den Abzug des Militärs. Gegen 11 Uhr kamen noch Schaaren mit Pechfackeln an, die sie aus den benachbarten Feuerwachen geholt. Endlich wichen die Thüren des Zeug- hauses vor den gewaltigen, mit Balken geführten Stößen, und in einem furchtbaren Knäuel wälzten sich die Massen in die innernräume desselben, dort eine allgemeine Waffenplünderung beginnend, wobei auch die überaus kostbare Sammlung al- ter historischer Waffen genommen und unter das Volk ver- theilt wurde. Die alten Kriegsfahnen und Trophäen Preu- ßens, die mit dem edelsten Blute seiner Kinder erbeutet wor- den waren, wurden von diesen wilden Rotten von den Wänden herabgerissen und mit Füßen getreten. Alle im Zeughause befindlichen Gewehre, Säbel, Büchsen, Pistolen wurden ge- raubt und fortgeschleppt, ingleichen große Mengen von Spitzkugeln, die hier in Kisten aufbewahrt lagen, und jene vortrefflichen Zündnadelgewehre, deren Gebrauch noch ein Geheimniß war. Bis gegen Mitternacht war die Plün- derung des Zeughauses fortgesetzt worden, als es plötzlich
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