43. Schlaraffenland
1. Drei Meilen hinter Weihnachten liegt Schlaraffenland. Rings-
um ist ein großer Berg von buchen, der ist drei Meilen dick und wer in
das Land hinein will, muß sich erst durch den buchen essen. Die Häuser
in dem Lande sind mit Eierkuchen gedeckt. Die Türen und Fensterscheiben
sind von Pfefferkuchen und die Wände aus Speckseiten und Schweine-
braten. Um jedes Haus ist ein Zaun von Bratwürsten geflochten; sie sind
bald warm, bald kalt. Die Schweine sind rund und fett; sie laufen im Lande
gebraten umher und haben im Rücken gleich Messer und Gabel stecken.
Wer Lust hat, schneidet sich ein Stück ab, soviel er essen mag, und steckt
Messer und Gabel wieder hinein. Die Straßen sind mit Käse gepflastert,
und zwar mit Schweizerkäse, feinem Limburger Käse oder auch mit schö-
nem Harzkäse.
Wenn es regnet, so regnet es Honig, und wenn es schneit, so schneit
es Zucker; hagelt es aber, dann fallen Zuckerstückchen, Feigen, Mandeln
und große Rosinen vom Himmel.
2. Für durstige Leute ist eine wahre Lust im Schlaraffenland; denn
in allen Brunnen, Bächen, Seen und Strömen fließt der schönste Wein.
Wer den Mund an eine Brunnenröhre hält, dem läuft Schaumwein und
süßer Wein hinein. Die Fische schwimmen oben auf dem Wasser; sie sind
allezeit gebacken oder in Butter gebraten. Sie kommen so dicht an den
Rand, daß man sie mit den Händen fangen kann. Wer jedoch dazu zu
faul ist, der braucht sich nur auf den Rücken zu legen und den Mund auf-
zusperren, so fliegen ihm die gebratenen Hühner, Gänse, Tauben, Reb-
hühner und Wachteln hinein.
3. Die Tannenbäume sind mit Zuckermännern, Zuckerfrauen, Hörn-
chen, Pferdchen, Sternen, Ringen, schönen Apfeln, Nüssen, Pfannkuchen
und Waffeln geputzt. An den Weidenbäumen wachsen frische Semmeln;
die fallen in die Milchbäche, welche darunter fließen. Wer gern Semmel-
milch ißt, braucht nur den Löffel zu nehmen, der schon daliegt, und zu-
zulangen.
4. Die Bauern wachsen auf Bäumen an den Mauern; wenn sie reif
sind, fallen sie herab, jeder in ein Paar Stiefel. Auch die Hosen, Zacken,
Westen, Röcke, Mützen, Hüte, Schürzen wachsen an den Bäumen. Wer
zerrissene Kleider hat, der braucht nur bis an den Baum zu gehen, da ist
schöner Vorrat.
Auch ein Jungbrunnen ist vorhanden. Wenn die Alten darin baden,
werden sie wieder jung und schön, als ob sie sechzehn oder achtzehn Jahre
alt wären. Sind sie wieder alt, dann brauchen sie nur wieder in dem
Brunnen zu baden, und sie werden wieder jung.
6. Auch an Vergnügen und Kurzweil fehlt es nicht. Man schießt
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vielen Fasern durchzogene Fleischmasse von dem inneren, schwarzen und
harten Kern los. Die ganze zerstoßene Masse wird nun in eine mit vielen
kleinen Löchern versehene Kalabasse gebracht und samt dem Wasser, in dem
die Nüsse gekocht wurden, geseit. Die schwarzen Kerne samt den Fasern, die
in deni Sieb zurückbleiben, werden aus die Seite gelegt oder auch weggewor-
fen. Die reine, gelbe und ölhaltige Brühe wird in den eigentlichen Suppen-
topf gebracht und mit den nötigen Zutaten von Salz, Pfesserschoten, Fetri
oder Kaschokeln (das ist ein sehr eiweißhaltiges und nahrhaftes Gemüse) und
einigen getrockneten Fischen oder sonstigem Fleisch ein bis zwei Stunden
auf dem Feuer gekocht. Das ist die berühmte Palmölsuppe, die mit dem
Nationalgerichte der Togoneger, dem Fufu oder Jamsbrei, verzehrt wird.
5. Der Nutzen dieser Palmnuß erweist sich aber noch viel ausgiebiger
in der sehr einträglichen Olbereitung. Gewöhnlich werden die frischen
Palmnüsse in der Nähe des Dorfes auf einem freien Platz ausgebreitet, um
von der tropischen Sonne erhitzt zu werden. Das dauert so lange, bis sie
„schwitzen" oder, wie der Neger sagt, das Ol zuin Vorschein kommt. Sind
die Nüsse nach Wochen so weit, so werden sie in ein mit Steinplatten aus-
gelegtes Loch gebracht, das oben einen Durchmesser von 1 bis 2 irr hat,
etwa 1 m tief ist und sich nach unten hin verengt. Jetzt beginnt das Ge-
schäft der Frauen. Mit einem 2 in langen, nach unten zugespitzten Pfahle
stoßen sie das Fleisch von den Nüssen. Gewöhnlich stehen mehrere Frauen
um das Loch herum und stampfen aus Leibeskräften. Ist der harte Kern
von seinem Fleische befreit, so wird Wasser in die Grube gegossen. Dadurch
tritt das Ol an die Oberfläche und wird jetzt abgeschöpft. Die vielen
Fleischfasern werden noch, um sie gründlich vom Ol zu reinigen, mit den
Händen ausgerungen. Jetzt hat die Frau ihr ami mumu, d. h. frisches Ol.
Sind schlechte Nüsse mit ausgestampft worden, so schmeckt das Ol danach, und
nicht umsonst sagt der Neger in seinem Sprichwort: vsku deka kple deku
kata, d. h.: eine Palmnuß ist imstande, alle Palmnüsse zu verderben. Da
dieses frische Ol nun aber noch viel Wasser enthüll, so wird es aufs Feuer
gebracht und tüchtig gekocht, bis nur das reine Ol zurückbleibt. Dieses wird
nun noch um der feinen Fasern willen durch fein durchlöcherte Kalabassen
gesiebt. Dann wird das so fertig zubereitete Ol in große Tontöpfe ge-
bracht, mit einem Deckel geschlossen und mit Lehm gut verklebt. Ein
großer Teil dieser trüborangegelben Fettmasse wird von dem Neger selbst
im Lande verbraucht. Die Küstenbewohner sind, da die Olpalme bei ihnen
nur spärlich vorkommt, darauf angewiesen, dieses Ol für die Zubereitung
ihrer Speisen zu kaufen. Ihren Suppensaucen wird dieses reine Ol zu-
gesetzt und mit Akple, das ist ein aus Maismehl in Wasser gekochter,
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Stauden herabbücken müssen, sondern nur zuzugreifen brauchen, um
die zarten Büschel abzulösen.
6. Sobald ein Feld einmal abgeerntet ist, beginnt die Arbeit von
neuem, die zweite Ernte. Und dann zum drittenmal und, wenn der
Ertrag und Preis es rechtfertigt, wohl auch noch zum viertenmal.
Die gepflückte Baumwolle wandert nun zuerst nach dem „Ein", einer
Reinigungsmaschine, die ihren Ursprung einem Zufall verdankt. Whit-
ney, der Erfinder des „Gin“, das heißt der Auskernungsmaschine,
beobachtete eines Tages einen Zimmermann, als dieser mit einer Säge
ein Loch in eine Tür schnitt, hinter der Baumwolle aufgestapelt lag.
Die Säge zog beim Vor- und Rückwärtsbewegen Stränge von Baum-
wolle mit sich. Das gab ihm die erste Idee, und nach eifrigem Nach-
denken und Bemühen gelang es ihm, eine Maschine herzustellen, die
es möglich machte, die Baumwolle von Bast und Samen zu befreien,
eine langwierige, sehr kostspielige Arbeit, wenn sie mit der Hand
ausgeführt werden muß. Die Maschine ist folgendermaßen beschaffen:
Auf einer rasch umlaufenden Welle befinden sich zwanzig bis achtzig
Kreissägen, die mit ihren spitzen, schräg gestellten Zähnen durch
einen eng gestellten eisernen Rost durchgreifen, die auf einem Zu-
führtisch ausgebreitete Baumwolle erfassen und durch den Rost hin-
durchzerren, während die Samenkörner, an denen der Bast sitzt, ab-
springen. Es ist leicht begreiflich, daß langhaarige Baumwolle, die
kostbarste Sorte, bei diesem gewaltsamen Verfahren leicht zerrissen
wird. Um dieses zu vermeiden, wendet man jetzt meistens eine Walzen-
maschine an, wobei die Baumwolle zwischen zwei glatten oder ge-
riffelten Walzen hindurchgeht. Die Samenkörner können nicht folgen
und springen ab. Aus ihnen wird Öl gepreßt, das merkwürdigerweise
sehr oft den vornehmeren Namen „Olivenöl“ führen soll und den
Hausfrauen manchmal als „feinstes Tafelöl“ verkauft wird.
7. Nachdem die Baumwolle in dem „Gin“ gereinigt worden ist,
wird sie in Ballen gepreßt und diese mit eisernen Bändern umwunden,
deren Herstellung auch wieder einen ganzen Industriezweig bildet,
das Ganze in Jutesäcke genäht, und die Ausrüstung für die Welt-
reise ist fertig. Die Einkäufer für die Handlungen aus New Orleans,
Memphis, Charleston und den übrigen Stapelplätzen stellen sich ein,
treffen ihre Wahl und schließen Verträge ab.
8. Das Leben der Arbeiter während der Ernte ist, abgesehen
davon, daß die Arbeit in dem heißen Sonnenbrände anstrengend ist,
doch nicht allzu hart. Während des ganzen Tages folgen ihnen Karren
mit frischem Trinkwasser im Felde, die Mahlzeiten sind gut und reich-
lich, und man läßt ihnen Zeit, sie in Ruhe zu genießen. Das war
schon üblich in der Zeit „vor dem Kriege“. Heute wie damals sorgt
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macht es uns ein charakteristischer Geruch erkennbar, daß wir vor einer
Gummiwarenfabrik stehen. In mächtigen Lettern verkündetes eine Auf-
schrift über dem Haupteiugang, daß es die „Vereinigte Gummiwaren-
fabrik Harburg-Wien" ist, die sich vor unsern Augen ausbreitet. Nicht
weniger als 10 bis 16 000 Paar Gummischuhe, 8 bis 10000 Dutzend
Gummibälle und viele Hunderte von Gummireifen und -schläuchen für
Fahrräder und Motorfahrzeuge werden hier täglich hergestellt. Außer-
dem verfertigt die Fabrik sämtliche technische und chirurgische Gummi-
artikel, so zahlreich dieselben auch sind. Seien es Schläuche für Dampf,
Wasser oder Gas, seien es Treibriemen, Schnüre oder Flaschenringe,
seien es Radiergummis, Luft- und Wasserkissen, seien es wasserdichte
Regenmäntel, Gummihandschuhe oder Anzüge für Taucher — alles wird
in diesem umfassenden Betriebe in großem Maßstabe hergestellt. Und
wie große Mengen von fertigen Waren sind in den großen Speichern
und Lagerräumen aufgetürmt! Ist man doch z. B. imstande, sofort eine
ganze Armee mit Gummifußbekleidung auszurüsten. Über 1800 Menschen
finden in dieser Fabrik lohnende Beschäftigung. Eine andere Gummi-
warenfabrik Harburgs, in der etwa 700 Arbeiter tätig find, stellt vor-
wiegend Hartgummiwaren her: Kämme, Pfeifen und Zigarrenspitzen
u. dgl. Eine einzige Maschine formt hier täglich 25 bis 30000 Zigarren-
spitzen.
4. Doch die Gummiindustrie bildet nur einen Teil der Harburger
Fabriktätigkeit; ebenso bedeutungsvoll, ja noch bedeutungsvoller ist die
Ölfabrikation. Mit diesen: Gewerbezweige nimmt Harburg unter allen
Städten Europas die erste Stelle ein. Harburg hat fünf große Ölfabriken,
in denen 12 bis 1300 Personen beschäftigt sind. Lein- imd Rapssamen,
Palmkerne, Kokos- und Erdnüsse sind die Rohstoffe, aus denen Öl her-
gestellt wird. Durch gewaltige Pressen, die den ungeheuren Druck von
600 000 kg auszuüben vermögen, wird das Öl aus den Rohstoffen heraus-
gepreßt. Täglich werden etwa 300 bis 350 Tonnen Ol gewonnen. Betritt
man den Hof- oder Lagerraum einer Olfabrik, so sieht man wahre Berge
von Oltonnen aufgeschichtet. Rüböl und Erdnußöl werden vorzugsweise
als Speiseöl benutzt, Leinöl gebraucht der Maler bei der Herstellung von
Farben, Palmkern- und Kokosöl verwendet man besonders zur Bereitung
von Seife. Die Rückstände beim Ölpressen, Leinkuchen und Palmschrot,
sind ein vorzügliches Viehfutter.
5. Eine großartige Fabrikanlage ist auch die Iutespinnerei und
-weberei, in der über 1700 Personen Arbeit finden. Die Jute ist eiue
Gespinstpflanze wie Flachs und Hanf; sie wächst in den feuchtwarmen
Gegenden Ostindiens. Ihre Bastfasern sind noch gröber und spröder als
die des Hanfes. In der Harburger Iutefabrik bereitet man aus ihnen
vorzugsweise Sackleinen und Säcke für die Verpackung von Wolle, Baun:-
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Extrahierte Ortsnamen: Harburg Europas Harburg Ostindiens Harburger_Iutefabrik