1829 -
Darmstadt
: Heyer
- Autor: Pistor, Ernst Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Physische Geographie.
79
ren, Häringe, Stockfische, Wallfische. — e) In der
kalten Zone gibt es wenige Thiere, außer dem höchst
nützlichen Rcnnlhiere, Füchse, Baren, Eisbären, See-
hunde, Wallrosse, kleinere Pelzthiere, z. B. Zobel, Her-
meline; Eidergänse, Eisvögel und eine Menge von
Fischen.
2) Aus dem Pflanzenreiche, und zwar:
a) In der heißen Zone: Reis, Mais, Spelt, Süd-
früchte (Citronen, Pomeranzen, Sinaäpfel, Granatäpfel,
Feigen, Mandeln. Datteln rc.), Oliven, Kokusnüsse,
Brodfrnchtbäume, Palmen, Wein, Kaffeh, Thee, Zucker.
Die dieser Zone ganz eigenen oder tropischen Ge-
wächse sind: Gewürze (Nelken, Muskatnüsse und Blü-
then, Zimmet, Pfeffer, Vanille, Kakao rc.) Arzneipflan-
zen, Indigo, Myrrhen, Aloe, Ananas, kostbare Holzar-
ten. — b) In der nördlichen gemäßigten Zone:
Im Süden etwas Zuckerrohr, Lorbeerbäume, Korkholz,
eßbare Eicheln, Melonen, Safran, Südfrüchte, Baum-
wolle bis zum 43°; der Olivenbaum bis zum 46°; Reis
bis zum 47°; Wein, Mais und Kastanien bis zum 50°;
Wallnüsse, Pfirsiche, Aprikosen und Quitten bis zum 52°;
Aepfel, Birnen, Hirse, Hopfen bis zum 55°; Pflaumen
bis zum 58°; Weizen, Kirschen und Kartoffeln bis zum
60°; Taback, Hanf und Flachs (Lein) bis zum 63°;
Korn und Hafer bis zum 65°; Holz zum Brennen und
Bauen bis zum 67°.— c) In der nördlichen kal-
ten Zone: Noch dürftig etwas Roggen und Hafer
bis zum 69°; Weiden und Birken, zuletzt ganz niedrig
und verkrüppelt, bis zum 70°; außerdem nur becrentra-
gende Pflanzen, Rennthiermoos und Farrenkrautcr.
Der Mangel an Holz wird hier durch Treibholz ersetzt.
3) Aus dem Mineralreiche, dessen Erzeug-
nisse, über die ganze Erdoberfläche verbreitet, dem Erd-
boden selbst angehören: Erdige Mineralien (Erden
und Steine): Rubin, Sapphir, Smaragd, Topas, Kar-
neol, Porzellan-, Thon - und Walkercrde, Röthcl, Schie-
1829 -
Darmstadt
: Heyer
- Autor: Pistor, Ernst Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
80
Physische Geographie.
fer, Traß, Meerschaum, Asbest, Kreide, Kalkstein, Mar-
mor, Gyps, Alabaster, Sandstein; Salze: Salz, Sal-
miak, Alaun, Vitriol, Salpeter, Borar, Natrum; Erd-
harze oder brennbare Milleralien: Schwefel, Bernstein,
Bergöl, Naphtha, Erdpcch, Steinkohle, Reißblei, Dia-
mant; Metalle, und zwar edle: Platina, Gold, Sil-
der; unedle: Kupfer, Eisen, Blei, Zinn, Quecksilber,
Zink, Kobalt, Arsenik rc.
Die meisten Produkte dieser drei Reiche sind zum
Nutzen und Vergnügen der Menschen vorhanden; man
theilt sie daher nach der Art ihrer Benutzung verschieden
ein. Hiernach gibt es: 1) 2 a g d p r o d n k t e: Wild
(thcils zur hohen, thcils zur niedern Jagd gerechnet)
und Pelzthiere, welche Fleisch, Häute, Felle, Hörner,
Fett, Federn, Eier rc. zu mancherlei Gebrauche liefern.—
2) F i s ch e r e i p ro d uk t e; Wall fische, Seehunde, Härin-
ge, Stockfische, Thunfische, Sardellen, Lachse, auch Krebse,
Austern, Muscheln; sie liefern Fleisch, Speck, Thran,
Wallrath, Fischbein, Häute, Perlen und Korallen. —
3) Viehzuchtprodukte: alles zahme Vieh (sowohl
Rennthiere, Kamceke, Lama's und Hunde, als Pferde
und Esel, Ochsen und Büffel, Schafe, Ziegen und
Schweine), auch zahmes Federvieh aller Art; sie liefern
Fleisch, Häute, Haare, Wolle, Borsten, Federn, Käse,
Milch, Butler, Fett, Hörner, Knochen (auch Seide,
Honig und Wachs). — 4) Waldprodnkte: Wald-
vder Forstbäume (thcils Laub- theils Nadelholz), welche
Brenn-, Bau- und Tischlerholz, Kohlen, Potasche, Harz,
Theer, Kienruß, Terpenthin rc. liefern. — 5) Feld-
bauprodukte, zur Nahrung und Kleidung dienend,
als: Getreide (nicht bloß Weizen, Roggen, Gerste, Ha-
fer, Spelt, Buchweizen oder Haidckorn, sondern auch
Jeeis, Mais und Hirse), Flachs, Hanf, Taback, Kartof-
feln, Hülsenfrüchte, Kohl und Rüben; letztere werden
auch in Gärten angebant. — 6) Gartenbauprodukte:
Gemüse, Schotengewachse, Zwiebeln, Knollengewächse,
1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
129
153. Der schreckliche Sturm in Westindien im Jahr 1780.
Dieser Sturm, welcher unter die furchtbarsten Naturerscheinun-
gen des vorigen Jahrhunderts gehört, verheerte um die Mitte des
Jahrs 1780 alle Antillen, besonders aber die Inseln Barbados und
Jamaika. Um acht Uhr Morgens brach der Sturm ans und wüthete
acht und vierzig Stunden unaufhörlich fort. Die Schiffe, welche
in den Häfen vor Anker lagen und sich in völliger Sicherheit
glaubten, wurden von ihren Ankern gerissen, in die hohe See ge-
trieben und dort der Gewalt des Sturmes Preis gegeben. Die
Lage der Bewohner der Inseln war noch trauriger: denn in der
folgenden Nacht verdoppelte sich die Wuth des Sturmes. Häuser
stürzten ein, und die größten Bäume wurden mit ihren Wurzeln
ausgerisfen. Menschen und Thiere irrten umher, oder wurden
unter den Trümmern begraben. Die Hauptstadt der Insel Jamaika
wurde fast dem Boden gleich gemacht. Die prächtige Wohnung
des englischen Statthalters, deren Mauern drei Fuß dick waren,
wurde bis ans den Grund erschüttert und drohete jeden Augenblick
einzustürzen. In den Häusern bemühete man sich, die Thüren und
Fenster mit Riegeln zu befestigen, um den Windstößen zu wider-
stehen; aber alle Anstrengungen waren vergebens. Die Thüren
wurden ans den Angeln gehoben, die Balken auseinander gerissen,
und die Wände spalteten sich. Tie unglücklichen Bewohner irrten
ohne Zufluchtsort und Hilfe verzweiflungsvoll umher. Viele wur-
den zerschmettert unter den Trümmern ihrer Wohnungen; Andere
ertranken in den von dem Orkan auf das Land geworfenen, unermeß-
lichen Gewässern; noch Andere wurden von Sand- und Staub-
wolken erstickt. Die dicke Finsterniß, die häufigen Blitze, das
unaufhörliche Rollen des Donners, das furchtbare Sausen des
Windes und Regens, das herzzerreißende Geschrei der Sterbenden,
das Klagen und Jammern derjenigen, welche ihnen nicht zu Hilfe
kommen konnten, das Geheul der Mütter und Kinder: alles dieses
schien den Untergang der Welt anzukündigen.
Endlich enthüllte der wiederkehrende Tag den Blicken derer,
welche diese Schreckenstage überlebt hatten, ein Schauspiel, welches
sich die Einbildungskraft kaum zu entwerfen vermag. Die vorher
so reiche und blühende Insel Barbados mit ihren herrlichen Ländereien,
schien plötzlich in eine jener Gegenden am Pol verwandelt zu seyn,
wo ein erpiger Winter herrscht. Es stand kein Hans mehr; überall
sah man nur Trümmer und Verwüstung. Die Bäume waren ent-
wurzelt; die Erde war mit Leichnamen von Menschen und Thieren
bedeckt; selbst die Oberfläche des Landes hatte ihr Ansehen verändert.
Man sah blos Schlamm und Sand; die Gränzen der Ländereien
waren verschwunden, die Gräben ausgefüllt und die Wege durch
entstandene tiefe Abgründe zerschnitten.‘ Die Zahl der Todten belief
sich aus mehrere Tausende, außer denen, die unter den Trümmern
ihrer Wohnungen verschüttet oder von den Wogen fortgerissen wor-
- - 9
1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
232
zur Wohnung, zu Geräthschaften und Werkzeugen, zum Brennen,
Heitzen, Kochen, Schmelzen^ zum Lösen und Ueberstreichen, zum
Leuchten, zum Färben, zum Reinigen. Welche Maunichfaltigkeit
der Anwendung, <
Einige derselben gefährden die Gesundheit, das Leben; sie
wirken als Gifte, Pflanzengifte, die jedoch auch als Arznei - und Heil-
mittel gebraucht werden, wie im Gegentheil Speiße und Trank
auch, im Uebermaß genossen, als Gift der Gesundheit nachtheilig
wirken können. Meide Gifte und geistige Getränke. Betrachte
aber nicht blos die Pflanzenwelt als Futter- und Arzneikasteu für
Menschen und Vieh, flieh auch nicht vor allen Pflanzen als sey
die Pflanzenwelt nur aus Giftpflanzen zusammengesetzt, sondern
gedenke, so viel Pflänzleiu, so viel Fingerzeige zum Himmel hinauf,
so viel Beweise der Liebe und Allmacht unsers Gottes, darum
wachsen sie dem Himmel zu.
260. Lebensdauer der Pflanzen.
Die Lebensdauer der Pflanzen ist sehr verschieden. Viele
Pflanzen dauern nur ein Jahr, andere mehrere Jahre und noch
andere Jahrhunderte. So dauert -die Eiche über ein halbes Jahr-
tausend; im Schatten ihrer Zweige erfreuen sich mehr denn zwölf
aufeinander folgende Menschengeschlechter. Doch wie hinfällig und
flüchtig ist ihre Lebensdauer gegen den afrikanischen Affenbrodbaum
(Baobab, Adansonia)! Dieser Baum wächst in den warmen,
feuchtsandigen Uferlandschaften des Senegal, hat oft einen Umfang
von achtzig bis hundert Fuß, und breitet fünfzig Fuß lange
Zweige über die Thäler. Noch blühen dort Bäume, die schon
blühten, ehe Christus geboren ward. Ja man hat ihrer gefunden,
die ein unverkennbares Alter von 3—4000 Jahren hatten und
noch kräftig grünten.
Was ist daneben des Menschen flüchtiges Leben? Wir staunen
den Greis an, welcher über sein erstes Jahrhundert hiuwegdauert.
— Aber Eiche und Affenbrodbaum sinken nach Jahrhunderten und
Jahrtausenden in den Staub, und nach Jahrhunderten und Jahr-
tausenden sind sie nicht vollkommner, als sie in ihren ersten Jahr-
zehnten waren. Der Mensch hingegen entwickelt seine wunderbaren,
hohen Geisteskräfte mit Schnelligkeit, wie er die Brust der Mutter
verläßt. Er ist mehr als die stumme, gedankenlose Pflanze. Ein
Tag seines Daseyns wiegt das Jahrtausend vom Leben einer Pflanze
auf. Er ist Geist. Er denkt Gott. Er erkennt die Ewigkeit
seiner Bestimmung. Er unterscheidet sich von dem Leib, der ihn
umhüllt, und welcher, gleich der Pflanze, eine kurze Zeit blühet,
dahinwelket und stirbt. Was ist das Leben des mehrtausendjährigen
Baobus gegen die Unsterblichkeit des menschlichen Geistes? Weni-
ger, als ein Augenblick! Er ist daneben nichts mehr, als die
Dauer der Schimmelschwämme, die gleich nach ihrem Entstehen
wieder in Fäulniß fallen und vergehen.
1844 -
Darmstadt
: Ollweiler
- Hrsg.: Nister, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
348
Ihr Männer, die ihr von dem Nacken
Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
Das ihr, aus deutschem Korn gebacken,
Geröstet habt auf deutschem Heerd;
Und ihr, im Schmuck der langen
Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und
schlank,
Wie sorgsam stellt ihr Krug' u. Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
Das sind dieselben Töpf' und Krüge,
Oft an der Heimath Born gefüllt;
Wenn am Missouri Alles schwiege,
Sie malten euch der Heimath Bild;
Des Dorfes steingefaßte Quelle,
Zu der ihr schöpfend euch gebückt;
Des Heerdes traute Feuerstelle,
Das Wandgesims, das sie geschmückt.
Bald zieren sie im fernen Westen
Des leichten Bretterhauses Wand;
Bald reicht sie müden braunen Gästen
Voll frischen Trunkes, eure Hand.
Es trinkt daraus der Tscherokese,
Ermattet, von der Jagd bestaubt;
402. Recept
Durch Arbeit, Müh' und Schwitzen,
Nicht müßig faules Sitzen;
Durch Sparen und recht Hausen,
Nicht Prassen, Saufen, Schmausen
Durch mühsam Strapazieren,
Nicht müßiges Spazieren;
Durch Fasten, Beten, Wachen,
Nicht Schlafen, Fluchen, Lachen;
Durch Hoffen, Dulden, Warten,
Nicht Würfel, Spiel und Karten;
Durch Hebel, Art und Hammer,
Nicht Seufzen, Klage, Jammer;
Nicht mehr von deutscher Nebenlese
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
O sprecht! warum zogt ihr von
dannen?
Das Neckarthal hat Wein und Korn,
Der Schwarzwald steht voll finstrer
Tannen,
Im Spessart klingt des Aelplers Horn.
Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nach der Heimathsberge Grün,
Nach Deutschlands gelben Weizen-
feldern,
Nach seinen Nebenhügeln zieh'n!
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend weh'n!
Gleich einer stillen, frommen Sage,
Wird es euch vor der Seele fteh'n.
Der Bootsmann winkt! — zieht hin
in Frieden!
Gott schütz' euch, Mann und Weib
und Greis!
Sey Freude eurer Brust beschieden,
Und euren Feldern Reis und Mais.
zum Reichwerden.
Durch Hacke, Sens' und Pflug,
Nicht aber Schnapps im Krug;
Durch Pflügen, Graben, Schanzen,
; Nicht Jagen, Jubeln, Tanzen;
Durch einfach stilles Wesen,
Nicht Kartenspiel und Chaisen;
Durch Schaffen um die Wette,
Nicht Lotterie-Billette;
Durch Klugheit, Fleiß und Muth —
Kömmt man zu Geld und Gut.
403. Unmuthige Geschichte von drei Söhnen eines
Bettlers, die endlich reiche Herren geworden sind.
Es gibt allerlei Arbeiten, die der ärmste Mann ohne Mühe
anfangen kann, um sein Brod zu verdienen und Weib und Kinder
zu ernähren; wer nur aufmerksam, fleißig und sparsam ist, der
verdirbt in der Welt nicht. Das beweiset die Geschichte von Hans-
jörg Schmid.
Der alte Hansjörg war ein Bettler, der in Kriegsdiensten
ein Bein verloren. Er ging noch vor mehreren Jahren von Hans
zu Haus in den Dörfern am Bodensee, bald zu Fischbach, bald
zu Selmannsweiler u. s. w., um Brod zu betteln. — Jetzt aber
sitzt der alte Hansjörg als ein reicher Mann im Lehnstuhl, und
die Leute wundern sich seiner, und Niemand weiß, woher er es
hat. Da sagt der Eine: er hat einen Schatz gefunden! — Nein,
schreit der Ändere, der Drache hat es ihm durch den Schornstein
1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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— 243 —
Binsen spärlich hervor, und die ftarrlinigen, widerlichen
Einschnitte der Torfgräber sind die einzige Menschenspur,
die man da antrifft. Eine gar merkwürdige Erscheinung
der norddeutschen Fläche ist das hohle Land, das an
der Westseite des Hammeflnsses, aber auch an der Wüm-
me, am häufigsten vorkommt. Die dicke Mvvrdecke wird
nämlich von dem unter ihr stockenden Gewässer, wenn
dieses starken Zufluß erhält, mit Gebäuden, Bäumen und
allem, was darauf ist, wohl 10 bis 12 Fuß hoch empor
gehoben, und zittert dann unter den Tritten des Wande-
rers. Auch jenseits der Weser breitet sich eine ungeheu-
re Mvormasse nach der Nordsee und der Ems hin, ja
bis in's Holländische hinein, nur wenig unterbrochen,
ans, die zwischen Oldenburg und der nördlichen Masch
Ostfrieslands als H v d> moor an 20 Fuß über dem Mee-
resspiegel sich aufbläht. Hier liegt das Saterland,
dritthalb Meilen lang und eine Meile breit, ringsher
von fast unzugänglichem Moor umgeben, gleich einer In'
sel, von einem in Sprache, Sitten und Verfassung ei-
genthümlichen Menschenschläge bewohnt. Westlich davon
bietet die durch Tvrfgräberei und Handel allmählig groß
und reich gewordene Vehnkolonie, Papenburg, das
überraschende Bild eines vielfach belebten Movrgcfi.ldcs
dar. Aber wenige Stunden südlich starrt, von undurch-
dringlichen Mooren eingefaßt, der Hümlrng, ein un-
geheurer Sandwulst von mehr als 5 Meilen im Umfan-
ge und bei 200 Fuß hoch, ohne Strauch und Baum,
blos von kleinen Kieseln und spärlicher Haide überdeckt,
der Inbegriff der traurigsten Oede, völliger Abgestorben-
heit. Oft fährt der Sturm brausend in die erschreckliche
Wüste, wühlt sie auf, führt den Sand in dichten Wol-
ken fort, und schichtet ihn an einer andern Stelle, nicht
selten 100 Fuß hoch, auf. n*
1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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— 244 —
Also das deutsche Flachland nach dem Gestade der
Nordsee hin: öde, mager, und selbst in den üppigsten
Maschstrichen einförmig und ohne Reiz für die Phantaste.
Nur oberhalb den Städten Hanover, Braunschweig und
Magdeburg, gegen den Harz hin, durchstreichen Bcrg-
und Hügelreihen, häufig mit Waldungen geschmückt, ein
an Obst und Getraide reiches Land, das nach langweili-
ger Wanderung durch Sand, Moor und Haide wohl pa-
radiesisch erscheinen kann. Jenseits der Elbe giebt es
zwar ebenfalls Sand, Moor und Haide im Ueberfluß;
allein man findet daselbst auch viele, durch Fruchtbarkeit
ausgezeichnete Gegenden, und einige, die man lieblich,
ja schön nennen darf. So haben Mecklenburg und Pom-
mern zum Theil sehr ergiebiges Fruchtland, starken Obst-
bau, herrliche Waldungen, ja an dem Ruh über ge bei
Marnitz 577, an dem Gölten berge bey Köslin, 390
Fufi hoch, wenigstens eine Art von Bergen. Lieblich ist
der mit schöner Waldung bekränzte Aschenberg am
Ptönersee im östlichen Holstein, und auf der waldigen
Höhe des Westen se es bietet dem Wanderer sich ein
vielleicht noch lieberer Anblick dar. Aber das Paradies
der norddeutschen Ebene ist Rügen, die größte Insel
unsers Vaterlandes, voll grotesker und romantischer Ge-
genden, mit fruchtbarem Boden und prächtiger Buchen-
waldung. In den seltsamsten Gestalten hebt die Stub-
benkammer, ein Kreidegebirge, sich schroff aus den
Fluthen der Ostsee empor, und erreicht in dem Königs-
stuhl eine Höhe von 565 Fuß. Das Vorgebirge Ar kö-
nn bezeichnet, wie schon erwähnt wurde, die nördlich-
ste Spitze des deutschen Landes.
Deutschland ist an Gewässern reicher, als irgend
ein europäisches Land. Drei Meere setzen es mit den
entferntesten Völkern in nachbarlichen Verkehr, und das
1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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— 379 —
die Rhein lande, Westphalen und Schlesien das meiste
Rindvieh. Den glänzendsten Zweig der Viehzucht macht
indeß die Zucht der Schafe aus, welche iu allen Provin-
zen, besonders in Sachsen und Schlesien, mit vieler
Sorgfalt getrieben wird und eine der spanischen und eng-
lischen wenig nachstehende Wolle liefert. An Schweinen
besitzen Sachsen, Westphalen und die Rheinlande die zahl-
reichsten Heerden; aber auch iu Brandenburg und Pom-
mern giebt cs beträchtliche. Die Federviehzucht reicht im
Ganzen für das Bedürfniß zu. Dagegen fehlt cs, wenn
gleich Fluß - und Teichfische in Menge vorhanden sind, an
Seefischen, besonders an Häringen und Stockfischen. Die
Bienenzucht ist im Ganzen nicht unbedeutend und die Zucht
der Seidenraupen macht von Jahr zu Jahr Fortschritte.
Die in mehreren Provinzen, namentlich in Schlesien,
Brandenburg, Pommern und den Rheinlanden, äußerst
beträchtlichen Waldungen werden überall höchst sorgfältig
benutzt, svrstmäßig gepflegt und geschont und durch Nach-
pflanzungen zu erhalten gesucht. An Obst sind Sachsen,
Pommern, Schlesien und die Rhein - und Moselgegenden
am reichsten und am Rhein, an der Mosel, der Nahe, der
Saar und der Aar hat der Weinbau die weiteste Ausdeh-
nung, wiewohl man ihn auch an der Saale, in Schlesien :c.
strichwcis betreibt. Der in den gebirgigen Gegenden ziemlich
ausgedehnte Bergbau wird mit großer Umsicht betrieben.
Der Gewinn an Gold in Schlesien ist unbeträchtlich, da-
gegen schätzt man den Gesammtbetrag des Silbers auf
20,000 Mark. Blei wird am reichlichsten in Oberschlesien,
Niederrhcin und Westphalen; Kupfer in Sachsen, West-
phalen und Niederrhein; Galmei in Niederrhein; Arse-
nik und Kobalt in Schlesien; Eisen, das wichtigste Me-
tall des preußischen Bergbaus, überall, selbst im Flach-
lande, wo cs wenigstens Sumpf- und Raseneisenstein
1839 -
Reutlingen
: Fischer
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— 485 —
Main, der Nidda und Lahn bewässert und hat ein m den
Thälern und an den südlichen und westlichen Bergabhäu-
gcn sehr mildes und angenehmes, aber auf den Höhen
der Gebirge rauhes Klima. Die wichtigsten Produkte sind
Hausthiere, Wildpret, zahmes und wildes Geflügel,
Fische und Bienen,- Gctraide, Wein, Obst, Tabak,
Flachs, Hanf und Holz; Silber, Kupfer, Ersen, Mar-
mor, Thon, Braunkohlen und etwas Salz. Vor allen
zeichnet sich Nassau durch einen Reichthum an Mineral-
bädern und Gesundbrunnen ans, die zum Theil, wie
die Bäder zu Wiesbaden, Langenschwalbach und Schlau-
genbad und die Sauerbrunnen zu Niedcrsektcrs, Fachin-
gcn und Geilnau, zu den berühmtesten in Deutschland
gehören. Obgleich der Ackerbau auf 702,331 Morgen
getrieben wird, fo reicht der jährliche Getraideertrag doch
kaum für die starke Bevölkerung aus, da den nördlichen
Gebirgsstrichen und den weinreichen Gegenden am Rhein
in der Regel das nöthige Brotkorn abgeht. Von Han-
delspflanzen baut man nur bedeutend viel Flachs und
Rübsamcn. Obst wirb nicht nur in großer Menge, son-
dern auch von vorzüglicher Feinheck gewonnen. Noch ein-
träglicher ist der Weinbau, unter dessen Gewächsen der
Hochheimer, Johannisberger, Rüdesheimer, Markebrun-
ncr, Stcinberger, Gräfenberger, Rauenthaler, Gcis-
senheimer und der rothe Aßmannshäuser ausgezeichneten
Ruf haben. Er wird auf 15,498 Morgen von 27,684
Fmnilien betrieben. Die Waldungen nehmen 739,112
Morgen ein. Von den verschiedenen Zweigen der Vieh-
zucht, die durch Futterkräuterbau, 196,087 Morgen Wie-
sen und 106,991 Morgen Waiden sehr befördert wird,
ist die Hornvieh- und Schweinezucht am beträchtlichsten»
Man zählt über 9000 Pferde, an 170,000 Stück Rind-
vieh, etwa 169,000 Schafe, 54,000 Schweine und 8000
1839 -
Reutlingen
: Fischer
- Autor: Gebauer, Christian August
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ueralquellen, unter denen der Wein- und der Stahlbrunnen
die beliebtesten sind. Schlangenbad zeichnet sich durch seine
warmen Quellen aus. Idstein, am Fuße des Taunus, hat
ein Pädagogium, Gerbereien und eine landwirthschaftliche Ge-
sellschaft. Kronberg, am Fuße des Feldbergs reizend gele-
gen treibt starken Obst- und Kastanienbau und Oberursel,
mit 2100 Seelen, liegt ebenfalls in einer sehr obstreichen Gegend.
Das Herzogthum Anhalt-Dessau.
Dieses, von Preußen umschlossene und durch die
Elbe, Mulde und Ruthe bewässerte, völlig ebene Land,
das auf 16 % Geviertmcilen 65,000 evangelische, 600
katholische und 1200 jüdische, mithin 66,800 Einwohner
in 8 Städten, 2 Marktflecken und 101 Dörfern zählt,
bringt Getraide aller Art, Futterkräuter, Hülsenfrnchte,
Rübsamen, Gemüse, Flachs, Hanf, Hopfen, Tabak,
Krapp, Obst, Hvlz, Hausthiere, Wild, Fische, Bie-
nen, Thon, Porzellanerde, Schiefer, Steinkohlen rc.
hervor und hat Tuchweberei, einige Tabaksfabriken, Oel-
und Schneidemühlen, 1 Papiermühle, Theerofen, eine
Wachsbleiche, ziemlich starke Bierbrauereien, Brannt-
weinbrennereien und als Nebengcschäft Garn. und Woll-
spinnerei. Die Ausfuhr besteht in Getraide, Rüböl,
verschiedeuen Produkten der Viehzucht, Wild, Fischen,
Obst und Holz. Die Staatsvcrfassnng ist, wie in Bern-
burg und Köthen, monarchisch mit alten Landständen.
Die Staatseinkünfte belaufen sich auf 710,000 Gulden.
Der Herzog, jetzt Leopold, hat auf der Bundesver-
sammlung mit Bernburg, Köthen, Oldenburg, Rudol-
stadt und Sondcrshausen gemeinschaftlich die 15te Stelle
und stellt 529 Manu als Buntcskontingent.
J